Samstag, 30. April 2016

Die Luft ist raus


















Spieltagvorbereitung. Gegen die äußere Kälte zwei Lagen T-Shirts unter dem Hoodie, einen Schlauchschal zum Abdichten und einen normalen als Halswickel. Gegen die innere Hitze zwei Aspirin, einen heißen Tee mit Zitrone und für den Hals ein paar Drops. Für knapp drei Stunden sollte das reichen, also hinfahren, Spiel gucken, zurückfahren und wieder ins Bett legen. Gibt es eigentlich auch Tee im Stadion? Am liebsten wäre mir natürlich so etwas wie Marokkanischer Kräuterteehazee, denn rauchen macht auch gerade keinen Spaß.

Zehn Minuten vor Anpfiff stellt sich die Frage: Bier oder kein Bier? Beantwortet wird sie durch das Personal, wenn ich den Anstoß nicht verpassen will muss ich auf ein Kaltgetränk verzichten. Fällt mir nicht schwer, schmeckt wahrscheinlich sowieso nach nichts, wie alles im Moment. Das Herz von Sankt Pauli ist irgendwie erbärmlich leise heute, oder es liegt an meinen Ohren, denn links höre ich immer noch schlecht. Scheiß Männerschnupfen.

Alle Farben sind schön, ganz besonders bunt ist die Gegengerade heute, der genaue Anlass ist von hier aus zwar nicht zu erkennen, aber dafür haben wir ja den Profi vom Spielfeldrand. Die Nord hingegen trägt Trauer und hüllt sich in schwarze Farben. Wieder jemand viel zu früh gegangen, da wird es auch kein Trost sein, dass im Himmel wohl gerade die derbsten Jamsessions laufen. 

Die Nachbarn freuen sich dass ich wieder da bin, das ist mal schön zu hören. "Hat Erdogan dir das Biertrinken verboten?" fragt mein Nebenmann, mit Blick auf den leeren Becherhalter. Ich murmel was von vollen Bierständen, Erkältung und der Unsicherheit, ob mir ein kaltes Bier überhaupt schmecken würde, aber wenn er sowieso gerade welches holen geht würde ich mich auch nicht dagegen wehren, versuchen kann man es ja mal. Nach fünf recht stürmischen Anfangsminuten tapert er los zur Zapfstelle und verpasst dadurch

die beschissene achte Minute, in der Enis einen superdämlichen Querpass vor der Abwehr direkt in den Lauf eines Münchners spielt. Der fackelt dann auch nicht lange und es steht 0:1. Frühe Gegentore kann man aufholen, Zeit genug ist ja da. Versucht wird es auch, von Maier, der ein ziemliches Pfund abfackelt aber nur die Bande erschüttert, von Buchti, der den Löwenkeeper mit einem Freistoß beschäftigt und von Alushi, bei dem sich ein Münchner in die Schussbahn wirft. So richtig vom Sitz reißen kann das alles nicht, denn wie immer sind wir offensiv viel zu harmlos und verdaddeln reihenweise die Bälle, der einzige der ab und zu für Gefahr sorgt ist Fafa Picault. Oft genug nur durch ein Foul zu bremsen, sorgt er schnell für ein paar gelbe Karten. Eine davon gleich für Buchtmann, dessen erweiterter Redebedarf von Schiri Kircher wohl nicht goutiert wird. Der Halbzeitrest ist das immer gleiche Lied, der Gegner macht hinten dicht und nichts geht mehr.

Wären wenigstens unsere Standards halbwegs gefährlich könnte man ja hoffen, aber manchmal kann man nur noch mit dem Kopf schütteln wenn man das sieht. Ich hasse kurze Ecken, die sicherste Möglichkeit einen Eckball gegen einen Einwurf zu tauschen. Und diese Freistoßtricks mit Selbstüberlistung gehen mir noch mehr auf den Sender. Gibt es eigentlich eine Spielregel die besagt, wie viele Spieler über den ruhenden Ball springen dürfen, bevor einer schießt? Wenigstens kann man den Jungs nicht absprechen sich zu bemühen, kurz vor der Halbzeit versucht es Fafa sogar mit dem Kopf, aber den hat der Keeper sicher.   

