Am Vortag konnte man noch Werbung am Himmel betrachten, ausgerechnet in der Gegend, in der jedes Kind das Immecke kennt. Immerhin gibt es das eintägige Open Air im Sauerland schon seit 21 Jahren.
Gelebt hat es früher von den Local Heroes, der Coverband "Die Juhnkes", inzwischen gibt es einen Bandaustausch mit Schottland und Frankreich und dazu alles was man so für kleines Geld einkaufen kann.
Kein normaler Mensch würde 500 Kilometer zu einem Festival fahren, auf dem man nicht eine einzige Band kennt und der Headliner "John Q Irritated" heißt, aber das gilt natürlich nur für Außenstehende. Wer einmal die familiäre Atmosphäre unter dem Dach des Sägewerks genossen hat, der kommt gerne wieder. Es ist völlig unerheblich wer da spielt, man kommt um Freunde zu besuchen, ein wenig vorab zu feiern und dann einen netten Pfingstsonntag auf dem Gelände zu genießen, dafür zahlt man auch gerne 18 Euro Eintritt für ein wenig Livemusik und 2 Euro für das Bier, von der Flasche in den Becher, halbwegs gut gekühlt.
Man schlendert ein wenig herum, hört mal etwas zu (wenn die Band grad passt), trifft unterwegs einen Haufen Leute (wenn man mit der Dorfprominenz unterwegs ist einen großen Haufen Leute, den ganzen lieben Tag), setzt sich in den Umbaupausen auf die große Wiese zum chillen und guckt dem Viehabtrieb zu. Jeder kennt hier jeden, die Drogenfahnder kennen ihre Pappenheimer, die Pappenheimer allerdings auch ihre Drogenfahnder, man grüßt sich sogar hier und da. Trotz recht hohem Alkoholgenuss bleibt alles friedlich, schließlich steht man ein paar Tage später wieder zusammen an der Werkbank. Bier ist hier Grundnahrungsmittel, weit mehr als in vielen anderen Provinzen die ich bereist habe, damit kann man hier umgehen, auch wenn es nicht immer so aussieht.
So verging nach und nach die Zeit, mit Nice Gap aus Sundern, die schon in Frankreich spielen durften durch den Bandaustausch, durchaus altherrenkompatibler Rock. Mit
den Austauschschülern der Austauschband Midnight Locomotive aus Paris, deren Gitarrist fälschlich All along the Watchtower als Song von Jimi Hendrix ausgab, das Stück aber nichtsdestotrotz ganz passabel hinbekommen hat. Nur das mit den Zähnen, das sollte er lassen, das wurde schon bei Jimi sehr überbewertet.
Für die hüpfende Jugend dann etwas Ska aus dem Siegerland, Kinder mit schwarzen Hemden und weißen Krawatten, Destination Anywhere, taugt zum Bier so gut wie als Hintergrundmusik auf der Wiese, hüpfen wollte von uns keiner mehr, war zeitweise aber gut was los vorne.
Und wenn man dann so überhaupt nicht mehr damit rechnet, dann gibt es immer eine schöne Überraschung. Dieses mal hieß sie Captain Overdrive, angekündigt war Funk Rock aus Gießen, dazu noch rein instrumental, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Posaune. Bei dem Namen war ich ehrlich gesagt ziemlich skeptisch. Captain Overdrive. Aber wenn sich schon jemand mit ner Posaune an die Front traut...
Nach 5 Minuten haben die uns weggeblasen, heilige Scheiße, waren die gut. Den Bassisten hatte ich irgendwann vorher schon in der Scotch Corner bemerkt, als Begleiter des schrägen "Schotten" aus Manchester, ich kann das ja immer gut ab, wenn jemand sein Instrument beherrscht.
Nichts gegen so ein bisschen Ska und Punkgeschrammel, aber interessanter ist es immer noch, wenn man die Gitarre nicht nur spielt um Lärm zu machen. Sowohl der Exilwestfale, als auch xs4all und ich waren hellauf begeistert. Endlich Musik für Erwachsene. Ein höllischer Groove und eine saugeile Show, die waren eindeutig zu früh im Programm, die waren nicht mehr zu toppen.
Selbstredend haben wir nach dem Konzert sofort die erhältliche CD mitgenommen. Und während die Metaljugend des Dorfes zu Thunder and Blitzkrieg abging (den Namen würde ich dringend überarbeiten, aber das gilt für viele der Bands), haben wir uns mit den Captain Overdrive Jungs am Bierstand ein wenig unterhalten. Nur der Exilwestfale fehlte leider, der wurde inzwischen von jemand anderem auf dem Gelände gefunden und konnte seine CD deshalb nicht signieren lassen. Die kommen noch groß raus und dann guggstu :P
Die Kings and Boozers hatten ein wirklich beeindruckendes Intro, Morricone kommt immer gut. Aber noch eine Band mit irischem Folkpunk brauche ich nicht wirklich, das ist inzwischen ziemlich beliebige Partymusik geworden. Danach hätte man eigentlich gehen sollen, schon um schlimmeres zu verhüten, denn mit fortschreitendem Abend fällt einigen das gehen ja nicht mehr so leicht.
Wie immer hatte natürlich jemand zu viele Wertmarken gekauft, die unbedingt noch in Bier umgesetzt werden sollten. Zudem versprachen die Instrumente der letzten Band wieder interessantere Klänge, ein Trio mit Schlagzeug, Gitarre, Sousaphon. Wenigstens die ersten zwei Songs reinhören wollten wir, eine Chance, die der Exilwestfale ebenfalls nicht ergriff. Aber der musste am nächsten Tag ja das Fahrzeug lenken, daher hat er wieder was verpasst.
John Q Irritated aus Nürnberg waren die zweite Überraschung, leider kam das Mardi Gras Feeling um diese Zeit nur noch bei sehr wenigen an. Die Erwachsenen waren im Bett und der Rest besoffen, da fanden sich vielleicht noch 50 Nasen vor der Bühne ein, sehr schade für die Jungs.
Inzwischen bin ich wieder im Norden und muss mich in der nächsten Woche erst einmal von Pfingsten erholen. Wird nicht leicht sein, die nächsten Wochenenden werden sehr viel kürzer.
Schreibmusik:
Calvin Russell - In Spite Of It All