Sonntag, 30. August 2015

Ein Fahrstuhl für Schiffe
















Sonntag stärken wir uns am reichhaltigen Frühstückbuffet des Hotels, bei dem ich die interessanten Dinge wie Rührei und hausgemachte Konfitüren natürlich wie immer zu spät entdecke. Einen zweiten Gang kriege ich um diese Uhrzeit jedoch nicht runter, Geraffel packen, Zimmer zahlen und dann wartet auch schon das Taxi. Ab in den Hafen und die Omka geentert, auf der immer noch in aller Ruhe gefrühstückt wird. Ein paar Reisende haben sich gestern schon verabschiedet, dafür stoßen ein paar neue dazu auf die wir noch warten müssen, alles ganz gemächlich.

Leider ist der Himmel nicht ganz so freundlich wie am Vortag, wodurch ich mir eine zweite Serie des Lauenburger Flussufers erspare, nur der olle Raddampfer liegt heute etwas fotogener am Kai. Ein paar Kilometer müssen wir zurück, bis zu der schnieken alten Windmühle hinterm Deich, die ich auf der Hinfahrt auch besser vor die Linse bekam.

Links ab in den Elbe-Seiten-Kanal. Wieder eine Strecke, die der Käptn unter "war ich schon" auf seiner Karte eintragen kann, auf der er uns den weiteren Verlauf der Reise erklärt. Die wird ziemlich lang, über Uelzen, Wolfsburg und Magdeburg bis nach Malguckenwoichlande. Ein echtes Omka-Abenteuer, an dem ich gerne weiter teilnehmen würde, Urlaub müsste man haben. Und besseres Wetter.

Das passt sich der traurigen Umgebung an und beglückt uns mit Pieselregen, der die Strecke noch öder macht. Links ein Deich, rechts ein Deich und immer geradeaus, die einzige Abwechslung besteht aus dem spärlichen Verkehr der uns entgegenkommt und zwei einsamen Spaziergängern. Interessant wird es erst nach einer knappen Stunde, als am Horizont ein imposantes Gebäude auftaucht. Der Fahrstuhl. Vor dem liegen zwar eine ganze Menge Schiffe, doch scheinbar will von den Berufsschiffern gerade niemand nach oben. Kaum angekommen, schon sind wir drin.

Das Schiffshebewerk Scharnebeck, 1975 als damals weltgrößtes Hebewerk in Betrieb genommen, soll uns ganze 38 Meter nach oben befördern. Mich machen ja im Normalfall schon Fahrstühle misstrauisch, die maximal 10 Personen oder 750 kg befördern, doch der Käptn beruhigt mich. Er erzählt mir etwas von Wasserverdrängung und dass die Kiste immer das gleiche Gewicht bewegen muss, egal was der Kahn wiegt oder ob überhaupt einer drin ist. Das leuchtet zwar alles ein, aber wenn ein Schubverband aus zweimal 1500 Tonnen besteht und das Schubschiff sicher auch noch mal 500 Tonnen auf die Waage bringt und angesichts der Tatsache, dass trotzdem noch genug Wasser drin sein muss, sind das bestimmt an die 5000 Tonnen, die an diesen Seilen hängen. Mit mir. Das will ich im Kopf nicht in Personen umrechnen, schon gar nicht in Menschen die nur 75 Kilo wiegen.

Dafür zähle ich die Stahlseile, an denen der ganze Kram hängt. 30 links und 30 rechts, dazwischen eine gewaltige Gewindestange, das ganze an 4 Türmen, macht 240 Stahlseile und wenn das ganze Geschleuder wirklich 5000 Tonnen wiegt sind das pro Seil... ich hab keine Lust mehr zu rechnen, das les ich mir später bei Wikipedia durch. Es war auf jeden Fall eine gute Idee das Weitwinkelobjektiv mitzunehmen, das ist schon ein imposantes Stück Technik und garantiert ein Touristenmagnet für die Gemeinde, trotz des miesen Wetters haben wir reichlich Zuschauer auf der schnellen Fahrt nach oben.
Denn das Gewicht ist die eine Sache, die Geschwindigkeit in der sich das ganze abspielt eine andere. Drei Minuten dauert die Fahrt, dann werden die Fangleinen wieder eingezogen und die Tore in den ersten Stock öffnen sich. Expresslift. In den vierten Stock bei Karstadt geht es nicht wesentlich schneller, vor allem wenn da 10 Leute oder 750 Kilo drin sind. Krasses Bauwerk, allein dafür hat sich die Tour schon gelohnt.

