Montag, 24. März 2014
Unsere kleine Folterstube
Vorspiel
Eine Stunde vor dem Anpfiff muss man nicht im Stadion sein beschließe ich. Schon gar nicht auf einem Samstag um 13 Uhr. Schon überhaupt gar nicht, wenn man danach noch auf einen Geburtstag muss. Das verspricht ein anstrengender Tag zu werden, Herr L. hat schon angekündigt höchstens ein Bier im Stadion trinken zu wollen, ich soll mich zurückhalten am Tresen.
Eine halbe Stunde vorher, das reicht für einen kurzen Schnack mit dem Dartmeister und den anderen Herren vom Fanclub. Die Jungs haben zwei neue Leute dabei, seit 30 Jahren nicht im Stadion gewesen und heute haben sie einen Sitzplatz, unser Block, unsere Reihe, da können sie mir gleich hinterherlaufen. Hat sich ja einiges verändert in 30 Jahren, man findet nix wieder.
Unterwegs schnell ein Bier abgreifen, mehr soll ich ja nicht. Als ich oben ankomme erwartet mich Herr L. entgegen seiner Ankündigung mit zwei vollen Bechern und wir können gleich einsteigen in die Ingolstädter Mannschaftsausstellung, die wie zu erwarten aus lauter Guneschs besteht, obwohl Felgenralle leider nur auf der Bank sitzt. Das finde ich ziemlich doof, denn auf der Bank sitzen können hätte er bei uns schließlich auch, aber er musste ja unbedingt Audi fahren.
Unsere IV besteht aus Gonther und Mohr, was nach den zuletzt gezeigten Leistungen nur logisch ist, muss auch Herr L. zähneknirschend zugeben, der alte Torre-Fan. Ansonsten eine ziemlich offensive Ausrichtung, Bartels, Gregoritsch, diesmal Nöthe vorne drin und Verhoek als Reservist. Hm. Hm hm. Buchti noch auf der Bank nach seiner Verletzung, aber Sebastian Maier in der Startelf. Gefällt mir, kann losgehn.
Spiel (1)
Gefällt mir nicht, kann wieder abgepfiffen werden. In den ersten 15 Minuten gefühlt doppelt so viele Angriffe der Ingolstädter und auch die sind nicht gerade zahlreich. Ödes Mittelfeldgebolze, wenn über nen Konter (schnelles Umschaltspiel heißt das ja heute) was geht, dann maximal bis zum 16er, meist ist vorher schon Schluss. Bartels ist ein paar mal über Außen recht schnell unterwegs, verliert aber auch ebenso schnell den Ball. Sehr viel los ist vor dem Tor der Bayern nicht, nein, eigentlich ist da gar nichts los. Null. "Da heißt es immer wir haben Probleme mit tief stehenden Mannschaften" meckert Herr L. "aber die stehen gar nicht tief. Die sind alle in unserer Hälfte. Andauernd." Kann man nichts gegen sagen, wo er Recht hat..
Der Ingolstädter Offensivdrang wäre eigentlich die Gelegenheit unsere Stärken auszuspielen. Das besagte schnelle Umschaltspiel klappt auch manchmal, die irgendwann erforderlichen genauen Pässe landen allesamt in Gegners Füßen. Eine schöne Möglichkeit wird dann noch von Bibi Steinhaus verhindert. Der/die einzige Schiedsrichter(in) die man auch aus der letzten Reihe erkennt steht das ganze Spiel über gerne mal im Weg, und die Vorteilsregel ist auch nicht ihr Freund. Zudem ist Ingolstadt einsatzfreudiger, ich spähe schon dauernd in Richtung Trainerbank, normalerweise müsste Vrabec schon wie der Teufel am Rand rumspringen, aber nix, der steht entweder unter Schock oder spart sich seine Energie für die Halbzeitpredigt. Gegen Ende haben wir noch Glück, dass die Bayern vorne so blind sind oder einfach die Latte ein paar Zentimeter zu tief.
Zwischenspiel
"Was für ein Glück dass ich mir das nicht im Fernsehen angucken muss" sagt Herr L. Kann ich nachvollziehen, ich hätte wohl auch schon weggezappt bei der Grütze. Im Stadion kann man blöderweise nicht wegzappen, daher bleiben mir die vereinzelten Pfiffe zur Halbzeit nicht verborgen. Leider alles viel zu weit weg, deshalb kann ich keinen anranzen und muss den Frust in mich reinfressen. Jubeln kann ich grad auch nicht aber: Pfeifen.Geht.Gar.Nicht.
Biernachschub gibt es keinen, wir teilen uns den dritten Becher. Schön saufen kann man sich die erste Halbzeit eh nicht, bleibt die Hoffnung auf den Rest. "Haben die eigentlich jemals ein anständiges Spiel abgeliefert gegen Ingolstadt?" frag ich Herrn L. "Ja" sagt der "das Hinspiel, wo wir nicht hingefahren sind, weil es letztes mal so Scheiße war da."
Spiel (2)
Gregoritsch bleibt draußen und Buchti kommt. "Gott sei Dank" sag ich "endlich mal jemand, der ein paar Ideen haben könnte." Nach zehn Minuten passt Buchtmann sich dem immer noch nicht überzeugenden Spiel an, außer ein paar halbgefährlichen Distanzschüssen kriegen wir nach vorne nichts zustande. Ingolstadt fängt uns weiter vor der Mittellinie ab und macht Druck. Ich krieg ´ne Krise wenn ich sehe wie die sich bewegen, Ball anlaufen? Nicht doch. Schon ist die Pille weg. Gegner anlaufen, Druck machen, zu Fehlern zwingen? Machen die anderen gerade vor und müssen sich nicht mal viel Mühe geben dabei. Und dann ist Bibi wieder dran, Bartels geht in den Strafraum und wird gelegt, aber Steinhaus lässt weiterlaufen. Nicht, dass wir den Elfer zu diesem Zeitpunkt irgendwie verdient gehabt hätten, aber wenigstens hätte den jemand vorbeiballern können, das hätte das Kackspiel perfekt gemacht. Dann kommt Kringe für Maier. "Endlich" sag ich, "wenigstens einer der mal ´nen guten Pass spielen kann."
