Sonntag, 16. Februar 2014

Tiefschlafsamstag mit Verlusten















Vorspiel
Samstag 13:00 Uhr. Die beknackteste Anstoßzeit aller beknackten Anstoßzeiten, alleine deshalb würde sich ein Aufstieg in Liga 1 lohnen. Den Wecker muss ich nicht stellen, ich habe einen ausgesprochenen Frühaufsteher als Übernachtungsgast. Wie früh Kinder aufstehen hatte ich schon völlig verdrängt, deshalb bin ich einigermaßen gerädert, als die Prinzessin um halb acht mit Anlauf in mein Bett und mir direkt ins Kreuz springt. Eine völlig neue Erfahrung, so aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden. Zehn Minuten kuscheln sind drin, weitere zehn Minuten gewinne ich, als ich sie dazu bringe zuerst ihren Vater aus dem Bett zu schmeißen, danach gibt es eine eindeutige Ansage: Hunger. So komme ich zum ersten mal an einem Samstagsspieltag zu Brötchen und einem anständigen Frühstück, wenigstens eine vernünftige Grundlage, wenn man schon zu unsäglich frühen Zeiten Bier trinken muss.

Für die Bahnfahrt wird meine Schalsammlung geplündert, und da wir ihre Mütze nicht finden können gleich noch eine von meinen konfisziert. Dummerweise die schwarze, was eine erneute Anschaffung zur Folge haben wird, grün steht mir irgendwie nicht. Den entwendeten Schal sehe ich als weiteren Mosaikstein auf dem Weg zu braun-weißer Sozialisierung, da muss man so etwas einplanen.
Schwerwiegender ist der Verlust des rosa Rucksacks, den wir beim Umsteigen in der U1 vergessen. Das bisschen Wäsche wäre wohl noch zu verschmerzen, aber der Kuschelhase! Falls also jemand heute einen rosa Rucksack in der U1 gefunden hat, abgeben macht Kind glücklich.

U-Bahn St. Pauli befinde ich mich wieder im Tiefschlaf, die Kollegen vom Fanclub bemerke ich erst nachdem mich auf dem Bahnsteig einer freundlich von der Seite anrempelt. Gemeinsam gehts ins Stadion und nach einem kurzen Klönschnack direkt auf die Plätze. Vorher noch schnell zwei Bier besorgen für mich und Herrn L. scheint mir eine gute Idee zu sein. Das findet auch Herr L., der direkt hinter mir in der Bierschlange steht und mir auf die Schulter tippt. Irgendwie krieg ich nix mit heute..

Oben die Nachbarn begrüßen, wieder ein paar neue Gesichter dabei und wieder ein paar Sitze nicht besetzt, obwohl das Stadion ausverkauft ist. Natürlich sind auch die zwei Plätze direkt hinter uns wieder leer, im freien Verkauf tauchen die seltsamerweise trotzdem nie auf. Das Bier wird abgestellt und die Kamera eingeschaltet, die Süd zieht eine große Blockfahne hoch. Irgendjemand ist da auch im Tiefschlaf, denn linksseitig lahmt die Geschichte, es dauert eine Weile bis der Stoff  auf ganzer Breite entwickelt ist. Trotzdem immer wieder faszinierend für Menschen, die schon beim Bettlakenfalten Probleme bekommen.

Das lustige Kassenrollenwerfen im Anschluss verhindert einen rechtzeitigen Anpfiff und wird deshalb bestimmt schon kritisch vom DFBäh beobachtet, aber nach erfolgreichem Einsatz des Strafraumräumkommandos kann es losgehen. Endlich wieder Fußball.

Spiel (1)
Früher war alles einfacher. Als Frontzeck die Mannschaft aufgestellt hat wusste ich sofort, wer wo spielt und warum. Aber Vrabec und seine Raute, da muss ich mich dran gewöhnen. Wer ersetzt denn jetzt den gesperrten Buchtmann und was macht Schnecke da links? Wieso spielt Nehrig und nicht Schachten? Wieso ist Schachten schon wieder verletzt und warum hab ich das nicht mitbekommen? Zwei Stürmer mit Nöthe und Thy, Bartels und Ratsche dahinter, dann ist Halstenberg sicher wieder AV. Folglich ist Trybull für Buchti auf der 6.
Maier auf der Bank, also vorerst keine Freistoßtore. Dafür zwei bis drei nette Angriffe von uns in den ersten zehn Minuten, aber nichts Zwingendes dabei. Bochum mit nem Fernschuß den ich schon drin sehe, rauscht knapp vorbei das Ding. Nach zehn Minuten die erste Ecke für Bochum und ich denk noch, nee, scheiß Ecken, ich hasse Ecken, wir kassieren seit gefühlten Äonen Tore nach solchen scheiß Ecken, und da ist die Murmel auch schon drin. Tschauner kommt nicht raus, der Ball fällt einem Bochumer vor die Füße, Kalla kommt zu spät, Ratsche steht nicht auf der Linie wo er sonst immer steht, 0:1. Fängt ja gut an.

