Samstag, 5. November 2016

Sechs Stufen zum Paradies














In den Genuss sterneverdächtiger Küchenglanzleistungen komme ich in Hamburg eher selten. Das ist entweder zu abgehoben oder zu teuer, zu nervig überhaupt einen Platz zu reservieren - oder ich mag den Küchenchef nicht, egal wie toll er Sushi rollen können soll. Abgesehen davon waren meine vor langer Zeit gestarteten Versuche mit Luxusfresstempeln nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Alles ganz nett, ganz lecker und ganz schick dekoriert, aber wenn die Rechnung einen am Ende mehr vom Sockel haut als das Essen stimmt das Verhältnis irgendwie nicht.

Außerdem können sie dem Chefkoch eh alle nicht das Wasser reichen. Seit der Mann vor ein paar Jahren ein perfekt an meine Geschmacksnerven angepasstes 10(!) Gänge-Menü aufgefahren hat, ist er das Maß, an dem sich alle anderen zu messen haben. Allerdings dürfte es auch für ihn selber relativ schwierig sein, das jemals zu übertreffen. Was zu beweisen wäre..

Bei jedem meiner Besuche in Portugal gibt es einen Abend, auf den ich mich ganz besonders freue, das fast schon traditionelle Urlaubsschlemmen beim Chefkoch im Vivendo. Seit Jahren die unangefochtene Nummer 1 in Lagos, trotz der scheinbar immer noch vorherrschenden Meinung, so etwas wie eine eigene Internetseite bräuchte man nicht, auch wenn man sich seit diesen vielen Tripadvisorrezensionen vor Gästen kaum noch retten kann. Neumodisches Zeugs, das.

Im letzten Urlaub ist dieser Abend leider widrigen Umständen zum Opfer gefallen (auf die ich hier nicht näher eingehen werde), aber diesmal ist das Fahrzeug richtig betankt und ungezügelten himmlischen Genüssen steht nichts mehr im Wege, außer dem ewigen Problem mit der begrenzten Aufnahmefähigkeit des menschlichen Magens vielleicht.

Man muss sich zügeln, leider, doch schon bei den Horsd’œuvre ist das nahezu unmöglich. Die berühmten eingelegten Chefkochkarotten, von denen ich ein ganzes Einmachglas vertilgen könnte, sind wie immer binnen weniger Minuten weggeatmet, gefolgt von vielen leckeren dunklen Oliven, die man in dieser Qualität in Deutschland einfach nirgendwo bekommt. Diverse Scheiben knusprigen warmen Brotes warten derweil darauf mit Butter und einer Art Leberpastete bestrichen zu werden und zwar mit der eindeutig besten Leberpastete meines Lebens.

Hammer! Das muss dieses berühmte ethisch verwerfliche Gänsestopfleberzeugs sein von dem die Gourmets immer so schwärmen, aber aus dem obersten Regal französischer Gänsequäler, denn das aus Polen kenn ich schon, das kann nicht mal die Hälfte.
Ist es natürlich nicht, wie ich später erfahre. Weil der Chefkoch selbstverständlich ethisch verwerfliche Lebensmittel nicht verwenden würde und so eine Leberpastete mit Hilfe von Sahne, Portwein und einer Knoblauchzehe ohnehin viel schmackhafter gestalten kann als jede Foie gras. Worauf ich jederzeit meine Leber verwetten würde.

Dummerweise unterbricht der freundliche Kellner meinen Appetit auf weitere fantastisch mundende Leberwurstbrote mit einer winzigen Frühlingsrolle an Sweet Chili Sauce, noch bevor ich das tönerne Töpfchen vollständig leeren kann. Ist vielleicht auch mein Glück, wer weiß ob ich nicht irgendwann schlapp gemacht hätte. Denn dieses Mal beschränkt sich der Chef zwar auf "nur" sechs Gänge, aber auch dieses Mal führen diese Stufen direkt ins Paradies.

Vom äußerst delikaten in Presunto gebratenen Ziegenkäse mit Oliven-Trüffel-Vinaigrette und Kräutersalat zum Basilikumschaumsüppchen mit Tempuragarnele, von der Cataplana vom Silberbarsch mit Herzmuscheln, Chouriço und Garnele bis zum Filet vom St.Petersfisch unter der Kartoffelkruste auf glasierten Gemüsen an Weißweinschaum, es ist ein Fest für die Sinne.

Mit der unfassbar köstlichen gebratenen Perlhuhnbrust auf Balsamicogemüse mit Thymiangnocchi an Madeiraschaum übertrifft er sich dann mal wieder selber. Sa-gen-haft! Hätte ich sehr gerne mehr von, nur nicht mehr heute. Schließlich wartet noch das Paradies.

Die Nougatschnitte mit dem Ragout von Portweinbirne und Pistazie an einer Kugel Birnensorbet.
Alta!
Wer war noch dieser Bocuse?

Gourmetfotos: Samsung S5 Handyknipse
Gourmetbier: Firestone Walker Union Jack, West Coast IPA, 7.5%
Gourmetmusik: La Caravane Passe - Canis Carmina











6 Kommentare:

  1. Ach Mensch. Und wo soll ich jetzt mit meinen Gelüsten hin bzw wie sie befriedigen?
    Inch

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    1. Ich habe dieses Vergnügen ja auch nur alle paar Jahre mal, Dir wird schon was einfallen ;)

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  2. In Japan gibt es das Sprichwort, man soll sich nicht satt, sondern zufrieden essen.
    Ich ahne, hier trifft beides zu.

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    1. Ja, auch wenn die einzelnen Portionen überschaubar bleiben, am Ende muss man schon mal den Hosenknopf öffnen.

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  3. schlemmen bis der arzt kommt, das würde ich auch gerne mal probieren *g*
    außer der basilikumschaumsuppe, basilikum mog i net

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    1. Basilikum gehört auch nicht zu meinen Lieblingskräutern, wir konnten das aber beide nicht wirklich ausmachen und haben irgendwas mit Bärlauch vermutet, durch die ganz leicht vorhandene Knoblauchnote. Eigentlich ist das eine reduzierte weiße Suppe aus Sahne, Fond und weißem Portwein in die am Ende etwas Pesto eingerührt wird, wenn ich das richtig im Kopf behalten habe.
      Beim Chefkoch esse ich grundsätzlich alles, ich halte es für unmöglich dass bei dem irgend etwas nicht schmeckt.

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