Mittwoch, 31. Dezember 2014

Noch'n Panorama
















Was macht man über die Feiertage auf dem Dorf, außer feiern? Also nachmittags, nach dem Frühstück? Fotografieren gehen, latürnich. Die üblichen Ecken besuchen, die man schon in ziemlich jeder Jahreszeit besucht hat, mit und ohne Osterfeuer oder Weihnachtsbaum. Drölfzigtausendmal fotografiert, aaaber: nicht so richtig mit totalem Rundblick. Panorama heißt das Zauberwort, so richtig volle Elle, am besten gleich 360°, mindestens aber 180.

Seit der Pappenheimer seine Wohnung panoramisiert hat, will er sein erdbebensicheres Berlebach-Stativ natürlich auch einmal außerhalb der eigenen vier Wände ausprobieren. Dazu ist der Gebrauch eines Fahrzeuges sehr empfehlenswert, denn obwohl es ein Stativ aus der Serie "Report" ist, dürfte kaum ein Reportagefotograf auf die wahnsinnige Idee kommen, dieses Monstrum per pedes herumzutragen. Dafür hat es eine fantastische Schwingungsdämpfung, sogar wenn direkt daneben ein Sack Reis umfällt, da wackelt nix.  

Mit einem anständigen Kopf geradezu prädestiniert für Panoramafotos, hochkant natürlich, mindestens 12 Aufnahmen. Das 360° Pano wird leider durch den Parkplatz auf der Rückseite zunichte gemacht, dem es auch ohne die vielen parkenden Fahrzeuge an Attraktivität mangeln würde, aber für die Vier Täler kommt man auch mit etwas weniger aus.

Nur wenige Tage später ergibt sich eine weitere Gelegenheit das gute Stück zu testen, denn es schneit wie verrückt und für den nächsten Tag verspricht der Wetteronkel feisten Sonnenschein. Dafür kann man die Rückfahrt direkt um einen Tag verschieben, auch wenn die Autobahn am Montag sicher rappelvoll ist, aber: Schnee! Ich träume von schneebedeckten Bäumen und Wipfeln, auch wenn das Zeug schneller taut als gedacht, aber der Pappenheimer weiß mich zu beruhigen. Auf 500 Metern Höhe sieht das gaaanz anders aus, da liegt selbstverständlich viel mehr Schnee. Viel viel mehr Schnee.

Das entpuppt sich leider als Irrtum, nach schneebedeckten Bäumen muss man suchen und auch auf den Wiesen liegt das Zeug nicht sehr üppig, 500 Meter sind halt noch kein Hochgebirge. Trotzdem weit besser an diesem Tag die Sonne zu genießen, als nach der ganzen Feierei auf die Autobahn zu müssen. Das Berlebach hat seine Wintertauglichkeit ebenso beweisen können, auch wenn es die nächsten Jahre wohl mehr im Indoorbereich zum Einsatz kommen wird.

Da wird es auch viel eher benötigt, denn der Fußboden beim Pappenheimer hat so überhaupt keine Schwingungsdämpfung, da muss man halt für ein Stativ schon etwas tiefer in die Tasche greifen.

Fotos: Nix Panorama, voll normal Weitwinkel außer Hottehü
Musikalisches Panorama: Julia A. Noack - Piles & Pieces / Lee Clayton - Naked Child








Freitag, 26. Dezember 2014

Der kleine Unterschied
















Sowohl in Hamburg als auch in Plettenberg kann man sich am ersten Weihnachtstag sinnlos sinnvoll sitzend besaufen, weil man am ersten Weihnachtstag, sowohl in Hamburg als auch in Plettenberg, selbst in den angesagtesten Bars und Kneipen ganz problemlos einen Sitzplatz bekommt.

Der kleine Unterschied besteht dann nur noch in der Art der Beschallung, während man z.B. im Jolly Roger auch zum heiligen Feste Punk in voller Lautstärke auf die Ohren bekommt, darf in Plettenberg der Nachwuchs des Barchefs an die Regler. Keine so wundervolle Idee, weil 14jährige Knaben meist Musik auflegen die der 12jährigen Freundin gefällt.

Der Viertäler Caipirinha (Chefmischung) legt einem allerdings, spätestens nach dem zweiten Glas, auf ganz wundersame Weise eine große Schicht Watte auf die Ohren, als sanften Schutz gegen die Discoschlagerfolter minderjähriger DJs.

Nach vier Gläsern sind die Unterschiede zwischen Punk oder Discoschlager kaum noch zu erahnen, es kommt halt, wie immer bei üblen Folterungen, nur auf die Schmerzmitteldosierung an.


Mittwoch, 24. Dezember 2014

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, J.C.

















Mein lieber Freund und Zimmermann, angeblich hat es Dich ja vor knapp 2000 Jahren nicht lange im Grab gehalten, stattdessen schwebst Du nun irgendwo auf Wolke 7 und guckst Dir von da oben an, was Deine Anhänger hier unten so alles anrichten. Deinen Geburtstag feiern sie immer noch, aber sonst haben sie nicht viel übrig für Love & Peace & Happiness. Langhaarige Hippies haben sich nicht durchgesetzt, hier regieren seit Deinem Abgang fast durchgehend Vollidioten, überall. Die Spacken, die Du damals angeblich aus dem Tempel gejagt hast. Hat es sich gelohnt, dafür ans Kreuz genagelt zu werden? Also ich wäre stinksauer. Und gesetzt den Fall, ich hätte wirklich einen allmächtigen Erzeuger, würde ich mit dem mal ein paar Takte reden. Wenn er ehrlich ist gibt er zu, dass sein "Mensch" Experiment voll in die Hose gegangen ist. Kein Wunder, wenn man diesen Sintfluttrick immer nur auf arme Fischer in Asien anwendet, statt auf die kranken Hirne, die gerade mal wieder einen Krieg oder Völkermord anzetteln. Mit dem Wasser ist das halt doch nicht so einfach in der Wüste.