Die zweite Hälfte macht noch weniger Spaß, wir kriegen einen Handelfmeter nicht, obwohl sich das Stadion geschlossen dafür ausspricht, weil Kircher das scheinbar doch etwas besser gesehen hat. Maier, in der ersten Hälfte noch einer der wenigen Aktivposten, findet nicht mehr statt. Buchtmann verstolpert reihenweise die Bälle, die Freistoßtricks werden noch peinlicher, die Ecken noch harmloser. Als Ewald mit den Wechseln anfängt, hab ich nur noch die Hoffnung er möge bitte Picault verschonen, das ist der einzige, der hier noch was reißen könnte. Sieht Lienen wohl ähnlich, bringt Dudziak für den enttäuschenden Sobota und Choi für Ratsche. Die nächste Möglichkeit hat wieder Fafa, pflückt sich den Ball elegant aus der Luft, tanzt den Gegenspieler aus und zieht ab.
Leider zu spitz der Winkel und der Torwart in der richtigen Ecke, aber das war mal ne Aktion zum Zunge schnalzen, einer kann da unten noch mit der Kugel umgehen. Der einzige unserer Boys, der nicht nur die 1:1 Situation sucht, sogar 1:2 kommt er mit klar. Dumm nur, wenn das Zuspiel dann nicht verwertet wird. Auch blöde dass Fafa der einzige ist, der bei einem von Robin abgefangenen Ball nach vorne sprintet, während der Rest noch gemächlich durch den Strafraum schlendert. Wie soll ein Torwart das Spiel schnell machen, wenn keiner laufen will außer den Giesingern?

Als letzter Wechsel bei uns kommt Bernd Nehrig für Maier, der in einem Tempo vom Platz schleicht, als würden wir mit einem Treffer vorne liegen. Krasser Gegensatz dazu Fafa, der zehn Minuten vor Schluss mit Wadenkrämpfen zu kämpfen hat. Das soll schon mal vorkommen, wenn man seinen Beruf ernst nimmt. Zwei bis drei mehr von der Sorte heute und die hätten hier eine Packung bekommen, doch am Ende kommt es wie es kommen muss, wenn man darum bettelt. Noch zwei Minuten auf der Uhr, wieder ist Alushi in der Verlosung, haut neben den Ball und ermöglicht einen Münchner Konter, 0:2.

Und dann muss man noch vier Minuten Nachspielzeit ertragen. Mein letztes Heimspiel in dieser Saison habe ich mir echt anders vorgestellt, wenn man sich schon mit ner fetten Erkältung ins Stadion quält. "Etwas Gutes hat das" sagt jemand im Vorbeigehen, "wir können nächste Saison wieder auswärts nach München." Genau daran hatte ich auch schon gedacht, ich bezweifle nur langsam, dass nach den Erfahrungen der letzten Jahre noch jemand mitkommen will.       

Vor den Fanräumen noch schnell die Tresenkurve gesucht und gefunden, zusammen meckern macht mehr Spaß, doch die Meckerecke ist am Ende der Saison gütig geworden. "War doch klar" sagt Koschi, "die Luft ist raus. Scheiß drauf, unterm Strich eine super Saison, das ist alles was zählt." Bei mir ist die Luft auch langsam raus, ich verabschiede mich, nur um kurz darauf noch eine Auswahl an Stickern zu erwerben und dazu gleich zwei Exemplare des Kiezkiekers, der mit dem Aufkleber des Jahres das einzige echte Highlight bietet an diesem Tage. Immerhin dafür hat sich der verschnupfte Ausflug gelohnt.

Luftfotos: Millerntorstadion Hamburg St.Pauli
Luftgetränk: Tee
Luftmusik: Steve Winwood - Back In The High Life








































Mittwoch, 27. April 2016

Gottverdammter Männerschnupfen, geh weg!

















Jedes Jahr das gleiche Drama, man kommt aus dem warmen Süden zurück in den kalten Norden, wird auf dem Weg noch mit unzähligen Keimen aus den zahlreichen Luftdüsen der Flugzeugklimaanlage beschossen und spätestens ein paar Tage später liegt man flach. Der Kopf brummt, die Augen tränen, die Glieder schmerzen und durch den angeschwollenen Hals passen höchstens noch Kalt- oder Heißgetränke: Männerschnupfen!

