Sonntag, 3. August 2014

Kalte Duschen mit Ansage


















Vorspiel
Eine ganze Woche lang nervt es mich, dass ich Samstag so früh aufstehen muss. Erst zwei Tage vor dem Spiel fällt mir ein, die 1.Liga läuft ja noch gar nicht - und tatsächlich, wir spielen erst um 15:30. Super, das heißt Ausschlafen UND Frühstücken UND eine ganz sutsche Spielvorbereitung. Theoretisch, wenn man sich nicht noch einmal umdreht im Bett und der nächste Blick auf die Uhr was von 13:00 sagt. Heilige Scheiße, ich bin aber auch zu blöd, dann eben ohne Frühstück. Für Kippe, Kaffee und Sportzigaretten vorbauen reicht es noch, dann bin ich unterwegs. Mit T-Shirt und kurzer Hose! Keine Ahnung wann ich das letzte mal mit T-Shirt und kurzer Hose zum Fußball bin, in den letzten Jahren hatte das eher was von Wintersport.

In Barmbek habe ich Zeit für ein belegtes Baguette vom Bäcker, den ich noch rechtzeitig sehe, bevor ich mir bei Dittsch eine üble Fettpizza bestellen kann. Feldstrasse raus aus der U-Bahn und über den Dom, rein ins Stadion, Bier holen, ab in Block C. Genau 14:30, geschafft. Für einen anständigen Stehplatz muss man eine Stunde vor Anpfiff im Stadion sein, das weiß ich noch von früher.


Aber trotzdem zu spät, eine Stunde vorher reicht nicht mehr, früher ist vorbei. Jeder Wellenbrecher ist belegt, nix zum anlehnen mehr frei außer der Mauer zu den Stehplätzen, also wieder ganz oben. Die Wartezeit ist erträglich, der Supportblock fordert zum Einsingen auf, es wird reichlich Konfetti verteilt, überall Vorfreude auf die neue Saison. Man erträgt die furchtbare Schanzerhymne und feiert wie üblich bei der Ingolstädter Mannschaftsaufstellung elf mal Felgenralle Gunesch, der es sich vor der Gegengerade bequem gemacht hat. Sieht aus als wär er nicht mal im Kader bei Audi, dann könnte er ja zur Abwechslung mal wieder hier...

Bei uns ist Bentley Baxter Bahn in der Startformation, Vrabec setzt auf den Nachwuchs, im ersten Heimspiel gleich die volle Dröhnung. Buballa und Görlitz dabei, Sobiech und Gonther IV, vorne Verhoek und Nöthe, alles wie erwartet nach dem Test gegen Celtic.

So nervig stundenlanges stehen auch ist, singen macht hier unten weit mehr Spaß als auf den Sitzplätzen, alles viel lauter hier. Fußball muss laut. Das Herz von St.Pauli geht richtig ab, da hätte Muddern ihren Spaß bei. Hells Bells, Konfetti und eine schicke Wendechoreo in der Südkurve, alles fein für den Saisonstart, oder?

Spiel (1)
Die erste Viertelstunde sieht tatsächlich so aus, als hätten die Jungs sich was vorgenommen. Nicht dass wir dadurch zu großartigen Chancen kommen, so weit geht das nicht, aber sie sind engagiert. Man könnte auch sagen sie sind bemüht, holen mal einen Eckball raus, setzten hinterher, erkämpfen sich die Bälle. Nach vorne ist es erwartet schwer gegen Audi, die sollen schon ziemlich lange keine Treffer kassiert haben, man sieht warum. Man kann auch sehen wie die üblicherweise ihre Spiele gewinnen: durch schnelles umschalten, früher mal Konterfußball genannt. Eigentlich habe ich unsere Defensive ziemlich stark eingeschätzt, aber momentan betteln die wieder um einen Treffer, Ingolstadt wird immer dominanter hier.

Schnelles Umschaltspiel müsste man beherrschen, das wäre jetzt ein Mittel, aber wenn bei uns mal was nach vorne geht dann nur bis zum nächsten Fehlpass. Der übliche Krampf, gute Ansätze dabei, aber man muss dieses runde Ding halt auch mal präzise weiterleiten und daran hapert es einfach zu oft. Görlitz ist noch lange kein Ersatz für Bartels und Bahn wirkt etwas überfordert in seinem ersten Zweitligaspiel, die Bälle werden wieder nicht angelaufen, das passt alles nicht richtig.

Bei Ingolstadt passt es besser, sie zwingen Tschauner zu Glanzparaden und mich zu Schweißausbrüchen wenn ich sehe wie der bei Ecken wieder auf der Linie klebt. Und just in dem Moment, in dem das Stadion sich zu einer lautstarken Gesangseinlage eingroovt, schlägt ein Ingolstädter Kopfball aus völlig unmöglich dämlichem Winkel bei uns ein, 0:1. Kalte Dusche mit Ansage. Und kaum hat man das halbwegs verdaut ist die nächste Gelegenheit da, aus 20 Metern satt an den Pfosten, da wäre Tschauner nie rangekommen. Glück brauchen wir also auch noch.

Zwischenspiel
Ich brauche ein Bier bevor meine Stimme völlig versagt, hier oben herrscht eine grauenhafte Hitze. Leider muss ich das auch noch selber holen, weil die Sitzplätze hinter mir nicht besetzt sind, anscheinend sind die Jungs noch im Urlaub. Mit einem vollen Becher bewaffnet kämpfe ich mich zur Tresenkurve zu Koschi und Herrn B. durch, in der Ecke ist etwas mehr Platz und vor allem frischer Wind, da kann man eine eingeschränkte Sicht mal hinnehmen, vielleicht sieht man das Elend dann nicht so. Eine kalte Dusche mit Ansage gibt es noch dazu von der Hamburger Feuerwehr, die Stehränge werden mit einem Wassernebel besprüht, der auf meiner Kamera allerdings mehr nach dicken Gewitterregentropfen aussieht und den Mittelfinger meines erbosten Nachbarn über Gebühr beansprucht. Manche Leute stellen sich wirklich an wegen ein paar Tropfen Wasser im Bier.

