Samstag, 9. März 2013

Wieder ein paar Jahre gealtert















Vorspiel
Seit die Gegengerade fertig ist bekommt man endlich wieder Tickets im freien Verkauf, sogar Stehplätze wenn man schnell genug ist. Da das Kind öfter mal Interesse bekundet hab ich rechtzeitig eine zweite Karte besorgt für das Spiel gegen Regensburg, aber als noch vor dem Frühstück das Handy klingelt ahne ich schon, das wird wieder nichts. Ich liege richtig, Junior hat ne Erkältung. Man kann natürlich trotzdem zum Fußball gehen und hinterher eine Woche im Bett verbringen, wie ich nach dem Spiel gegen Cottbus, aber genau deshalb hab ich ein gewisses Verständnis für die Absage, die Grippewoche ist noch in unangenehmer Erinnerung.  

Außerdem hab ich für diesen Fall schon länger eine potenzielle Abnehmerin im Hinterkopf, und die freut sich auch wie'n Schnitzel über das unverhoffte Glück. So lerne ich endlich mal meine Servietten beschriftende Nachbarin aus dem Mudder Hartmann Club kennen und muss nicht ganz alleine zum Spiel fahren. Sehr angenehm, denn bei einem netten Klönschnack vergeht die Fahrt viel schneller. Die um eine halbe Stunde vorverlegte Anreise ist ebenfalls eine gute Idee, denn die Frau ist locker einen Kopf kleiner als ich und braucht einen anständigen Stehplatz. Sollte auf der neuen Tribüne kein Problem sein wenn man rechtzeitig dort ist und genau das hab ich diesmal vor.

Tommi muss ich davon nicht lange überzeugen, einzig Herr L. ist etwas maulig, die Sitzer sind einfach zu verwöhnt. Trotzdem ist alles pünktlich und wir entern das Stadion, ohne Umwege und mit null Wartezeit, ein ganz neues Gefühl. Bier geholt und rein, fast freie Platzwahl. So muss das sein, wir entscheiden uns für die letzte Reihe vor den Sitzplätzen, da ist noch ein schöner Wellenbrecher frei, direkt neben dem Supportblock. Jetzt noch die Stunde bis zum Anpfiff überstehen, das Musikprogramm könnten die ruhig etwas eher starten.
Hinter uns werden die ersten Bierbecherfangseile angebracht, so ein Ding hätte ich gegen Köln haben müssen, da ist mir im Überschwang der Gefühle ein volles Bier von der Kante gesegelt. Wie man nach dem Spiel an zahlreichen Pfützen sehen kann passiert das ohne Sicherheitsvorrichtung wohl recht häufig, aber für kreative Gegenmaßnahmen sind wir ja bekannt.

Die Südkurve hat wieder massig Kinderpyro am Start, alles ist erleuchtet, sieht toll aus. Blöderweise krieg ich kein anständiges Foto davon hin, weil jemand von Braun-Weiß Südheide wie ein Wahnsinniger mit seiner Fahne herumwedelt, genau in der Sichtachse. Würde er nicht wedeln sondern schwenken, wie es sich für eine Fahne gehört, hätte ich die Chance auf eine kleine Lücke, und seine Fahne wohl auch noch scharf eingefangen, doch mit der Kompaktknipse wird das heute nix. Scheinbar muss ich mich damit abfinden, entweder ich kann vernünftig Fotos machen oder vernünftig Fußball gucken, Punkt zwei gewinnt.

Spiel (1)
Mit der Aufstellung konnte man beinahe rechnen, so wahnsinnig viel Personal haben wir ja nicht mehr zur Verfügung. Boll sitzt immerhin auf der Bank, ich hoffe auf mehr als eine kurze Einsatzzeit heute, noch mehr hoffe ich, dass es nicht unbedingt nötig sein wird. Regensburg ist Tabellenletzter, und als Dauerpunktespender für die Mannschaften mit roter Laterne sind wir berüchtigt, ein schlechtes Gefühl hab ich trotzdem heute nicht. Vielleicht genährt aus der Hoffnung, dass die Jungs nicht noch einmal so einen Murks wie beim Hinspiel abliefern werden. Mit dem gleichen Einsatz wie gegen Frankfurt sollten die Regensburger zu knacken sein.
Fängt auch so an, gleich in der ersten Minute ballert Daube auf den Kasten, knapp daneben, aber schönes Ding. Minuten später versuchts Paddy Funk aus der Distanz, leider fehlen ein paar Meter. Egal, der Einsatz stimmt, wir sind aggressiver in den Zweikämpfen, setzen konsequenter nach, das wird schon. Nach 18 Minuten werden wir belohnt, Daube lupft das Ding super in den 16er, Gogia bringt die Pille irgendwie in Richtung Tor und der Regensburger Schlussmann kommt nicht mehr richtig dran. Der Ball kullert von seinem Arm in die Ecke, 1:0. Wooohooo. Mit Gogia hab ich nie im Leben gerechnet, der kann auch Tore schießen? Unglaublich.

