Sonntag, 15. November 2015
Zwanzig Jahre Tresenkurve
Eimsbüttel ist Braun-Weiß und das jetzt schon seit 20 Jahren! Damit ist die Tresenkurve vielleicht nicht der älteste existierende Fanclub des magischen FC, darf sich aber mindestens zu den Urgesteinen der Szene zählen - und das muss gebührend gefeiert werden. Da die Stammkneipe zu klein ist für die erwartete Anzahl an Gästen (und erst recht für die drei Bands, die den Abend musikalisch befeuern sollen) findet der ganze Spaß in den Fanräumen des Millerntorstadions statt. Wo auch sonst sollte man ein Fanclubjubiläum stilvoll feiern können, wenn nicht im Stadion?
Seit Wochen schon verteilen die Jungs und Mädels ihre Flyer, wobei Herr B. nicht vergisst mich jedes Mal nachdrücklich auf die Anwesenheit seiner Lieblingsband hinzuweisen, da ich sämtliche Termine mit Skinny Bitch in der Vergangenheit aus diversen Gründen verpasst habe. Außerdem soll ich Fotos machen und das lasse ich mir ja nicht zweimal sagen. Sogar ein Blitzgerät darf ich mitnehmen und obwohl ich es hasse bei Konzerten zu blitzen steck ich das Ding ein, wer weiß wie dunkel das in der Höhle ist, Scheinwerferbatterien sind da eher nicht zu erwarten.
"Die erste Band spielt nicht vor 20:30", den Satz von Koschi hab ich noch im Ohr und gönne mir auf dem Dom eine schreckliche Grundlage, die schlechteste Krakauer aller Zeiten wird nur noch getoppt von einer minderwertigen Friteusencurrywurst und schon kenne ich wieder zwei Läden, die ich in Zukunft meiden kann. Dafür bekomme ich am Fanräumetresen gleich eine eiskalte Knolle Astra zum runterspülen, sooo leer kenne ich den Laden jetzt nicht, vielleicht vierzig Leute und davon die Hälfte draußen am qualmen. Herr B. scheint auch etwas geknickt, immerhin hatte man schon mit hundert bis hundertfuffzig gerechnet, von anderer Seite war sogar etwas von zweihundert zu hören. Gibt aber ja noch die Klientel, die zu solchen Festivitäten grundsätzlich erst ein bis zwei Stunden nach offiziellem Beginn erscheint, weil pünktlich irgendwie uncool ist. Außerdem spielt die erste Band ja eh nicht vor 20:30..
Die bolzen dafür auch gleich derbe los. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass Punk inzwischen auch schon vierzig Jahre alt ist. Wenn also ein paar augenscheinlich gesetztere Herren mit lichterem Haar und Saxophon die Bühne betreten, dann heißt das erst mal gar nichts. Bis zur Zündung. Alter Falter, die gehen ab, wenn man jetzt noch die Texte verstehen könnte wärs nicht schlecht. Deutsch ist es immerhin, so viel kann ich heraushören. Ich wusste gar nicht, dass Herr B. so ein Punker ist. In einer Rauchpause werde ich über meinen Irrtum aufgeklärt. Ach, das sind gar nicht Skinny Bitch? Kein Wort der Reue heißen die und sind tatsächlich noch fünf Jahre älter als die Tresenkurve, wie geil. Wenn man 25 Jahre Punkrock spielt kann man das auch irgendwann, vor allem der Schlagzeuger begeistert mich, was bei Schlagzeugern eher selten der Fall ist. Das Tier aus der Sesamstraße hat ernsthafte Konkurrenz bekommen, jedenfalls was den Showteil betrifft.
In der Pause bleibt Zeit für den einen oder anderen lärmbedingt verhinderten Klönschnack und eine sportliche Zigarette vor der Tür, inzwischen ist es deutlich voller geworden, wenn ich mir ansehe was nur hier draußen los ist, kommt das mit hundertfuffzig wohl langsam hin. "Hat schon ein bisschen was von Heimspielatmosphäre" sagt Herr B. Drinnen auf jeden Fall, was die Innenraumfotografie langsam problematisch macht, vor einer Stunde hätte ich die ganze Kachelwand noch mit nem Stativ fotografieren können, inzwischen reicht es nur noch für die wahrscheinlich schönste Zapfsäule der Welt, aus der leider heute kein Bier fließt. Das wäre natürlich noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen, kalte Knolle geht aber auch gut weg.
