Klingt etwas wenig und wäre es (trotz Haselünner Frauenquote) wohl auch gewesen, denn die erste Flasche ist schon leer als wir die Kattwykbrücke endlich passieren dürfen. Wie es scheint gerade noch rechtzeitig, denn da hinten braut sich etwas zusammen. Auf der Flucht sind wir meistens den einen wichtigen Knoten schneller als die Unwetterwolken, sogar die Sonne lässt sich zeitweilig sehen und beleuchtet die Villen und Parks am Elbufer, aber am Horizont sind die Wolkenbrüche deutlich sichtbar. Nur wenige Kilometer entfernt schüttet es wie aus Kübeln.
Richtig unangenehm wird es, als wir in die Este einbiegen. Die OMKA liegt quer zur Strömung und der böige Seitenwind verteilt Elb- und Regenwasser gleichmäßig über die Passagiere im Heck, da hilft auch kein Sonnensegel. Wer keinen Platz mehr gefunden hat im engen Ruderhaus zieht den Kragen hoch und die Mütze ins Gesicht. Vorsichtige machen sogar ihre Bierflasche zu, damit auch nix verwässert wird. Ich äußere die Hoffnung, dass zumindest der Wind auf der anderen Seite des Estesperrwerks durch die Deiche aufgehalten wird, aber erst müsste diese dämliche Brücke mal öffnen.
Tatsächlich bleibt nicht nur der Wind zurück, auch der Regen bleibt draußen. Kaum haben wir das Sperrwerk passiert findet man am Himmel nur noch malerische Wolkengebirge, die sogar den Pappenheimer zu wilder Knipserei anregen. Er sitzt zwei Meter vor mir auf dem Vorderdeck in der Sonne und fotografiert alles was ihm vor die Linse kommt, die alte Sietas Werft, Hafenkräne, Schiffswracks, den Anleger der Hafenfähre in Cranz, nur mich nicht. Dabei sitzt die Prinzessin seit einer gefühlten halben Stunde auf meinem linken Oberschenkel und drückt mir die Blutzufuhr ab. Bevor das Bein ganz abstirbt hätte ich davon gerne ein paar schöne Aufnahmen gehabt, die Werft habe ich selber schon hundertmal fotografiert. "Tritt den Dicken da vorne mal in den Hintern" fordere ich die Lütte auf. Sie guckt mich mit großen Augen an. "Eheeecht?" "Ja, nicht so doll natürlich, aber so dass er's merkt." Und zack.
Leider zu spät. "Achte ma auf Motive Digga. Motiiiive!" versuche ich ihn mit den Augen auf das Wesentliche aufmerksam zu machen, aber da schreit im Heck jemand nach Bier. Wäre angeblich alle, also muss ich das Geheimfach öffnen unter der Klappbank und die nächsten Kisten ans Tageslicht zerren. Oder zerren lassen, klappt alles wie geschmiert heute, noch nix in der Hand außer Bier, Rum und Sportzigarette. Dafür schaffe ich es selbst im dritten Anlauf nicht den Käptn zu fragen wo wir eigentlich hin wollen, bei jedem Versuch das Ruderhaus zu entern werde ich entweder nach vorne oder nach hinten durchgereicht. Alle sind in bester Laune, alle haben was zu trinken, so langsam fange ich an den Tag zu genießen.
Die Wolken sind wie gemalt für diese Landschaft, äußerst fotogen alles heute. Wir ziehen vorbei an Apfelbaumplantagen, Häusern hinterm Deich, Kanälen, Booten und der Mercedes unter den mit der Blechschere designten Luxusyachten. Mit Dachterrasse! Wenn es in der Seefahrt auch einen TÜV gibt haben die da sehr viel Humor, aber wahrscheinlich kann und darf das Ding die Este niemals verlassen. Allet schick, Klönschnack hier, Klönschnack dort, noch n Bier, noch n Wort. Die erste Ansage kommt von den Mädels, die Kinder hätten Hunger. Was denn nu wäre mit dem Grill. Wir ziehen laufend an irgendwelchen Anlegern vorbei, aber entweder ist das Privatbesitz oder besetzt. An einigen davon würde ich nicht einmal festmachen wollen, wäre ich dazu befugt.
"Wenn nicht gleich gegrillt wird schmier ich den Kindern ein paar Brötchen." Jetzt wird es ernst, doch bevor ich den Käptn auf die Notlage aufmerksam machen kann steuert er schon Land an. Ein Anleger ohne Verbotsschild, zwar ziemlich vom Grünzeug überwuchert, dennoch vergleichsweise vertrauenerweckend, hat man die anderen gesehen. Um die Stabilität zu prüfen werden die Kinder vorgeschickt und während die halbe Besatzung sich im Grünen die Beine vertritt kümmere ich mich um den Grill. Besser gesagt kümmere ich mich um jemanden für den Grill.
Denn mit dem Grill kann so ziemlich jeder hier besser umgehen als ich, doch ganz sicher keiner besser als Herr G., der zwar inzwischen mit halbterrassengroßen Grillmaschinen arbeitet, aber das Kohlehandwerk sicher nicht verlernt hat. Das zeigt sich auch gleich mit jedem Handgriff. Ein Sack Kohle und der halbe Grill reichen dem Mann, um in Nullkommanix einen ausreichenden Haufen an Grillwursttestsiegern perfekt durchzugaren. Dabei erweist er sich nebenbei noch als professioneller Würstchenzähler, am Ende bleibt nur ein einzige Wurst auf dem Grill liegen. Während ich mir ganz gechilled mit Bierchen und Röllchen einen Lenz mache stürzen sich alle auf Wurst, Brötchen und die von den Mädels mitgebrachten leckeren Salate, die den Kauf schnöden Aldikartoffelsalates glücklicherweise unnötig machten.