So etwas passiert natürlich auch grundsätzlich zum ungünstigsten Zeitpunkt. Nicht, dass es überhaupt einen günstigen Zeitpunkt gäbe für Männerschnupfen, aber ausgerechnet zwei Tage vor dem nächsten Heimspiel? Eine Woche vor einem der seltenen Sachenmacherwochenenden, an denen man genug Zeit hätte um Sachen zu machen, die an einem kurzen Wochenende unmöglich sind? Die freie Zeit hüstelnd und schwitzend im Bett verbringen? Niemals! Das muss weg!

Also bekämpft man den Männerschnupfen mit allem was man hat, sogar mit dem vom Pappenheimer letztens hier vergessenen marokkanischen Minztee, der gar nicht einmal so schrecklich schmeckt wie befürchtet (aber natürlich auch nicht wirklich gut, sonst wäre es ja keine Medizin), verzichtet auf Kippen, Kaffee und alle anderen Arten von Drogen und legt sich lieber für 12 Stunden am Stück ins Bett, statt Urlaubsfotos am Rechner zu bearbeiten oder sich von der Glotze berieseln zu lassen.

(Mehr Tipps und Empfehlungen zur Bekämpfung des Übels gerne in den Kommentaren. Es eilt!)

Samstag, 23. April 2016

Wunderbar wach mit Windows















Die Schweißperlen auf der Stirn bilden sich vermehrt beim zweiten vergeblichen Bootvorgang, der Alptraum verschwindet also nicht von alleine, nur weil man den Rechner neu startet. Unautorisierte Änderungen am Betriebssystem? Ich war's nicht. Auch nicht an der Firmware oder irgendwelchen Treibern. Was habe ich überhaupt gemacht gestern, wie alt ist das letzte Backup und wo bekomme ich auf die schnelle eine neue SSD, falls die alte abgeraucht ist? Und wo ist die dämliche Windows CD oder eine Alternative, mit der ich die Kiste hochfahren kann?

Wenigstens den Lightroom Katalog muss ich irgendwie sichern können, sonst sind drei Tage Arbeit umsonst. Ach was Tage, Wochen! Monate! Schweißperlen! In den letzten Urlaubstagen den Rechner neu aufsetzen war nicht der Plan und das Image ist älter als ein Jahr, das lohnt nicht einmal den Gedanken. Mehr Schweißperlen! Kalter Kaffee, den ich nicht mehr brauche, denn durch den Stress bin ich inzwischen wach genug. Frühstück wird überbewertet. Wer kann schon an Brötchen denken, wenn der Rechner nicht bootet? Meine Rechner booten IMMER, seit ich Rechner zusammenbaue ist das so, verdammt.

Was ist das überhaupt für eine Scheiße, diese Secure Boot Violation? Ein Virus? Hatte ich zuletzt vor 30 Jahren auf dem Amiga, aber soll es inzwischen auch vermehrt für Windows geben wie man hört. Schnell mal den Laptop hochfahren und nach Informationen suchen. Der war seit Wochen nicht im Netz und will natürlich sofort jede Menge Windows Updates ziehen. Ah! Updates! Da war doch was? Kann das sein?

Kann sein! Es ist tatsächlich ein Patch von Mitte April, der etliche Besitzer von Rechnern mit Asus oder AsRock Boards in die Schockstarre versetzt haben dürfte. Unautorisierte Änderungen am Betriebssystem durch den Hersteller des Betriebssystems, darauf muss man erst mal kommen.

Jetzt würde mich nur noch interessieren, wie viele Rechner in den letzten Wochen völlig unnötig auf den Servicetresen der Händler gelandet sind - und ob man von Microsoft wenigstens einen Teil der dadurch entstandenen Kosten zurückfordern könnte, denn ich gehe jede Wette ein, dass 90% aller PC Besitzer noch nie ihr BIOS gesehen haben. Wenn sie überhaupt wissen, dass es so etwas gibt.

