Montag, 30. April 2012

42 Kilometer fleischlos














Wenn an einem Sonntag morgens um 7 Uhr die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt sind, dann droht irgend eine Großveranstaltung. Wenn ungefähr die Hälfte der Fahrgäste mit seltsamen Tüten hantiert, in denen sich Energieriegel, Energiegetränke und ähnlicher Schnickschnack befinden, dann kann es sich nur um eine sportliche Großveranstaltung handeln, in diesem Fall war es der Hamburg Marathon, bei dem ich schon immer mal fotografieren wollte.

Dabei geschah das diesmal rein zufällig, denn eigentlich hatte ich es auf den Fischmarkt abgesehen, und für Fotos vom Fischmarkt muss man entweder früh aufstehen oder die Nacht durchmachen, was mit einer kompletten Fotoausrüstung recht umständlich ist. Aber gleichzeitig mit dem Marathon hieß doppelte Ausbeute zum halben Preis, denn dadurch muss ich nur einen Sonntag im Jahr den Wecker auf eine eigentlich unmögliche Zeit stellen. Um Zeit zu sparen bin ich möglichst weit gefahren, hab die Karre am Straßenrand abgestellt und den Rest mit der U-Bahn erledigt.

Und da hab ich festgestellt, ich hatte bisher eine völlig falsche Vorstellung von Marathonläufern. Merkwürdige, athletische, hagere Asketen mit bunten Ganzkörperkondomen und furchtbaren Schuhen, die jeden Tag locker um den Stadtpark oder die Alster joggen, so etwas in der Art. Aber nicht unbedingt Menschen, die vor der U-Bahn Treppe noch schnell eine letzte Zigarette durchziehen, oder bei deren Gewichtsklasse jeder Arzt von Laufen als Sportart abraten würde. Bei mancher Figur hab ich mir gedacht, mangelndes Training mit mehr Energieriegeln kompensieren zu wollen, das ist keine besonders gute Idee.  
Zwei Stunden später war ich mit dem Fischmarkt fotografisch durch, hab mir ein Frühstück mit zwei Krabbenfrikadellen und nem heißen Kaffee gegönnt, und einen Platz gesucht der ein wenig Action mit Wasser versprach.

Da ich zu spät war konnte ich nicht sehen, in welcher körperlichen Verfassung sich Profis nach zehn Kilometern befinden, aber fotografisch bieten Amateure ohnehin deutlich mehr Abwechslung. Die Verbissenen, für die gerade der Kampf mit dem inneren Schweinehund begann, die Witzbolde, die in seltsamen Kostümen liefen und nebenbei noch Zeit hatten ihre Mitläufer anzufeuern, die lockeren Jogger mit Walkman (oder wie immer die Dinger heute heißen) und die Läufer mit Botschaft. Der eine läuft für seine Partei oder seinen Verein, der nächste für den Weltfrieden, und mancher teilt auch nur mit, welche Art der Ernährung er für seinen Marathonlauf bevorzugt. Der ganze Spaß wurde untermalt von Shanties und Hamburger Folklore in einer Lautstärke, die sich auch beim Wacken Open Air durchgesetzt hätte. Das dafür verantwortliche Trio hab ich allerdings erst entdeckt, als ich die Büsche auf der anderen Straßenseite näher in Augenschein nahm.

Ob der Schlussläufer die 42 Kilometer fleischlos überstanden hat würde mich allerdings schon interessieren, für das bis dahin überstandene Viertel der Wegstrecke hat er auf jeden Fall meinen tiefsten Respekt.

Genau wie die ganzen erschöpften und trotzdem strahlenden Gesichter auf dem Rückweg, die ihre dicke Medaille mit einigem Stolz um den Hals trugen. Dass der Hamburg Marathon bei Läufern so beliebt ist kann ich inzwischen nachvollziehen, sogar die Hamburger Stadtreinigung am Ende wurde noch frenetisch bejubelt. 
Die olfaktorische Belästigung, die ich nach dem Bericht bei Inchtomania befürchtete, kann ich übrigens nicht bestätigen. Kann aber auch an der steifen Brise gelegen haben die hier oben weht.

Marathonplatte des heutigen Abends: Tom Waits - Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards















5 Kommentare:

  1. Oder daran, dass Du nicht mit dem Fahrrad mitgefahren bist. Denn als ich am Straßenrand STAND, da war das völlig ok, aber als ich MITgefahren bin...!
    Schöne Bilder übrigens und was die Figürlichkeiten betrifft, so erzählte mir mal ein Kumpel, der den Quatsch mit macht, dass er manchmal Leute sieht, wo er sich auch denkt "Das geht doch gar nicht" und die kommen doch ins Ziel. Am schlimmsten sei es wohl, wemn Menschen mit Laufstilen, die wohl gar nicht gehen, ihn überholen. Aber ich glaube das ist eher ein männliches Problem...

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  2. Ich habe gerade gehört, dass da jemand mitgelaufen ist, den ich sehr schätze.
    Auf deinen stimmungsvollen Fotos ist er leider nicht drauf - irgendwie "kuhl"
    finde ich den Veganer, der erinnert mich irgendwie an einen Münsteraner Wiedertäufer
    oder an einen Geissler aus der gleichen Zeit - tröstlich, dass manches offensichtlich
    nie ausstirbt ;-))

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  3. Inch, die Laufstile waren teilweise wirklich etwas merkwürdig, aber wenn man damit klarkommt..
    Nach dem Lauf scheinen jedenfalls alle gleich geduscht zu haben, denn auch in der U-Bahn war von Geruchsbelästigung nichts zu spüren.

    Herr Ärmel, da sind noch etwa 150 andere Fotos auf der Festplatte, wenn Du die Startnummer deines Bekannten in Erfahrung bringst kann ich mal gucken.

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  4. Hallo Herr Beebleblox
    Ich hoffe Sie lesen das hier noch, ich habe leider keine Mailadresse von ihnen gefunden. Auf einem der Fotos habe ich meinen Mann wiedererkannt und wollte fragen, ob ich dieses Foto in Originalgröße bei Ihnen erwerben kann, in welcher Auflösung das vorhanden ist, und was so etwas kosten würde.
    Liebe Grüße aus Lübeck von Susanne Thiel.

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  5. Eine Mailadresse gibt es in meinem Profil oder auf der Startseite von donnergurgler.com, sie ist allerdings nicht anklickbar. Die Originale haben eine Auflösung von 12 Megapixel und kosten tuts garnix, ich freu mich wenn sich jemand freut.

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