Mittwoch, 25. Januar 2012
Unser Mann im All
Im letzten Jahr konnte ein Unsterblicher seinen fünfzigsten Geburtstag feiern, und ich hab glatt vergessen zu gratulieren, dabei kannte ich den ganz gut, jedenfalls als er noch jünger war. Nun sind 50 Jahre nicht gerade viel für einen Unsterblichen könnte man meinen, doch wenn man bedenkt, dass es sich dabei nur um den Helden sogenannter Groschenhefte handelt, auch gerne als Schundliteratur bezeichnet, dann ist das schon eine reife Leistung.
Kennengelernt habe ich Perry Rhodan eher zufällig. Damals stand an der Bushaltestelle neben der Schule eine Bude, deren Besitzer außer Zigaretten und Zeitungen auch immer einen Pappkarton mit alten Schundromanen bereithielt, Jerry Cotton und ähnliches Zeug, für 10 Pfennig pro Heft, immer ein ganzer Schwung Perry Rhodan dabei. Für Lesesüchtige mit schmalem Taschengeld die einzige Möglichkeit, die Zeit bis zum nächsten Karl May zu überbrücken, denn dicke Bücher gab es nur zu Weihnachten oder an Geburtstagen. Mir stand der Sinn bei Groschenheften eher nach Kommissar X, noch besser fand ich nur die Schwarze Fledermaus, eine Art Batmanvorläufer, doch leider waren die selten zu bekommen. Jerry Cotton mochte ich nicht und Science Fiction hielt ich für ausgemachten Blödsinn.
Aus purem Frust, und weil zwei meiner ebenfalls lesesüchtigen Freunde inzwischen das Zeug verschlangen, habe ich dann irgendwann doch zugegriffen. Den Titel weiß ich heute noch, Band 311, Tödliche Fracht nach Danger I. Hammer, war das Ding spannend. Da musste ich unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht. Das erwies sich als schwere Aufgabe, denn die gebrauchten Hefte aus dem Pappkarton tauchten natürlich nur sporadisch in der richtigen Reihenfolge auf, damals gab es schon die zweite Auflage der Serie, das war alles bunt gemischt. Dazu hatte ich noch zwei Jungs als Konkurrenz, die Kreuzerzwillinge, was irgendwann in Wettläufen nach Schulschluss endete, die ich meistens verlor. Auf 100 Meter war ich zwar im Sport immer Klassenbester, aber die Bude war gut 800 Meter weg und Langstrecken waren nicht mein Ding. Wir haben die Hefte dann getauscht wenn wir damit durch waren, trotzdem blieb es schwierig der Handlung zu folgen, wenn zwischendurch Lücken von mehreren Heften zu verkraften waren.
Irgendwann erschien die dritte Ausgabe am Kiosk, die Chance bei Heft 1 anzufangen konnte ich mir nicht entgehen lassen, auch wenn das die wöchentliche Mehrausgabe von 80 Pfennigen bedeutete. Mein alter Herr war davon ebenfalls nicht sehr angetan, auch wenn er selber dämliche Westernromane von G.F.Unger las, bei denen der gute Revolverheld am Ende immer das rothaarige grünäugige Mädchen bekam. Jeder hat so seine Vorlieben, auch Groschenromanautoren.
Science Fiction wurde also von den Erwachsenen im Hause Beeblebrox weiterhin als großer Blödsinn abgetan, während die Jugend durch Cliff Allister McLane und Tamara Jagellovsk im Fernsehen noch weiter angefixt wurde. Raumpatrouille Orion konnte ich mehrfach noch als Hörspiel genießen, denn einer der Kreuzerzwillinge besaß glücklicherweise schon ein Tonband und durfte die Serie mit dem Mikrofon aufnehmen, an Perry Rhodan hab ich erst nach Band 400 langsam das Interesse verloren, da wurde es wirklich zu albern, oder ich zu alt.
