Montag, 30. Dezember 2013

Shine a light on Lüdenscheid















Ich geh mit meiner Laterne
und meine Laterne mit mir
da drüben steht 'ne Taverne
da tausch ich das Ding gegen Bier.

Das war dann auch so ziemlich alles was wir in Lüdenscheid gemacht haben, die Taverne besuchen. Denn so viele Laternen, wie uns die Webseite der "Stadt des Lichts" weismachen wollte, brannten da nicht. Angesichts einiger traurig vor sich hin flackernder Neonröhren und trüber Scheinwerfer vermutete der Hippo ein Energieproblem. Solarzellen wären bei der Sauerländer Dauerbewölkung natürlich eine Erklärung, schließlich weiß man ja, dass die Kommunen für solche Späße eigentlich überhaupt kein Geld haben.

Es ist also durchaus denkbar, dass im Hochsommer, etwa ab 22 Uhr, die Stadt wieder so leuchtet, wie auf den Werbefotos der Webseite. Was auch dann nicht weiter aufregend wäre, denn in Hamburg ist jeder halbwegs historische Kasten irgendwie illuminiert, ohne dass man gleich so ein Bohei darum macht. Einzig das beleuchtete Wäldchen fehlt uns, aber das haben wir auch in Lügenscheid trotz Masterplan nicht gefunden.

Daher werden wir uns nächstes Mal ganz sicher gleich auf die Taverne konzentrieren. Falls es ein nächstes Mal gibt, aber ist man mit den richtigen Leuten unterwegs, kann man es sogar in Lüdenscheid aushalten. Kurzfristig.

Illuminatenmusik des Abends: Propellerheads - Decksandrumsandrockandroll






Donnerstag, 26. Dezember 2013

Wo geht's denn hier zum Licht?




















Was machen vier Fotoamateure über die Feiertage in der Provinz? Wald fotografieren ist auf Dauer nicht befriedigend, aber der Pappenheimer weiß Rat. Lüdenscheid wäre erleuchtet mit irgendwelchen Lichtinstallationen, alles schön bunt, da könnte man nach Einbruch der Dunkelheit ein wenig das Geraffel spazierenführen.

Folglich juckeln wir die 25 Kilometer in die Provinzhauptstadt, den Kofferraum voller Stative und Kamerarucksäcke, stellen das Auto am nicht so doll erleuchteten Altstadtparkhaus ab und wandern planlos durch die Gassen. Das erste Haus neben der Kirche sieht schon ganz nett aus, es wird geknipst was das Zeug hält. Die Kirche nehmen wir auch noch mit, obwohl die Beleuchtung nicht sonderlich spektakulär ist, aber wenn man schon mal da ist...

In den restlichen Gassen überwiegen Sterne, Lichterketten, Rentiere und beleuchtete Weihnachtsmänner. Was ist denn jetzt Lichtkunst und was Christfestkommerz? Der Pappenheimer stürzt sich am Weihnachtsmarkt auf ein Kinderkarussell, wird aber von einer Meute aus Frauen und Kindern behindert und ist erst mal beleidigt. Herr Ärmel blitzt mangels Stativ in der Gegend herum und der Hügellandgnom kriecht auf Knien über den Rathausplatz, wer uns beobachtet hält uns wahrscheinlich für einen autistischen Fotoclub. Super irre beleuchtet ist jedoch nichts weiter, das macht aber nichts, denn wir stoßen völlig unverhofft und ungeplant auf das Brauhaus Schillerbad.

Außer einer Kirche, einem Haus und ein paar beleuchteten Bäumen ist nichts im Kasten, aber die Jungs wollen Bier und Blodworscht. Ich tendiere kurz zur Rehleber, entscheide mich aber kurzfristig für Cordon Bleu mit Bratkartoffeln. Bei der Verdauungskippe fällt dem Pappenheimer ein stark angetrunkener Einheimischer um den Hals. "Ichkenndich" lallt er ihm in Ohr, "ichkenndichirgnwoher" aber der Pappenheimer leugnet hartnäckig die Bekanntschaft. Wir fragen nach den Lichtinstallationen, aber "dasisvorbei, hicks, dawarschon, un das is auch nur eima im Jahr."    

Besoffene sagen zwar angeblich immer die Wahrheit, aber zur Sicherheit fragen wir die Kellnerin. Ihre Antwort ist leider nicht erbaulicher, scheinbar sind wir Tage oder gar Wochen zu spät. Verdammt, Lüdenscheid! Wieso steht das nicht auf der Webseite?

