Ab
und zu hat der Chefkoch glücklicherweise einen „freien“ Tag, das
heißt, er muss nicht im Restaurant kochen, er darf das zu Hause
machen. Bei solchen Gelegenheiten packt er dann gerne mal einen zwei
Kilo schweren Wolfsbarsch in eine drei Kilo schwere Salzkruste und
schiebt den in die Bratröhre, oder serviert frisch importierten
deutschen Spargel mit Sauce Hollandaise. Da lässt man sich einen Blick über die Schulter des Meisters natürlich nicht entgehen. Erstens eine gute
Gelegenheit dabei etwas zu lernen und zweitens immer ein Fest für
die Sinne. Auf Kartoffelstampf mit Oliven zum Beispiel wäre ich von
alleine nie gekommen, diese Beilage steht aber ab sofort auf der
Speisekarte, jedenfalls sobald ich einen reproduzierbaren Ersatz für
Wolfsbarsch in der Salzkruste gefunden habe, der ist eher nichts für
Anfänger.
Diese
seltenen Tage des außerordentlichen Hochgenusses sind natürlich
viel zu wenig für eine ganze Woche Urlaub, deshalb ist ein Besuch
des Vivendo in Lagos definitiv Pflichtprogramm. „A restaurant which
is regarded as one of the best in the western Algarve“, steht hier
im schamlos Understatement betreibenden Inside Magazin. „The chef
at Vivendo prepares creative menus based on modern Mediterranean
cuisine and the ambience is intimate with discreet service.“ Hört
sich ganz schwer nach qualitativ extrem hochwertiger Küche und den
entsprechenden Preisen an? Stimmt, jedenfalls bei der hochwertigen
Küche.
Die
Preise hingegen sollten niemanden abschrecken, der hier in dieser
Gegend zufällig Urlaub macht, denn auch Normalsterbliche können
sich die vier Gänge des Probiermenüs für zwei Personen leisten. So
sie denn bereit sind in derartige Genüsse etwas mehr zu investieren
und das kulinarische Bewusstsein nicht bei Schnitzel mit Pommes
endet.
Was
sich Normalsterbliche wahrscheinlich eher nicht leisten können ist
ein (nicht auf der Karte stehendes) speziell an die eigenen
Geschmacksrezeptoren angepasstes 10 Gänge Menü, und das tut mir
echt wahnsinnig leid für alle Normalsterblichen dieser Welt, ganz
ehrlich. Das haut einen nämlich komplett aus den Socken.
Zu
was der Mann fähig ist wusste ich ja schon vom letzten Urlaub hier,
als wir uns das „normale“ Menü ein paar Tage vorher individuell
zusammenstellen durften, dementsprechend schlug die Zunge schon
etliche Stunden vorher Purzelbäume, aber diesmal hat er sich selbst
übertroffen. Künstler muss man einfach frei walten und schalten
lassen, dann sind sie am besten, nur nicht reinreden und einfach mal
überraschen lassen.
Bei
den im Vorwege gereichten Minibrötchen mit eingebackenen Kräutern,
Oliven und Tomaten, den in Kräutern eingelegten Karotten und Oliven
sowie den aromatischen Champignons war ein wenig Zurückhaltung
angesagt, das gab mir jedenfalls meine Begleiterin zu verstehen. Ohne
sich selber im Mindesten daran zu halten, obwohl sie natürlich schon
eine ungefähre Vorstellung vom Plan ihres Göttergatten haben
musste. Allerdings hatte sie auch keine zwei Stücke
Birnen-Ingwer-Torte im Magen liegen.
Glücklicherweise
sind die Portionen in echten Spitzenrestaurants einigermaßen
überschaubar, auch wenn die Summe der feinen Spezialitäten am Ende
doch für Schweißperlen auf der Stirn sorgt, man hat wenigstens
beruhigende drei Stunden Zeit sich das alles einzuverleiben. Die
gebackene Meeresfrüchtepraline mit Krustentierschaum, ein erster
kleiner Happen, und schon denkt man sich, DAS hätte ich auch nicht
ungerne als Hauptgang genossen, denn davon kann man bestimmt auch
zehn Stück essen. Oder fünfzehn, wenn einen die Gier nach
Krustentierschaum überfällt.