Windowsbier: Snake Dog IPA, 7.1%, Flying Dog Brewery
Windowsmusik: Prince - The Hits 1 & 2

Mittwoch, 20. April 2016

Über den Wolken

















Eine schmackhafte Currywurst mit Brötchen bietet Condor als warme Mahlzeit über den Wolken an, für den geringen Preis von nur 6.50 Euro muss ich da unbedingt zuschlagen. Einen Currywursttest in knapp 10 Kilometern Höhe kann ich mir nicht entgehen lassen, zumal die im Flugpreis inbegriffene Bordration nur aus einem (wahrscheinlich) furztrockenen Minischokocroissant besteht, den man sich dafür immerhin mit Kaffee oder Wasser satt runterspülen kann, wenn man häufiger die Bordtoilette benutzen möchte.

Die Mikrowellenmahlzeit kommt mit einem Extratütchen Curry und einem steinharten Brötchen, weil Brötchen sich einfach nicht für Mikrowellen eignen. Man könnte den Teigklumpen in der dünnen Suppe aufweichen, doch leider ist das ebenso wenig eine geschmackliche Verbesserung wie das "Currypulver" aus dem Tütchen. Um die schlaffen Wabbelwurstscheiben aufzupeppen bräuchte man extrascharfen Madrascurry und keine Mischung aus Pfeffer, Salz und Senfmehl oder was immer das sein soll.

Den Kram kleckerfrei in den Mund zu bekommen ist problematisch genug, erschwerend kommt noch hinzu, dass man den halb abgerissenen Plastiklappen über der Menüschale ständig wieder einklappen muss, weil man sonst zwangsläufig das schmale Klappbrettchen vollsaut.

Fazit und Tipp an alle Flugreisenden mit Condor: esst das Schokocroissant. Kann man wunderbar mit Gin Tonic runterspülen, der kostet nur nen Fünfer. Beefeater mit Paderborner Dosentonic, aber kalt und auf Eis.

Currywurstfoto: Smartphoneknipse vom Exilwestfalen
Currywurstgetränk: Bombay Sapphire w/ Thomas Henry Tonic Water
Currywurstmusik: Nick Lowe - Nick the Knife / Pinker And Prouder Than Previous

Dienstag, 5. April 2016

Der Lappen
















Hurra, da ist sie wieder, die Erlaubnis ein Kraftfahrzeug mit Antrieb durch Verbrennungsmaschinen zu führen, auch kurz Führerschein genannt.

Bestimmt seit mehr als zehn Jahren war er in den Untiefen einer der vielen Dokumentenschubladen verbuddelt und wurde nie gebraucht, nicht einmal bei Kontrollen der Ordnungsmacht großartig angemahnt, obwohl das Nichtmitführen laut Bußgeldkatalog immerhin 10 Euro kosten soll. Will man allerdings eine Probefahrt machen, um zu sehen ob das neue Auto auch zu den Hosenträgern passt, muss man ihn vorweisen, den Lappen. 

Diesen Namen hat meiner jedenfalls noch verdient, quasi ein Museumsstück, das nicht einmal ein Liter ausgelaufene Fanta und die Trocknung in spanischer Sonne gänzlich zerstören konnte, nur die Stempel haben damals etwas gelitten. Ob ich nicht mal daran gedacht hätte mir einen neuen zu holen, fragt der freundliche Händler, aber dafür müsste man zum Verkehrsamt. "Ausschläger Weg?" sag ich, "da fährt doch keiner freiwillig hin." Ich erinnere mich an stempelbewaffnete Beamte hinter schusssicheren Scheiben mit Sprechschlitz und ein Rohrpostsystem wie in den 50er Jahren in Vadderns Büro, aber ganz so schlimm soll es nicht mehr sein, inzwischen hätten die dort auch Computer.

Da der Lappen jetzt wieder in der Schublade verschwinden wird kann ich mir das allerdings auch sparen, zwei Fragen bewegen mich aber doch, nachdem ich das Ding wiedergefunden habe.
Hieß der Lappen eigentlich auch schon vor 1933 Führerschein - und kann ich damit auch Elektroautos fahren, wo doch im Text explizit von Verbrennungsmaschinen die Rede ist?