Und geht schlechter weiter.  Die Bochumer stehen mit zwei Viererketten an der Mittellinie, machen dicht und warten auf Fehler in unserer Vorwärtsbewegung, die wir mangels Erfolgserlebnissen dann auch häufig genug einstellen. Herr L. nörgelt wieder rum, weil das Spiel überwiegend in der falschen Hälfte abläuft statt direkt vor unseren Augen. Wir rennen uns fest, verlieren den Ball und ab gehts in die andere Richtung. Die Mannschaft versucht es zwar immer wieder mal, aber dann kommt der zweite Ball nicht an, der Schuss ist zu harmlos oder wird von irgendeinem Bochumer Bein abgeblockt. Der Rest ist ein unglaublich müder Kick, bei dem wir kurz vor der Halbzeit noch Glück haben, dass Richie Sukuta-Pasu immer noch kein Torjäger ist und Tschauner gut reagiert.

Zwischenspiel
Herr L. hat einen Schein in der Hand, macht aber keine Anstalten Bier zu holen. Muss ich wohl oder übel los, stelle mich in die kürzeste Schlange und werde dafür bestraft. Im Stadion ist es halt auch nicht anders als im Supermarkt, die kürzesten Schlangen garantieren die längste Wartezeit. Auf dem Rückweg halte ich kurz inne um die Nordkurve zu fotografieren, die man von unseren Plätzen aus leider nie sehen kann, dann geht es auch schon wieder weiter.

Spiel (2)
Die Mannschaft kommt unverändert auf den Platz, nicht nur personell, leider auch von der Einstellung. Es bleibt bei eher kläglichen Angriffsbemühungen, mit denen die Abwehr der Bochumer nicht zu knacken ist. Schussversuche bleiben an irgendeinem Bein hängen oder landen in den Armen des Keepers, der mit diesen Bällen wahrlich nicht überfordert wird. Das sind Momentaufnahmen, meistens plätschert das Spiel öde vor sich hin und die Bochumer nutzen unsere zwischenzeitlichen Tiefschlafphasen für Konter. "Unsere Taktik is" doziert Herr L. "die Strafräume möglichst weiträumig zu umgehen." Als mal wieder ein Querpass abgefangen wird, weil es niemand für nötig hält dem Ball wenigstens etwas Entgegenkommen zu schenken, werde ich langsam ungehalten. Fußball ist Bewegungssport, verdammt. Ratsche und Bartels sind Totalausfälle, so wird Fin in Bremen außer der Bank nicht viel sehen. "Ohne Buchti keine Ideen und ohne Schachter kein Kampf" sag ich, "erstaunlich was zwei Leute ausmachen können." Herr L. würde Torre gerne eine Pause gönnen und angesichts der mageren Spieleröffnung möchte ich ihm beipflichten, Mohr und Gonther in der IV wären vielleicht wirklich mal eine Maßnahme, auch wenn ich eigentlich ein großer Freund von Thorandt bin.

Thy muss dann raus für Gregoritsch und später geht Kalla für Maier. "Jetzt brauchen wir nur noch einen Freistoß" sagt Herr L. "irgendwer muss in der richtigen Entfernung einfach mal umfallen." Meine Hoffnung, denn aus dem Spiel heraus geht nix. Den Freistoß bekommen wir kurz darauf, aber der Ball geht in die Mauer und von da auf die Tribüne. Auf der anderen Seite gibt es dafür wieder eine dieser blöden Eckbälle, doch dieses mal pflückt Tschauni das Ding aus der Luft. "Das ist ja sensationell, dass der mal rauskommt" grinse ich Herrn L. an "noch sensationeller, dass er ihn auch noch hat." An solchen Tagen freut man sich halt über den kleinsten Lichtblick.
So beschissen wie das Spiel auf dem Rasen ist mittlerweile auch die Stimmung, und das ist nicht nur mit Samstagmittagdreizehnuhr zu erklären. Nicht einmal die Wechselgesänge sind überzeugend, von der Gegengerade ist hier kaum etwas zu vernehmen und so startet die Süd einen neuen Chant. Schönes Lied eigentlich, aber sie ziehen es dann wieder gnadenlos über gefühlte zwanzig Minuten durch und irgendwann nervt es nur noch, weil die nötige Ablenkung durch das schrottige Gebolze einfach fehlt. "Wir müssen mal wieder auswärts" sag ich Herrn L. "zu Hause macht das einfach keinen Spaß mehr."

