Mittwoch, 18. September 2019
Bierduschen und Pyroduelle
Es ist die 18. Spielminute, als Dimi im Strafraum schneller schaltet als van Drongelen und Knollis Pfostentreffer im Tiefflug zum 1:0 verwandelt, da trifft mich von oben eine volle Bierdusche. In Block G4! Im Block der Fussi guckenden alten Männer, die sich im Normalfall allenfalls zu etwas aufmunterndem Beifall hinreißen lassen, eine Bierdusche! Auch wenn es heute kastriertes Holsten ist, irgendwie habe ich das vermisst, ohne stinkende Klamotten nach Hause zu kommen.
Früher galt ja oft, je nasser man war, desto geiler war das Spiel. Auf meinem alten Stehplatz hätte ich heute wahrscheinlich sehr viel nassen Spaß gehabt, trotz der Plörre.
Nicht im Ansatz habe ich das erwartet, man traut es sich fast nicht einzugestehen, aber so etwas wie Derbyfieber wollte sich bei mir vor dem Spiel nicht einstellen. Null. Eher eine seltsam emotionslose Scheißegalhaltung und die frohe Gewissheit, Stellingen nach ihrem Aufstieg ein paar Jahre nicht wiedersehen zu müssen. Das 0:4 im letzten Spiel war doch ein ziemlicher Wirkungstreffer, was nichts mit dem Ergebnis zu tun hatte, nur mit der Art und Weise wie es zustande kam.
Wer konnte auch ahnen, dass die Jungs sich das ebenso zu Herzen genommen haben und hier so ein geiles Spiel abliefern, mit viel Willen, viel Kampf, der nötigen Aggressivität und scheinbar auch mit einem Plan, denn sie spielen richtig guten Fußball. Die Scheißegalhaltung verschwindet und sofort schlägt das Derbyfieber zu, weil Du merkst, hier geht was. Heute geht was und egal wie es am Ende ausgeht, das ist eine ganz andere Truppe als die im März und dann geht auch was auf den Rängen. Inklusive Bierdusche in Block G4.
Endlich ein Derby, das den Namen verdient. Natürlich auch mit viel Zittern und Zagen, als Stellingen gegen Ende der ersten Halbzeit aufdreht und eine Ecke nach der anderen ausführen darf. Immer dieser Blick auf Robin, der sich lieber auf seine Reflexe verlässt statt rauszukommen, immer dieses schwere Aufatmen wenn das Ding danebengeht, das Entsetzen wenn der auf einmal drin ist und die Erleichterung, wenn der Schiri das Tor aus welchen Gründen auch immer nicht gibt. Auf Dauer ist das nix für meine Nerven, für meine Stimmbänder gibt es nur Mineralwasser und die zweite Sportzigarette ist auch schon weg, da kommt die Halbzeit wie gerufen zum durchatmen.
Die dauert unnatürlich lange und als ich mich gerade frage, ob die das vielleicht absichtlich machen, damit genug Zeit für die Pyro bleibt, geht es auch schon los. Wunderschönes Raketenfeuerwerkgedöns auf der Süd, sogar die Gegengerade entscheidet sich nach wenigen kurzen Unmutbekundungen dafür, dass doch irgendwie geil und einem Derby angemessen zu finden.
KlauMi Kühnes Arbeiterklasse will dem nicht nachstehen und zündelt auch ganz fleißig, dieses Mal sogar ohne ihre Blockfahne dabei abzufackeln. Das gibt natürlich Ärger mit dem scheiß DFB und der scheiß DFL und kostet viel Geld und deswegen gibt es auch immer diese Durchsagen das doch bitte zu lassen und ich weiß, das müssen sie sagen, aber man kann auch einfach Antifa Hooligans so lange spielen bis sich der Rauch verzogen hat und der Schiri anpfeift.
Die Rauten fangen so druckvoll an wie sie aufgehört haben, wir haben längst nicht mehr alles im Griff, nur haben wir heute einen ganz anderen Knoll als den im März, einen wieder einmal unglaublich starken Buballa, einen immer besser werdenden Becker und vor allem Mats den Schatz, bei dem ich nach der ersten Hälfte schon gedacht habe, dass der nach spätestens 70 Minuten völlig platt sein muss und das wohl ein Teil des Plans ist.
Nach einer guten Viertelstunde finde ich mich langsam damit ab, noch mindestens eine weitere halbe Stunde Nervenschlacht durchstehen zu müssen, als Conteh von den Beinen geholt wird, der anschließende Freistoß zum 2:0 führt und das Dach vom Schalldruck erzittert. Ganz sicher, ich hab's wackeln sehen!
Jo, der Rest ist Geschichte. Schnecke darf noch mitspielen und damit seinen zweiten Derbysieg feiern, Mats wird nicht ausgewechselt, kann aber beinahe noch das 3:0 erzielen, was Buballa kurz vor Schluss leider ebenfalls misslingt. Wäre es gerade für die beiden noch die Kirsche auf der Sahne gewesen.
Scheißegal, Stadtmeister! Mein erster Derbysieg am Millerntor, mehr geht eigentlich nicht. Ich glaube Thees Uhlmann hat recht, es wird Zeit für den Europapokal. Träum' ich schon lange von...
Was sonst noch gut war:
Kein Schienenersatzverkehr. Muss man ja auch mal lobend erwähnen.
Der Schiedsrichter. Recht unbeeindruckt von der Kacke im Gästeblock einfach mal abgepfiffen und auch sonst meist gut auf der Höhe.
was sonst noch schlecht war:
Mit Pyrofackeln den Torwart bewerfen ist dermaßen hirnlos, dass ich mal wieder weiß, warum ich diesen Verein nicht mag. Geht kacken, von mir aus gerne in Liga 1.
was zu tun ist:
Vertrag für Mats bis 2025, der ist gerade so drauf dass er den wirklich unterschreibt
Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St.Pauli - Hamburger SV 2:0
Musik dazu: Marcus Wiebusch - Konfetti / Kettcar - Ich vs. Wir
Mehr zum Spiel:
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Arbeitstitel:Derbysieg beim Millernton
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Labels:
Fußball
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