Weil, wie ich nach Abbruch des Abends feststelle, man weder Besoffenen noch Kellnerinnen Glauben schenken sollte. Natürlich gibt es überall Lichtinstallationen, man muss nur in die richtige Richtung laufen.

Damit das schnell für diesen Blogpost herausgesuchte Foto nicht das einzige bleibt (und ich doch noch in den Genuss von Rehleber an gebratenen Apfelspalten komme) quengel ich solange herum, bis eine weitere Tour beschlossen wird. Mit Plan! Mühevoll ausgearbeitet! Und wehe, es brennt nachher keine einzige Funzel in diesem ominösen Park oder am Kulturhaus.

Dann, Lüdenscheid, werde ich den Beschwerdebrief doch noch aufsetzen. Schließlich kommen Menschen bis aus Montenegro um die berühmten Lichtinstallationen zu fotografieren, für Weihnachtsmänner muss man heute nicht das Land verlassen. 

Blogpostmusik: Schäl Sick Brass Band - Maza Meze / OTT - Blumenkraft

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Der Tradition verpflichtet















Traditionell werden in Hamburg zu Heiligabend Würstchen mit Kartoffelsalat aufgetischt, eine Tradition die man auch problemlos bewahren kann wenn man auf deutschen Autobahnen unterwegs ist, soweit man bereit ist sich auf das Wagnis Industriekartoffelsalat einzulassen. In diesem Fall war der sogar besser als das Würstchen, was allerdings nichts über die Qualität des Salates aussagt.

In Hamburger Bäckereien hält man von Traditionen leider wenig, man bekommt dort inzwischen fünf verschiedene Varianten von Franzbrötchen und mindestens fünfzehn verschieden gefüllte Berliner in allen möglichen Farben, nur der Amerikaner, den ich ursprünglich meinem Gastgeber in die Wohnung schmuggeln wollte, den hat niemand mehr im Programm.

Muss er sich halt mit amerikanischem Bier begnügen.

Dienstag, 24. Dezember 2013

Frohe Weihnachten















Da rafft man nach der Arbeit sein Zeug zusammen und fährt für das diesjährige Weihnachtspostkartenkitschmotiv extra zurück nach Ahrensburg, weil das Ahrensburger Schloss als einziges Weihnachtspostkartenkitschmotiv in der Nähe liegt, und dann ist der Schuppen noch nicht mal anständig illuminiert. Aber wenigstens mit Weihnachtsbaum.

Und weil man ja nie wissen kann wer einen hier besucht: Frohes Fest, Boas Festas, Feliz Navidad, Noeliniz Kutlu Olsun, Merry Christmas, Nollaig Shona Dhuit, God Jul....
 ...und nicht so viel futtern, lieber mehr trinken ;)

Weihnachtsmusik (fast): Sinéad O'Connor - Sean-Nós Nua

Samstag, 21. Dezember 2013

Man wird ja wohl noch träumen dürfen















Vorspiel
Die übliche Spieltagsnervosität macht heute einer ungeahnten Vorfreude auf das letzte Spiel des Jahres Platz, man hat mich heute ausschlafen lassen, kein Wecker, kein Anruf, kein Postbote und ein anständiges Frühstück, ich fühle mich richtig fit. So fit wie die Mannschaft in den letzten Spielen, mindestens.
Anfangs der Saison war das ja ziemlich unberechenbar was die Jungs abgeliefert haben, aber inzwischen gewinnen die sogar in Aue. In Aue! In München sowieso, und wenn mich die Ansetzung auf einem Montag schon an meiner Lieblingsauswärtstour hindert, dann kann man zu Hause auch mal nachlegen finde ich, mit Heimsiegen waren sie bisher etwas geizig.