Nebenbei, die Idee mit den ganzen Propheten die angeblich Sein Wort verkünden, ganz ganz dämlich, echt mal. Wenn der eine nicht weiß was der andere erzählt ist das Chaos vorprogrammiert, außerdem überfordert ihr die meisten der Primaten hier unten mit dem kryptischen Gesabbel in Euren Wälzern, das liest eh kaum jemand. Und die paar schrägen Vögel, die es beruflich lesen müssen, erzählen nur das was sie für richtig halten. Blöderweise sind gerade unter Euren Hardcorefans die größten Idioten zu finden, sieht man ja wo das hinführt, wer falsch betet verliert unter Umständen sogar seinen Kopf.

Wenn Dein Alter den Halbaffen auf der Erde schon ein Gehirn spendiert hat, dann sollten sie es auch zu nutzen wissen. In Dresden haben gerade 15.000 gezeigt, dass sie damit nichts anfangen können. Die machen sich in die Hose, weil ein paar Leute Deinen Kollegen für den vertrauenswürdigeren Verkünder halten und würden deshalb am liebsten mit der Köpferei anfangen, bevor da noch mehr dran glauben. Dabei feiern die meisten Deinen Geburtstag nur noch aus Gewohnheit und weil es die Wirtschaft ankurbelt. Ganz schön peinlich, wenn man mal überlegt was Du eigentlich für Ziele hattest.

Vielleicht könnten wir die Tradition der gegenseitigen Schenkungen zu Deinem Ehrentage, trotz des allgemeinen Elends, mal für etwas wirklich sinnvolles nutzen, dann würde ich mir von Dir und Deinem alten Herrn etwas wünschen. Etwas, das allen Menschen schlagartig helfen würde, überall. In wünsche mir von Euch keine Nazis. Muss nichts dramatisches sein, mit Blitzschlag oder Sintflut, lasst sie einfach aussterben. Wie die Dinosaurier, die hatten auch zu wenig Hirn.

Das hätte echt mal 'nen positiven Effekt auf den ganzen Planeten. Falls das während meiner ablaufenden Lebensspanne noch klappt hätte das einen weiteren positiven Aspekt: Schenkst Du mir keine Nazis, schenk ich Dir meinen Glauben.


Das diesjährige Weihnachtspostkartenkitschmotiv sollte eigentlich den Weihnachtsmarkt auf der Fleetinsel zeigen, mit schick beleuchteten alten Schiffen, doch dafür braucht man hier seit Tagen schon eine Unterwasserkamera. Merkzettel für den nächsten Versuch: nicht auf die Staubschicht fokussieren.

Unchristliche Weihnachtsklänge: Tamikrest - Chatma

Montag, 22. Dezember 2014

Pettersson, Findus, teure Fotos und Wadenkrämpfe


















Seit ein paar Jahren bin ich für das Weihnachtstheater zuständig, also nicht für das Theater zu Hause, für die Kultur. Kinderkultur. Die Auswahl fiel leicht in diesem Jahr, da mich der Don nach dem Heimspiel gegen Heidenheim rechtzeitig auf sein Theaterschiff aufmerksam machte, so konnte ich für den vierten Advent gerade noch ein paar Karten online ergattern. Die Freiluftveranstaltung mit Pippi Langstrumpf war damals ein voller Erfolg, man muss dafür nicht unbedingt die großen Theater besuchen.

Pettersson und Findus. Den Namen hab ich schon mal irgendwo gelesen, ist wohl eines der bekannteren Kinderbücher, aber das ändert sich ja von Generation zu Generation. Unterwegs klärt mich die Prinzessin auf, über Herrn Pettersson und Findus, seinen frechen Kater, dumme Hühner und kleine Kobolde. Ich kriege knapp die Hälfte mit, weil die Navitante einen Teil meiner Aufmerksamkeit einfordert, von Barmbek nach Wedel war mit einer Stunde doch etwas knapp berechnet, auf unbekannten Routen verlasse ich mich lieber auf den Kasten.

Meine Befürchtung das Kind könnte sich auf der Fahrt langweilen ist glücklicherweise unbegründet, der Gesprächsstoff geht ihr niemals aus. Gibt auch viel zu entdecken auf der Strecke, eine Giraffe an deren Hals jemand hochklettert, eine bunte Ente ohne Kotflügel, ein beleuchtetes altes Flugzeug und Einkaufszeilen mit unfassbar viel blinkendem Weihnachtsklimbim. Nebenbei soll ich ihre Mutter überreden dieses Jahr nicht in die Kirche zu gehen, weil das voll langweilig ist und immer genau dann der Weihnachtsmann kommt und den will sie endlich mal sehen. Morgen muss sie in den Hort und das ist auch voll langweilig, weil keine Schule ist. Schule ist besser, da lernt man lesen. "Da steht Becker" ruft sie entzückt als ich das Navi anschalte. Das ging verblüffend schnell, sag ich ihr auch. "Ich bin ja auch schlau" erwidert sie darauf ganz selbstbewusst. Kann gut sein dass sie gerade bis über beide Ohren grinst, weil ihre Lehrerin Becker heißt und das deswegen so flutscht, aber das ist im Rückspiegel nicht auszumachen. Ich liebe dieses Kind.

Leider lenkt das alles ein wenig ab, ich werde erst wieder konzentriert als es blitzt. Waaaaaas für eine verfiiiiiiiichrrröchelhust, nicht mal fluchen kann ich jetzt, den Fehler hab ich schon mal gemacht. Wo zum Geier sind wir überhaupt?  Osdorfer Landstrasse, stimmt, da steht ein teurer Fotoapparat. Hab ich auch schon mal gelesen. Die Prinzessin will wissen was das kostet, würde ich auch gerne. Irgendwas zwischen 40 und 100 schätze ich. Könnten mit etwas Pech noch ein paar Euro dazukommen, weil ich mit dem Handy telefonieren muss als Junior anruft, und das auf den letzten zwei Kilometern. Sind aber keine Udels zu sehen und wird eh langsam dunkel.

Am Theaterschiff warten schon die großen Kinder und ein dichtes Gedränge vor den schmalen Eingängen. Die Onlineplatzreservierung wird hier noch analog weiterverarbeitet, ein Heft nebst Kugelschreiber, Namen durchstreichen, fertig. Sehr sympathisch und sehr voll. Die ersten drei Reihen sind für die Kinder, nur sind heute mehr Erwachsene als Kinder da, es muss umdisponiert werden. Wir kommen so unverhofft in den Genuss der vierten Reihe, alte Kinoklappsessel, fest im Boden verankert. Leider so ungeschickt, dass man seine Füße nicht unter den Sessel des Vordermannes schieben kann. Beinfreiheit null, das ist härter als Ryanair, was für ein Segen dass der Flug hier keine drei Stunden dauert.

