Dienstag, 28. Februar 2017

Willkommen im Sahin-Express















"Der Sahin marschiert schon wieder, der Typ ist völlig bekloppt" krächzt jemand hinter mir, irgendwann kurz vor seiner Auswechslung in der 75. Minute, als Cenk das letzte Mal zu einem seiner irren Sprints ansetzt, die bei der Karlsruher Defensive regelmäßig heftige Anfälle von Delirium tremens hervorrufen. Wie eine abgeschossene Kanonenkugel. Man könnte es mit warnenden Durchsagen versuchen, ähnlich wie bei der Bahn. Bitte treten sie zurück, der nächste Zug hat Durchfahrt!

Unfuckingfassbar der Mann. Drei Torvorlagen! Ich hätte ihm so gerne noch einen eigenen Treffer gegönnt, aber die stehenden Ovationen bei seiner Auswechslung sind sicher mehr als nur ein kleiner Trost. So wie dieses Fest heute auf dem dicken grünen Teppich ein Trost ist, für die völlig verkorkste Hinrunde. Scheinbar kann so ein schicker neuer Rasen halbwegs begabte Fußballer plötzlich in Edeltechniker verwandeln, Zuckerpässe, Zaubertore, Kurzpassspiel und Übersteiger, Freude schöner Fußballzauber, wir haben Spaß, wir haben Spaß. Wie lange nicht mehr.

Bei gar nicht mal so guten Voraussetzungen, wegen blöder Erkältungen. Kein Lasse. Eine Innenverteidigung ohne Lasse Sobiech ist keine Innenverteidigung, unk unk. Muss ich in der ersten Halbzeit mehrfach bemerken, als wir trotz des 1:0 wieder anfangen zu schwimmen hinten. Wir brauchen unbedingt noch einen Treffer, denn einen kassieren wir ganz sicher noch. Unk unk. 

Doch wir haben an diesem Tag nicht nur den Sahin-Express, da ist noch der Mann mit der Nummer 1 auf dem Trikot, der die ursprüngliche Nummer 1 im Tor nur durch die unglückliche Verletzung seines geschätzten Kollegen ersetzen durfte, inzwischen aber alles andere als nur ein "Ersatzmann" ist. Ganz abgesehen von den ohnehin schon großen Sympathien für Heerwagen, der ein echtes Aushängeschild für den Verein und seine Werte geworden ist in den letzten Jahren, begeistert der mich auch im Kasten immer mehr. Der strahlt eine stoische Ruhe aus, unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung und breit wie ein Berg, aber reagiert wie Flash wenn es drauf ankommt.

Denn bei aller Freude und Begeisterung muss man auch mal eins festhalten: mit einem nur etwas weniger gut reagierenden Keeper und etwas mehr Pech (remember Pech?) gehen wir mit 1:1 oder 1:2 in die Halbzeit und dann sieht die Welt ganz anders aus.

Obwohl, wenn ich es so recht bedenke, die individuelle Qualität plus mannschaftlicher Geschlossenheit, gepaart mit Abstiegskampfgeist und gesunder Aggressivität, wir hätten heute wahrscheinlich auch ein Spiel gedreht, wäre es nötig gewesen.

Denn obwohl man heute beinahe niemanden nicht explizit erwähnen möchte, sind es doch ein paar mehr die den Unterschied gemacht haben. Wie Aziz Bouhaddouz mit seinem lupenreinen Hattrick. Habemus Torjäger! Einen ganz richtigen Torjäger, heiß wie Frittenfett und eiskalt wie ein Gletscher. Trotzdem ein Blick für die Nebenleute, aber wenn der Ball zu Lenny nicht durchgeht, dann mach ich ihn halt selber. Was haben wir gelacht ey. 

Und was ist eigentlich mit Jeremy Dudziak passiert? Wer auch immer die hervorragende Idee hatte den Jungen als rechten Verteidiger einzusetzen, der kann sich die Nase goldig pudern lassen, denn seitdem hat der scheinbar wieder Spaß am Fußballspielen gefunden. Defensiv stark, gutes Auge, super Technik und nach vorne so schnell, dass ihn leider selbst die Mitspieler nicht oft genug wahrnehmen. Wird von Spiel zu Spiel besser.

Natürlich Waldi, der nur so weiterspielen muss, dann klingelt irgendwann vielleicht auch wieder das Handy und der polnische Nationaltrainer ist dran. Oder Mats Møller Dæhli, bei dem die fiesen Stimmen in meinem Kopf nach jeder geilen Aktion flüstern: der gehört euch nicht, der ist nur geliehen.

Nee, eigentlich möchte man heute beinahe niemanden nicht explizit erwähnen. Leider geil, #allezusammen super den Kessel angeheizt, im Sahin-Express.


Was sonst noch gut war:
Derbst entspannter Klönschnack nach dem Spiel vor den Fanräumen, trotz Montag. Nullkommanull Gemecker, nicht mal aus der Meckerecke. In der sich während des Spiels unfassbare Szenen abgespielt haben sollen: es wurde lauthals supportet!
Einhellige Meinung: Einfach mal glücklich sein. Hat man ja nicht so oft.

Was sonst noch schlecht war:
Der leere Akku meiner Knipse, daher heute nur Handyfotos. Schicke Fotos wie immer hier und mehr Fotos sicher bald dort.
Die Bierstände auf der Gegengerade, mal wieder. Fünf Minuten vor der Halbzeit fünf Leute in der Schlange und nichts geht. Auf die bei jedem Spiel wiederholte Aufforderung, doch mal rechtzeitig vor der Halbzeit volle Becher zu zapfen die Antwort: dann wird's doch schal. HALLO? Das ist Astra, das ist schal von Geburt. Fünf Minuten machen dem gar nichts. Ich bin hier nicht als Bierconnaisseur, ich hab Durst und will schnell wieder rein.

Was so richtig scheiße war: 
Der Karlsruher Fanblock, der ihre mit hängenden Köpfen in die Kurve gegangenen und sicher tief enttäuschten Spieler mit Pöbeleien und Wurfgeschossen empfing.

Was so richtig geil war:
Dass das Millerntor darauf mit KSC KSC Rufen antwortete - und ich könnte schwören, auch das YNWA danach war wenigstens von Teilen des Stadions den Karlsruher Spielern gewidmet. Ich hoffe jedenfalls sie haben es so empfunden. Keiner kriegt gerne absichtlich so eine Dusche, wahrscheinlich nicht mal Stellingen. Die sind es in Bayern nur gewohnt.


Fotos: Samsung S5, Gegengerade Millerntor, FC St.Pauli - Karlsruher SC 5:0
Bier: Hopper Bräu, Salonsozialist, 9.3%
Musik: Wovenhand - Refractory Obdurate










3 Kommentare:

  1. Sie hätten gerne etwas fürs Torverhältnis tun können. Das waren drei zu wenig :D
    Und es wäre ein legendäres Wochenende gewesen, für die Geschichtsbücher *fg*

    Die Saison ist zwar noch lange nicht am Ende, aber du hattest wohl doch recht was Ewald angeht.

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    1. Die legendären Wochenenden können gerne so weitergehen.

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  2. Astra ist schal von Geburt :)) hrhr

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