Unglaublich ist auch unsere Abwehr, die sich danach dicke Schnitzer leistet. Kalla ist völlig von der Rolle und Thorandt sieht des Öfteren wirklich alt aus, ein Unsicherheitsfaktor, der nach ein paar Minuten die Hochstimmung erheblich trübt, 1:1 Ausgleich, kaum hat man sich an einen kleinen Vorsprung gewöhnt isser wieder weg, Scheißndreck. In der Folge kriegen wir kein Bein mehr auf den Boden, es ist zum verzweifeln. Ideenlosigkeit, Fehlpässe ohne Ende, was der eine aufbaut reißt der nächste mit dem Arsch wieder ein, das erinnert teilweise wirklich fatal ans Hinspiel, da haben sie uns auch ganz böse ausgekontert und gut von unseren blöden Fehlern profitiert. Regensburg ist auch jetzt am Drücker, aber das Glück ist mit die Doofen, sie treffen die Kiste nicht. Ich könnte echt kotzen wenn ich das Geholze seh auf dem Rasen, Daube hat mir anfänglich gut gefallen, baut aber immer mehr ab. Hoffentlich sind Buchti und Bartels bald wieder fit, sonst seh ich schwarz. Seh ich ohnehin bald, die Sportzigarette hat mich schon wieder derbe angezählt und mein Hals ist von der Schreierei trocken wie ein ganzer Kubikmeter Saharasand, ich brauch dringend Flüssigkeit. Tommi erweist sich abermals als zuverlässiger Bierholer, das hilft dem Kreislauf wieder auf die Sprünge. Verpasst hat er nur die gelben Karten für Daube und Kalla, hoffentlich wechselt Frontzeck die beiden zur Halbzeit aus, das geht gar nicht. Mit dem 1:1 retten wir uns in die Pause, ich bin vollkommen erschöpft. Gott, ist das wieder anstrengend heute, das kostet Lebensjahre.

Zwischenspiel
Das gute Gefühl von heute morgen ist verschwunden, hoffentlich findet der Trainer die richtigen Worte. Hoffentlich findet er auch die richtige Aufstellung für die zweite Hälfte, Boll macht sich in der Pause schon mal warm. Oh Käptn mein Käptn, wer sonst, wenn nicht Du, wird die richtigen Mittel finden. Ansonsten ist die Halbzeit recht ereignislos, wenn man nicht Bier holen muss quatscht man mit der Nachbarschaft, winkt kurz zum Dartmeister rüber und linst in die Stadionzeitung des Vormannes. Möglicherweise verpass ich dadurch ein paar der Tapeten in der Südkurve, aber deren Mitteilungsbedürfnis ist heute recht überschaubar. Da der Dartmeister sich immer über fehlende Fotos beschwert versuche ich die Ecke aufs Korn zu nehmen, schaff es aber nicht sein freundliches Grinsen auf Speicherkarte zu bannen, gegen meinen Tatter kommt die Bildstabilisierung der Kamera nicht an, hat mal jemand einen Schnaps?

Spiel (2)
Kein Wechsel bei uns, völlig unverständlich. Es wird auch nicht besser, die Regensburger sind weiter gefährlich, unfassbar wie sich Thorandt austanzen lässt, die Abwehr schwimmt, der Pfosten rettet und mir ist schlecht. Wir brauchen drei Punkte, wenn wir die nicht gegen den Tabellenletzten holen, gegen wen dann? Der Trainer hat endlich ein Einsehen, Kalla und Daube gehen vom Platz, Boller und Ebbe kommen. Jetzt gehts los. Jetzt gehts wirklich los, auch wenn Ebbe wohl erneut seinen 100sten Treffer nicht machen wird, es kommt mehr Schwung in die Jungs und auch auf den Rängen wird es wieder lauter, es gilt die letzten Reserven zu mobilisieren. Vorsichtshalber verzichte ich auf die zweite Sportzigarette, schreien, singen, brüllen, pöbeln, alles viel zu anstrengend um den Kreislauf noch mit andern Dingen zu belasten. Zehn Minuten später wird das belohnt, wieder ist Gogia beteiligt, tanzt zwei Leute aus und stochert den Ball irgendwie zu Kringe, der wieder raus auf Ginczek und als ich die Chance schon vorbeiflattern sehe zieht der ab und haut das Leder in die Maschen. Woohoo. 2:1, geht doch, jetzt weiter so, nachlegen, nicht nachlassen. Gogia nimmt den Ball in Weltklassemanier mit, setzt sich wieder gegen zwei Regensburger durch, aber der finale Pass kommt nicht an. Für mich trotzdem sein bestes Spiel bisher für den FC, nur Defensivarbeit ist nicht sein Ding. Dann übernimmt der Käptn das Kommando, Boller hat eine dicke Chance das 3:1 zu machen, meine Güte, Herr Kommissar, aus der Entfernung muss man nen Torwart überwinden können, was hätte das die Nerven beruhigt.
Wir sind inzwischen immerhin deutlich ballsicherer geworden, das beruhigt wenigstens ein bisschen, die alten Leute könnens halt doch noch. Deswegen darf noch einer der alten Leute ran, Brunsbrunsbrunsbruns kommt für den pfeilschnellen Gyau, der noch lernen muss die Laufgeschwindigkeit seinen restlichen Fähigkeiten anzupassen, außer viel Gerenne kommt bisher leider nicht viel rum bei ihm. In der jetzigen Situation ist mir der Brunser deutlich lieber, noch fünf Minuten Nettospielzeit, das werden wir ja wohl über die Runden kriegen denk ich, und dann überschlagen sich die Ereignisse.
Erst wird Ginczek gelegt, ob im oder kurz vor dem Strafraum kann ich nicht sehen, aber in aussichtsreicher Position auf jeden Fall. Wenn der Schiri pfeift.
Kommt aber nix vom Schiri, der pfeift erst als Ginczek kurz darauf mit einer selten blöden Aktion Rahn von den Beinen holt, was ich aus unerfindlichen Gründen nur aus den Augenwinkeln mitkriege, genau wie die Karte, die ich für gelb halte, bis mich mein Hintermann aufklärt, die war rot.
Na super, das sind dann ja mindestens zwei Spiele in denen Ebbe versuchen kann endlich Tor 100 zu machen, vielleicht klappt es ja über die volle Distanz, wenn man ihn lässt. Und es kommt noch besser, in der 89. Minute erzielt Regensburg den Ausgleich, 2:2. Ein Schlag in die Magengrube kann gemeiner nicht sein, ich dreh bald ab hier. Ein Haufen Verletzter und Kranker, den Topstürmer für mehrere Spiele nicht dabei und nur ein Punkt gegen den Abstiegskandidaten Nummer 1, wo soll das enden?