Das ist leider ein ähnlicher Trugschluss wie schon bei Buchtmann, auch Kringe passt sich kurz darauf dem Gebolze an und ward nicht mehr gesehen. Fuffzehn Minuten vor Ende dann Verhoek für Bartels. Der geht in den ersten Szenen gleich richtig drauf, wie man es von ihm gewohnt ist. "Endlich einer der mal Arsch in der Hose hat und dem Ball hinterher geht" stoß ich Herrn L. begeistert an. "Außer Schachten ist da sonst keiner heute." Dauert keine fünf Minuten, dann fällt mir auch Verhoek nicht mehr auf. Dafür bekommt Ingolstadt fünf Minuten vor Ultimo ´nen Eckball. Normalerweise beunruhigend, aber die waren im Abschluss ziemlich blind bisher. Andererseits, da wär das blinde Huhn und der Korn, wer weiß. Ich bin doch beunruhigt. Mist.
Passiert aber nix. Auf der anderen Seite fällt Schachten noch mal im Strafraum um, das sieht allerdings selbst von hier hinten nicht nach Elfmeter aus, daher wundert mich der ausbleibende Pfiff wenig. Über den Schlusspfiff hingegen bin ich fast glücklich, der erlöst uns vom Übel. Immerhin einen Punkt, mehr haben beide nicht verdient heute, wir am allerwenigsten.
Nachspiel
Auf der Gegengerade scheint Pfeifen langsam in Mode zu kommen und ich hatte für neue Moden schon immer wenig übrig. Am Ende des Spiels weit deutlicher zu vernehmen und weit mehr als zur Halbzeit. Leider alles außer Pöbelreichweite, aber ich mache meinem Unmut lautstark Luft. Wenn ich Pfeifkonzerte hören will guck ich moderne Oper oder geh in Arenen mit komischen Namen. Im Kopf hingegen rechne ich derweil nach, wie viele der pfeifenden Idioten eine Dauerkarte haben könnten und die am Ende der Saison abgeben, weil ihrer Erwartungshaltung nicht entsprochen wurde. Angesichts der für die nächste Saison nicht zu erwartenden Saisonkarten bin ich möglicherweise auf eine Dauerkarte angewiesen, 200 Unzufriedene sollten reichen.
Herr L. hat zu Hause einen großen Topf Chili auf dem Herd, Brot und frischen Frischkäse, von dem er mir stolz berichtet. Aus dem Käseladen. Trotzdem holt er sich erst einmal ein Fischbrötchen bevor wir aufbrechen. Vor den Fanräumen gibt es dann doch ein Bier, weil außer Koschi und Herrn B. noch ein Bierfassträger dort herumsteht und seine flüssige Gabe unter den Menschen verteilt. Alle sind wir uns einig, dass es eine unglaublich schlechte Idee wäre mit dieser Mannschaft aufzusteigen. So viel Spaß die an guten Tagen machen kann, so sehr kann sie einen an schlechten Tagen foltern. Was mich am meisten nervt ist nur, dass sie ihre Folterkammer in dieser Saison ausgerechnet zu Hause aufbauen mussten. Auf schlechte Auswärtsspiele bin ich mental einfach eher vorbereitet, da sind Schmerzen eingeplant.
Die Tresenkurve rechnet dennoch mit unglaublichen sechs Punkten aus den nächsten beiden Spielen, ich kann nach diesem Geholze heute nur nicht recht erkennen, wie die zustande kommen sollen.
Nach ´ner halben Stunde Fußballphilosophie und Schwachsimpelei der Aufbruch, keine Apfeltasche auf dem Dom, dafür Chili aus dem Topf, lecker frischen Frischkäse, paar Kumpels, paar nette Leute, paar Gläser Gin Tonic und irgendwann ein Taxi.
Und dann irgendwann alles niederschreiben, wenn man sich erholt hat. Halbwegs.
Erholung: Jim Suhler - Panther Burn
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Wenigstens ein leggärr Fischbrötchen zum Abschluss.
AntwortenLöschenEine Frage fällt mir ein beim Betrachten deiner Foddos, die ich bisher nie stellte: warum laufen die Mannschaften egentlich mit kleinen Kindern auf den Rasen?
Die Hose des St.Paulispielers auf Foddo acht erweckt allerdings ganz andere Fragen *ggg*
btw: Da hören wir derzeit wohl die gleiche erdige Musik ^^
Die Auflaufkinder sind schon seit etlichen Jahren bei jedem Spiel zu sehen, von der Nationalmannchaft bis zur zweiten Liga, keine Ahnung wer das eingeführt hat, aber für die Knirpse sicher ein Erlebnis. Und der Spieler ist einfach nur geil auf die erste Liga, darum hat er ja auch bei Werder unterschrieben *g*
LöschenIch bin froh das ich wegzappen konnte und nicht viel Geld im Stadion gelassen habe. Das war echt grausam.
AntwortenLöschenDas ist der Unterschied zwischen Fußballfan und Fußballgucker. Der Fußballgucker lässt sein Geld dafür bei Sky, was unterm Strich nicht viel weniger sein dürfte, und lebt seine Emotionen daheim bei Frau und Kindern aus *fg*.
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