Verglichen mit Pippi Langstrumpf ist das Stück nicht der Reißer, aber die Akteure, allen voran der Don als Herr Gustavsson, sind mal wieder große Klasse, die Hühner ein echter Brüller. Die Kinder sind entsprechend begeistert, die Prinzessin hält es manchmal kaum auf dem Sitz, dann klammert sie sich an die Lehne des Vordermanns. Theater scheint immer noch zu faszinieren, zumindest wenn man kein völlig fernsehverseuchtes Kind hat. Nach 40 Minuten gönnen wir der Lütten eine Brezel und uns eine Rauchpause, sehr viel länger hätte ich es auch kaum ausgehalten. Der zweite Akt ist dann deutlich spannender, sogar das Bühnenbild wird mehrfach gewechselt, alles irre aufregend und fleißig kommentiert von den lieben Kleinen. Super Theater. Wenn man nicht laufend versuchen müsste seine Beine irgendwie zu entknoten um dem drohenden Wadenkrampf zu entgehen wär's noch superer.

Aus dem Musikfindus, äh, Fundus: Joe Cocker - Mad Dogs & Englishmen / Sheffield Steel, R.I.P.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Verzettelt? Hol den Fachmann.


















Vorspiel
Es ist noch keine Woche her, da war der Abstieg für mich besiegelt. Diese Pleite gegen Darmstadt versprach keine Hoffnung mehr, das war nur noch grausam was da auf dem Platz ablief. Keine Hoffnung mehr, keine Rettung in Sicht und das schon nach der Hinrunde. Schon mal geguckt welche Auswärtsspiele außer Kiel so in Frage kommen nächste Saison. Was für Gegner. Sonnenhof Dingsdabums, voll deprimierend. Können wir uns Jahre mit beschäftigen.

Nur eine Woche später ist die Depression einer Mischung aus Spannung und Hoffnung gewichen, freue ich mich das erste Mal seit langer Zeit auf ein Heimspiel. So richtig wie es sich gehört, mit Kribbeln im Bauch und neuem Glauben. Dabei ist fast nichts passiert, wir haben nur einen neuen (alten) Trainer eingestellt und den alten (jungen) Trainer zum neuen Sportchef gemacht, damit er nicht entlassen werden muss. Und ein Auswärtsspiel verloren, wenn auch nicht so übel wie befürchtet.


Dass solche Kleinigkeiten dennoch Anlass zur Hoffnung geben liegt entweder daran, dass man als gebeutelter Fan bereit ist zum letzten Strohhalm zu greifen, oder am Namen des Trainers von dem man sich Rettung aus höchster Not erhofft. Wenn dann ein Trainer geholt wird, von dem man schon immer dachte, dass der zu St.Pauli passt wie Arsch auf Eimer, dann ist das schon eine kleine Beruhigungspille. Wenn der in seinen ersten zehn Minuten Pressekonferenz trotz der prekären Lage  Souveränität ausstrahlt, wirkt wie jemand, der genau weiß was er tun muss um den Kahn wieder flott zu machen, dann ist das geradezu Balsam für die geschundene Fanseele. Pep Guradiola hätte jedenfalls nicht mehr Wirkung erzielen können, sogar unser neuer Präsi kommt während der PK aus dem Grinsen nicht raus, das ist richtig ansteckend.

Erschreckend ansteckend sogar, voll die Aufbruchstimmung, ich stehe schon auf bevor der Wecker eine Chance hat mich zu nerven. So kann ich ein bis zwei Kaffee mehr trinken und mal bei Twitter und im Forum gucken, ob noch jemand diese Aufbruchstimmung verspürt. Eventuell wird das Spiel ja auch abgeblasen, denn draußen bläst es wie Sau. Sturm, Regenschauer, Hagel, sogar Schnee ist dabei. Was passiert eigentlich bei Sturm mit der offenen Nordkurve? Wenn es da volle Kanne reinpustet und der Ball sofort wieder zurückkommt?

Der ungemütlichen Witterung begegne ich mit entsprechender Kleidung. Der neue FCSP Museumshoodie ist sowat von kuschelig, davon kauf ich mir noch einen. Vielleicht wird das ja ein Glücksbringer, ich hab schon ewig keinen neuen Kram getragen beim Spiel. Regenjacke muss auch, obwohl das Ding saublöde Sachenverliertaschen hat, da muss man auf sein Zeug aufpassen wie Hulle. Nass werd ich trotzdem, doch diese seltsame Hochstimmung verdrängt sogar den ätzend nasskalten Wind der mir direkt ins Gesicht bläst. Alles egal heute außer drei Punkte.

U-Bahn St.Pauli schnell noch den Übersteiger kaufen, Stadion entern, Bier holen, Platz suchen. Eine Stunde Zeit mit den Nachbarn zu schnacken, schon wieder viele neue Gesichter dabei, überall gespannte Vorfreude. Heute wird das was, ganz sicher. Wir sind dran, Ewald wird der Wendepunkt. Endlich wieder ein Fachmann, sogar neue Aufkleber mit dem Fachmann soll es schon geben, muss ich unbedingt besorgen, Lienen fand ich schon als Spieler cool. Hätte immer schon gepasst hier.

Der Meinung sind viele, denn Ewald wird sehr freudig und lautstark empfangen bei der ersten Platzbegehung, macht gleich mal die Runde und grüßt die Kurven wie weiland Truller vor den Spielen. Die Faust hat gefehlt, die war zu lange in der Tasche. Das wird was heute, ganz sicher. Das muss einfach, jetzt oder nie, kein Bock auf deprimierende Winterpausenstimmung. Kann man gleich mal abschütteln und ne Runde singen, prächtige Stimmung auf der Gegengerade, und das am Samstag um diese Zeit, da kann ja was werden.