Und kaum hab ich das gedacht, den Tiefschlag noch nicht richtig verdaut, da hängen mir meine Nebenleute jubelnd am Hals. Brunsbrunsbrunsbruns dreht das Spiel in der letzten Minute, weil der Mann der niemals aufgibt, mein Käptn und Held Fabian Boll Fußballgott, mit letzter Energieleistung den Ball im Strafraum zu Gogia spitzelt, der passt nach innen und da steht Brunsbrunsbrunsbruns goldrichtig. 3:2. Endstand. Drei Punkte. Alles gut, wenn man nicht viel drüber nachdenkt jedenfalls.

Wie gut, dass ich meine grauen Haare nicht mehr zähle seit sie die Mehrheit auf dem Kopf stellen. Heute sind es garantiert wieder mehr geworden, gegen Sorgenfalten tausch ich die aber gerne. Bei den Falten bin ich nur nicht sicher ob die jetzt wegbleiben.

Nachspiel
Ich hab Durst wie ein Pferd und würde gerne noch ein Bier am AFM Container trinken, andererseits wirkt meine Nachbarin doch etwas erschöpft, mehr als drei Stunden Stehplatz fordern Tribut. Wobei man am Container sitzen könnte, aber Herr L. hat Miristkalt und will auch nach Hause. Auf Sitzplätzen friert man halt schneller als auf den Stehrängen, hat alles seine Vor- und Nachteile. Ich schließe mich der Mehrheit an, Bier hab ich im Kühlschrank und die Bude ist geheizt, auf in die U-Bahn. Weiser Entschluss, denn an der Endstation lernen wir einen weiteren braun-weißen Nachbarn kennen, der von seiner Frau abgeholt wird und uns so die Wartezeit auf den Bus erspart. Unglaublich viele St.Pauli Fans hier in der Ecke, von denen ich nie etwas geahnt habe.

Geht das so weiter chartern wir bald nen eigenen Bus, für die altersgerechte Anreise. Mit passender Beschallung natürlich, z.B. Des Ark - Loose Lips Sink Ships














6 Kommentare:

  1. glückwunsch zum sieg! mit solchem dusel kann man eigenlich nicht absteigen! ;)

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    1. Acht Punkte fehlen noch. In Berlin gibts eher keine.

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  2. Ebbes Tor Nummer 100 auf der Videowand? Der hat doch garnicht getroffen. Wird er aber noch, jetzt wo Ginzek fehlt, warts ab. Und dann wird verlängert :)

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    1. Das war nach Spielschluss, da hat er einen versenkt. Wahrscheinlich haben sie die Grafik schon seit Monaten auf dem Rechner und wollten die endlich mal zeigen.

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  3. Eigentlich trägt die Eintracht den Ehrennamen "launische Diva". Mal kreative Gedanken notieren und überlegen, mit welchem Ehrentitel man die Mannschaft vom Millerntor zieren könnte.
    Glückwunsch zum Sieg!

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    1. Ich weiß gar nicht ob die Mannschaft launisch ist, oder ob es mehr darauf ankommt ob der Gegner einen schlechten Tag erwischt. Die Experten sind sich da nicht einig, und Fußballexperten gibt es leider wie Sand am Meer.

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