Das letzte Heimspiel der Saison völlig entspannt im Stadion genießen können, weil es um nichts mehr geht, da die Fußballgötter den Klassenerhalt schon in Frankfurt eingetütet haben, perfekt. Das stand auf der Wunschliste ganz oben, nachdem man 33 Spiele lang um jeden Punkt bangen und zittern musste, aber wie heißt es so schön: be careful what you wish for. Zwei Tage vor dem Spiel ist meine alte Pumpe mal wieder völlig unentspannt, der Blutdruck in geradezu absurden Höhen und ich lande in der Klinik. Da ich das Prozedere schon kenne bitte ich um eine möglichst schnelle Behebung per Blitzdings am nächsten Tag und die anschließende prompte Entlassung, schließlich will ich am Samstag völlig entspannt Fussi gucken.
Das klappt alles, inklusive der unvermeidichen Stressvermeidungsansprache, ganz vorzüglich, so dass ich keine 24 Stunden später mit leichtem Propofolschädel im Taxi nach Hause sitze. In der Nacht vor dem Spiel entspannt im eigenen Bett schlafen, einfach unbezahlbar.
Um etwaige körperliche Belastungen auf ein Minimum zu reduzieren beschließe ich die Anreise per Auto und versuche mich dabei in aktiver Stressreduzierung, indem ich mich nicht über neue Baustellen oder Ratzeburger Autofahrer aufrege. Auf dem Feld des hlg. Geistes wird irgend etwas auf- oder abgebaut, Parkplätze sind allerdings noch reichlich vorhanden, ich finde sogar einen, der es mir ermöglicht nach dem Spiel in Rekordzeit zu verschwinden.
Bier holen, Freunde begrüßen und nach kurzem Klönschnack zu Grönemeyers Hymne auf den Platz, wir dürfen choreografieren! Auf den Stehplätzen haben sie lauter Fahnen bekommen und können eine große Blockfahne hochziehen, die Sitzer bekommen Kassenrollen. Ich fürchte hier hat, von ein paar Ausnahmen abgesehen, noch nie jemals irgendwer eine Kassenrolle geworfen, wenn das man nicht in die Hose geht. Meine Nachbarn kann ich immerhin davon überzeugen den Klebestreifen vorher zu entfernen, damit sich das Ding in der Luft vernünftig entfalten kann.
Wie es sich für eine erstklassige Saisonabschlussklassenerhaltsfeier gehört sind auch auf den anderen Tribünen schöne Choreos zu bewundern, die Südkurve hat den Sieg schon vor Augen, auf der Nord wird anscheinend der Klassenerhalt mit einer Sisyphosarbeit verglichen und das ist durchaus berechtigt, dürfen wir uns doch ein weiteres Jahr mit Klassenkampf beschäftigen um den Felsbrocken auf mindestens Höhe 15 zu rollen. Heute jedoch wird gefeiert und ganz entspannt Fußball geguckt, das haben wir uns verdient. Nicht einmal die Nachricht, Felix Zwayer würde das Spiel pfeifen, kann mich heute aufregen.
Nachdem Bochum nach nur zehn Minuten in Führung geht danke ich allerdings dem Fußballgott, dass wir in Frankfurt einen Punkt geholt haben, ich mich nur deshalb nicht aufregen muss und auch die Mitteilung meines Sitznachbarn über den Führungstreffer von Werder in Heidenheim von untergeordnetem Interesse bleibt. Egal was hier noch passiert, wir bleiben noch mindestens ein Jahr in dieser Liga.
Allerdings müssen wir dann wieder ganz anders auftreten als heute, denn was die Jungs da unten abliefern ist eine ziemliche Katastrophe, SO hab ich mir das jetzt nicht vorgestellt. Aufregen werd ich mich trotzdem nicht, weil wir ja alle wissen, dass die auch ganz anders können. Die haben sich 33 Spiele den Arsch aufgerissen um in dieser Liga zu bleiben und als sie es dann geschafft haben, erst mal entspannt. Kann ich völlig nachvollziehen.
Die Hoffnung auf eine bessere zweite Halbzeit erfüllt sich auch nach mehreren Wechseln leider nicht und als Bochums Boadu seine zweite Bude macht ist der Drops gelutscht. Werder macht gleichzeitig das 3:0 in Heidenheim, Hoppseinheim geht gegen Bayern unter und Platz 14 in der Tabelle ist etwas, von dem ich vor der Saison nicht einmal geträumt habe.
Drei Monate durchatmen, dann geht der Zirkus wieder los. Bis dahin sollte ich vielleicht ein paar Entspannungstechniken üben, aber ob so etwas im Stadion hilft, da hab ich meine Zweifel.
Was sonst noch gut war:
Nette Interaktionen und Gesänge mit dem Bochumer Fanblock und den Fans auf dem Rasen und Beifall für die Bochumer Mannschaft. Die Ordnerkette davor sah irgendwie höchst überflüssig aus.
Die Ansage, man möchte doch ganz entspannt warten bis die Tore zum Innenraum geöffnet werden und die Spieler den Platz verlassen haben, damit dann ganz entspannt auf dem Rasen gefeiert werden kann.
Dass das überraschend sogar geklappt hat, aber Nichtabstieg und Aufstieg sind halt zwei Paar Schuhe.
Was sonst noch schlecht war:
Muss man an so einem Tag nicht drüber reden. Erstligist und glücklich sein.
Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St.Pauli - VfL Bochum, Endstand 0:2
Tore dazu: Boadu (10./66.)
Links dazu: Verdient verloren, aber auch verdient die Klasse gehalten (Millernton) Saisonende (Stefan Groenveld)
Musik dazu: Sinéad O'Connor - Throw Down Your Arms