Lappenbier: Anchor IPA, 6.5%, Anchor Brewing San Francisco
Lappenmusik: Jason & The Scorcherss - Halcyon Times


Sonntag, 3. April 2016

Aprilscherze


















April April, kann moken wat he will, unter anderem wolkenlosen Himmel, Sonne und frühlingshafte Temperaturen, man kann im T-Shirt ins Stadion. Endlich wieder Naturflutlicht! Vorsichtshalber noch nen Hoodie mit Reißverschluss drüber, falls sich das Wetter später als Aprilscherz entpuppen sollte - und einen anderen Schal als den vom letzten Heimspiel. Obwohl ich ja eigentlich gar nicht abergläubisch bin, schaden kann's so etwas nie.

Aprilscherze, schon den ganzen Tag über. Angefangen beim Verein, der uns zu diesem Tag endlich ein passendes Maskottchen präsentieren will. Zecki die Zecke soll in Zukunft das Stadion zum Brodeln bringen und ich hoffe sie ziehen das durch bis zum bitteren Ende, weil ich damals leider verpasst habe, wie sie den ersten Maskottchentestballon mit Bierduschen aus dem Stadion getrieben haben. Man kann doch den Aprilscherz auch erst nach der Bierdusche auflösen, sonst ist der Gag echt etwas flau.

U-Bahn St.Pauli lümmeln wieder reichlich Kartendealer rum, man könnte doch... ich überlege kurz, ob ich mit zwei virtuellen Stehplatzkarten in den Handel einsteige, bin aber nicht sicher ob die Kartenmafia mit Aprilscherzen klarkommt. Eine halbe Stunde vor dem Spiel eine Schlägerei anzufangen wär vielleicht nicht so klug. Bei meinem Glück erwische ich möglicherweise auch noch die einzige ehrliche Seele, die wirklich ins Stadion will. Meine Aprilscherze haben noch nie sehr gut geklappt.

Dombummel an Spieltagen ist ätzend, man muss ganzen Horden kreischender Teenager ausweichen, Hand in Hand laufende Großfamilien weiträumig umgehen und dabei aufpassen, nicht mit Senf, Ketchup oder Remoulade bewaffneten Unterwegsessern im Wege zu sein. Man sollte den Rummel in die Sommer- und Winterpause legen, das ist lang genug. Durch eine "schnelle" Wurst unterwegs spart man nicht einmal Zeit, dauert länger und ist deutlich schlechter als die Krakauer im Stadion, womit der Dom wieder ein bisschen überflüssiger wird.

Auf dem Rasen steht Rainer und verliest die Aufstellung der Berliner, keine Plüschzecke weit und breit. Laaaaahm. Wenn sie schon so ein Ding basteln, dann hätten sie auch Felgenralle da reinstecken können für ne Stadionrunde. Bobby Wood sitzt nur auf der Bank, der war gerade länderspielen über'n Teich und ist noch müde, was für'n Glück auch. Ansonsten fehlen mir bei Union inzwischen Namen wie Mattuschka oder Terodde, die früher schnell mal für Angstschweiß gesorgt haben. Vielleicht schafft es Dennis heute in die Liste, dass der jetzt auf der anderen Seite steht hatte ich schon fast vergessen.

Unser Trainer Ewald Lienen vertraut Lenny Thy im Sturm, Fafa sitzt wieder nur auf der Bank. Also muss Lenny irgend etwas können, was Fafa nicht so gut kann, hoffentlich zeigt er heute mal was das ist. Nehrig, Ratsche, Sobota, Buchti, Alushi, Abwehrreihe wie gewohnt, Schnecke gesperrt, Maier auffe Bank und Ryoooo MIYAICHI! Frenetischer Jubel im Stadion, als der Name verkündet wird. Nach langer Leidenszeit der mögliche erste Pflichtspieleinsatz unseres möglichen Supertalents, das möglicherweise den gegnerischen Abwehrreihen reihenweise Knoten in die Beine spielt und ns in die erste Liga schießt bis Real Madrid und Barcelona sich gegenseitig überbieten... Stadion abbezahlt und dann: Eurobbabokaaaal! Eurobbabokaaaal! Ich liebe Dich, ich träum von Dir...