Der nächste Ort auf der Karte ist Lüneburg, ein richtig schönes Städtchen, von dem wir allerdings nichts zu sehen bekommen außer dem Hafen, wenn man die drei Anleger am Kanal so nennen will.   
Der wird auch im ersten Stock nicht aufregender, links ein Deich, rechts ein Deich und immer geradeaus. Die Brücken über den Kanal werden etwas seltener, jenseits der Deiche ist entweder Wald oder Wiese oder .. gar nichts. Um mehr von diesem Nichts zu sehen müsste ich aufs Dach der Omka klettern, das Vorderdeck reicht nicht einmal wenn ich die Kamera über den Kopf halte. Wir sind da, wo Christian Anders mit dem Zug hinfährt. Ein paar müssen mitgefahren sein, denn ab und zu sieht man Menschen auf dem Deich.

Auf den anderen Seiten dieses künstlichen Rinnsals scheint tatsächlich Leben zu existieren, zu sehen ist davon nichts. Wahrscheinlich befinden sich hier die ganzen Orte, in denen man nicht tot über den Zaun hängen möchte, der Niedersächsische Bibelgürtel oder so etwas. Orte in denen sehr viele Betonfrisurenmuttis sehr sehr viele Kinder bekommen, die alle aussehen wie kleine Ernst Albrechts. Ein Alptraum. Das Smartphoneradar gibt nähere Auskunft und so wie es aussieht ist hier wirklich der Hund begraben, wenn jeder Ort auf der Karte eine Dorfstraße hat ist das schon ziemlich eindeutig. Tiefste niedersächsische Provinz, die Bundesstraßen gespickt mit Radarfallen und im Wald zwischen den Dörfern das ausgelagerte Wohnwagenrotlichtviertel. Hier kann man eigentlich nichts außer durchfahren, oder wie es Horst Evers so schön formuliert hat: Der Weg wär schneller an die Küste, wenn man nicht durch Niedersachsen müsste.

Das gilt auch für die Schifffahrt, nur dass man den Vorteil hat nebenbei lecker Schaschlikspieße grillen zu können und keine Radarfallen befürchten muss, auch nicht als angebliches Sportboot. Hinter Bad Bevensen überqueren wir den Lauf der Ilmenau auf zwei großen Kanalbrücken, was bestimmt ein super Motiv ist, wenn man gerade auf der Ilmenau rudert. Von hier oben ist wie immer nur Feld, Wald und Wiese zu erkennen, aber beim Blick über die Kante würde es mich schon reizen das einmal aus der anderen Perspektive zu sehen. Wenn man dafür nicht durch Niedersachsen müsste..

Der "Hafen" von Uelzen ist ähnlich öde wie der in Lüneburg und dazu noch weit ab vom Schuss, die nächste Möglichkeit anzulegen bietet sich beim Uelzener Yachtclub, doch da ist gerade Halligalli mit Drachenbootrennen, Volksfest und zu viel Hafenpolizei für den Geschmack unseres Kapitäns. Ich vermute eher eine Inkompatibilität zwischen der Omka und den filigranen Holzanlegebrettchen des Yachtclubs, den angebotenen Anleger schlägt er jedenfalls dankend aus und steuert wieder auf den Kanal. Irgendwann müssen wir aber irgendwo anlegen. Uelzen, Bahnhof, Etappenziel?


