Samstag, 26. Oktober 2013

Zu Hause ist es nicht immer am schönsten
















Vorspiel
Warum kann man mich an einem solchen Tag nicht mal ausschlafen lassen? Diesmal ist es ein Telefonknecht meines Providers, der mir irgend etwas ganz tolles über E-Mails erzählen will, und das um 9 Uhr morgens. Als ich ihm erkläre, dass ich darüber mit ihm weder um diese, noch um irgend eine andere Zeit reden möchte, wird er auch noch patzig und lässt dumme Sprüche ab. Super, jetzt bin ich wach.

Als ich mit ihm fertig bin ist der Adrenalinspiegel zu hoch zum weiterpennen. Ich versuch es natürlich trotzdem und wache um 13 Uhr völlig gerädert auf, der Tag kann nur noch übel werden. Meine Laune bessert sich in der U-Bahn, eine St.Pauli Kleinfamilie sorgt für Unterhaltung, der Kleinste löchert Muddern mit Fragen.
"Mamaaaa, wie hat Sankt Pauli letztes mal gespielt?"
"4:2 gewonnen gegen Fürth, weißt Du doch noch." 
"Spielen wir heute auch gegen Fürth?"
"Nein heute spielen wir gegen Sandhausen."
Denkpause.
"Gegen die gewinnen wir aber auch, oda?"

Wäre zu hoffen, ich befürchte trotzdem ein grottiges Spiel, weil Sandhausen garantiert hinten drin steht und uns dann wieder nix einfällt. Ein frühes Tor könnte das verhindern, mal überraschen lassen.
Im Stadion quatsch ich mich bei nem Bier mit dem Langen fest, der ähnlich schlechte Vorahnungen hat wie ich, was das Spiel betrifft. Er tippt auf ein 0:0, ich leg mich auf nen knappen Sieg fest, aber das Spiel wird ganz sicher furchtbar, da sind wir uns einig.

Meinen Platz entere ich erst zehn Minuten vor Anpfiff, Herr L. ist noch nicht da, dafür freut sich meine Nachbarin über neue Aufkleber, die einzigen drei doppelten in meiner winzigen Sammlung. Heute ist Aktionstag gegen Homophobie und Sexismus, was man hauptsächlich an vielen bunten Luftballons bemerkt, wenn es eine Choreo gab hab ich sie verpasst. Von den Aufklebern gegen Homophobie und Sexismus habe ich extra zwei mitgenommen, um meinen Sitz etwas bunter zu gestalten, aber das verpenne ich auch.

Ich muss knipsen, denn die Südkurvenhooligans zündeln mal wieder was das Zeug hält, gefährliche Kinderpyros wohin das Auge sieht. Die Kompaktknipse ist damit völlig überfordert, aber wenn man genug Aufnahmen davon macht, kann man auch mal Glück haben. Über uns hat jemand sämtliche Bürolocher einer sehr großen Firma geleert und den Inhalt großzügig verteilt, was für ein Segen, dass ich mein Bier an einer sicheren Stelle verwahre. Rechtzeitig zum Anpfiff ist auch Herr L. am Platz, direkt von der Arbeit ins Stadion und gleich zwei Bier dabei, wie nett.

Spiel (1)
Während die ersten Angriffswellen auf das Sandhausener Tor rollen gehen wir kurz die Aufstellung durch. Kalla und Buchti waren zu erwarten, Schindler für Nehrig, Maier in der Startelf hab ich mir gewünscht und Nöthe im Sturm, naja. Verhoek ist wohl noch nicht soweit. Die ersten zehn Minuten vergehen wie im Fluge, gefälliges Spiel nach vorne, leider aus den Chancen nichts gemacht. "Ich leg mich mal fest jetzt," sagt Herr L. "Nöthe macht das 1:0." Doch daran ist überhaupt nicht mehr zu denken, denn wir kommen zeitweilig überhaupt nicht mehr über die Mittellinie. "Ich hab gedacht, dass wird n Scheißspiel, weil Sandhausen hinten drin steht, nicht weil wir hinten drin stehen" bölk ich Herrn L. ins Ohr aber auch der kann nur den Kopf schütteln über das Geschehen auf dem Platz.
Sandhausen ist dabei nicht beunruhigend gefährlich, die stehen nur einfach kompakt, und das wesentlich höher als erwartet. Dazu müssen sie bei dem grauenhaften Zufallsgekicke einfach nur auf einen unserer Fehlpässe warten. So geht es hin und her, Ackerfußball in Reinkultur. Bolzen und hoffen das was ankommt. Zehn Minuten vor Halbzeit geht dann mal wieder was nach vorne, kurz vor Pfiff noch zwei dicke Möglichkeiten, doch Schindler kann die Kugel nicht ins Gehäuse bringen und auch das "Nööööööööööthe" Gebrüll meines geschätzten Nachbarn hilft der Nummer 9 nicht, Halbzeit. Torlos und trostlos.