Um die Zeit etwas zu verkürzen bin ich rechtzeitig in der Bahn, Hektik vermeiden, etwas die Atmosphäre genießen, vielleicht den einen oder anderen Klönschnack halten. An den Bierständen in der Gegengerade herrscht tote Hose. "Hast Du nix zu tun?" frag ich das Mädel hinterm Tresen. "Nä, nix los bis jetzt" sagt sie. "Dann mach mir ma n Bier bidde" sag ich "dann haste was zu tun."
Mit einem vollen Tschaunerbecher wandere ich in der Gegend rum, kein Schwein lässt sich blicken um diese Zeit. Ich überlege kurz mir einen Wutburger zu holen, in der Ecke könnte sich der Kleine Tod herumtreiben, oder sonstwer den man kennt, aber unten bei den Stehern ist es mir zu voll. Wenn sich bis 5 nach keiner vom Fanclub blicken lässt holste dir noch ein Bier und gehst auffen Platz denk ich noch, da erblicke ich den Skipper unten in der Schlange. Der braucht bis hier oben aber mindestens zehn Minuten also werfe ich meinen leeren Becher in eine VcA Tonne und texte erst einmal den VcA-Mann zu, dass es fast unmöglich ist seine Becher nach dem Spiel zu spenden, weil die Pfandsammler immer viel zu früh weg sind. Unhaltbare Zustände, da pflichtet er mir bei, aber sie müssen um eine bestimmte Zeit weg sein, damit das gezählt werden kann. Warum man nicht eine halbe Stunde später ein paar mehr Becher zählen kann ist mir trotzdem nicht ganz klar, aber wahrscheinlich wollen auch ehrenamtliche Helfer mal Feierabend machen.

Zwanzig Minuten vor Anpfiff noch schnell zwei Bier holen? Blöde Idee, mach ich nie wieder. Vielleicht hätten die Mädels in der beschäftigungslosen Zeit mal vorarbeiten sollen, jetzt geht rein gar nichts mehr. In der allgemeinen Hektik wird auch noch Alsterwasser an Biertrinker ausgegeben, die keine Minute später wieder da sind und umtauschen wollen. Zähe zehn Minuten später bin ich mit zwei vollen Bechern auf dem Platz und muss mich für die geduldige Ansteherei selber loben, denn Herr L. hat diesmal kein Bier dabei, das wäre eine trockene erste Halbzeit geworden. Dafür haben sie ihm schon reichlich Konfetti in die Hand gedrückt. Alle haben Papierschnipsel in der Hand, nur der Knabe hinter uns nicht, der trägt dafür einen KSC Schal um den Hals. Jetzt lassen sie schon Kinder alleine in den Heimblock der gegnerischen Mannschaft, dabei ist so etwas doch in deutschen Stadien lebensgefährlich. "Wasn das für ne komische Farbe?" zupf ich ihn an seinem blauweißen Gebamsel, er erzählt aufgeregt was von Bekannten die irgendwo weiter vorne sitzen und ihm scheinbar eine Karte für seinen Lieblingsverein besorgen konnten, aber halt nur ein paar Reihen weiter oben, doch so richtig viel bekomme ich nicht mit, dafür ist es zu laut. Ich stell die Getränke an einen konfettigeschützten Ort und hol die Kamera raus, die Süd hat mal wieder was schickes vorbereitet

USP hat wieder eine schöne Choreo gebastelt, die Nachbarn schmeißen erst mit Konfetti und zünden jede Menge Wunderkerzen, die Mannschaften kommen auf den Platz und meine Kamera macht Bilder mit einem schwarzen Punkt, den ich auch nicht entfernen kann wenn ich mit dem Schal auf der Optik herumwische. Verdammt Hacke, da sind wohl ein paar Pixel auf dem Chip explodiert, sieht nach Neuanschaffung aus.

