Nachdem mein bisher von der Mannschaft so wunderbar befeuerter Optimismus gegen Stuttgart einen kleinen Dämpfer bekam, rechne ich nicht ernsthaft mit einem Sieg gegen die Werkself. Ein Punktgewinn allerdings sollte möglich sein, so wie gegen den anderen Championsleagueteilnehmer. Schließlich muss auch Leverkusen hochkarätiges Personal erst einmal ersetzen, ohne Wirtz vielleicht etwas einfacher für uns, auch wenn sie natürlich immer noch viel individuelle Qualität haben. Und viel Pillengeld, das diese bezahlt.
Davon sieht man allerdings in den Anfangsminuten nicht viel, denn die Boys in Brown legen los wie die Feuerwehr. Aggressives Anlaufen ist angesagt, Balleroberung, Torchancen – die erste nach zwei Minuten schon. Wasisthierlos? Mein Sitznachbar unkt schon herum und schätzt, dass die Anfangsenergie nach etwa drei Minuten verpufft sei und Leverkusen dann am Spiel teilnehmen würde. Doch der gute Mann irrt gewaltig. Wir sind über 25 Minuten die aktivere und bessere Mannschaft mit den klareren Möglichkeiten, die wir wie üblich nicht nutzen. Was sich – ebenfalls wie üblich – rächt: durch ein 0:1 aus dem Nichts, wie man so schön floskelt.
Einmal den brillanten alten Fußballertrick „Hau wech das Ding“ nicht vernünftig ausgeführt – und schon liegt man hinten. Das ist zu diesem Zeitpunkt eine völlig unverdiente Führung, und ich hasse unverdiente Führungen, besonders die von Gegnern mit hoher individueller Qualität. Den aufsteigenden Groll kompensiere ich einfach durch noch lauteres Gebrüll, das sieben Minuten später mit einem erlösenden Wuhuusong2 finalisiert wird.
Hauke! Wahl! Mit einem beinahe artistischen Fin-Bartels-Gedächtnistor. Neben Niko und Manos schon seit längerer Zeit ein Spieler, von dem ich mir ein Trikot kaufen würde – wenn ich Trikots kaufen würde. Volle Gönnung! Wenn Lieblingsspieler ein Tor machen, freut man sich ja immer noch ein bisschen mehr. Manos wäre mal wieder dran, finde ich. Der geht so schön ab, wenn er trifft.
Die Chance dazu gibt es in der zweiten Halbzeit: ein typisch kackiger Saliakas-Volley. Der hätte perfekt gepasst, aber leider steht der Torwart im Weg. Auf der Gegenseite fällt das 1:2 dann wieder viel zu einfach, wie so ein programmierter Move auf der Playstation. Man kann das Elend schon im Ansatz erkennen – und es bleibt nur, die verhängnisvollen Ballstafetten mit entsetztem Blick zu verfolgen, bis die Kugel im Netz zappelt. Doppelpass, Steilpass, Torschuss, drin.
Dreißig Minuten Zeit, das Spiel zu drehen oder wenigstens einen Punkt zu retten. Dreißig Minuten vergeblicher Bemühungen. Dreißig Minuten, in denen mein Nachbar wieder lauthals erklärt, dass er Schiedsrichter im Allgemeinen, aber diesen hier ganz besonders, nicht ausstehen kann. Wie fast immer muss ich dem Mann beipflichten, denn ich habe mal gelesen, bei Torhütern werde inzwischen besonders auf Zeitspiel geachtet.
Herr Petersen scheint das überlesen zu haben. Denn was Flekken da im Tor der Pillendreher macht, ist dermaßen provokant lahmarschig, dass einfach eine Reaktion erfolgen muss, wenn ich als Schiri noch halbwegs ernst genommen werden will. Da die weiterhin ausbleibt, rechne ich mit mindestens zehn Minuten Nachspielzeit.
Es werden offiziell geradezu lächerliche sechs Minuten – aus denen dann doch wieder zehn werden. In denen Flekken tatsächlich noch die gelbe Karte fürs Zeitspiel kassiert. Was uns allerdings auch nicht mehr hilft, die zwei bitteren Pillen zu verdauen.
Wir brauchen wesentlich mehr Glück oder wesentlich mehr Treffsicherheit. Am besten beides. Und einen Auswärtssieg, sorry Bremen.
Was sonst noch gut war:
Wär ich nicht mit dem Auto hier, hätte ich mir zur Geburtstagschoreo der Grasgrünen Grashüpfer bestimmt eine Sportzigarette gegönnt. Das war auch ohne Pyro schön anzusehen.
Was (wahrscheinlich) äußerst dämlich war:
Mit dem Auto zu kommen. Den Stau auf der einen möglichen Strecke weiträumig zu umfahren um im Stau auf der anderen Strecke zu landen. Immerhin lief es nach dem Spiel recht flüssig.
Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St. Pauli - Bayer Leverkusen, Endstand 1:2
Tore dazu: Tapsoba (25.) Wahl (32.) Poku (58.)
Links dazu: Ärger, Stolz und Zeitspiel (Millernton) Von Tauben und Schwänen (Stefan Groenveld) Unverdient.Unverdienter.Unverkusen (Übersteiger)
Musik dazu: Cafe del Mar Vol 5 & 6
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