Herr B. freut sich derweil auf seine Lieblingsband und ich bin gespannt wie'n Flitzbogen. Ist das Bandlogo eigentlich ähnlich sexistisch wie der Bandname? Darf so etwas hier hängen? Was auf jeden Fall hängen darf ist die Siempre Antifa Flagge daneben, das gleicht es vielleicht aus *fg*. Gibbet jetzt wieder Punk? Nix da, die Bitch hardrockt mit leicht bluesigen Anteilen. Klassische Besetzung, Gitarre, Bass, Drums, fettes Riff und ab dafür. Steht und fällt bei mir meist mit dem Sänger, der Skinny Bitch Frontmann ist ziemlich genau meine Kragenweite, ein amtliches Organ und der englischen Aussprache mächtig, das kommt nicht so häufig vor. Kommen die echt aus Hamburg? Wieso kenne ich die nicht? Achja, ich war immer verhindert.
Dummerweise ist der teure Blitzapparat nach wenigen Aufnahmen am Ende, weil ich ihn mit billigen Batterien gefüttert habe. Wenn man vergisst die Akkus zu laden sind Batterien von Aldi auch für nur einen Abend kein adäquater Ersatz, ich hätte es ahnen können. Etwas ärgerlich, weil die Jungs am Ende eine ziemlich mitreißende Show abliefern, die mit den drei Funzeln an der Decke kaum einzufangen ist. "Wie isn das eigentlich mit der Zeit?" fragt der Sänger "dürfen wir noch eins spielen?" Es werden drei Stücke, als letzte Zugabe noch eins auf Deutsch, zum mitsingen. Ein Liebeslied an den magischen FC, dazu noch ein echt gutes, da schmilzt mir doch glatt das Herz. Muss ich haben.
Gleich mal den Sänger anquatschen, ob die zufällig mal so eine silberne Scheibe produziert haben. Es gibt sogar zwei Stück, allerdings ohne das schöne Liebeslied, weil sie das erst vor ein paar Tagen geschrieben haben, extra für diesen Abend. Kann man demnächst downloaden, in der Proberaumversion. Das rührt mich fast noch mehr als der Preis von fünf Euro pro CD, "weil die schon älter sind und wir die Kosten inzwischen wieder drin haben, kauft ja eh keiner mehr CDs, dann kann man die auch für nen Fünfer weggeben." Das ist ganz fantastisch, dann kann man gleich mal beide kaufen und sich trotzdem noch ein paar Bierchen leisten.
"Na" fragt mich Herr B. gespannt "wie fandst?" Ich zeig ihm wortlos meine Ausbeute. Das war tatsächlich ein richtig guter Tipp, sehr geiler Auftritt. Bei den Scheiben bin ich zwar skeptisch, weil ich zu viele gute Livebands gesehen habe die ihre Energie im Studio nicht umsetzen konnten, aber bei zwei für zehn kann man das riskieren. Diese Amateurproduktionen für schmales Geld kennt man ja, live guck ich mir die ganz sicher wieder an bei Gelegenheit.
Überhaupt ist das eine wirklich ganz fantastische Feier hier und gleich gibt es auch noch Skapunk mit Bläsern, den ich auch noch unbedingt fotografieren soll, nur leider bin ich auf den Busverkehr angewiesen und muss mich langsam vom Acker machen. Für Skapunk mit Bläsern reichen inzwischen auch weder Licht- noch Platzverhältnisse aus, denn der Laden platzt bald aus allen Nähten, wer hätte das anfänglich gedacht. Ich kann mich nicht einmal von jedem verabschieden, weil man in dem Gewusel nur noch die hinter dem Tresen findet, aber man sieht sich ja spätestens beim nächsten Heimspiel.
Bis dahin kommen mir die beiden Scheiben von Skinny Bitch wahrscheinlich zu den Ohren wieder raus, hoffentlich kommt bald die dritte auf den Markt. Geiler Scheiß.
Tresenkurvenfotos: KWDR/Bollerzapfstelle/Fanräume Millerntorstadion/Kachelwand/Skinny Bitch
Tresenkurvenbier: Astra
Tresenkurvenmusik: Skinny Bitch - Chubby Girl/Holidays In The Gutter
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Standort:
St. Pauli, Hamburg, Deutschland
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Eigentlich habe ich mit einem Bericht über die JHV gerechnet, kommt da noch was? Bisher ist das sehr dünn (Presse als auch Netz).
AntwortenLöschenNö, hab ich geschwänzt. In meinem Alter brauche ich nach solch nächtlichen Aktivitäten einen Tag der Erholung, außerdem stimmen eh immer alle so ab wie ich auch abstimmen würde und so wirklich wichtige Dinge standen nicht an. Und nur um was zu bloggen muss ich da nicht hin.
LöschenHelge, vielen Dank für deinen Bericht und deine Fotos! lG Martin
AntwortenLöschenBidde gerne, die Originale hab ich verteilt inzwischen, mit ein paar zusätzlichen Aufnahmen. Dirk oder Koschi fragen (oder mir ne Mail schicken wenn Du die haben möchtest)
LöschenKlasse Fotos!
AntwortenLöschenDanke, die Auftraggeber waren auch ganz zufrieden was ich so gehört habe. Kommentieren tut das Volk ja eher selten *fg*
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