Aus Aalen ist kaum Anhang dabei, irgendwas um 300 Gästefans auf der Haupttribüne bekommen ihre Hymne, die sogar halbwegs hörbar ist wenn man den Text ausblendet und damit besser als 99% aller Gästehymnen, was allerdings keine große Kunst ist. Lienen vertraut weiterhin auf Himmelmann im Tor, Startsev ist für den gesperrten Schachten dabei und auch der viel kritisierte Herr Nehrig kommt zu einem Startelfeinsatz. Neuer Trainer, neues Glück, sogar Trybull darf zumindest mal auf der Bank Platz nehmen, ich bin schon sehr gespannt wer die Chance nutzt bevor sein Name bei Verkaufsgesprächen fällt.

Die Süd glänzt mit einer wunderbaren Zettelchoreografie, die Gegengerade mit Konfetti und Lautstärke. Da mein Nachbar eine neue Runde Bier geholt hat stellt mich das vor ungeahnte Probleme, ich muss gleichzeitig singen, trinken, fotografieren und mein Bier vor fliegenden Papierschnipseln bewahren. Dabei fällt mir etwas aus der Tasche, was glücklicherweise von meinem Hintermann entdeckt wird, der grinsend eine meiner vorgebastelten Sportzigaretten aufhebt und mir überreicht. Damit kann ich auch gleich die beginnende Nervosität bekämpfen und die Kamera wegpacken. Endlich gehts los.

Spiel (1)
Nach ein paar Minuten merkt man schon, die Jungs wollen, die geben richtig Gas. Das hat sofort Auswirkungen auf die Ränge, die geben auch Gas, so laut war es lange nicht. Jedem hier im Stadion ist bewusst wie wichtig dieses Spiel ist, dass wir heute die Wende einleiten müssen, jeder Ballgewinn wird gefeiert. Neben uns haben ein paar Jungs 'nen Disco-Gonther-Song kreiert, können sich damit gegen die bewährten Chants aber noch nicht durchsetzen. Gegen die Aalener Abwehr können wir uns auf dem Platz auch nicht so recht durchsetzen, aber wir nähern uns an, gewinnen langsam Ballsicherheit. Ratsche setzt einen knapp daneben und nach einer Viertelstunde ist nur noch die blöde Latte bei Lennys Kopfball im Weg, das hätte es sein müssen. Bis dahin ist Aalen recht harmlos, doch plötzlich daddeln sie ungestraft vor unserem Strafraum herum. Hallo! Das wollten wir unterbinden! Bevor da einer abziiiiehgittverdammtescheiße, da zieht auch schon einer ab, aus vollem Lauf, aber Himmelmann kann das Ding festhalten. Manmanman ey, das ist die zwanzigste Minute gewesen, wenn der sitzt gucken wir wieder dumm aus der Wäsche. Bloß keinen Break jetzt.

Kurzer Schock, nix passiert, abschütteln und weitermachen. Im Gegenzug ist es Dennis Daube der einfach mal abzieht, aber bevor ich Tor schreien kann klatscht das Ding an den Pfosten. Bäm! Kollektives Stöhnen. Gnaaaa, das is zum Nägel kauen, warum zum Teufel kann das Ding bei uns nicht mal rein gehen? Das ist so typisch, als Tabellenletzter braucht man dreimal mehr Chancen für ein Tor, aber fängt gleichzeitig die dämlichsten Dinger. Wir sind weiter deutlich aktiver, kriegen endlich die zweiten Bälle, setzten schneller nach, aber wenn wir mal ne Ecke kriegen ist die Ausführung zu harmlos. Lenny versucht es aus der Entfernung, ist ohnehin ein Aktivposten da unten, scheitert aber am Torwart oder wird geblockt. Da kann man noch so häufig "St.Pauli schießt ein Tor" singen, es fällt einfach keins.

Die erste gelbe Karte geht an Aalen, für ein böses Foul an Ratsche. Der ist gerade erst aus dem Lazarett raus du Arsch! Wildes Gepöbel und Freistoß für uns, den haut Daube in den Aalener Strafraum, wo der Ball irgendwie rumflippert, rausgekickt wird und dann John Verhoek vor die Füße fällt. Johnny fackelt nicht lange und haut das Ding aus gut 16 Metern in die Maschen. Woohooooooo 1:0. Ein Tor, ein Tor ein Tor ein Tor. Grenzenloser Jubel und grenzenlose Erleichterung. Wir können es noch, also in Führung gehen wenigstens. Vielleicht sogar mehr. Am besten jetzt gleich, nachlegen. zweites machen. Kantersieg allez!

Noch zehn Minuten bis zur Halbzeit und sie versuchen es weiter, lassen so wenig nach wie die Anfeuerung auf den Rängen, das macht endlich wieder Spaß hier. Was beinahe noch wichtiger ist, die Defensive hat wenig Arbeit mit Aalen, Sobiech hat wie immer Lufthoheit, Nehrig (!) ist richtig griffig in den Zweikämpfen, wir lassen bis auf ein paar kleine Wackler nicht viel zu und gehen mit 1:0 in die Pause.  Nimmt man die zwei Klatscher ans Gebälk hätten es gerne drei Treffer sein können, aber wer weiß wie das hier gelaufen wäre wenn die erste Aalener Chance gesessen hätte.

Zwischenspiel (1)
Überall freudestrahlende Gesichter, es ist nicht nur die Führung, das ganze Auftreten der Mannschaft macht Spaß, zwischen dem gegen Darmstadt und heute liegen Welten. Der Dartmeister grinst wie ein Honigkuchenpferd, sogar der Lange hat sein kurzzeitiges Torwartrückpasswassolldennderscheißgepöbel eingestellt und macht einen halbwegs zufriedenen Eindruck. Das hat deutliche Auswirkungen auf die Frequenz der Bierholer, zusammen mit den paar Bechern Frühstückskaffee wird mich das an die Grenze bringen heute. Der Klönschnack mit den Nachbarn fordert natürlich wieder Tribut, von Halbzeittapeten bekomme ich nur wenig mit, das Spiel fördert eindeutig den Redebedarf. Keiner hatte Ewald auf dem Zettel, aber alle sind sich einig, etwas besseres konnte uns nicht passieren. Nicht eine skeptische Stimme dabei, das habe ich bei Frontzeck noch ganz anders erlebt. Als Tabellenletzter ist man aber wahrscheinlich schon froh, wenn es überhaupt jemand machen will.