Was für ein Anblick. Alle am futtern, alle Bierchen inne Hand, alle gute Laune, die Sonne scheint. Perfekt, ich liebe es wenn ein Plan aufgeht. Nur mit der Beschallung hapert es, dabei habe ich extra einen USB Stick mit allerhand Gassenhauern zusammengestellt, volle 10 Stunden Playliste für die ganze Tour. Von Hells Bells bis Zick Zack Zeckenpack, das wär bestimmt gut angekommen in dem Haus mit der Rautenfahne im Garten. Mudders Küchenghettoblaster spielt jedoch nur Springsteen und den auch nur immer die ersten 30 Sekunden, dann geht er aus. Nix mit Bullenwagen klaun und die Innstadt demoliern. Stromprobleme und die Batterien sind in der Luke mit den restlichen Bierkästen, auf der gerade zehn Leute sitzen oder stehen und etwas essen. Also gibt es Waterboys vom Exilwestfalen über Bluetoothhandygedöns, was fast niemanden stört weil der Diesel wieder anspringt. Die Sandbank droht, wir müssen zurück.
Das heißt, wir müssen wenden. Mit der OMKA auf kleinen Flüssen immer ein Abenteuer, klappt natürlich auch heute erst im dritten Anlauf, als der Käptn die Ruderhacke in den Modder setzt und sich von der Strömung drehen lässt. Das ist jedenfalls seine nachträgliche Erklärung, jetzt im Moment knirscht es sehr unangenehm und zaubert ein paar Sorgenfalten auf seine Stirn. Scheint aber eine bewährte Methode zu sein, wenn man gerade niemanden hat der die Achterleine um einen drei Meter hohen Poller legen kann während das Heck vorbeidriftet.
Den tückischen Sandbänken hinter dem Sperrwerk sind schon Elbfähren zum Opfer gefallen, doch auch diese Hürde meistern wir, lassen Kinder und (wenige) leicht angeschlagene Erwachsene am Fischmarkt raus und schippern so gemütlich nach Harburg zurück, dass sich Herr G. die halbe Stunde vor der Kattwykbrücke sogar noch mit der Angel vertreiben kann. Mit dem Grill ist er deutlich besser :D.
Mit der OMKA auf Tour ist eigentlich immer ein Erlebnis, wenn man die "Besatzung" selber rekrutieren kann geradezu unbezahlbar. Wie gut, dass es das nicht ist. Danke Stefan.
Und dann war da noch der Moment, als sich ein paar Jungs und Deerns alberne Papierhütchen aufsetzten und mir ein derart unfassbares Geschenk machten, dass ich doch ein wenig die Fassung verlor. Aber das gehört hier nicht mehr hin.
Fotos zur Verfügung gestellt von den Pentax Boys: xs4all und Hippo, außer Bild 25 (Stefan Arndt), Bildbearbeitungen von mir. Mehr von der Hanseantarktischen Expedition beim Herrn Ärmel.
Musik zur Verfügung gestellt von Underworld - Dubnobasswithemyheadman/Born Slippy/Everything Everything
*schluchz* ich will auch sowas. hättest du dir das nicht drei monate vorher überlegen können? oder ein wochennde vorher fahren? ich trinke noch nicht einmal rum, das zeug hätte also trotzdem gereicht :p
AntwortenLöschenich werde eine petition einreichen, dass die fahrt im nächsten jahr wiederholt wird. mit gutem wetter!
Ich kenne da jemanden, der im nächsten Jahr ebenfalls ein Jubiläum zu feiern hat. Eine Petition ist somit vollkommen unnötig, die Nummer vom Käptn kann ich Dir geben ;)
LöschenWo hast du die 30 Leute versteckt auf den ganzen Fotos? Ach nee du warst das ja nicht. Trotzdem schöne Fotos, hoffentlich waren noch ein paar mehr von dir und der kleinen dabei. Und hoffentlich gibt es auch noch irgendwann welche von Amsterdam ;)
AntwortenLöschenGruß, N. (der es ebenfalls sehr bedauert nicht dabei gewesen zu sein)
Die Fotos mit den 30 Leuten befinden sich in Privatbesitz, wenn ich damit fertig bin gibt es auch irgendwann etwas aus Amsterdam ;)
LöschenOh, das scheint ein schöner Tag gewesen zu sein. Im Übrigen schließe ich mich Meike an: Ich will das auch!
AntwortenLöschenUnd die Foddos sind ganz große Klasse.
Die nächste Möglichkeit bestünde am 11/12 Juli. Elbaufwärts bis Wittenberge, zwei Tage mit Übernachtung, falls Du da noch nichts vorhast ;).
LöschenNeue Info: Nicht Wittenberge, sondern bis Dömitz - und dann auf dem Elde-Müritz-Kanal bis Parchim.
LöschenMannMannMann, wieso wird mir Dein Blog nicht mehr angezeigt? Also das Neueste. Bei WP. Nu habsch das erst jetzt gelesen. Aber cih war auch gestresst die letzten Tage. Und ich glaube, an irgendeinem WE im Juli bin ich auf einer Party.
AntwortenLöschenKeine Ahnung ob das irgend ein dusseliges Konkurrenzverhalten ist oder nur schlecht programmierte Software. Und der Ausflug wird eh schon Abenteuer genug, das Ziel ist schon dreimal geändert worden inzwischen weil die Elbe nicht genug Wasser führt. Also keine Fotos der Elbtalauen, dafür Schiffshebewerke. Mal gucken was das wird.
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