Samstag, 7. Dezember 2013

Jazz unterm Balkon















Seit Jan Garbareks Rites habe ich eine Vorliebe für die skandinavische Jazz-Szene entwickelt, Bugge Wesseltoft, Nils Petter Molvær oder Esbjörn Svensson, wenn ich modernen Jazz höre kommt der meist aus dem hohen Norden. Da muss ich auch keine fünf Minuten überlegen als mich Herr H. fragt, ob ich mit in die Fabrik komme, zum Konzert des Tingvall Trios.

Freitag ist das machbar, da komme ich locker früh genug aus der Firma. Nicht. Natürlich nicht, denn kaum hat man was vor hat auch jemand was dagegen, und wenn es die blöde Technik ist. Um 19 Uhr schreib ich meinem Kollegen eine Notiz und verzieh mich, wenn der am Samstag arbeiten will kann er auch was tun. Ich kratze die Scheiben frei, fege den Schnee vom Dach und schleiche durch die Stadt, in der scheinbar jeder gespannt auf das angekündigte Blitzeis wartet, dabei ist noch gar nichts los.

Zehn Minuten vor angekündigtem Konzertbeginn bin ich in der Fabrik und suche die Jungs, der Laden ist proppevoll, wer in dieser Menge jemanden finden will muss von oben gucken. Ich seh mich nach einem freien Aussichtspunkt an der Brüstung um, aber die ist auch schon vollständig besetzt. Dafür entdecke ich Herrn H., der dort oben lehnt. Sehr praktisch, weil man seine Jacke gut dort ablegen kann. Weniger praktisch, weil man von dort nur die linke Hälfte der Bühne sieht, wahrscheinlich aber immer noch ein besserer Ausblick als in den dicht gedrängten Reihen davor. Wer zu spät kommt.. bekommt dann als Autofahrer eine Fanta spendiert, weil es in der Fabrik keine Fritzbrause gibt. Schändlich.

Skandinavier mag ich ja sehr, nicht nur die Jazzer. Ich mag es zum Beispiel, wenn Skandinavier deutsch reden, dieser Akzent ist einfach göttlich. Wenn dann noch jemand so humorvoll durch das Programm führt wie Martin Tingvall, der schon seit einigen Jahren in Hamburg lebt, ist das gleich doppelt so lustig. Ein echtes Heimspiel, zumindest fast ausverkauft dürfte es sein, und für ein Jazzkonzert ist das recht erstaunlich. Anfänglich, erzählt Tingvall, hätten sie auch schon mal vor zwei Leuten gespielt. Als das vom Publikum mit verhalten ungläubigem Gelächter quittiert wird muss er grinsen. "Heute kann ich da auch drüber lachen" sagt er, "wenn ich das hier sehe."

Denn das Trio wird abgefeiert wie eine Rockband, muss nach den zwei Sets auch noch drei Zugaben geben, und kassiert stürmischen Zwischenbeifall bei fast jedem Solo, ganz besonders von OmarrrrrRodriguez Calvo, der mir mit seinem Bass des öfteren Gänsehautmomente beschert. Der beste Bassmann seit weißnichmehr, der haut mich echt aus den Socken.

Die Tastenhexereien des Herrn Tingvall hingegen, die sind keine Geheimnisse mehr. Wie man auf den Fotos eindeutig erkennen kann, sitzt da noch ein kleiner Mann im Klavier und spielt mit.

Anders wäre das auch nicht zu erklären.

Im Ohr: Tingvall Trio - Skagerrak / Norr






4 Kommentare:

  1. Der macht auf den Fotos einen sympathischen Eindruck, aber leider die falsche Musik. Jazzgeklimper auf dem Klavier ist furchtbar.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Jazzgeklimper auf dem Klavier ist schon etwas anstrengender für die Ohren als Schlager, das gebe ich zu. Das hört man auch nicht nebenbei, wenn man der Sache folgen will.

      Löschen
  2. Na da hattest Du aber einen schönen Blick von da oben. Das das Konzert Klasse war, will ich gern glauben. Da würde ich auch zusehen, dass ich pünktlich ausm Büro raus komme. Aber mal ehrlich, skandinavisch ist doch nur der Herr Tingvall himself, oder? Wer sitzt denn da jetzt am Schlagzeug?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist ziemlich international, Martin Tingvall aus Schweden, Omar Rodriguez Calvo aus Kuba am Bass und Jürgen Spiegel aus Deutschland am Schlagzeug. Leben alle in Hamburg soweit ich weiß, gilt aber trotzdem als skandinavischer Jazz, schon weil die Stücke so tolle Namen haben wie Valsang, Trolldans oder Den ensamme Mannen :)

      Löschen