Spiel (2)
Halstenberg ist raus, für ihn kommt Daniel Buballa, das war es an Änderungen. Weiter in der Offensive, was leider von hier aus nicht mehr so genau zu verfolgen ist, wir spielen auf die Nordlücke. Der Support ist auch nicht mehr so dolle, das ging vor der Halbzeit noch wesentlich lauter, da muss etwas passieren. Nach zehn Minuten Eckball für uns, Daube bringt den rein und auf einmal reißt alles die Arme hoch, Tor, 2:0. Woohoo, was war das denn? Direkt verwandelt? War da wer dran? Der Lieblingsstadionsprecher nennt Lasse Sobiech als Schützen, der wird langsam zum Torjäger, schon sein drittes oder viertes wenn ich mich nicht täusche. 

Auf dem Rasen wird es giftig, Rudelbildung nach nem Foul an Himmelmann, dann eine gelbe Karte für Nehrig, eine weitere für einen Aalener Spieler, der Schiri wird bunter, das Spiel leider nicht. Wir verlieren langsam die Kontrolle, die Ballverluste häufen sich und bringen die Abwehr in Verlegenheit. Das muss doch mal jemand merken. Hier oben wenigstens, aber es dauert gute zehn Minuten bis die Gegengerade realisiert, hier läuft was in die falsche Richtung. Wir müssen lauter werden, endlich lässt sich die Umgebung wieder mitreißen. Rzatkowski geht vom Feld, für ihn kommt Nöthe. Macht Sinn, so wahnsinnig effektiv war Ratsche heute nicht. Chancen gibt es inzwischen auf beiden Seiten, Aalen ist halt eine der Mannschaften auf Augenhöhe. Blöde nur, dass wir nächstes Jahr auch gegen ganz andere Mannschaften punkten müssen um aufzuholen. Letzter Wechsel bei uns, Nehrig geht raus und Tom Trybull kommt. Der war eigentlich sowas von weg vom Fenster, doch Lienen muss er irgendwie aufgefallen sein, womit auch immer. Training kann es kaum gewesen sein.

Es schüttet ohne Ende, der Rasen sieht inzwischen aus wie der letzte Acker. Hamburger Wetter meets Kampfsportkick, das hinterlässt Eindruck. Kurz vor Kampfsport ist auch Startsev, der unsanft ausgebremst wird und seinem Aalener Gegner ein Gespräch aufdrängen will. Als Konsequenz sehen beide den gelben Karton und Aalen bekommt, aus welchen obskuren Gründen auch immer, den Freistoß zugesprochen. Kaum hab ich mich wieder abgeregt rechtfertigt Tom Trybull seinen Einsatz, legt schön quer auf Lenny Thy und der macht das Ding. Jaaaaaaaaaaaaaa Dreinull, wie geil ist das denn. Woohoo, und es hat genau der richtige gemacht, das hat Lenny sich echt verdient, starkes Spiel heute von ihm und endlich die Belohnung.

Die Abklatschrunde wird immer größer hier, dazu ein frisches Bier in Empfang nehmen, noch einmal die Fäuste ballen, sich umdrehen und sehen wie der Ball durch Himmelmanns Hosenträger geht, 3:1. Verdammt. Das tut nu nich not sowat. Es sind noch zehn Minuten auf der Uhr und jetzt wollen die hier mehr. Wunderbar, die Schwächephase haben wir uns ja schön für das Finale aufgehoben. Mein Herz Kinners, denkt an mein Herz. Voller Rückfall in den Stocherfußball, wir lassen uns schon vor dem 3:0 die ganze Zeit hinten rein drängen, jetzt wird es ganz schlimm. Wenigstens stimmt der Support wieder, wie immer wenn es eng wird. Man kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr raus. Die letzte Minute läuft und Freistoß für Aalen, Strafraumgrenze. Mein Nachbar fasst sich vor Entsetzen an den Kopf. "Das gibt drei Minuten Nachspielzeit, wenn der jetzt trifft wird das noch ne enge Kiste" wage ich eine arg düstere Prophezeiung und genau das waren auch seine Gedanken. Glücklicherweise liege ich nur bei der Nachspielzeit richtig, der Freistoß schockiert nur kurz. Außennetz. Puh.

Und dann ist Abpfiff und Jubeltrubel. 3:1. Ein Heimsieg. Dolle Sache das, hatten wir lange nicht mehr. Irgendwie haben wir uns im Laufe der Saison völlig verzettelt, da musste einfach ein Fachmann ran. Einer, der den Glauben zurückbringt wenn nur noch Liebe und Hoffnung vorhanden sind. Der darf sich dafür dann auch gerne feiern lassen, zumindest die Stimmung in der Winterpause hat er gerettet.

Nachspiel
Verabschieden dauert länger heute, von der Mannschaft und den Nachbarn, man sieht sich im nächsten Jahr wieder. Meine Becher gehen wie immer an VcA, die nach solchen Spielen garantiert deutlich mehr einnehmen, die Bechertürme sind groß wie lange nicht mehr. An der Zapfe noch ein Pilsken und dann vor die Fanräume, mal gucken wer da rumsteht. Wie immer finde ich niemanden, aber wie immer findet mich Koschi und zieht mich in die richtige Ecke, ich muss nur lange genug doof rumstehen. Herr B. fehlt, dem war sein Urlaub wichtiger als ein Heimsieg, so etwas könnte mir niemals passieren. Die Stimmung ist durchaus gemischt, wer noch halbwegs nüchtern ist sieht das Spiel ebenso, der siegestrunkene Rest sondert Dinge ab wie "Dominanz ausüben in der Rückrunde" was immerhin für Erheiterung sorgt. Wir können alle nur hoffen, dass es am Ende für Platz 15 reicht, das wird schon haarig genug. Das werden wir auch nur erreichen, wenn Ewald wirklich einen Plan hat. Und vielleicht einen Zettel mit hilfreichen Namen.
Die Tresenkurve verabschiedet sich nach dem Bier, ich muss noch im Fanladen Weihnachtsgeschenke kaufen und falle natürlich sofort über den Stickerstand. Hab ich alles schon - und kein Ewald Lienen Aufkleber dabei. "Alle wech" sagt das Stickermädel, "aber im Kiezkiecker ist einer als Beilage." Der ist sogar richtig groß, den muss ich zweimal haben, trotz des deprimierenden Covers. 3.Liga? Nu nich mehr. I ain't afraid of no ghost (no more).