Mehr Fahnen ergeben ein Fahnenmeer, noch mehr Fahnen wären ein Ozean, aber bestimmt schön anzusehen die Fahnenchoreo auf der Gegengerade, wenn man nicht direkt darüber sitzen würde. Leuchtet sicher auch alles prima, denn die Gegengerade liegt grad voll im Licht der langsam untergehenden Sonne, die von mir aus gerne schneller untergehen könnte. Eine Sonnenbrille wäre heute tatsächlich ganz praktisch gewesen. Ausverkauftes Stadion, der laute Berliner Gästeblock, Dom, Flutlicht irgendwann, ideale Voraussetzungen für ein spannendes Heimspiel eigentlich, doch schon beim Herz von St.Pauli beschleicht mich das üble Gefühl, das wird heute nichts. Das war schon mal lauter, sogar hier oben auf dem Balkon.

Erste Halbzeit läuft noch nicht richtig, da liegt Lenny in unserem Strafraum und muss behandelt werden. Kurz darauf rennen schon wieder die Mediziner auf den Rasen, diesmal liegt ein Unioner, ebenfalls in unserem Strafraum. Eindeutig zu viel los in unserem Strafraum, dauert jedoch etwas, bis wir das Geschehen auf die andere Seite verlagern können. Mit durchwachsenem Ergebnis, denn leider sind unsere Freistöße so harmlos wie immer, die Ecken ähnlich, alles wie gehabt. "Fing das gegen Paderborn auch so an?" fragt mich der Nachbar. Tja, Slapstickfußball halt. Den Ball treffen wird da schon mal als Erfolg gewertet.

Bibi Steinhaus pfeift uns heute und sie muss ziemlich viel pfeifen. Freistoß hier, Freistoß da, mal wieder ne Ecke und dann schwalbt ein Unioner dermaßen durch unseren Strafraum, dass ich schon Schlimmstes befürchte, doch er steht relativ schnell wieder auf, als er merkt dass die Schwalbe nicht ankommt und entgeht so einer gelben Karte. So rechter Spielfluss will nicht aufkommen, Union sieht zwar offensiv besser aus, kommt aber nicht wirklich durch. Wenn die Nordkurve nicht gerade die Gegengerade zu einem Wechselchant auffordert gähnt man so vor sich hin, hört der heute auch nicht so unglaublich lauten Südkurve beim Singsang zu, registriert mit einem Oooooh die wenigen Chancen und Versuche und meckert über leichtfertige Ballverluste. Der einzige der mir positiv auffällt ist Waldi, der versucht wenigstens vorne mal was oder grätscht hinten dazwischen. Kriegt auch die erste gelbe Karte von Bibi dafür.

Daube bringt den Ball rein, direkt auf den Kopp eines Berliners und drin ist das Ding. Nicht. Wäre es aber wahrscheinlich bei fast jedem anderen Torwart außer Robin Himmelmann, der mit einem seiner Wahnsinnsreflexe die Kugel ablenken kann. Das reißt sogar unseren Block von den Sitzen und das will schon was heißen. Viel mehr ist allerdings auch nicht vorhanden, was einen von den Sitzen reißen könnte. Dafür möchte man ab und zu die Hände vors Gesicht schlagen wenn man die Jungs mit ihrem Spielgerät hantieren sieht. Der Ball ist heute auf keinen Fall ein Freund von Buchtmann, den sollte Ewald baldigst erlösen, ich erlöse mich selber und gehe eine Minute vor dem Halbzeitpfiff ein frisches Bier holen..

Das Halbzeitbier ist natürlich schon wieder nicht fertig, nur drei Leute in jeder Schlange, aber nix geht voran. "Das kommt alles nur weil die Amateure für achtfuffzich einstellen, statt mal Profis ein paar Euro mehr zu bezahlen" merkt einer meiner Nachbarn an. Als ich endlich an der Reihe bin und auf mein Bier warte sind die Schlangen um das dreifache gewachsen. Wer auch immer das Personal hier verteilt, unten auf den Stehrängen müssen die früher ein paar Profis eingesetzt haben, sonst wäre dort alles zusammengebrochen. Vielleicht haben sie dort inzwischen aber auch die Profis durch Amateure ersetzt und dafür den Beerjet angeschafft, wäre natürlich denkbar. Solange ich hier oben mein Bier trotz des desolaten Personals in weniger als fünf Minuten bekomme, werde ich nicht versuchen das zu verifizieren.