Zwischenspiel
Herr L. holt Nachschub, ich kann Tapeten knipsen. Mit Moritz ist hoffentlich nicht Volz gemeint und was zum Teufel sind Pull Up's? Den Gruß an Nord-Support begreif ich auch nicht so ganz, aber die haben gerade Jubiläum oder so etwas. Man bekommt in unserer Ecke vom Norden überhaupt nichts mehr mit, das ist der große Nachteil. Selbst bei Wechselgesängen raffen die meisten erst nach einigen Minuten woher das kommt.
Nach dem Spiel ist auch noch Demo angesagt für die Lampedusa Flüchtlinge, müsste man eigentlich mitmachen. FCK SPD. Rassistische Kontrollen sind der letzte Schritt vor was? Wieder Sterne an die Jacken nähen? Keine Fortschritte in dieser Stadt, alles nur Erben Schills, ekelhaft. Mal sehen was Herr L. dazu meint.

Der kommt wenig später mit zwei frischen Bieren an und tippt bedeutsam an die Becher. Beides Nöthe, der will es wissen heute. Unser kleiner Feuerwehrmann will wohl anschließend auch auf die Demo, da könnt man sich vor der Süd verabreden und gemeinsam gehen. Aber nu ist ersma Fussi angesagt. Nicht mehr für jeden, hinter uns bleiben einige Sitze leer. Das können nur Tagesgäste sein, die in der Halbzeit gehen. Eventfans sind meistens schnell wieder weg, wenn das Event zu wünschen übrig lässt. Die beiden Herren vor uns sind auch neu, kommen aber kurz nach dem Anstoß wieder, trotz der bis dahin wenig erbaulichen Ballartistik.

Spiel (2)
Gleich eine Chance für uns und gleich abgepfiffen, wegen was auch immer. Der Schiedsrichter geht mir heute auch schwer auf den Sender, entweder pfeift der in der zweiten Hälfte noch schlechter, oder es liegt daran, dass man von hier aus unsere Strafraumaktionen nicht mehr so gut beurteilen kann. Wenigstens haben wir welche, das ist schon mal was. Nöthe wird trotzdem kein Tor machen heute, es sei denn er schafft es, eine Flanke auf seinen eigenen Kopf zu schlagen. Der treibt sich überall rum, nur nicht im Strafraum. Herr L. wird trotzdem nicht müde bei seinen Szenen auf den Becher zu tippen. Es ist weiter ein furchtbar unansehnliches Geholze auf dem Rasen, man mag gar nicht hinsehen. Ratsche ist sehr blass heute, aber wen bringen? Frontzeck wechselt lieber Bartels gegen Verhoek. Einer der Herren vor uns dreht sich um. "Sach ma, ihr seid doch Sankt Pauli Fans oder?" Hmja. Was soll man da antworten, wenn man den Rest des Satzes schon ahnt. "Habt ihr wirklich Lust euch so etwas jede Woche anzusehen? Das ist doch Not gegen Elend."
Ja nu. Ist halt nicht immer so. Wenn man nur Fan von Vereinen sein könnte die jedes Wochenende perfekten Fußball zelebrieren, dann ist die Auswahl nicht besonders groß. Ich weiß warum ich hier stehe sitze. Aber während des Spieles habe ich keine Stunde Zeit darüber zu dozieren, außerdem kann man so etwas Außenstehenden ohnehin schwer vermitteln.