Zettelhiphop: Beginner / Bambule - Fischmob / Power - Fanta 4 / 4:99

















Donnerstag, 18. Dezember 2014

Vitaminspritzen
















Momentan keucht und krächzt es aus jeder Ecke, dabei haben wir gar keinen Winter, nur die übliche nebelgraue Suppe mit zunehmend erhöhter Luftfeuchtigkeit, aber immerhin noch zweistelligen Temperaturen. Um Mitternacht.
Trotzdem, oder gerade deshalb, ist die eine oder andere Vitaminspritze dringend nötig, schon um dem vorweihnachtlichen Stress entgegenzuwirken. Da gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze, aber weder Pillen noch leckere Früchte helfen gegen Stress. Daher versuche ich es dieses Jahr mit einem bewährten Hausmittel, denn was bei schweren Erkältungen hilft, kann sicherlich auch gut schweren Erkältungen vorbeugen, nimmt man es rechtzeitig und in nicht homöopathischer Dosis zu sich.

In Eichenfässern gelagertes Heilwasser aus karibischem Zuckerrohr. Nicht so fotogen wie Lychees oder Erdbeeren, aber 1A gegen Schietwetter und Weihnachtsstress. Und sehr lecker in Verbindung mit Schokocappucino.
 
Stressabbaumusik: Frank Zappa - Cheap Thrills / Have I Offended Someone
Klick + F11 vitaminisiert



Montag, 15. Dezember 2014

Nicht mehr als erwartet



















Vorspiel
Um 10 klingelt das Handy und ein kalter Luftzug weht mir vom Fenster durchs Gesicht, unter der Decke ist es angenehm warm und endlich könnte ich mal ausschlafen. Das Ding hat keine Schlummerfunktion, es wäre so einfach, nur die Augen wieder schließen. Jenseits des Fensters sieht es kalt und grau aus, ich sollte liegenbleiben, das wird nicht angenehmer. Dummerweise habe ich zwar schon ein Kind erzogen, habe aber noch einen Brief zu schreiben und ein Fußballteam zu supporten, also reiße ich mich zusammen, auch wenn es mir zum ersten mal seit Jahren schwerfällt. 

Gibt eigentlich irgend etwas Hoffnung? Die zweite Halbzeit gegen Kaiserslautern? Phasenweise. Oder die ersten 15 Minuten, die waren auch nicht so schlecht, außer dass wir nicht getroffen haben und sich das gerächt hat. Zusammengenommen vielleicht 30 bis 40 Minuten in denen wir nicht mal so schlecht ausgesehen haben. Phasenweise gut waren wir in einigen Spielen. Aber Phasen sind zu wenig, was soll mir die Hoffnung geben, dass sie beim nächsten Spiel jetzt aber wirklich alles raushauen, so wie sie es vor jedem neuen Spiel wieder phaseln? Was soll mir die Hoffnung geben, dass sie die Zeit mal auf 70 bis 80 Minuten ausdehnen können, in denen sie ganz gut sind? Dann kann man Spiele auch mal gewinnen, wenn man in den Schwächephasen nicht wieder 3 bis 4 saudumme Fehler macht, die der Gegner einfach ausnutzen muss wenn er nicht völlig schlafmützig ist.


Ich bin wirklich nicht der Fußballexperte vor dem Herrn, aber manchmal frag ich mich echt was die da unten machen. Ob da auch nur einer irgend einen Plan hat. So haben wir Fußball gespielt damals, in der Holzklasse. Hamburger Tresenliga, Kneipenfußball. Grandplatzgrätsche. Fünf bis sechs in die Abwehr und der Rest versucht irgendwie Tore zu schießen. Wer die Pille hat rennt nach vorne und versucht das Ding zu versenken, Flanken kann man mal versuchen, aber wenn man zufällig den eigenen Mann im Strafraum trifft, weil da zufällig einer steht, dann ist die Chance sehr hoch dass der den verdaddelt, weil, Ballkontrolle bei dem Zuspiel? Geht’s noch? Bin ich Maradona oder was?

Aber das sind Profis da unten, die machen den ganzen Tag nichts anderes als Ballspielen. Die können nach Herzenslust die Blutgrätsche trainieren, das tut nicht weh auf Rasen. Die trainieren so Zeugs wie „Laufwege“ und „Räume eng machen“, richtiges Taktikgedöns. Trotzdem sieht das da unten manchmal so planlos aus wie bei uns damals. Phasenweise. Leider zur Zeit in den entscheidenden Phasen.

Und Bochum? Soll gut gewesen sein, phasenweise. Immerhin dreimal in Führung gegangen, aber sich auch dreimal wieder die Butter vom Brot nehmen lassen. Hätten sie dort 0:3 gewonnen könnte die Hoffnung tatsächlich ein wenig schimmern, nur schätze ich Darmstadt weit stärker ein. Mit einem Punkt gegen die können wir glücklich sein, obwohl das viel zu wenig ist eigentlich.

Im Stadion wird es auch immer entspannter, eine gute Stunde vor Anpfiff kann ich mir den Ordner aussuchen am Eingang, alle beschäftigungslos. Am Bierstand sieht es ähnlich aus, die Fassträger betteln geradezu um Aufmerksamkeit. Mein Nachbar hat einen Kumpel mitgebracht, einen Münchner Löwen, der im langjährigen Exil dem magischen FC verfallen ist und jetzt befürchtet, dass beide Vereine im nächsten Jahr ein Drittligaduell bestreiten müssen. Halte ich inzwischen alles für möglich, da unten sind schon viele bekannte Namen aufgetaucht, was einen sofortigen Wiederaufstieg nahezu unmöglich machen wird. Also müssen heute drei Punkte her, auf Biegen und Brechen.

Tschauner sieht irgendwie verloren aus, wie er sich da unten alleine aufwärmt, während Himmelmann von Matze eingeschossen wird. Das versetzt mir doch einen kleinen Stich, wenn ich an die häufigen Rettungstaten denke, für die er hier im Stadion mit Sprechchören abgefeiert wurde. Ich hab Tschauner in den letzten Jahren zu sehr ins Herz geschlossen, trotz seiner Schwächen. Mit Torwartwechseln konnte ich mich sowieso nie gut anfreunden, schon seit Thomforde und Ippig sich abgelöst haben. 