Zweite Halbzeit. Endlich was los hier! Der Gästeblock raucht und alle pfeifen. Naja, nicht wirklich alle. Einer der Nachbarn gesteht sogar, Pyro eigentlich ganz gut zu finden. Nur hat das mit Pyro nicht einmal viel zu tun, der Block hüllt sich für ein paar Minuten in dunklen Rauch, in dem wahrscheinlich ein paar Menschen ganz fürchterliche Hustenanfälle erleiden und sich hoffentlich nicht allzu viel Asthmatiker befinden - und vom Spiel kriegt keiner was mit.  
Das ist allerdings auch nicht weiter tragisch, denn unsere Boys scheinen zwar etwas engagierter zu Werke gehen zu wollen, kommt nur nichts bei rum. Ähnlich sieht es auf der Gegenseite aus, Rumpelfußball vom Feinsten, Zweitligadurchschnitt ist halt immer noch näher an der dritten als an der ersten Klasse, das sieht man heute ganz deutlich. 
In der 70. wechselt Ewald aus, Ratsche geht vom Platz und "Ausgerechnet Maier" kommt. Ein paar Reihen hinter mir ist jemand damit ganz und gar nicht einverstanden, weil der Sebi keinen neuen Vertrag unterschreiben wollte. Ich glaube ja auch, dass das ein Fehler war, aber ich schätze der wird ihm irgendwann mehr weh tun als uns, denn der ist so wenig erstligareif wie der Rest der Truppe da unten, mit Ausnahme des Skyman vielleicht.

Das Spiel gähnt weiter vor sich hin, mal hier ein Freistoß, mal da ein Freistoß und Einwurf, Einwurf, Einwurf, Einwurf. Auf der Tribüne dazu die Kommentare aus dem Geschichtsbuch. Not gegen Elend, Nichtangriffspakt, bis endlich jemand die grausame Wahrheit erkennt. "Das ganze Spiel ist ein Aprilscherz" bölkt es unter mir los, "das richtige is morgen Middach!"
Das Gedaddel auf dem Rasen ist dermaßen einschläfernd, da ist der Schreck umso größer, wenn  der Ball plötzlich im Netz zappelt. In unserem Netz, heidanei, und die Berliner Kurve feiert, so eine Sch... ach, Abseits. Gott sei Dank. Und wieder abregen.
Eine knappe Viertelstunde vor Schluss wird es tatsächlich nochmal etwas lebhafter auf den Rängen, Waldi geht vom Platz und Ryoooo MIYAICHI betritt den Rasen. Hach wäre das schön, wenn der jetzt ein paar Knoten in des Gegners Beine spielen würde wie weiland der junge Herr Messi und dem Spiel damit die entscheidende Wende verpasst, aber, meine Damen und Herren, wir befinden uns immer noch in der deutschen zweiten Liga, da ist so etwas leider sehr, sehr unwahrscheinlich.
Kurz darauf der letzte Wechsel, Fafa für Alushi und wie immer ist der sofort auffällig dabei. Der Junge rennt jedes mal sofort wie ein Aufziehmännchen über den Platz, wenn Engagement einen Namen hat dann Fafa Picault. Den könnte Ewald ruhig mal von Anfang an bringen.

Leider ist auch Fafa nicht effektiv genug im Abschluss, Ryo spielt niemandem Knoten in die Beine, Maier schießt keinen Superfreistoß in den Winkel und Union ist ohne Tusche einfach nur noch Union ohne Tusche, nichts mehr was man fürchten müsste. Bibi lässt zwei Minuten nachspielen und alle sind froh, als es endlich vorbei ist. Gefühlt ist das die Saison bei mir ohnehin schon, denn ich werde aus diversen Gründen höchstwahrscheinlich nur noch das Spiel gegen 1860 sehen können. Bei dem Gebolze bin ich inzwischen nicht mal sicher, dass ich darüber traurig sein sollte.

Aprilscherzfotos: Gegengerade Millerntor, Fahnenmeer, Halbzeittapeten, Sonnenuntergangsmillerntor,Eisern geraucht, Ratsche gibt Autogramme, neue alte Tränke, Hamburger Dom
Aprilscherzbier: Hopper Bräu Amerikanischer Traum, IPA 6.5%
Aprilscherzmusik: Mark Lanegan - Blues Funeral/No Bells On Sunday/Phantom Radio