Science Fiction finde ich aber immer noch gut, Raumpatrouille Orion besitze ich selbstverständlich als Special Edition, und Star Wars war damals schon im Kino eine Delikatesse für mich, was man vom Perry Rhodan Film nicht gerade sagen konnte, aber dieses Epos könnte nicht einmal Peter Jackson verfilmen.
Das ist auch ganz gut so, hab ich vor ein paar Jahren festgestellt. Da hat hier jemand die (damals) komplette Perry Rhodan Serie angeschleppt, Band 1 bis 1600, alle auf einer CD. Inklusive Titelbild und den beliebten "Risszeichnungen" der Raumschiffe des Perryversums.
Gigantische Raumschiffe, Ultraschlachtschiffe der Galaxisklasse, Flaggschiffe der Flotte mit 2500 Metern Durchmesser. Aus Terkonitstahl! Mit Hochenenergieüberladungsschutzschirmen! Modernste Technik, riesige Komputer(!) die laufend Lochstreifen ausspuckten, die so kryptisch waren, dass nur Spezialisten sie entziffern konnten. Meistens jemand aus der Funkzentrale oder aus der Kommandozentrale. Vielleicht auch aus der Feuerleitzentrale, die man für die x-hundert Transformkanonen, Impulskanonen und Desintegratoren brauchte, muss ja jemand bedienen können das ganze Zeugs. Selbstredend waren die Zentralen alle durch modernste Technik verbunden, armdicke Kabel laufen da durch die Schächte, die Bildübertragung ist schon weit fortgeschritten und auch das Rohrpostsystem hat man nicht vergessen. Für die Lochstreifen, denn wenn die verschlüsselt waren musste mindestens der Käptn ran, wenn nicht gar der Großadministrator selber.
Diese Lochstreifen waren nicht aus schnödem Papier, Plastik war das Material der Stunde. Fast alles war aus Plastik, wenn es ganz besonders stabil sein sollte aus Stahlplastik. Schließlich spielt das, äh, in der Zukunft. In der Zukunft, wie man sie man sich so ab 1961 etwa vorgestellt hat, und das reizt natürlich fünfzig Jahre später sehr zum Lachen. Die von Clark Darlton aka Walter Ernsting geschriebenen Hefte fand ich schon als Kind zu albern, dass Kurt Brand ein noch sehr viel schlechterer Autor war ist mir damals nicht aufgefallen, absolut grausames Zeug. Kein Wunder, dass seine eigene SF-Serie nach dem Ausstieg bei Perry Rhodan nicht von Erfolg gekrönt war. Die Hefte der anderen Autoren lassen sich aber heute auch noch lesen, wenn man sich vor Augen hält, wann das geschrieben wurde. Politisch ist das recht zweifelhaft, mit 11 Jahren nimmt man das nicht so wahr, heute möchte man bei manchen Sätzen mit dem Kopf auf der Tischplatte aufschlagen. Zu dieser Zeit wurden, man erinnere sich an Heinrich Lübke, Menschen afrikanischer Herkunft immer noch als Neger bezeichnet. Aber immerhin waren sie bei den Guten unter Vertrag, wie der Teleportermutant Ras Tschubai.
Der entdeckte irgendwann in höchster Not, als er in Afrika von einem Leoparden verfolgt wurde, diese seltsame Gabe und wurde daraufhin festes Mitglied des Mutantenkorps. Lauter Strahlenopfer, die durch radioaktive Einwirkungen tolle Fähigkeiten entwickelten. Teleporter, Telekinesen, Telepathen, sogar einen der durch die Zeit reisen konnte, den hats dann aber irgendwann gerafft bei seiner Reiserei. Sehr viele Japaner darunter, natürlich, die hatten ja die größte Dosis überhaupt bekommen. Trotzdem trugen alle Atomuhren am Handgelenk, und auch Atomlampen waren Standardausrüstung, wenn mal das Licht ausfiel bei Aliens im Haushalt.
