Mittwoch, 23. Juli 2014

Heiliger Bimbam
















Eigentlich habe ich damit gerechnet eine ganze Woche alleine durch Franken eiern zu müssen, da eröffnet mir mein Schwesterherz sie müssten am Donnerstag nicht arbeiten, da könnten wir zusammen nach Bamberg fahren, am Fronleichnam.

Das ist einer dieser vielen bayrischen Feiertage, die man als Nordlicht so gar nicht auf der Rechnung hat. Fronleichnam, allein schon der Name klingt gruselig, was passiert da? "Die Scheinheiligen versammeln sich alle auf der Straße zur Fronleichnamsprozession und tragen eine Monstranz durchs Dorf" sagt mein Schwager, genaue Details ob und wann das in Neunkirchen ebenfalls stattfindet weiß er nicht, aber ich bin sofort wie elektrisiert. Folklore! Kostüme! Trachten! Monstranzen! (was immer das ist). Muss ich hin und fotografieren.

Im Internet finde ich Hinweise, dass diese Tradition in Neunkirchen besonders hingebungsvoll gepflegt wird. Rund 1000 Gläubige werden erwartet, gute Güte. Umzingelt von christlichen Fundamentalisten, hat man dem Dorf gar nicht angesehen, obwohl hier schon recht viele Kreuze hängen. Um 9 Uhr morgens geht das los, wenn man um 10 da ist gibt es bestimmt noch genug Motive und anschließend kann man immer noch nach Bamberg fahren.

Zu Fuß in die Altstadt ist es Gott sei Dank nur ein Katzensprung, das wird bestimmt voll da unten und Parkplätze sind eh rar. Und das Tele muss drauf, falls ich bei den erwarteten Menschenmassen nicht in die erste Reihe komme. "Und Du ziehst besser eine lange Hose an" sagt mein Schwager, der darauf verzichtet uns zu begleiten. Echt? Bei der Hitze? Das ist ja schlimmer als bei den Muslimbrüdern, da darf man nur Indoor keine Outdoorkleidung tragen. Hoffentlich stört sich niemand an meiner St.Pauli Kappe, aber eigentlich passt so ein Totenkopf doch prima zum Thema.

Tatsächlich sind alle Parkplätze frei an der Kirche, das Dorf wirkt wie ausgestorben, sogar noch sehr viel ausgestorbener als an einem normalen Wochentag. Kein Mensch ist zu sehen, wer nicht an der Prozession teilnimmt versteckt sich scheinbar zu Hause bis der Spuk vorbei ist. Nur ein paar Ordner und die zahlreichen mit Tüchern, Fahnen, Decken und Fantasyfiguren geschmückten Fenster weisen darauf hin, dass heute ein ganz besonderer Tag ist. Von den Ordnern erfahren wir auch den Ablauf der Prozession, so dass ich mir in aller Ruhe einen fotografischen Standpunkt suchen kann. Mittelalterliche Rituale vor mittelalterlichen Toren, besser kann´s gar nicht kommen.

Der Umzug hält dann auch alles was ich mir davon versprochen habe, es gibt reichlich folkloristische Ansichten, es wird sehr viel Holz und Bech durch die Gegend getragen und (moderne Zeiten) neben der Prozession auch noch Lautsprecherboxen an der Stange, damit jeder mitkriegt was der Paster so verzählt. Viel ist es nicht, zudem wiederholt er sich ständig, aber das muss wohl so. Zwischendrin trägt jemand ein goldenes Bimmelimmding, geschützt unter einer Art mobilem Sonnenschirm, von dem ich später durch den Exilwestfalen erfahre, dass es sich dabei um die sagenhafte Monstranz handelt, in der irgendwelche heiligen Reliquien aufbewahrt werden.

Bis dahin hielt ich die von den in Trachten gekleideten Damen getragene Staue dafür, aber da habe ich mich wohl verlesen. In Religion war ich schon immer schwach, was mir nach einjährigem Schulschwänzen tatsächlich mal ein "nicht teilgenommen" im Zeugnis eingebracht hat, in dem Jahr werden sie Monstranzen und Fronleichnamsprozessionen erklärt haben.

Keine Prozessionsmucke: Joe Strummer & The Mescaleros - Global A Go-Go / Streetcore

Für großes Bimmelimm wie immer: Foto klicken + F11

















9 Kommentare:

  1. Und wieder eine tolle Serie! Und wo du dich alles hintraust. Wenn ich mir manche Gesichter auf den Fotos genaue anschaue - aufregender als einem Löwen in Serengeti ins Braunauge zu blicken... Klasse...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dachtest Du da an einen bestimmten Löwen? *g*
      Ich war schon auf weit heftigeren Veranstaltungen, man muss nur genügend Abstand wahren. Äußerlich und innerlich *g*

      Löschen
    2. Neinkerchner Rebell24. Juli 2014 um 12:29

      Sehr guter Bericht und zutreffende Analyse. Wahrscheinlich in Anbetracht der verwandtschaftlichen Verflechtungen, auch recht subtil gehalten. Wenn man bedenkt, daß die nordischen Küstenbewohner vor knapp 150 Jahren noch gefürchtete Strandräuber waren, so haben ihre Gene sie bis heute vor einer feindlichen Übernahme durch den katholizismus der Südländer bewahrt.

      Löschen
    3. Keineswegs an einem bestimmten *g*
      Mit dem Abstandhalten hast du quasi die Bereisungsbewilligung für den Schwarzen Berg erworben...

      Löschen
    4. In Anbetracht der verwandtschaftlichen Verflechtungen habe ich mich zurückgehalten, ja. Ich hätte es auch etwas unfair gefunden erst zu fotografieren und dann vom Leder zu ziehen, daher habe ich sehr viel Kreide gefressen *g*.

      @Herr Ärmel: da bin ich aber froh *g*

      Löschen
  2. Nach Einbruch der Dämmerung werden hoffentlich nicht die weißen Kapuzen aufgesetzt und die Kreuze angezündet *fg*
    Super Fotos, Gruß N.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich glaube die sind eher harmlos. Ein wenig seltsam vielleicht, aber mostly harmless *g*

      Löschen
  3. wenn du so etwas schon aushältst sehen wir uns nächstes jahr beim schlagermove? *g*

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nee, von allen Göttern kann ich glaube ich Karel Gott am wenigsten ertragen.

      Löschen