Spiel (1)
Wer zu spät kommt kriegt die Mannschaftsaufstellung nicht mit, ich muss mich orientieren. Wir ganz in schwarz mit roten Nummern auf dem Rücken, kannze vergessen sowat, mit ner Rotschwäche. Ich muss mich an den Köpfen orientieren. Schnecke und Buchti, in der IV Torre und Mohr, Schachten, Ratsche, Fin und aaaaah, Sebastian Maier. Geil, den wollte ich schon immer von Anfang sehen, schon wegen der vielen geilen Freistoßtore die wir dann zu sehen kriegen. Harhar.
Nöthe ist nicht auf dem Platz, also Gregoritsch. Nicht? Der sieht aus wie Halstenberg. Verhoek? Keiner auf dem Platz mit so kurzen Stoppeln. Wieso spielen wir eigentlich ohne Mittelstürmer? Ist das jetzt neu?
"Wieso spielen wir eigentlich ohne Mittelstürmer?" fragt mich Herr L. aber ich kann ihm darauf nicht antworten, denn direkt vor dem Strafraum wird Ratsche gelegt. Freistoß.
"Einsnull Digga" brüll ich Herrn L. an "dafür ist Maier in der Startformation, wirst sehen." Maier läuft an und haut den Ball direkt in die Mauer, so ein Mist. Der ist noch warm, Flanke in die Mitte, Schnecke köpft und ich spring auf "Tooooooooor" und so - nee, Mist, der ist auf dem Netz, nicht im Netz.
"Was denn?" grinst Herr L. "jetzt doch kein Tor?" Hmpf. Zu optimistisch. Aber wird noch. Wenn ich nur wüsste wer da unten was spielt. Halstenberg ist jedenfalls sehr offensiv unterwegs, verpasst zweimal nur knapp, Schachten haut auch mal vorbei, der Abschluss fehlt, sonst ist das ganz ordentlich bis jetzt.
Nur die Ecken sollten wir einfach wieder reintreten, immer noch besser als eine Ecke kurz auszuführen und danach so lange zu daddeln bis der Gegner die Pille erobert hat. Maaan, echt mal.
Gute zwanzig Minuten haben wir das Spiel im Griff, danach stellen die Karlsruher uns zu. Nix geht mehr nach vorne, Spielzüge und Abschlussversuche enden immer an irgend einem Karlsruher Bein, auch aus der Distanz geht nix. Vrabec hat in der PK vor dem Spiel gesagt, das Umschaltspiel wär schon recht ordentlich, aber wir müssen lernen auch durch spielerische Mittel zum Erfolg zu kommen. Tja, daran hapert es gerade. Die Karlsruher stehen dicht, gehen aggressiv zum Ball, da ist kein durchkommen.

Muss halt ein Standard helfen. Wieder Freistoß, gute 25 Meter vor dem Tor. "Ideale Distanz für Maier" brüll ich Herrn L. an "25 Meter, den kann man auch mal machen würde Fin jetzt sagen." Leider endet der direkt in den Armen des Torwarts. Maier hat zu wenig Spielpraxis, oder wir brauchen doch mehr Freistöße als gedacht. Die restlichen zehn Minuten der ersten Halbzeit bringen auch nichts weiter erbauliches, außer dass der KSC zeigt, dass er kontern kann, gefährlich sind die bisher aber nicht.
Herr L. geht dankenswerterweise Bier holen. Eigentlich wäre ich dran gewesen, muss dass aber ablehnen, denn Bene wird heute verabschiedet, das darf ich nicht verpassen. Dadurch verpasst er den Hammer von Halstenberg, der von der lauen Kickerei irgendwann die Nase voll hat und einfach mal abzieht. Schönes Pfund, nur leider knapp daneben.

Zwischenspiel
Benes Abschied hätte ich wohl auch nicht verpasst, wäre ich Bier holen gegangen, denn erst einmal bedankt sich Viva con Agua für 29.000 gespendete Pfandbecher in der bisherigen Saison. Hätten wir nicht das eine oder andere alkoholfreie Spiel gehabt, das wären über 30.000 geworden. Und wenn sie nach dem Spiel länger warten gibt es noch mehr.
Für Benes Abschied scheint die Zeit dann doch etwas knapp, als er bei seiner Stadionrunde in der Süd ankommt stehen die Spieler schon auf dem Platz. Dafür fehlen ein paar auf den Sitzen, auch das Karlsruher Kind wird von der besorgten Nachbarschaft vermisst, bei einigen Damen regt sich der Mutterinstinkt. "Der wird schon irgendwo sein" sag ich, "dem tut hier keiner was."

