Samstag, 30. September 2017

Wir fahr'n fahr'n fahr'n mit der Straßenbahn
















Eine der Attraktionen des Hafens ist die seit 1913 in Betrieb befindliche Straßenbahn nach Sóller, die ihre Existenz eigentlich nur finanziellen Zwängen verdankt. Da es staatliche Subventionen damals nur für Strecken ab 30 Kilometer gab, hat man die nur unwesentlich kürzere Bahnstrecke zwischen Palma und Sóller kurzerhand durch die "Tranvia de Sóller" verlängert.

Waren diese Bahnen ursprünglich zum Transport von Orangen nach Palma gedacht, sind sie heute nur noch für die Beförderung von Touristen zuständig, was zeitweilig zu drangvoller Enge führen kann. In solchen Fällen wartet man einfach eine halbe Stunde ab, bis die von Reiseleitern geführten Touristenhorden wieder verschwunden sind, was bei dem Angebot von Restaurants und Bars in Bahnhofsnähe nicht weiter problematisch ist, selbst das alte Bahnhofsgebäude ist inzwischen ein Tempel der leiblichen Genüsse.

Da ohnehin ein Besuch von Sóller auf dem Plan steht, nehmen wir natürlich die Gelegenheit wahr und fahren mit. Sieben Euro kostet die einfache Fahrt, das Ticket löst man beim Schaffner an Bord, das Personal geht durch. Wir hingegen bleiben sofort da stehen wo wir eingestiegen sind, denn fotografieren lässt es sich ganz sicher am besten, wenn man einfach eine der Plattformen in Beschlag nimmt. Prügeln will sich aber glücklicherweise niemand um die guten Plätze, der normale Tourist sitzt lieber und hält sein Handy dabei aus dem Fenster.

Die Bahn zuckelt entlang der Hafenpromenade bis zur Ctra. Puerto Sóller und folgt eine ganze Weile dem Verlauf der Hauptsraße, bis sich die Wege trennen und wir zwischen Häusern, Vorgärten und wild in der Gegend wachsenden Orangenbäumen durchgeschüttelt werden, mit streckenweise fast unverbautem Blick auf die Gebirgskette der Serra de Tramuntana. Die atemberaubende Geschwindigkeit von max. 30 km/h sollte allerdings nicht zum Leichtsinn verleiten, zu sehr wackelt dieses alte Gelöt auf den Schienen herum. Insbesondere wenn man auf der offenen Seite der Plattform steht, ist ein ums Geländer geknoteter Arm beinahe Pflicht um einen unfreiwilligen Abgang zu verhindern.

Während ich noch über die Fähigkeiten meiner Bildstabilisierung bei dem fürchterlichen Gewackel sinniere, entdeckt der Pappenheimer ein schmales Bändchen an der Decke, dass durch den ganzen Zug läuft. Wenn man daran zieht bimmelt es lustig, das kennt er noch aus Darmstädter Zeiten. Leider fällt ihm erst nach dem dritten lustigen Gebimmel ein, dass das wahrscheinlich ein Haltesignal für den Zugführer ist. Der hat allerdings spätestens nach dem zweiten Gebimmel auf offener Strecke erkannt, dass nur irgend ein dusseliger Tourist dieses Bändchen entdeckt hat und stellt seine Bremsversuche für die restliche Strecke ein, solange keine Haltestelle in unmittelbarer Nähe ist.

So gelangen wir noch innerhalb der veranschlagten 30 Minuten nach Sóller, steigen mitten in der Stadt am Plaça de sa Constitució aus, stolpern in das nächste Café, laufen den restlichen Nachmittag planlos durch die Stadt, verpassen aus Unkenntnis wahrscheinlich attraktive Ecken oder alte Olivenölmühlen und können selbstverständlich auch keine anständigen Fotos von der Església de Sant Bartomeu machen, weil ein Gerüst zwar immer zu solchen Kirchen gehören muss, aber eine große Plastikplane über der (von einem Schüler Gaudis gestalteten) großen Fensterrose den Spaß dann doch zu sehr verdirbt, aber das ist eine andere Geschichte...

Dafür entschädigt die Rückfahrt im fast leeren letzten Waggon und die Aussicht auf das "goldene Tal", dass seinen Namen im Abendlicht auf jeden Fall verdient hat.


Fotos dazu: Tranvia de Sóller, Nikon D7200
Getränk dazu: Black Swan, Arnsberg Dry Gin, Limette, Schweppes Dry Tonic
Musik dazu: Legend - Red Boot Album / Mickey Jupp - Juppanese / Long Distance Romancer

















Donnerstag, 28. September 2017

Der schönste Platz ist immer am Hafen
















Wo wohnt man auf Mallorca, wenn man dem Massentourismus so weit wie möglich aus dem Weg gehen will? Am besten wahrscheinlich in Boris Beckers Finca, aber bei den unklaren Besitzverhältnissen weiß man ja gar nicht wen man fragen müsste. Also ein Ort ohne Strand, dann fehlen schon mal die Verrückten, die nur kommen um sich von der Sonne grillen zu lassen. Sóller war in der engeren Auswahl, das Örtchen gefiel mir schon immer, hat zudem eine Straßenbahnanbindung zum Hafen und ist ziemlich genau im Zentrum der geplanten Exkursionen.

Natürlich sollte der Ort auch eine kleine, aber feine, Auswahl an Bars und Restaurants haben. Möglichst ohne Bier- oder Sangriakönige und dafür mit einem guten Ginmixer, man will ja schließlich nicht durstig ins Bett. Wie meine Erfahrung lehrt, gibt es die besten Kaschemmen immer im Hafen. Der hat dafür zwar wieder so etwas wie einen Strand, aber durch seinen steinigen Grund glücklicherweise keinen der die Massen anzieht, eher etwas für Wellenreiterlehrlinge und Dämmerungsschwimmer.

