Montag, 17. November 2014

Ab jetzt mit göttlichem Beistand



















Mehr als neun Stunden Jahreshauptversammlung des magischen FC, so langsam dämmert es mir warum ich da immer alleine hin darf, aber der Dartmeister ist entschuldigt, der muss Darten, Herr L. hat keine Lust auf Vereinsmeierei und der Rest zwar eine Dauerkarte, aber keinen Mitgliedsausweis. Dabei wird es heute vergleichsweise spannend, wir wählen nicht nur ein (vom alten Aufsichtsrat bzw. vom designierten neuen Präsidenten vorgeschlagenes) neues Präsidium, sondern hinterher auch gleich einen neuen Aufsichtsrat. Das ist eine zumindest ungewöhnliche Vorgehensweise, weil das in einer ganz unglücklichen Konstellation für nachhaltige Irritationen sorgen könnte. Aber wir sind hier beim FC St.Pauli, da passiert sowat nich, nech?

Vor das Wahlvergnügen haben die Götter den Schweiß gesetzt, Berichte und Entlastungen sind nicht so beliebt, @diepauliane sitzt zwei oder drei Reihen hinter mir und bittet um einen Weckdienst nach den Kassenprüfern. Mit Zahlen hab ich es auch nicht so, schon gar nicht an einem frühen Vormittag mit einer laschen CCH-Bockwurst im Magen, aber Alexander Gunkels AFM Bericht ist immer sehr humorig, dabei wird man schnell wieder wach.

Die Wahl des neuen Präsidenten ist auch etwas ungewöhnlich, denn es gibt keinen Gegenkandidaten, wir bekommen DDR-Stimmzettel. Ja, Nein, Enthaltung. In einer ganz unglücklichen Konstellation hätten wir auf einmal keinen Präsidenten, aber wir sind hier beim FC St.Pauli, da passiert sowat nich, nech?

War uns ja allen vorher bekannt, dass es jetzt der Oke Göttlich werden soll, der uns mit frischen Ideen in den sauberen Fanhimmel ohne Kommerz führen, aber trotzdem genug Gelder für den sportlichen Erfolg generieren soll. Ein Fanbasispräsident. Einer der Auswärtsfahrten nicht nur aus der Zeitung kennt. Links-Alternativ, Musik-Unternehmer. Das passt so dermaßen zum Verein dass es schon wehtut, da muss man kein komisches Wahlergebnis befürchten.

Dabei hätte es durchaus spannend werden können, hätte Stefan Orth seinen Hut noch einmal in den Ring geworfen. Nachdem er und das scheidende Präsidium für die geleistete Arbeit sehr viel Beifall bekommen trauert er der verpassten Chance auf eine Kampfabstimmung wohl hinterher und merkt an "man hätte ihn ja nicht gefragt" worüber ich recht dankbar bin, denn sonst dauert das hier bis Mitternacht und ich bin auch nicht sicher, dass er die stehenden Ovationen zum Abschied unter "weitermachen" verorthen sollte.

Von mir aus hätten Orth & Co. weitermachen können, viel vorwerfen kann man ihnen nicht. Anfänglich haben sie zwar öfter Bockmist gebaut, aber sie waren lernfähig, auch wenn man ihnen dafür auf die Füße steigen musste. Wirtschaftlich ist der Verein gesund, der Stadionbau geht in die Endphase, die Bullen bleiben draußen, wir bekommen ein Museum in der Gegengerade, allet schick eigentlich, wäre da nicht die sportliche Entwicklung. Woran weder ein neues Präsidium noch ein neuer Aufsichtsrat viel ändern kann, auf keinen Fall so kurzfristig wie es vielleicht nötig wäre.

In der Auszählpause eine Kippe, danach ist die Schlange am Wurststand zwar kurz, aber die Currywurst dummerweise ausverkauft. Also beruhige ich meinen Magen mit einer weiteren Kippe, knips den vernebelten Fernsehturm, rauch noch eine Kippe und dann:

Habemus Präsident. Göttlich, latürnich, mit irgendwas um die 80%. Die Kandidaten für das Präsidium gehen per Handabstimmung locker durch und nu haben wir ein links-alternatives Präsidium, das irgendwie nicht links-alternativ aussieht und einen links-alternativen Präsidenten der irgendwie nicht aussieht wie ein Präsident. Das passt so dermaßen zum Verein dass es schon wehtut, es kann eigentlich nur besser werden. Vielleicht segeln wir ja wirklich nach Utopia, wie der Übersteiger neulich schrieb. Ab jetzt gewinnen immer wir, mit göttlichem Beistand.

