Sonntag, 9. Februar 2014
Tempel des Terrors
Dingdong. Sie befinden sich auf Parkebene 3. You are on parking level three. Hoho, ein zweisprachiger Aufzug, riecht schwer nach internationalem Publikum hier. Zwei Leute steigen zu, die Tür schließt, es geht weiter. Dingdong. Sie befinden sich auf Parkebene 2. Zwei weitere dazu, mit Kinderwagen, es wird voll. Dingdong. Sie befinden sich auf Parkebene 1. "Fährt der nach oben?" fragt jemand. Ja, denk ich, irgendwann heute kommt der vielleicht auch oben an. Dingdong. Sie befinden sich in Untergeschoss 1. Der Kinderwagen verlässt uns, dafür bekommen wir ein paar kichernde Teenager. Glucksende Vorfreude auf die kommende Geldausgabe, shoppen soll ja inzwischen ein anerkanntes Hobby sein. Wie viele verdammte Geschosse hat das Ding? Und wieso muss in jedem Stock einer auf den Knopf drücken? Dingdong, Erdgeschoss, nichts wie raus hier.
Ich befinde mich in einem der angeblich edelsten Konsumtempel der Stadt, der Europa Passage. Für das Monstrum mussten vor Jahren alte Kontorhäuser dran glauben, weil wir noch nicht genug Konsumtempel haben in der Stadt. Die Orientierung ist nicht ganz einfach, weil einen die aushängenden Pläne leider über den aktuellen Standpunkt im Unklaren lassen, aber nach anfänglichen Schwierigkeiten finde ich mein Ziel, ich muss weiter nach oben. Das geht glücklicherweise inzwischen mit Rolltreppen, ich muss nicht zurück in den Fahrstuhl. Es ist brechend voll, wer kauft hier freiwillig ein? Spaß kann das beim besten Willen nicht machen, daher bin ich eine knappe Stunde später wieder weg. Kommen, kaufen, gehen, so muss das, wenn das muss.
So öde der Bau von außen ist, das Innenleben ist nicht uninteressant, weshalb ich am Sonntag wieder da bin. Mit Kamera, Stativ und Graufilter, um die wenigen Passanten aus dem Bild zu kriegen, die sich hier Sonntags in den paar Restaurants aufhalten, oder nur einen Schaufensterbummel machen. Schaufensterbummel. Schon bei dem Wort bekomme ich Pickel. Wenigstens der Dingdongterror hält sich in Grenzen, ich kann von Parkebene 2 bis ins Obergeschoss durchfahren, ein Wunder.
Ein paar Probeaufnahmen, Filter drauf, Kabelauslöser, und ab dafür. Eine viel zu dunkle Aufnahme habe ich im Kasten, beim zweiten Versuch werde ich auch schon gestört. Ein Knabe in knappem Uniformjäckchen baut sich neben mir auf. "Das ist hier nicht erlaubt" schnarrt er mich an. Etwas zweifelnd sehe ich ihn an. Seit wann beschäftigen die Kinder in der Security? "Wo steht das geschrieben?" frage ich ihn. "Das Management möchte das nicht. Fotografieren ist untersagt. Jedenfalls mit Stativ." schränkt er das Verbot gleich ein.
Die Belichtung braucht noch etwas, der 1000er Filter ist zu dicht für diese Verhältnisse, daher reagiere ich erst mal nicht. "Ich mein das ernst" sagt der Knabe und nickt in Richtung Kamera. Aha. Ob der mich haut wenn ich ihn einfach ignoriere? Eher unwahrscheinlich. Auf Diskussionen mit Uniformjäckchenträgern habe ich jedoch seit der Bundeswehr keine Böcke mehr, also lös ich aus und pack das Geraffel zusammen. Wieder etwas zu dunkel geraten, ich hätte ihn noch 15 Sekunden hinhalten müssen, aber das kriegt man mit Lightroom hin.
Dann eben ein paar normal belichtete Aufnahmen aus der Hand. Beim Umschrauben der Objektive bekomme ich schon wieder Besuch. Diesmal ein Herr, der sich nach dem Begehr des Securitymenschen erkundigt und einigermaßen fassungslos ist über das Fotografierverbot. Was, nebenbei bemerkt, nicht einmal in der Hausordnung verankert ist, die in jedem dieser überflüssigen Stockwerke aushängt.
So vergrault man Kunden, schade dass ich am Tag vorher einer gewesen bin. Nächstes mal wieder Internet, kein Dingdong, kein Gedrängel und Lieferung frei Haus.
Super Tempelmusik: The Neville Brothers - Yellow Moon / Brother's Keeper
Labels:
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Spacken
Standort:
Altstadt, Hamburg, Deutschland
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ach komm, wären die schaufenster voller kameras, objektive, hifi-anlagen und anderer technik würdest du auch bummeln :p
AntwortenLöschenIn Zeiten der Internetpreisvergleiche sind Schaufenster auch in dieser Hinsicht wenig reizvoll, ich weiß wie Objektive aussehen und was sie kosten dürfen.
LöschenSchaufensterbummel ist der Oberüberabtörner.
AntwortenLöschenHat der Sicherheitsschwachmat überhaupt eine Waffe? Ja. Na hat er denn einen Waffenschein? Ich nerve derley Gesocks seit einiger Zeit immer erfolgreicher. Kleiner Tipp für dich und interessierte Leser: seit neuestem behaupte ich Diplomat zu sein. Einen Moment bitte, hier ist mein Laissez-passer .. ?? Ach Sie sprechen sicher nicht französisch, hier äähh mein Diplomatenpass. Beim Taschenkramen werde ich durchgewunken. Funzt am Flughafen prima. Keine Kofferkontrolle seit geraumer Zeit.
Dir nimmt man den Diplomaten sicherlich eher ab als mir, außerdem spreche ich leider kein Französisch. Der Knabe war unbewaffnet glaube ich, hab ich nicht so drauf geachtet, aber auch mit Waffe wäre er nicht sehr beeindruckend gewesen. War eher ein freilaufender Pförtner oder etwas in der Art...
LöschenNa hör mal, ein gestandener honorighanseatischer Herr wie du - ich sehe da kein Problem *g*
LöschenVielleicht wenn ich mit nem Elbsegler rumlaufen würde, oder einer Prinz-Heinrich-Mütze (hat Schmiddel das nicht früher getragen?) aber Schwarz mit Totenkopf ist hier bei staatlichen sowie privaten Organen nicht sehr beliebt *g*
LöschenTja, für deine Lieblingsgarderobe bist du nun selbst verantwortlich - mit allen Konsequenzen versteht sich :-)))
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