Die Bochumer Konter sehen glücklicherweise gefährlicher aus als sie sind, weil Tschauner auf dem Posten ist bzw. Sukuta-Pasu nicht, aber die sind dem 0:2 auf jeden Fall näher als wir dem Ausgleich, so viel steht mal fest. Zehn Minuten vor Schluss geht Bartels vom Platz, für ihn kommt Verhoek. Mit drei Stürmern und der Brechstange, das hat schon gegen Karlsruhe nicht geklappt, da wäre mir jemand wie Kringe lieber gewesen, doch der muss auf der Bank sitzen bleiben. Neururer wechselt ebenfalls, Bochum macht dicht, das wird nix mehr. In der 89. Minute wird es noch einmal kurz spannend, es gibt Eckball für uns. Tschauni zögert kurz, aber nachdem er von den Rängen lautstarke Unterstützung erfährt sprintet er aus seinem Kasten nach vorne.
Torwarttore in der letzten Minute sind leider nicht von ungefähr eine Seltenheit, was gegen Paderborn noch klappte bleibt ihm gegen Bochum versagt. Der Nachschuss geht in die Wolken, in dieser Situation die beste Lösung, so ohne Torwart im Kasten. In der letzten Sekunde der Nachspielzeit hämmert Ratsche noch einen Ball volley an die Latte, seine beste Aktion im ganzen Spiel, danach ist Feierabend.

Nachspiel
Wir entscheiden uns noch für ein Bier auf die Hand, nachdem ich die Pfandbecher bei VcA losgeworden bin, treffen aber vor den Fanräumen niemanden mehr an, der Lust auf eine Nachbetrachtung des Elends hat. In dieser Form wird das Gerede über einen möglichen Aufstieg ganz sicher beendet sein, das ist der Vorteil. Der Lernprozess geht also weiter, in der zweiten Liga ganz sicher gesünder als in der ersten, denn da wären wir heute gnadenlos abgeschossen worden. Noch ein bis zwei solcher Heimtrauerspiele und es werden die ersten den Abstand nach unten kritisch beäugen, schließlich haben wir noch keine 40 Punkte. Herr L. lädt mich noch auf einen Döner an der Feldstraße ein bevor es nach Hause geht, damit wäre das Mittagessen auch erledigt und ich kann mich ablegen. Tiefschlaf nachholen, diesmal ohne Verluste.

Sonntagsanmerkung:
#17 (C) beendet nach der Saison seine Karriere, und das tut mir wesentlich mehr weh als diese Heimniederlage. Dazke für alles Boller, ynwa!


Tiefschlafwecker: Nashville Pussy - Up The Dosage









4 Kommentare:

  1. och mönsch, der kuschelhase. hoffentlich hast du schon beim fundbüro angerufen, so etwas wird bestimmt abgegeben. hat die kleine dich wenigstens von der niederlage ein wenig ablenken können?

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    1. Die Kleine war nicht mit, die musste auf eine Faschingsparty und im Fundbüro haben sie mich vertröstet, das dauert 3 bis 4 Wochen bis sie alles einsortiert und katalogisiert haben (oder was immer die damit machen).

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  2. Endlich wieder Fussicontent :))
    Bartels und Ratschkowski waren nicht die einzigsten Ausfälle, die ganze Mannschaft war schlecht. Nehrig, Kalla, Halstenberg, konnste wohl alle vergessen am Samstag. Tschauner hatte noch Normalform, aber das wars auch. Das Testprogramm zuhause spricht auch nicht für einen Aufstieg bzw. die Relegation. Macht aber nichts, Derbys gibt es trotzdem *g*

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    1. Testprogramm? Ach so, Restprogramm. Egal, im Verein hat nie jemand von Aufstieg gesprochen diese Saison. Du weißt ja was ich davon halte, wer zu früh aufsteigt ist auch schnell wieder unten..

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