Spiel (2)
Wir spielen jetzt doch mit Mittelstürmer, Nöthe kommt in der Pause für Nehrig. Hilft aber nichts, alle Angriffsbemühungen verlaufen im Sande. Wenn mal jemand abzieht landet der Ball auf der Tribüne oder daneben oder es ist wieder ein Fuß im Weg. Das Spiel wird hässlicher, Karlsruhe hat eigentlich schon so viel gelbe Karten kassiert, ist da nicht bald mal gelb-rot fällig? Die Chancen steigen. Spannend wird es allenfalls, wenn wir die Karlsruher durch Fehler zu Kontern einladen, das, was wir sonst mit anderen Mannschaften machen, heute geht es in die Hose. Eiskalt ausgekontert und ausgerechnet Rouwen Hennings bedient seinen Kollegen, der muss nur noch den Fuß hinhalten, 0:1.
"Da isser ja wieder" ruft meine Nachbarin und zeigt auf die Reihen unter uns, wo ein paar dünne Ärmchen triumphierend einen blauen Schal in den Himmel recken. Hat er den Weg zu seinen Verwandten oder was immer gefunden, wenigstens einer der sich hier freut auf der Tribüne.
Kurz darauf kommt Verhoek für Maier, jetzt spielen wir schon mit zwei Mittelstürmern. Wenn der Trainer irgendwas mit ohne Mittelstürmer geplant hat, jetzt aber schon mit zwei Mittelstürmern plant, dann hat er hoffentlich einen Plan.
Wirkt aber trotzdem weiter planlos was wir nach vorne machen. Zu allem Überfluss provozieren die Karlsruher mit nervtötend theatralischen Abflügen und der Schiedsrichter fällt drauf rein. Wenn jemand zwei Schritte Anlauf braucht für einen Salto dann ist das kein Foul mehr, verdammt. Überhaupt pfeift der Doktor so dermaßen schlecht, dass man brychen möchte. Unglaublich was der alles sieht, noch unglaublicher was er alles nicht sieht. Buchti ist scheinbar meiner Meinung, aber auf dem Platz darf er sie halt nicht äußern und kassiert dafür gelb.
Wir wechseln nochmal, Ratsche geht raus, Gregoritsch kommt. Na gut, spielen wir jetzt eben mit drei Mittelstürmern. Dann können wir vielleicht auch mal eng stehen, nur vorne.
Viel hilft viel gilt leider nicht für Mittelstürmer, denn hinten stehen wir jetzt zu locker. Geradezu einladend locker, Konter Nummer zwei, O:2.
Unter uns ertönt ein helles Kreischen und der blaue Schal wandert wieder nach oben, während der Torero vor der Kurve obszöne Stierkampfgestik absolviert. Wäre das nicht so eine unfaire Kacktruppe würde ich es dem Kleinen ja gönnen.
Wir kriegen in den letzten Minuten natürlich auch mit drei Stürmern nichts gebacken. Wenigstens müssen wir uns in der Winterpause nicht mit dämlichen Aufstiegsdiskussionen herumschlagen, einige sind schon wieder so weit...
Das laute "You'll never walk alone" galt dann wohl auch mehr der Hinrunde insgesamt und nicht gerade diesem Spiel, obwohl, naja, versucht habe sie es ja. Manchmal reicht es halt nicht.

Nachspiel
Noch zwei Bier, Pfandbecher. Wir gehen runter Richtung Fanräume, Herr B. hatte ne SMS geschickt vor ein paar Tagen und den treffen wir auch genau dort.  "Wer weiß wozu es gut ist" sagt er, und ist auch wenig aufstiegseuphorisch. Wenn man die Jungs so sieht und sich vorstellt, mit denen in der Bundesliga, nee. Ich bin da auch mehr für ausgefeilte Langzeitpläne.
"So weitermachen wie bisher, weiter aus Fehlern lernen, an Schwächen arbeiten und am Ende was zwischen Platz vier und sieben." sag ich. "Zwei bis drei richtige Verstärkungen in der Pause und dann die neue Saison gleich so anfangen wie sie es in den letzten Auswärtsspielen gemacht haben. Die Liga dominieren und als Meister aufsteigen, dann haben wir ne Truppe die vielleicht in der ersten Liga bestehen kann."
"Die Liga dominieren!" prustet Herr B. los, als hätte ich gerade einen großen Witz gemacht und alle fangen an zu singen.
Ich liebe Dich, ich träum von Dir
in meinen Träumen bist Du Europacupsieger
doch wenn ich aufwach
fällt's mir wieder ein
spielst ganz woanders
in Liga zwei.
Nach einem 0:2 im Stadion und einem 4:0 an der Theke können schon mal die Pferde durchgehen, man wird doch noch träumen dürfen. Das Bier ist auch verdunstet inzwischen, wo kann man hier Pfandbecher spenden? Keine VcA Tonnen zu erkennen, wusste ich es doch. Das Museum hat einen Stand vorm AFM Büro, die kriegen eh die Hälfte der Kohle, können damit aber nicht so recht etwas anfangen und verweisen auf die Fanräume, da würden Tonnen stehen. Also latsch ich einmal quer durch die brechend vollen Fanräume und gebe die nachher doch am Stand des Museums ab. Becherpfand spenden ist echt schwierig am Millerntor, ein Wunder das so viel zusammengekommen ist.