22 Jahre waren die Darmstädter nicht mehr am Millerntor, die Gästehymne wird folglich (groß angekündigt) das erste Mal hier gespielt und ist tatsächlich die erste wirklich hörbare. Darmstädter Fußballpunk, nicht schlecht wenn man von Gästen sonst ausschließlich peinliche Schlager und Volksgetröte vorgesetzt bekommt, hoffentlich geht die Mannschaft nicht so ab wie die Hymne.

Unsere Aufstellung wird vom Lazarett bestimmt, mit Litka, Uphoff und Startsev sitzen gleich drei Spieler aus der U23 auf der Bank, aber immerhin auch Ratsche. Wie ist der so schnell wieder auf die Beine gekommen? War da nicht was gerissen? Budimir im Sturm, weil Johnny ne Bronchitis hat, Buchtmann verletzt, Gonther angeschlagen und Maier grippegeschwächt, trotzdem beide in der Startelf. Klingt alles nicht, als müsste man sich viel Hoffnung machen.

Spiel (1)
Darmstadt ist die aktivere Mannschaft, das hab ich fast erwartet, stört früh, setzt uns unter Druck. Wir stehen hinten eng und können fast alles verhindern, was zu gefährlich werden könnte. Wenn es doch mal gefährlich wird haben wir zwar das nötige Glück, aber kriegen nur wenig Entlastungsangriffe zustande. Sieht aus als wollten sie Darmstadt das Spiel überlassen und auf einen Konter hoffen, was bei unserem Umschaltspiel eine gewagte Hoffnung ist. Eine Ecke fischt Himmelmann so schön aus der Luft, dass ich bei Ecken vielleicht etwas beruhigter sein kann in Zukunft, so weit raus wäre Tschauner nie gekommen. Seine Abschläge sind auch weiter, daran sollte sich die Mannschaft gewöhnen, dann kriegen sie vielleicht auch mal einen davon, so verpufft die Wirkung ein wenig. Nach vorne harmlos, nach hinten vergleichsweise sicher. "Die Null soll heute unbedingt stehen" sagt mein Nachbar. Das wäre dann wenigstens ein Punkt. Vorne müsste dann nur noch jemand ein blödes Murmeltor machen und es wären drei.
Die Stimmung auf den Rängen ist angemessen für ein schlechtes Sonntagmittagspiel, da helfen weder Bier noch Sportzigarette, der Support ist so lausig wie das Geschehen auf dem Rasen. Wenn wir uns schon ergeben wird es auch nicht besser, verdammt. Ein wenig Hoffnung auf Besserung glimmt auf, als der Schiedsrichter sich mit fragwürdigen Entscheidungen unbeliebt macht. Schachter wird gelegt und den Freistoß bekommt Darmstadt? Wtf? Das weckt selbst die dösende Gegengerade auf, richtig Schiri, weiter so. Noch ein paar solche Dinger und die Hütte brennt, vielleicht hilft das ja.

In den letzten fünfzehn Minuten kommen wir zwar etwas besser nach vorne, aber das ist überwiegend harmlos, weil Budimir höchstwahrscheinlich doch nicht der neue Mandzukic ist, der solche Spiele durch einen genialen Einfall entscheiden kann. Immerhin zieht er mal ein Foul, aber auch die Freistöße sind zu harmlos. Die Abwehr der Darmstädter ist mit so etwas nicht zu bezwingen, es geht mit ohne Tore in die Pause.

Zwischenspiel
Der Lange sitzt heute mal wieder auf seinem Platz, Zeit für eine professionelle Einschätzung der Lage. "Besser als gedacht" sag ich und muss mir was von Scheißspiel und rosaroter Brille anhören, dass wir nach vorne viel zu blind sind und mindestens zweimal richtig viel Glück hatten. Krasser Fall von Missverständnis. "Wir haben noch keinen kassiert" entgegne ich, "es steht 0:0 und das ist besser als ich gedacht hab." Ach so, ja klar. Klingt logisch. Die Lösung der Probleme liegt wie immer auf der Hand, wir brauchen Verstärkung in der Winterpause und Naki am besten sofort. Wieso spielt der nicht schon längst. "Weil der ohnehin erst in der Rückrunde spielberechtigt wäre" doziere ich oberschlau, obwohl ich das eigentlich gar nicht hundertprozentig verifiziert habe. Stand jedenfalls im Forum und widersprochen hat keiner, soweit ich mich erinnern kann. Und so sicher bin ich auch nicht mehr, dass der uns weiterhelfen kann.

Das Pausengespräch hindert mich an der selbst auferlegten Chronistenpflicht, aber bei den Halbzeittapeten kann man ziemlich sicher sein, dass die bei KleinerTod vollständig zu sehen sein werden. Dafür wandert eine vom Autohof direkt unter uns vorbei, mit viel Mühe kriege ich den Inhalt halbwegs zusammen. Rachid, was ist jetzt mit Raki? Der Kleine wird in fast jeder Ecke des Stadions als Heilsbringer angesehen, wenn Deniz tatsächlich wieder einen Vertrag bekommt kann ich nur hoffen, dass er sich nicht nur als Maskottchen entpuppt, das man lustig auf Schnaps reimen kann.

Spiel (2)
Es ändert sich nichts, wieso sollte es auch? Ein paar Angriffsversuche, dann hat Darmstadt wieder die Spielkontrolle, ähnlich wie in der ersten Hälfte. In Folge natürlich auch die besseren Chancen, wir kriegen aber immer noch ein Bein dazwischen. Nach zehn Minuten geht Okan Kurt vom Platz und Ratsche kommt, der könnte das Spiel tatsächlich noch beleben, er und Schachten, die ackern wenigstens. Nach vorne die Himmel-hilf-Taktik, doch der Himmel hilft Budimir nicht, der Himmelmanns weite Abschläge meist alleine verarbeiten muss. Die gehen inzwischen auch gerne mal ins Seitenaus, was ein Argument weniger für den Wechsel ist. Die Kälte kriecht langsam von hinten durch die Jacke, das ist so anstrengend, das ist wieder Tresenliga was hier gespielt wird. Kopflos, planlos, hilflos, aber wenn nicht auch noch glücklos dazu kommt ist es ein Punkt mehr als erwartet. Meggle reagiert mit Wechseln, alle 10 Minuten einer. In der 70. Thy für Budimir, in der 80. Litka für Buballa. Halstenberg versucht es aus der Distanz, direkt auf den Torwart. Thy muss sich an der Eckfahne gegen zwei Mann alleine durchsetzen und holt eine Ecke raus, aber auch die sind bei uns harmlos.