Inzwischen ist Lenny Thy für Maier im Spiel. Hätte ich nicht gemacht, was ist wenn wir jetzt einen Freistoß kriegen? Wir kriegen natürlich kurz darauf einen, aber Halstenberg ist halt kein Maier, das Ding ist kein Problem für den Keeper. Am Ende macht der Schiri es noch einmal spannend, der Pfiff ertönt, der Würfel rollt, die Zahl sagt Freistoß für Sandhausen. Völlig lächerliche Entscheidung, aber bevor man sich gebührend darüber aufregen kann führt ein Spieler den aus und Tschauner muss in höchster Not retten. Das hätte gerade noch gefehlt. Am Ende gibt es zwei lächerliche Minuten Nachspielzeit, die fast alle für einen letzten Wechsel bei Sandhausen draufgehen. 

"Wären wir bloß nach Fürth gefahren" sagt Herr L., "oder nach Ingolstadt. Das wär'n mal bayrische Wochen gewesen." Hättewärewenn. Nicht einmal nach Bayern geschafft dieses Jahr, auch München wird nichts durch die blöde Terminierung, wahrscheinlich gewinnen sie da auch noch. Zu Hause ist es halt nicht immer am schönsten, gegenwärtig sind Heimspiele jedenfalls keine Erbauung, aber für Auswärts fehlt momentan einfach die Zeit.

Nachspiel
Das Spiel wollten sich wohl viele schön saufen, von den gewaltigen Mengen gespendeter Pfandbecher hat wenigstens Viva con Agua was, man muss die positiven Seiten sehen. Wir holen uns noch zwei Bier und latschen in Richtung Süd, der Feuerwehrmann hat keine SMS hinerlassen, also einfach mal gucken. Herrn L. überfällt der kleine Hunger und auch ich könnte was zu beißen vertragen. Die gewaltige Schlange vor dem Veggiemann ist nicht abschreckend genug, für keinen anderen Burger würde ich anstehen. Ist leider ein hoffnungsloses Unterfangen, als wir nach einer gefühlten Stunde dran sind ist kein Burger mehr zu bekommen, alles weg. "Du musst doch inzwischen wissen wie viel tausend Du von den Dingern brauchst" mecker ich ihn an. Mein Unglück macht ihn sehr betroffen, der nächste geht dafür aufs Haus verspricht er mir. Nutzt nix, die Demo ist auch schon lange unterwegs und ich verzichte darauf Herrn L. zu einem Gewaltmarsch zu überreden, ich wüsste nicht einmal in welche Richtung die gelaufen sind.
Wir futtern uns dafür durch das restliche Angebot des Vegetariers und verpieseln uns nach Hause.

Wir haben wenigstens eins, alle anderen sollten auch eins haben. Von mir aus auch gerne in Hamburg, eine Stadt die 789 Millionen für eine extravagante Dudelhalle übrig hat kann das locker verkraften.


Wird in der Dudelhalle nie zu hören sein, falls sie jemals fertig wird:
Frank Zappa - Waka Jawaka/The Grand Wazoo/Over-Nite Sensation/Apostrophe/Zoot Allures













4 Kommentare:

  1. Hmmm... wärt Ihr mal bloß nach Fürth gefahren !
    Warum seid Ihr eigentlich nicht ?
    Achsoja, da warst Du ja auf der Rückfahrt vom Regenwald *g*. Btw, hier liegt ne kleine Kompaktknipsentasche. Wird heute noch eingetütet.

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    1. Ich war nur auf der Rückfahrt vom Regenwald, weil ich an dem Montag keinen Urlaub bekommen habe. Eigentlich war Fürth fest eingeplant, nur halt nicht auf einem Sonntag. Eigentlich war auch München fest eingeplant, nur halt nicht auf einem Montag. Scheiß Sport1.

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  2. Hatte leider keine Zeit und konnte nur eine Zusammenfassung sehen, das sah so schlecht nicht aus, Chancen waren (wieder mal) reichlich vorhanden, aber wenn man die nicht reinmacht darf man sich nicht wundern.

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    1. In der Zusammenfassung war das tatsächlich besser, hat mich überrascht. Muss daran gelegen haben, dass sie die langweiligen 80 Minuten weggelassen haben *fg*

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