Doch
kaum hatten sich die Geschmacksknospen vom Auftakt des Tanzabends
erholt folgte der zweite Streich, gegrillter Thunfisch an
Kräutersalat mit Erdnussdressing. Schon der Wahnsinn, was Thunfisch
so alles kann wenn man ihn lässt. Noch wahnsinniger allerdings fand
ich die Tatsache, dass ich mich nicht hätte entscheiden können,
hätte ich mich bei einem eventuellen Nachschlag zwischen Thunfisch
und Kräutersalat entscheiden müssen. Das Erdnussdressing, Himmel
noch mal. Dabei bin ich eigentlich kein wirklicher Salatesser, aber
Salat ist ohnehin kein angemessenes Wort für diesen Wahnsinn.
Zu
einem Menü gehört natürlich auch eine Suppe, als Suppenkasper
nehme ich das in Kauf, Suppen locken mich normal nicht hinter dem
Ofen vor, da gibt es nur ganz ganz wenige Ausnahmen. Eine Ausnahme ist
gestern hinzugekommen, Schaumsuppe
vom weißen Spargel mit Hummermedaillons.
Alter Falter, ich hab wahrlich schon eine ganze Menge Spargelsuppe in
meinem Leben gegessen, von der aufgewerteten Tüte bis zur
hausgemachten vom Spargelhof, von „kann man zur Not essen“ bis
„das ist mal ne wirklich leckere Spargelsuppe“, doch zwischen der
bisher besten und der Kreation des Chefkochs liegen Welten. Nein,
Dimensionen, Welten wäre der falsche Ausdruck. Und das lag
keineswegs an den Hummermedaillons, obwohl ich im Gegensatz zu Cisne
Hummer sehr schätze (wodurch ich nebenbei in den Besitz eines
vierten Hummermedalliönchens gelangte. Glückes Geschick, tirili.)
An
Lamm habe ich mich auch recht selten gewagt, zu viele schlechte
Erfahrungen. Erst Herr L. konnte mich vor Monaten vom Lammfilet in
Elenas Garten überzeugen, seither ist Lamm fester Bestandteil der
Nahrungsaufnahme, aber auch nur dort. Das könnte sich ändern, würde
ich in Hamburg irgendwo rosa
gebratenes Alentejo-Lamm an Ratatouille und 13 Jahre altem Balsamico
bekommen, was natürlich vollkommen illusorisch ist, aber genau so
sollte Lamm schmecken. Dabei habe ich übrigens wieder schmerzlich
die Nachteile der Spitzengastronomie bemerkt, zu Hause hätte ich den
Teller mit den noch vorhandenen Balsamicospuren ablecken können.
Die
Penne mit schwarzem Trüffel, Pilzen und Schnittlauch hatten wir
Cisne zu verdanken, denn das ist eines der zwei Gerichte für das sie
nach eigener Aussage sterben oder morden würde, und durfte daher in
der Menüfolge nicht fehlen. Gott sei Dank ist sie mit dem Chefkoch
verheiratet und muss deshalb weder sterben noch morden für
getrüffelte Penne.
Der
gebratene Seeteufel auf Bärlauchrisotto mit Artischocken und
Safranschaum war dann für kurze Zeit mein ganz persönliches
Highlight, endlich hatte ich die Antwort auf die garantiert im Laufe
des späteren Abends fallende Frage, was denn am besten geschmeckt
hätte. Vorher hätte ich die nicht beantworten können, doch diese
wahrhaft göttliche Kombination war nicht zu schlagen.
Jedenfalls
für etwa zehn Minuten, bis zur rosa
gebratenen Entenbrust auf Vanille-Äpfeln mit Maistarte und
Madeiraschaum. Gott sei mein Zeuge, DAFÜR würde ich sterben.
