Der letzte gebuchte Ausflug führt uns nach Manavgat, und den kann man (hinterher ist man immer schlauer) auf eigene Faust wesentlich günstiger machen, indem man sich einfach Montags in einen Dolmus setzt und sich für 2 Euro dort absetzen lässt. Aber es ist einfach zu verlockend, sämtliche "Manavgat Highlights" im Paket zu buchen, den Wasserfall, den unteren Stausee, den großen Markt, der auf den Straßen eines ganzen Stadtteils stattfindet und abschließend zur Erholung noch eine Bootsfahrt auf dem Manavgat Fluss. Verpflegung inklusive, natürlich, und bei der strahlenden Sonne, die ich gerne im Green Canyon gehabt hätte.
Ebenfalls inklusive ist eine Wartezeit von 50 Minuten vor dem Hotel, denn der ursprünglich vorgesehene Bus "hat den Geist aufgegeben", wofür sich unser Reiseleiter, diesmal heißt er Mehmet, wort- und gestenreich entschuldigt. Mir ist so etwas Wurscht, ich bin im Urlaub und nicht auf der Flucht. Erster Punkt der Highlights ist die bekannte Klamottenbude, die ich einen Abend vorher schon gemieden habe. Diesmal ist Junior mit dabei und will massiv einkaufen, hindert mich aber daran einen leichten Bieranzug der Marke "Hello Kitty" für läppische 20 Euro zu erstehen, die Prinzessin würde das wahrscheinlich eh nicht tragen. Nur gut, dass ich gestern nicht geguckt habe.
Danach geht es zum Büyük
Şelale, dem großen Wasserfall, der eher die Miniaturausgabe eines großen Wasserfalles ist, aber hey, ein Wasserfall! Komm ich nicht dran vorbei, außerdem ist der ein wirklich malerisches Motiv, lässt man die ganzen Souvenir- und Imbissbuden einmal weg. Das ist nicht schwer, denn es gibt ausgewiesene Punkte für Fotografen, auf denen auch schon ein professioneller Kollege auf potenzielle Urlaubsfotokäufer spekuliert. Nicht ganz einfach im Zeitalter der Handyfotografie.
Zweites Highlight, direkt am Wasserfall, die
türkischen Eisverkäufer. Lautstark preisen sie ihre aus Ziegenmilch hergestellten Sorten an, wirbeln die gummiartige Masse durch die Lüfte, um sie im letzten Augenblick wieder zielsicher in ihren Behältern verschwinden zu lassen und treiben auch sonst viel Schabernack mit den Touristen. Das Zeug schmeckt außerordentlich lecker und hat gegenüber unserem Eis entscheidende Vorteile, es schmilzt auch bei 35° im Schatten nicht gleich wie Schnee auf der Herdplatte. Könnte ich sogar mit weißem T-Shirt essen, das geht sonst garantiert daneben.
Zum anschließenden Mittagessen werden wir per Boot auf die andere Seite des unteren Stausees gebracht, das Angebot umfasst heute völlig unerwartet Köfte, Hähnchenspieße oder Fisch, die übliche reichhaltige Salatbar und andere Beilagen. Auf der Getränkekarte finden sich außergewöhnliche Spezialitäten wie Radla, Alstra und Diesel. Wir bestellen zum Glück Radla, denn später erfahren wir, dass Alstra mit Orangenlimo versetzt wird. Da ist auf dem Weg in den Süden etwas völlig schiefgelaufen.
Danach werden wir am Markt abgesetzt, direkt an der kleinen Moschee, die als markanter Treffpunkt dient. Mehmet prägt uns ein, auf jeden Fall die "Hauptstraßen" im Auge zu behalten, die verzweigten Gassen sind unendlich und die Orientierung schwer, denn alle Straßen sind gegen die Sonne mit Tüchern und Zeltbahnen geschützt. Dann sind wir alleine auf uns gestellt, für wahnsinnige eineinhalb Stunden, Touristen ohne Aufsicht. In freier Wildbahn ungeschützt den Verlockungen ausgesetzt.
Wobei die Fälschermeile mit ihren Brillen, Taschen, T-Shirts, Jeans und Uhren nicht halb so interessant ist, wie der anschließende Bauernmarkt in seiner Farbenpracht. Obst, Gemüse, Früchte, Honig, Gewürze und Nüsse verströmen ihren Duft. Es gibt frisch gepresste Säfte aus Orangen oder Granatäpfeln, die erst einen Euro pro Becher kosten sollen, dann schneller als der Benzinpreis nach oben korrigiert werden und wieder verhandelt werden müssen. OMG, ein Basar, ich bin nicht vorbereitet auf Preisverhandlungen, ich zahle 4 Euro für ein Kilo unglaublich leckerer in Honig und Sesam gewälzter Erdnüsse und ernte von Junior nur Kopfschütteln, weil ich das zahle ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn das Zeug eh nur einen Bruchteil des gewohnten Preises kostet denk ich halt nicht dran wo ich gerade bin, für die Hälfte hätte er das wohl auch verkauft, schmeckt aber trotzdem.
Das Kind macht mir später vor wie es geht und ersteht für 20 (statt 85) Euro ein metallenes Schlaginstrument, was den Verkäufer zu einer Nachfrage bei seinem Chef zwingt, auf einem türkischen Basar sicher ein gutes Zeichen für Verhandlungsgeschick. Andererseits bleibt einem ja auch nichts anderes übrig, wenn man nur noch 15 in der Tasche hat und Vadder noch aufstocken muss.
Wider erwarten verlaufen wir uns nicht und sind rechtzeitig am Treffpunkt, um per Bus zu den Booten transportiert zu werden. Dabei fahren wir an einem Gebäude Manavgats vorbei, das ich gerne näher betrachtet hätte, doch die große Moschee mit ihren vier Minaretten zählt bedauerlicherweise nicht zu den Höhepunkten der Tour. Mit Dolmus wär das nicht passiert.
Mit Dolmus hat man aber keinen Mehmet, der einem während der Fahrt interessante Einblicke in türkische Kultur und Lebensart verschafft. So sind zwischen 110 bis 150 Quadratmeter Wohnraum für eine türkische Familie zwingend notwendig, denn außer Wohn- Schlaf- und zwei Kinderzimmern braucht man noch für Gäste ein repräsentatives und möglichst großes Zimmer, wird Gastfreundschaft doch besonders groß geschrieben in diesem Land. Die Gehälter sind dafür deutlich kleiner, ganz besonders für Deutsch sprechende Reiseleiter, "denn die gibt es wie Sand, sprichst Du norwegisch, russisch oder japanisch gibt es wie Gold."
Daneben erfahren wir Neuigkeiten von der letzten Demo gegen Erdogan in Antalya, an der er gestern Abend noch teilgenommen hat. Eine Woche ohne Nachrichten und Internet zeigen ihre Auswirkungen, man bekommt nichts mehr mit, dabei sind wir nahe dran am Geschehen.
Mit Dolmus hätten wir auch keine Fahrt über den Fluss gehabt, bis zu dem schon von der Piratentour bekannten Badeort am Meer, mit der schon bekannten Fladenbrotbäckerin am Strand. Wir haben uns lieber noch ein paar Radla geleistet und Karettschildkröten beim Sonnenbad beobachtet. Für die Berliner Dame neben uns nicht so spannend, denn "die sind ja kleen, sowat hat meene Tochta im Akwarium." In Berlin muss es halt alles etwas größer sein um Aufmerksamkeit zu erregen.
Erregt gerade meine Aufmerksamkeit:
Texas - White On Blonde