Mutanten, superintelligente Wirtschaftsmagnaten, kräftige umweltangepasste Soldaten und ein unsterblicher Führer, die Basis des Solaren Imperiums, womit wir wieder bei der politischen Fragwürdigkeit wären. Die haben schon wieder kräftig Kolonien gegründet mit ihren Ultraschlachtschiffen. Die Kriege waren an Gigantomanie nicht zu übertreffen, aber die anderen Außerirdischen neideten halt den Erfolg der tüchtigen Terraner, und irgendwann gabs auf die Nase.
Letztes Jahr wurde ich mal wieder an Perry Rhodan erinnert, wieder war es so eine Art Pappkarton, in dem ich ihn gefunden habe. Das Perry Rhodan Adventure, für 5 Euro auf dem Softwaregrabbeltisch. Aus alter Verbundenheit natürlich mitgenommen und sogar durchgespielt. Ganz ohne Ultraschlachtschiffe diesmal, war gar nicht so übel. Des Öfteren etwas unlogische Rätsel, aber Science Fiction und Logik passen ohnehin nicht zusammen. Adventures sind nicht mehr so ein Problem, wo man heutzutage die Lösungen im Netz nachschlagen kann. Per Rohrpost hätts länger gedauert.
Musik auch grad ne Ecke älter: The New York Rock Ensemble - Roll Over
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Hm, der ist an mir vorbei gegangen, was am Wohnort liegen mag. Überhaupt gabs ja hier nur ein wirkliches Comic, das Mosaik. Die waren zwar auch mal im Weltall, aber ich hab dann doch lieber Bücher gelesen und mich, auch als ich es noch nicht so recht begriffen habe, durch alle Lems, deren ich habhaft werden konnt, gelesen.
AntwortenLöschenFalls die CD Deinem momentanen Aufräumwahn nicht bereits zum Opfer gefallen ist melde ich hiermit Interesse an, die Romane hab ich früher auch gerne gelesen.
AntwortenLöschenlg
nobbi
Und Meike hätte gerne das Adventure wenn Du das durchgedaddelt hast ;)
AntwortenLöschenAch ja , der gute alte Perry! ;-)
AntwortenLöschenAuch wenn ich nicht ganz so energisch und konsequent die Romane studiert habe, fand ich die , welche ich gelesen habe, immer sehr spannend! Besonders die Sonderhefte (ich glaube sogar die waren fast Din A4), wo Blaupausen und Skizzen von Raumschiffen abgebildet waren, hatten es mir angetan! :-)
Aber schön das Du die gute alte Orion nicht vergessen hast zu erwähnen!!! :-D
Wo ich doch gerade dabei bin die mal wieder zu gucken...
Wer auf Western und SiFi steht den kann ich wärmstens die Miniserie Firefly mit dem Abschließenden Kinofilm Serenity ans Herz legen! Immerhin wurde der zwangs abgebrochen Serie durch den Druck der Fans dieser Kinofilm spendiert!
Gruß Hawk
Hmm...Die Schwarze Fledermaus kenne ich ja auch noch! ;-)
AntwortenLöschenAuch wenn ich mir den einen Roman nur geholt habe weil ich dachte es handelt sich um einen Batman Roman... ;-D
Aber die Schwarze Fledermaus ist glaube ich nur 35 Jahre alt, den ersten Batman Comic gab es dagegen schon 1939 wenn ich mich nicht irre...also so ein Jahr nach dem ersten Superman Comic.
Gruß Hawk
@ inch, es handelt sich dabei nicht um Comics, obwohl es davon auch kurz eine Serie gab, sondern um die üblichen 60 Seiten Billigromane, und Perry Rhodan stand im anderen deutschen Staat garantiert auf dem Index, den Kram wird man kaum über die Grenze bekommen haben.
AntwortenLöschen@ nobbi, die hab ich noch irgendwo, aber Du wirst kaum die Zeit haben 1600 Romane zu lesen. Das Adventure kann Deine Frau sich abholen, das hab ich durch.
@ Hawk, bei der Fledermaus war ich mir nicht sicher um welche Zeit das entstanden ist, aber Batman hab ich definitiv erst später in den Händen gehabt. 1939 gab es den ganz sicher nur in den USA.