Überhaupt ist alles recht sportlich hier, wer in Sóller und Umgebung Urlaub macht hat entweder ein Boot im Hafen, geht wandern in der Serra de Tramuntana, oder strampelt auf dem Rad die Serpentinen der Insel hoch und runter, es gibt beinahe mehr Rad- als Autoverleiher. Diese vielen Sportler gehen bestimmt alle um acht ins Bett, die Bars sind unser, auf nach Port de Sóller..

Das gebuchte kleine Hostal entpuppt sich als Glücksgriff, familiäre Atmosphäre statt anonymer Hotelklotz ist unbezahlbar, dafür kostet der Parkplatz gegenüber leider 6 Euro am Tag. Eine Haltestelle der Straßenbahn ist ebenfalls direkt vor der Haustür, angesichts des Preises von 7 Euro für die einfache Fahrt kann man die paar Meter bis zur Hafenpromenade aber auch laufen.  

Zumal wir auf Anhieb die Bar mit dem wahrscheinlich besten Mojito finden, die strategisch günstig ungefähr auf halber Strecke zur wahrscheinlich besten Gin-Bar des Hafens liegt und nebenbei ganz anständige Tapas und Paellas offeriert, was den Hinweg zwar immer etwas erleichtert, den Rückweg aber deutlich erschweren kann.

Dafür bekommt man hier jeden Abend einen anderen Sonnenuntergang geboten, in immer neuen Farben und Eskalationsstufen. Wenn alle Wolken brechen schnappt man sich halt eine der sechs Taxen des Ortes, kostet auch nicht mehr als die Straßenbahn.


Fotos dazu: Port de Sóller, Mallorca / Nikon D7200
Getränk dazu: Cabraboc Ginebra de Mallorca, Wacholder, Zitronenverbene, Fever Tree Indian Tonic
Musik dazu: Rachid Taha - Diwan / Made in Medina / Diwan II




























 




Samstag, 23. September 2017

Um 13 Uhr ist sonst immer Mittagsschlaf

















"Gibt es eigentlich in der zweiten Liga auch schon den Videobeweis?" fragt mein Nachbar zur Halbzeit. "Nee" sag ich, "sonst wäre der Brych heute auch nur am telefonieren." Sobald irgendwo ein Düsseldorfer auf dem Platz umfällt wird gepfiffen und die Fortunen fallen wie zu Norberts besten Zeiten. Nur folgerichtig, dass er uns kurz vor Schluss einen eindeutigen Handelfmeter verweigert, ein Tor wegen Abseits nicht gibt und eines wegen angeblichen Foulspiels. Man kann gar nicht so viel essen wie man brychen möchte.
 
Dabei hätte das ein richtig schöner Nachmittag werden können, sogar mit nur einem Punkt. Schönstes Fußballwetter, angenehme Temperaturen und ein, aus unserer Sicht, zumindest über 60 Minuten engagiertes und spannendes Spiel, in dem wir dem Tabellenführer sehr wenig Luft lassen. Das Ergebnis sind Glanzparaden des Düsseldorfer Keepers, wenn nicht gerade noch ein Fortunenbein in höchster Not auf der Linie retten muss, aber leider keine Tore.  

Blöderweise haben wir die erste halbe Stunde wieder gnadenlos verschlafen, nach zehn Minuten einen Sonntagsschuss in den Knick kassiert und zehn Minuten drauf in einer dieser ultradämlichen Slapstickeinlagen dem Rouwen sein 0:2 direkt auf den Fuß gelegt. Zwei Treffer auf nüchternen Magen sind einfach zu viel. Kinners, ich bin auch müde und hasse diese Anstoßzeit, aber ich bin ein alter Sack und kein Spitzensportler. Wir könnten natürlich auch beantragen Sonntags zu spielen, wenn um 13 Uhr sonst immer Mittagsschlaf angeordnet ist. 

Danach bin ich dann auch erst mal raus, Wurst und Bier holen. Mit Bier lässt es sich auch wesentlich besser jubeln und pöbeln, denn auf den Anschlusstreffer von Cenk Sahin folgen die vielleicht besten 60 St.Pauli Minuten dieser Saison am Stück. Rückrundenstyle, mit kleinen Schwächen nach hinten natürlich, wenn man was aufholen muss, aber mit so viel Feuer und Elan, dass zumindest ein Unentschieden mehr als verdient gewesen wäre.

Wenn man erst ab 13:30 wach ist gestaltet sich das leider eher schwierig. Gott sei Dank ist das nächste Heimspiel an einem Freitag.

Was sonst noch schlecht war:
Planung ist alles: noch zehn Euronen in der Börse, langt gerade für den HVV und eine Wurst zum Frühstück.

Was sonst noch gut war:
Ich hab immer noch genug Kredit im Stadion, ich brauch kein Geld. Und Wurst ohne Bier wär ja auch nix.
Die St.Pauli gegen Rechts/Geht wählen! Aufforderung auf den neuen Glitzerbanden. Gibt möglicherweise wieder einen komischen Leserbrief im Vereinsblatt, bin schon gespannt wie'n Flitzebogen.


Ach ja:
GEHT WÄHLEN UND FCKAFD!

Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St.Pauli - Fortuna Düsseldorf, Endstand 1:2
Getränk dazu: Mombasa Club Gin (Strawberry Edition), Limette, Erdbeeren, Fever Tree Indian Tonic Water
Musik dazu: Harry Manx - West Eats Meet / Bread & Buddha