Wir schnacken noch eine Weile über die fest eingeplante Tour nach Köln zum Saisonabschluss. Wie zu erwarten interessieren sich unglaublich viele dafür, das wird schwierig mit den Karten. Mit Herrn L. reiße ich kurz den Gedanken an einen neuen Urlaub in Norwegen an, da stellt uns Herr B. einen jungen Mann vor, der öfter mal nach Oslo fährt um zum Fußball gucken. Mit dem Auto.
So etwas geht also auch schon, ist allerdings verglichen mit dem Komfort der Kiel - Oslo Fähre doch eher Hardcoreurlaubseinstieg. "Aber zum Fußball nach Oslo, so was hab ich schon mal irgendwo gehört" sag ich, "ich glaub im Forum ist jemand aus Oslo, der ans Millerntor fährt."
So lerne ich am Ende des Tages auch noch kurz das St.Pauli Girl aus Oslo kennen, bevor Herr L. zum Aufbruch drängt, und sollten wir im Urlaub noch mal die Route über Oslo nehmen habe ich auch schon die richtige Kneipe im Visier. Wenn es da oben schon einen St.Pauli Fanclub gibt muss man das ausnutzen.

Winterpausenmusik: Little Feat - Waiting for Columbus


















Donnerstag, 19. Dezember 2013

Teuflische Verführungen















"Hmpf, daff iff eft göbbliff" nuschelt die Holde mit vollem Mund, was sie sonst eigentlich tunlichst vermeidet. Grund für ihre Begeisterung ist das wahrscheinlich weltbeste Marzipan dieser bekannten Marzipanfabrik aus Lübeck, zusätzlich gespickt mit karamellisierten Mandeln und überzogen von zart schmelzender dunkler Schokolade, welches sich neben allerlei anderen Spezialitäten im diesjährigen Weihnachtsfresspaket der Firma fand.

Göttlich wäre es in der Tat, wenn der Schöpfer in seiner Schöpfungsgeschichte nicht einen entscheidenden Fehler gemacht und die Bestandteile dieser Verführung mit übermäßig viel Kalorien bedacht hätte. Wie viel einfacher hätte das Leben sein können, wenn statt dessen so überflüssiges Zeug wie Spinat, Grünkohl oder Blattsalat mit diesem Manko leben müsste, statt Kakao, Zucker und Mandeln.

Sollte das jedoch eine der teuflischen Verführungen der Gegenseite sein ist der Schöpfer ganz schlecht aufgestellt, die Wahl zwischen dem angeblichen Paradies und der angeblichen Hölle fällt mit Marzipan deutlich leichter.

Teuflisch gut: Little Feat & Friends - Join The Band

Dienstag, 17. Dezember 2013

Stadtansichten: Sankt Pauli (Teil 2)















Der alte Bismarck im Elbpark ist innerlich vergammelt und droht einzustürzen, ich bin mir aber sicher, das Denkmalschutzamt wird sich irgendwann darum kümmern. Der Zahn der Zeit nagt aber nicht nur an Denkmälern, die beliebteste Methode zur Baulandneugewinnung ist der Abriss nicht mehr erhaltenswerten Wohnraumes und das erreicht man am besten, indem man die Hütten jahrelang ignoriert, statt renoviert. So hat mich das Leben auch ein wenig überholt, denn die auf dem Foto noch halbwegs bewohnbar aussehenden "Essohäuser" dürften trotz des langen Kampfes nicht zu retten sein. Die Balkons waren länger schon nicht mehr nutzbar, inzwischen werden Bewohner mitten in der Nacht evakuiert, weil seltsame Geräusche auf einen drohenden Einsturz hinweisen könnten. Da so etwas den Wohnraumspekulanten natürlich gelegen kommt, habe ich bei solchen Geschichten immer ein komisches Gefühl, aber Erdbeben auslösen können die wohl noch nicht.

Über kurz oder lang wird so ein weiteres Stück alter Kiez verschwinden und mit ihm Clubs wie das Molotow und die wahrscheinlich berühmteste Tankstelle der Republik. Der Kampf war eigentlich schon verloren, als sich der Kiez langsam von der Schmuddelecke zur angesagten Partymeile entwickelte, Theater, Musicals und Restaurants anfingen die Sexshops, Spielhallen und Pornokinos zu verdrängen.