Spiel (2)
Maier für Bahn im Spiel, da hoffe ich mal auf ein paar Chancen durch Standards. Wird aber nicht besser, die Ecken sind harmlos, die Freistöße harmloser, auch die von Maier. Kein Passspiel, keine Laufwege, kein Kampf, kein Garnix. "Wie in der letzten Saison, nur schlechter." sagt Koschi und ich bin ziemlich sicher, dass wir bald den zweiten kassieren so wie der Hühnerhaufen da rumrennt. Einzig Tschauner erreicht Normalform, also gut auf der Linie und weniger gut bei Ecken. Dass es auch anders geht zeigt der Ingolstädter Schlussmann, aber das kann natürlich auch an unseren Ecken liegen. Was machen die bloß die ganze Zeit im Training?

Zwanzig Minuten vor Ende geht Görlitz raus, Lenny Thy kommt. Auch nicht so der Hoffnungsträger, aber kann nur besser werden, Görlitz hat sich 70 Minuten lang festgerannt, das war gar nichts heute. Was sich in der Abwehr abspielt ist manchmal kaum zu fassen, ein Glück das wir nicht aufgestiegen sind, sonst hieße der Gegner heute nicht Ingolstadt, die nutzen ihre Chancen nicht aus.

Und dann kommt wieder so ein Augenblick, in dem man froh ist das man sich hier unten hingestellt hat. Hier unten kann man den Spielern noch ins Gesicht sehen und Sören Gonther macht genau dieses "jetztlecktmichdochallemal" Gesicht das Boller immer gemacht hat, wenn er zu dem Schluss kam, das man manche Dinge einfach selber erledigen muss. Und Sören rennt, macht nen Doppelpass und rennt weiter, macht am 16er noch nen Doppelpass mit Lenny und rennt weiter und schlenzt das Ding direkt in den Winkel, 1:1 Woohoo, was für ein hammergeiles Tor. Auch mit Ansage.

Eine kalte Dusche für Ingolstadt allerdings nicht, die hätten weiterhin gerne alle drei Punkte. Chancen dafür sind da, aber letztlich überstehen wir die letzten zehn Minuten ohne größeren Schaden. Wenigstens nicht verloren. Scheint heute jeder gedacht zu haben, die zweite Liga spielt geschlossen unentschieden.

Nachspiel
Platz 8 bis 12 ist drin sagt mein Umfeld, aber ob wir auch diese Saison auswärts so gut punkten ist die eigentliche Frage. Jedenfalls solange es am Millerntor nicht besser wird. Ein Bier vor den Fanräumen schaffe ich noch, dann mach ich mich vom Acker. An Stehplatz muss ich mich erst wieder gewöhnen. Hoffentlich gewöhnen sich unsere Spieler auch schnell wieder an Fußball, das könnte mir die Sache erleichtern.


Duschmusik: Asian Dub Foundation - Facts and Fictions / Conscious Party

















9 Kommentare:

  1. Gunesch kann auch gar nicht im Kader sein nach seinem Kreuzbandriss. Er selber rechnet ja erst damit, im kommenden Jahr wieder ernsthaft spielen zu können.

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    1. Das mit dem Kreuzband hatte ich nicht mitbekommen, aber etwas ähnliches hab ich mir fast gedacht.

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  2. Ach Herrje, diese komische Rasenballmannschaft aus LE ist ja auch in der 2. Liga. Hörte ich letztens. Da könnte ich ja glatt mal zu einem St. Pauli-Spiel gehen. Wenn ich den Termin nicht verpasse

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    1. Es könnte sein dass Du da nur Leipziger triffst, weil irgendwie niemand Bock hat auf den Brauseverein geistert schon der eine oder andere Boykottvorschlag durch die Gegend.

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    2. Ja stimmt. Ich hätte mich eigentlich auch geschämt und keinesfalls unter das Leipziger Publikum mischen wollen. Heute sah ich den OBM Jung, der meinte, 20000 Zuschauern in der 3. Liga zeige doch, wie sehr die Leipziger den Verein annehmen und sich nach Fußball sehnten. Da erwarte er vom DFB mehr Respekt. Da kommt mir dann richtig die Galle hoch, denn wie sehr sich "die Leipziger nach Fußball sehnen" zeigen doch eher die Beucuherzahlen bei Vereinen wie dem Club und der BSG, die irgendwo im unteren Niveau rumgurken und es auch auf so viele Zuschauer bringen (also jedenfalls der Club). Aber, ich sehe es ein, dieser Rasenballverein ist sehr familienfreundlich. Ich wäre wahrscheinlich, neben dem Schamfaktor, ziemlich genervt gewesen von all den kleinen Jungs, die nebenbei oder eigentlich Bayernfans sind, im Stadion

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    3. Der Club? Du meinst Lokomotive? Da lag der Schnitt letzte Saison bei ca. 2500, außer gegen die Brausepulvermannschaft, da wars eine 0 mehr ;)
      Bei BSG Chemie war es noch ein 0 weniger, die kommen auf ca. 200 pro Spiel. Die Ligazugehörigkeit spielt da leider schon eine Rolle.

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  3. Die Fotos sind offensichtlich besser als es das Spiel gewesen ist.... (Mannomann wie wird das mit der Diva werden in der kommenden Saison...)

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    1. Ja, neue Kompaktknipse bei mir und alte Defizite bei der Mannschaft.

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