Spannend wird es dann bei der Wahl des neuen Aufsichtsrates, endlich Auswahl. Sechzehn Kandidaten und ich darf nur vier Kreuze machen. Was will ich eigentlich? Will ich nach einem Fanpräsidenten auch einen Fanaufsichtsrat? Will ich wirtschaftliche Kompetenz? Und wie erkennt man die? Ist es der Banker, der so wahnsinnig viele soziale Projekte unterstützt mit seiner Bank und der so wahnsinnig oft in der Mopo steht, dass er damit für kritische Nachfragen sorgt? Der dann noch gemeinerweise als Fan des 1.FC Köln entlarvt wird, weil, zwei Herzen schlagen, ach, in der Brust des Rheinländers. Aber nun wohnt er halt in Hamburg und da ist St.Pauli die einzige Möglichkeit. Mach ich ein Sympathiekreuz für den wahnsinnig sympathischen Pastor der St. Pauli Kirche, der sich so nett um die Lampedusaflüchtlinge kümmert, oder eins für den Kaufmann, der seine Rede vor lauter Nervosität dreimal anfangen muss und das mit einem verzweifelten "ich könnt kotzen" kommentiert? Bei nur vier Kreuzen leider nicht drin.

Ich entscheide mich für eine gesunde Mischung aus Kompetenz in Fanfragen, womit ich gleichzeitig die Frauenquote erhöhe, hätte gerne einen der mit Zahlen umgehen kann und jemanden aus dem alten Aufsichtsrat, der sich mit der Aufsichtsraterei schon auskennt. Der erste Kandidat für den Posten wäre der Herr Doll, doch der schießt sich in seiner dreiminütigen Redezeit derart ins Knie, das kann nie was werden. Vielleicht war das nur etwas unglücklich formuliert, aber für mich klang das ein wenig nach "wir waren alle mal unartig, aber wer unartig ist soll den angerichteten Schaden dann gefälligst selber zahlen" und das haben andere ähnlich gehört. Nach ein paar sehr heftigen Nachfragen, bei denen er das Wort "Pyrotechnik" krampfhaft vermeidet  und zur Not auf "Kassenrolle" ausweichen muss kann man nur feststellen: Konzept völlig im Arsch, aus der Nummer kommt er nicht mehr raus und ich hab ein Kreuz wieder zur freien Verfügung.

Am Ende bekommen wir eine (denk ich) ziemlich gute Mischung, von den sieben Mitgliedern des Aufsichtsrates habe ich auf meinem Tippzettel die ersten vier richtig geraten, das ist doch mal schön. Wird ohnehin ein paar Jahre dauern bis wir merken was wir angerichtet haben, es sei denn... aber darüber mag ich nicht einmal nachdenken.

Beim schleppend schläfrigen Rest des Abends aus Ehrennadelurkundenverleih und schlecht vorbereiteten Anträgen bekomme ich dann von KleinerTod noch brandheiße Tipps über japanischen Whisky der 150 Euro Klasse. Der Mann versteht es ausgezeichnet einem den Mund wässerig zu machen, wenn ich den Stoff irgendwo finde kann das noch ein sehr teurer Abend werden.

Teurer als ohnehin schon. Liebes CCH, wenn Ihr schon so granatenstarke Preise aufruft, dann sorgt gefälligst dafür das Eure verkackten Automaten auch die Scheine erkennen. Und zwar möglichst alle Automaten, nicht nur einer.
 
Auch göttlich: Ray Wylie Hubbard - Crusades Of The Restless Knights




5 Kommentare:

  1. 3x nen perfekten Kommentar geschrieben und schwupp, beim klick auf Vorschau isser wech... Drecksmistkackbratzentablet...
    Danke fürs Geschreibsel und fürs Aushalten bis zum Schluss... War mir bedingt durch einen wunderbaren Piroggi-Pelmeni-Wodka-Abend zuvor leider nicht möglich :) AR-Tipschein mit 3 richtigen ist OK, bin auch fast mit der Zusammenstellung zufrieden. Zwar nur fast, aber irgendwas is ja immer. Wir sind ja schließlich bei St. Pauli, nech ?

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    1. Ich wusste gar nicht dass man Piroggen und Pelmeni auch mit Wodka füllen kann *g*
      Eigentlich wollte ich nach dem Ergebnis der Aufsichtsratswahl gehen, aber 5 Minuten vor Schluss will man ja auch nicht, nur das es dann halt doch eher 50 werden..

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    2. ...den Wodka füllt man in die Köche und die Gäste, kräftig und zügig :)

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  2. Achso, der Weckruf erfolgte natürlich auch pünktlich und mehrfach denn auf die Twitter-TL ist ja schließlich Verlass :)

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  3. Im vorwege muss Göttlich sehr überzeugend gewesen sein mit seinen Ideen, leider hört man davon überhaupt nichts konkretes mehr. Alles zu schön um wahr zu sein?
    Eines steht jedenfalls fest, wenn wir am ende der Saison absteigen brauchen wir mehr als die frischen Ideen eines Pop-Präsidenten.

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