In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Image des Stadtteils dadurch so positiv entwickelt, dass immer mehr Menschen bereit sind dort hohe Mieten zu zahlen, ähnlich wie in der Schanze. Am besten natürlich Neubau, schallgeschützt. Nochmal zwanzig Jahre und sie haben beide Stadtteile totgentrifiziert, vielleicht werde ich alt genug um zu sehen was dann daraus geworden ist.

Solange ein paar der wirklich guten alten Schmuddelschuppen überleben besteht Hoffnung.


Feierabendentspannung mit Widespread Panic - Ball / Über Cobra























Samstag, 14. Dezember 2013

Stadtansichten: Sankt Pauli (Teil 1)















"Was? Hier wohnen Leute?" fragte mich vor einigen Monaten ein Gast aus der entfernten Provinz. Ja, tatsächlich, hier wohnen Menschen. Hier, auf Sankt Pauli. Denn eigentlich ist Sankt Pauli ein ganz normaler Stadtteil Hamburgs, sieht man mal von den zusätzlichen Magneten ab, die seit Jahrzehnten einen ungebrochenen Besucherstrom anziehen. Kiez, Hafen, Millerntorstadion, Messehallen und das Heiligengeistfeld, das dreimal jährlich für mehrere Wochen vom Dom besetzt und in der restlichen Zeit durch Unmengen anderer Veranstaltungen genutzt wird. Fanfeste bei Welt- und Europameisterschaften, der Schlagermove, die inzwischen in den Hafen verbannten Harley-Days (die selbstverständlich keinen Harleyfahrer davon abhalten über die Reeperbahn zu cruisen, man will ja gesehen werden), zur Not tut es auch irgend ein Zirkus, der dort sein Zelt aufschlägt. Nicht zu vergessen der jährliche Hafengeburtstag an den Landungsbrücken, an denen auch die Bühne beim Welt-Astra-Tag aufgebaut wird.

Wer diesen Stadtteil nur ab 20 Uhr und/oder 1.0 Promille kennt, der kommt vielleicht wirklich nicht auf den Gedanken, dass hier Menschen wohnen könnten. Das würde so manches Verhalten der Meute erklären die dort jedes Wochenende einfällt, denn in Göbelberg, Kleinwalachien oder Oberrandalen wird man sicher schief angesehen, wenn man beim Nachbarn vor die Haustür pinkelt, oder ihm gleich direkt vor die Füße kotzt. Auf Sankt Pauli lebt man das gerne aus und muss noch nicht einmal Eintritt dafür bezahlen. Lehrgeld dafür öfter, immerhin.

Seltsamerweise wollen trotzdem viele Leute gerne dort wohnen, jedenfalls so lange, bis sie dort wohnen. Das wiederum lockt Investoren an, die den Stadtteil gerne modernisieren möchten und damit die Leute vertreiben, die dort seit Jahren oder Jahrzehnten trotz all der Nachteile gerne wohnen, weil es günstig ist. Mit "günstig" können Investoren nichts anfangen. Bisher musste man für Neubaugebiete noch Brauereien abreißen, so langsam geht es aber ans Eingemachte, denn eine Brauerei die man abreißen könnte gibt es hier nicht mehr, die Geier finden immer neue Möglichkeiten.

Gott sei Dank gestaltet sich die Vertreibung sehr zäh, denn die Bewohner von Sankt Pauli sind ein recht renitentes und wehrhaftes Völkchen. Das, und natürlich der kurze Weg zum Stadion des einzig relevanten Vereins der Stadt, wären für mich wohl die einzigen Gründe, falls ich jemals den Wunsch verspüren würde nach Sankt Pauli zu ziehen. Die sind allerdings sehr gewichtig.

Auf Natur müsste ich auch hier, wie überall in Hamburg, nicht verzichten. Von den kleinen gepflegten Oasen in Hinterhöfen, Nachbarschaftsgemeinschaftsgemüsegärten und eroberten Flecken wie dem Park Fiction abgesehen, zieht sich über den alten Elbpark und die Großen Wallanlagen bis zu Planten un Blomen ein grüner Gürtel durch den ganzen Stadtteil.

Und wem die Lichter auf der Reeperbahn zu viel werden, der guckt sich die in Planten un Blomen an.

Sechstagewochenfeierabendmusik: Franz Zappa - FZ:OZ