Und als ich mich schon mit einem glücklichen Punkt zufrieden geben will passiert das Erwartete doch noch, vier Minuten vor Schluss. Ein Murmeltor, ungeschickt verteidigt, den Holzfuß rausgeholt und den Gegner beschenkt, 0:1. Ein richtiges Scheißtor, weil der Schiedsrichter ein Foul nicht pfeift und Darmstadt so in Ballbesitz kommt, dann kriegen wir die Pille nicht raus, lassen sie am Strafraum spielen, Sobiech wertet einen Schuss zur Stockfehlervorlage auf und drin ist das Ding.

Lähmendes Entsetzen natürlich, weil jeder weiß, das Spiel ist gelaufen. Wieder kein Zähler, nicht mal einer, weil diese Mannschaft in den letzten 5 Minuten nicht mehr zustande bekommen wird als in den vorhergehenden 85. Nicht mal so ein Zufallstor wie das hier, weil "glücklos" in unserer Situation immer hinzukommt, das ist Gesetz. Es gibt drei Minuten obendrauf in denen sich nichts ergibt, also nicht mehr als erwartet, nur halt weniger als erhofft und das schmerzt auch.

Noch mehr schmerzt die Erkenntnis, dass die Mannschaft nicht zweitligatauglich ist, wir werden absteigen. Die Hinrunde ist durch, die Rückrunde beginnt in wenigen Tagen mit einer Hinrichtung in Ingolstadt und selbst wenn wir nächstes Wochenende gegen Aalen drei Punkte holen, weil das einer der Gegner auf Augenhöhe sein soll, wird das nicht reichen. Zum ersten Mal seit Jahren gehe ich aus dem Stadion bevor die Mannschaft das Feld verlässt, ich mag nicht pfeifen, aber klatschen mag ich heute auch nicht, das ist alles zu deprimierend gerade.

Nachspiel
Koschi quatscht mich von der Seite an als ich mir noch ein Bier hole, Herr B. ist schon raus, den treffen wir vor den Fanräumen. "Heute haben wir den ersten Absteiger gesehen" ist sein erster Satz "und wir werden lange unten bleiben. Drei oder vier Jahre." Dagegen ist schwer was zu sagen, ich habe leider keine Mannschaft gesehen die hier schlechter aufgetreten ist als wir. Die positiven Seiten muss man sehen sagt Koschi, bessere Anstoßzeiten und man spart Geld, weil wir wieder mehr Sicherheitsspiele ohne Alkohol bekommen. Galgenhumor allez.

Ein letztes Bier und die letzte Sportzigarette später verabschiedet sich die Tresenkurve gen Heimat und ich suche was warmes für die kalten Tage, der Museumsverein hat Hoodies in meiner Größe. Im Fanladen gibt es die nicht, dafür wieder jede Menge neue Sticker, die gnadenlos zur momentanen Stimmungslage passen. Galgenhumor allez, schon wieder. Für den Hoodie schicken sie mich vor die Südkurve, da stünde ein Museumscontainer. Bei der Gelegenheit könnte ich mir gleich einen Hassburger reinziehen, doch der alte Vegetarier ist nicht da, beim neuen gibts nur vegane Currywurst, das ist nix für mich. Die nichtvegane Frikadelle am Imbiss daneben ist dafür so ausgezeichnet, dass ich mir gleich eine zweite bestelle. Imbissfrikadellen taugen selten was, aber die hier sind echt besser als erwartet.

Solche Überraschungen hätte ich in einem Spiel auch gerne mal wieder.

Abstiegsangstberuhigungsmusik: Coleman Hawkins - The Hawk Flies High / Body and Soul



















Samstag, 13. Dezember 2014

Güggeli, Prügeli und dolle Knollen
















Für so ziemlich jeden abgefahrenen Kram gibt es in Hamburg einen Laden der das führt, das ist der Vorteil einer Großstadt. Der Nachteil ist, meistens liegt der nicht in der Nähe. Eigentlich nie, wenn man am Stadtrand wohnt.

Neulich las ich was über einen Schweizer Hartkäse, in Handarbeit mit Hilfe von frischem Knoblauch und Himalayasalz hergestellt und anschließend in Pfefferstaub gewälzt. Die Belper Knolle. Soll sich ganz hervorragend auf frische Pasta hobeln lassen. Muss ich haben, Nudeln kochen und Käse hobeln ist voll geeignet für Kochlegastheniker.

So etwas gibt es natürlich nicht im popeligen Supermarkt, aber in Ottensen. Wo auch sonst, wenn da sogar Geschäfte für Liebhaber der englischen(!) Küche laufen, dann kann man gefahrlos auch jedes andere Land kulinarisch vertreten. Ganz bestimmt die Schweiz. Das haben sich ein paar Schweizfans gedacht und ein kleines Lädli eröffnet, in dem man sogar Prügeli bekommen kann, wenn man möchte. Das tut übrigens nicht weh, außer vielleicht an den Zähnen, denn das ist nur ein Schokoriegel, die andere Schweizer Spezialität neben Käse.

Die Auswahl an Käsesorten ist weit beeindruckender und die Schoki überwiegend viel zu hell, als dass sie mein Interesse erregen könnte. Noch beeindruckender ist aber der Geruch, der aus der Küche strömt, denn nebenbei gibt es auch ein paar Tische an denen Güggeli im Chörbli und andere unaussprechliche Dinge serviert werden. Sogar ein reichhaltiges Käsefondue für ab zwei Personen ist im Angebot, was zwar sehr reizvoll klingt und duftet, aber ohne den dafür zwingend notwendigen See nur halb so viel Spaß machen dürfte.

Testen muss ich das trotzdem irgendwann, spätestens wenn ich wieder eine dieser dollen Knollen kaufen muss. 

Knollenmusik: Frank Zappa - Apostrophe