Un-glaub-lich, mit verboten vielen Ausrufezeichen, die ich mir jetzt
einfach mal spare. Ein Erlebnis. DAS Erlebnis. Davon kann man
hinterher nachts noch träumen, da werden nicht nur die Augen feucht.
Um
eine direkte Konkurrenz zum abschließenden Gang zu ersparen, und als
kleine Erholung für die Nerven zwischendurch, eine Kugel
Sauerkirschsorbet. Vergesst alles, was ihr jemals in irgendwelchen
Eisdielen an Kirscheis bekommen habt, ob da Amarena oder sonstwas
draufsteht, kein Vergleich. Sauerkirsche pur, besser als die Frucht
selber, denn der mangelt es leider an der nötigen Konsistenz. Und es
passt perfekt als letzter Zwischengang, füllt die letzten winzigen
Lücken im Magen ohne groß zum Sättigungsgrad beizutragen, der sich
bei mir schon hart an der Grenze befand.
Und
dann kamen die geschmorten
Rinderbäckchen an roter Zwiebelmarmelade mit Polenta-Triangel,
heiliger Strohsack. Rinderbäckchen hatte ich im Leben noch nicht auf
dem Teller, Rinderbäckchen, das hörte sich irgendwie
gewöhnungsbedürftig an. Hinterher hab ich mich allerdings gefragt,
warum manche Leute soviel Gedöns um ein schnödes Stück Rinderfilet
machen. Für Filet braucht man nämlich immer noch ein Messer,
Rinderbäckchen muss man nur scharf ansehen, das reicht völlig.
Das
Dessert war dann noch ein kleines Wunschkonzert, obwohl ich sichtlich
unter Konditionsschwierigkeiten litt konnte ich nicht widerstehen und
habe mich für warmen
Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern und Birnensorbet entschieden.
Wohl wissend, dass das Sauerkirschsorbet nur noch von der Birne
geschlagen werden konnte. Abgesehen davon ist Schokolade und Birne
die Traumkombination schlechthin und Diät nur etwas für Weicheier.
Drei
Stunden Marathontango für die Geschmacksknospen, ich kann euch
sagen, davon werde ich lange zehren müssen. Wenn man so etwas mal
erlebt hat, dann ist alles andere nur noch Nahrungsaufnahme, dabei
stelle ich mich in der Küche nicht so doof an und gute Restaurants
finden ist eigentlich auch kein Problem. Der Unterschied zwischen
Koch und Künstler ist allerdings derart eklatant, da müssen sich
erst einmal alle hinten anstellen.
Den
vollen Genuss kann ich hier leider nicht einmal optisch bieten, denn
mit zunehmender Stunde und schwächer werdendem Licht litt die kleine
Kompaktknipse unter ähnlichen Schwächeanfällen wie ich. Blitzlicht
wäre mir allerdings doch etwas zu auffällig gewesen für das intime
Ambiente des Vivendo.
Was soll ich jetzt dazu sagen? ich erfreue mich an deinen Fotos und sehe am Licht wielange ihr da geschwelgt haben mögt....
AntwortenLöschenPfui, wie fiiiieeees!!! Und lecker!
AntwortenLöschenDafür bin ich jetzt auf dem Weg nach Frankfurt, um den BOSS zu erleben... auch schön :-))))
Viel Spaß noch!!!
Ach so.... Oliven kann ich nicht ausstehen! Daher Kartoffelstampf lieber ohne ;-)
AntwortenLöschenweia! die sitze bei ryanair sollen ziemlich eng sein hab ich gehört *fg*
AntwortenLöschenMmmmmmhhhhhh lecker! :-D
AntwortenLöschen*neid* ;-)
Gruß Hawk
@Kiki, die richtigen Oliven nehmen. Früher mochte ich die auch nicht. Und Knoblauch natürlich. Und das richtige Olivenöl. Wahrscheinlich mach ich wieder ganz normales Kartoffelpüree, das ist einfacher.
AntwortenLöschen@Meike, ja sind sie. Ich hatte aber eine ganze Reihe für mich alleine, das ging ganz gut :p