Oh, tschuldigung. Hast Du ja auch geschrieben. Und ich hatte die ganze Zeit die hier erhältlichen Romanheftchen vor Augen und mir vorgestellt, dass das wohl so ähnlich ausgesehen haben mag. Wie ich dann auf Comic gekommen bin... da kan es nur einen Kurzsschluss in den Synapsen gegeben haben, oder so.
LöschenHab mal nachgeguckt, die Comics gab es hier so ab 1968, die Romane müssten so 1977 rausgekommen sein.
AntwortenLöschenGruß Hawk
Die alten Romane kenne ich nur in groben Auszügen, ich bin bei Band 900 etwa eingestiegen. Das man der Serie früher einmal faschistische Tendenzen vorwarf habe ich wahrgenommen, aber für ziemlichen Blödsinn gehalten. Nach deiner Schilderung kann ich zwar nachvollziehen warum das so war, aber 60er Jahren hey, andere Zeiten. Heute würde ich das viel schlimmer finden.
AntwortenLöschenDie letzten Zyklen waren richtig geil, zieh dir die ruhig mal rein.
Hawk, das ist völlig unmöglich, das Zeug hab ich gelesen als ich etwa 10 Jahre alt war. Die Internetrecherche ergab folgendes: Batman und Fledermaus erscheinen erstmalig in den USA um 1939. In Deutschland gab es die Fledermaus ab 1956, Batman hab ich zuerst in den Superman Comics des Ehapa Verlags entdeckt, die erschienen ab 1967. Es soll aber auch in den 50er Jahren schon welche gegeben habe, da konnte ich allerdings noch nicht lesen *g*
AntwortenLöschenHoschi, keine Zeit mehr für Perry Rhodan Zyklen. Mein literarischer Schwerpunkt liegt inzwischen doch woanders.
Hat sich eigentlich in Deiner Schulzeit schon die -äh- "Neigung" entwickelt, Raumschiffe zu klauen, lieber Zaphod ? *g*
AntwortenLöschenUnd wo sind die eigentlich alle abgeblieben ? Auf dem Trödelmarkt verhökert oder gar auch alle weggeschmissen (aus Altersgründen z.B.) ?
Jedesmal, wenn ich nach HH komme, müssen wir mit überaus irdischen Fahrzeugen japanischer Bauart herumgondeln. *zeter* Lobenswerterweise mittlerweile aber immerhin in Stereo ! ;p
Gruß aus Pappenheim :-)
BTW, die Raumzeit der Kommentarfunktion scheint gekrümmt zu sein. Hier ist es (wie üblich) grad mal 05:18 Uhr.
AntwortenLöschenEin Wurmloch ?
Während meiner Schulzeit bin ich leider nicht über Raumschiffe gestolpert, davon abgesehen habe ich nur ein Raumschiff geklaut und keine ganze Flotte, was die Frage nach dem Trödelmarkt gegenstandslos werden lässt.
AntwortenLöschenUnd sag nichts gegen irdische Fahrzeuge japanischer Bauart, die letzten waren recht zuverlässig.
Die Macken der Kommentarfunktion habe ich schon bemerkt, war bisher aber nicht in der Lage die Raumzeit wieder gerade zu biegen.
Hmm :-)
AntwortenLöschenDas hat mir ja nun keine Ruhe gelassen, also habe ich noch mal gesucht...
Tatsächlich gibt es jede Menge Widersprüche was die Erscheinungstermine betrifft. Auf einigen Seiten heißt es Die Schwarze Fledermaus feiert 35 jähriges Jubiläum und auf anderen das es sie hier schon seit den Sechzigern gibt! Ich vertrau deshalb mal auf dein Urteil! ;-)
Anscheinend gab es in uhsah die beiden wohl zeitgleich ab 1939, Black bat und Batman ;-)
Gruß Hawk
http://www.schwarzefledermaus.de/ , darauf bezieht sich auch wikipedia.
AntwortenLöschenBis auf "Raumpatrouille" ist SF an mir vorbeigelaufen. Das hat mich nie wirklich gepackt.
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