Unser heimlicher Reiseleiter nimmt das wieder in seine bewährten Hände, selbstverständlich hat er die Uelzener Taxinummern ebenfalls eingespeist. Etappenziel wird die Uelzener Schleuse, oberer Anleger, da kommen die Uelzener Taxen problemlos hin. Wir glücklicherweise auch ohne längere Wartezeit, denn hinter dem einfahrenden Schubverband ist noch genug Platz für die Omka. Als wir uns SCH 2423 zu sehr nähern werden wir allerdings sofort per Lautsprecher zurückgepfiffen und müssen am letzten der schwimmend gelagerten Poller festmachen. Es geht noch einmal 23 Meter nach oben und auch das in einer, für konventionelle Schleusen, imposanten Geschwindigkeit.

Oben angekommen gibt es noch allerlei frisch gekochte Teigtaschen aus der Kombüse zur Stärkung, bevor wir uns im Regen vom Käptn verabschieden. Der muss die weite(re) Reise wenigstens nicht ganz alleine bewältigen, Bestmann Max ist noch ein paar Tage dabei, für den Rest ist Ende Wochenende. Zwei Mietdroschken bringen die Gesellschaft nach Uelzen zum Hundertwasserbahnhof, der wirklich so hübsch ist, dass ich den irgendwann einmal ohne Regen fotografieren sollte.

Wenn ich dafür nicht durch Niedersachsen müsste..

Fotos: Elbe-Seiten-Kanal - Schiffshebewerk Lüneburg-Scharnebeck - No War in Lüneburg - Nebelkanal - Omka macht die Welle - Schaschlik mit Gegenverkehr - Kanalbrücke Ilmenau - Drachenbootrennen - Schleuse Uelzen II. Klick + F11 macht Fahrstuhl groß.
Bier: Sorachi Ace Farmhouse Ale, 7.6%, Brooklyn Brewery
Mucke: The Delta Saints - Bones
















































Mittwoch, 26. August 2015

Lauenburg

















Unser Etappenziel ist ein schönes altes Städtchen, mit schönen alten Häusern und einem gewaltigen Manko für die Bewohner der Altstadt, denn die steht öfter mal unter Wasser. 2013, 2011, 2006 und im Jahre 2002 sogar mitten im Sommer, wenn ich die Inschrift an der Fluthistorie richtig deute. Damit muss man zwar ab und zu rechnen, wenn man direkt am Ufer eines Flusses baut, aber in den letzten Jahren werden selbst die größten Optimisten ins Grübeln gekommen sein. Die Abstände werden jedenfalls deutlich kürzer und der eine oder andere hat wohl auch schon kapituliert, denn zwischen den vielen bunten renovierten Fachwerkhäusern finden sich noch immer ein paar Opfer der letzten Flut.

In diesem Sommer besteht jedoch keine Gefahr, wenn die Elbe nicht einmal mehr für die Flussschifffahrt taugt, wird es wohl erst im Spätherbst wieder gefährlich. In den Sommermonaten überfluten dafür Touristen die Altstadt, in wahren Scharen. Trotzdem ist es kein Problem, in einem der sehr zahlreichen Cafés einen Platz mit Elbblick zu finden, wenn auch nicht immer in der ersten Reihe. Bellevue könnte sich hier fast jeder nennen, wer die Möglichkeit dazu hat lässt sich das natürlich vergolden und diese Möglichkeit haben recht viele.

Wenn man Glück hat und den richtigen Laden findet bekommt man sogar einen Lauenburger Kuss, unfassbar viele Kalorien in einem gewaltigen Stück Torte, von dem man trotzdem garantiert nicht einen Krümel liegen lässt. Unglaublich lecker und saftig, schon alleine dafür müsste ich noch einmal da hin.

Möglichst vor der nächsten Flut und nachdem sie die dusseligen Container vor der kleinen Elbperle entfernt haben.

Fortsetzung folgt..

Fotos: Lauenburg/Elbe - Anleger am Elbufer - Lauenburger Rufer - Elbstraße/Altstadt - Lauenburger Kuss - Hitzler Werft
Bier: O'Haras Leann Folláin Extra Irish Stout, 6.0%
Musik: Alela Diane - The Pirate's Gospel / Alela Diane & Wild Divine