Vorspiel
Keine vier Stunden hab ich geschlafen als der Wecker klingelt, um 4:15. Scheiß Frühschicht, Scheiß Sport 1. Wenigstens hat am Wochenende niemand für Stromausfall gesorgt, alle Rechner laufen, es gibt keine Probleme und ich kann nebenbei ein paar Kaffeespezialitäten aus dem neuen Vollautomaten ziehen, Cappuccino, Ristretto, Cappuccino mit nem Ristretto obendrauf, nach ein paar Pötten bin ich wach. Klappt wunderbar heute.
Als die Frühstückpause naht fällt mir ein, dass es in der Kantine heiße Würstchen gibt. Womöglich sind das ja Frankfurter, damit könnte man versuchen, nach dem gegen Dresden so erfolgreichen
Christstollenorakel, ein Werrschtscheroragel (hessisch für Würstchenorakel, schreibt Herr Ärmel, und der muss es wissen) zu beschwören.
Leider steht auf der Preistafel was von Wiener Würstchen. Wir spielen zwar nicht gegen Rapid, aber da mir der Unterschied zwischen Wienern und Frankfurtern eh nie klar war, nehm ich trotzdem zwei mit. Kann nicht schaden, außerdem hab ich langsam Hunger. Kurz vor Feierabend noch Mails abrufen, ich soll jetzt doch meine Spiegelreflex mitbringen, Montagsspiele im Winter sind dunkel und überfordern Kompaktkameras.
Um 15 Uhr kann ich abhauen und mich zwei Stunden aufs Ohr legen, dann ruft der Dartmeister an, ich hab heute nen Chauffeur zum Stadion. Eine Stunde vor Spielbeginn vor der Gegengerade war als Treffpunkt ausgemacht, Gruppenfotos knipsen für die
Fanräume Förderwand. Da ich die Kamera nicht mit ins Stadion nehmen darf, natürlich VOR der Gegengerade, was ungefähr dreiviertel aller Betroffenen auch mitbekommen, der Rest ist schon im Stadion und wartet dort vergeblich auf den Fotografen.
Die Fotosession wird ungefähr so planlos wie der Plan mit der Kachelwand, weil niemand so recht weiß, wie das nachher überhaupt aussehen soll. Also Gruppenfoto in (fast) voller Besetzung und dann noch einmal in Kleingruppen, damit auch jeder drauf ist, worüber man sich als Fotograf direkt mal freuen kann.
Vor der vogelwilden Knipserei kann ich wenigstens noch ein Bier zu mir nehmen, danach schnell die Kamera in den Kofferraum und rein ins Stadion. Welcome to the hell of St.Pauli, hoffentlich. Drinnen treffen wir den Rest der Truppe und beschließen, die Fotosession nach dem Spiel fortzusetzen.
Damit nachher auch wirklich jeder drauf ist. Die Frage ist nur, wie man nach dem Spiel so drauf sein wird, da herrscht allgemeine Skepsis.
Dann endlich ankommen und einsingen. Der Vorfilm des heutigen Dramas wird gesponsert von der Südkurve, Montag weghaschen. Dem steht nichts im Wege, schließlich sind wir hier nicht in Bayern, wo friedliche Pyrotechnik einfach beschlagnahmt wird. Für jede Halbzeit ein Glücksbringer, das muss. Wer weiß, ob die Wiener Würstchen helfen. Die Nordkurve glänzt ebenfalls mit friedlicher Pyrotechnik, vollständig illuminiert durch Wunderkerzen, leider hab ich nur noch die Ixus dabei, und damit werden die Fotos nichts, ich hoffe auf andere Fotografen.
Der Frankfurter Anhang zündelt und qualmt auch, was demnächst wohl für weniger Auswärtsfahrer sorgen wird, für noch mehr Sicherheitsspiele und für noch weniger genießbares Bier.
Spiel (1)
Das sieht nicht so gut aus, wieder einmal. Immerhin zeigen sie Einsatz, wenn ich das mit Ingolstadt vergleiche, sehr viel mehr Einsatz. Trotzdem ist Frankfurt überlegen, spielerisch eindeutig besser und immer gefährlich. Wir haben dafür Tschauner, der mehrfach saustark reagiert und heute eindeutig beweist, dass er, allen dusseligen Umfragen zum Trotz, besser ist als Jogginghosen-Gábor.
Für uns springt trotzdem nicht viel raus, nach ner halben Stunde gibts immerhin mal Eckball für uns, danach viel Gewusel im Strafraum und Toooooooooooooooooooor. 1:0 nach so einer durchwachsenen Leistung, da hat keiner mehr mit gerechnet, aber das Ding ist drin, der Capitano trifft zur Führung, woohoo.
Morena, wann hat der das letzte mal getroffen? Egal, das beruhigt.
Der eingewechselte Gekas beruhigt weniger, seine Fallsucht macht ihn gleich zum Publikumsliebling, kurz vorher war es noch der Schiedsrichter. Frankfurt hat weiter mehr vom Spiel, aber wir stehen etwas besser und kommen auch zu Chancen. Aus unseren wird nichts wegen Hektik und Unvermögen, aus den Frankfurter Chancen wird nichts wegen Tschauner. Bester Mann auf dem Platz.
Endlich Halbzeit, ich brauch ein Bier.
Zwischenspiel
Ich bin unschlüssig, vielleicht nehm ich doch lieber Wasser. Dann entscheide ich mich für die falsche Lösung und nehm alkoholfreies Holsten. Was für ein Schweinkram. Wenn es schon sein muss, dann entscheidet euch endlich für Jever Fun, das kann man wenigstens trinken wenn es eiskalt ist, und kalt genug ist es heute. Die Holstenplörre ist untrinkbar, irgendwie würge ich das Zeug trotzdem runter, die Stimmbänder brauchen Kühlung. Kurzer Halbzeitklönschnack und zurück auf den Sitzplatz, dieses mal etwas weniger stumme Nachbarn da oben, aber da geht noch mehr hoffe ich, wenn bei den Jungs auch was geht.
Spiel (2)
Das Spiel läuft keine 10 Minuten, dann liegt ein Frankfurter im eigenen Strafraum, allgemeine Verwirrung, dann stellt sich heraus, er wurde von einer Papierrolle am Kopf getroffen und hat spontan beschlossen, ein wenig vor sich hin zu sterben. Das beeindruckt den Schiedsrichter, der daraufhin im Falle weiterer Wurfgeschosse mit Spielabbruch droht. Die Südkurve wird vom Stadionsprecher ermahnt, woraufhin die halbe Gegengerade dermaßen sauer auf "die Idioten in der Südkurve" ist, dass der Wechselgesang verweigert wird. Dabei war es nicht "die Südkurve", es war nur ein Idiot in der Südkurve, aber das spielt dann keine Rolle. Während alles mit sich selbst beschäftigt ist, fängt Eintracht Frankfurt auf dem Rasen an, unsere Mannschaft zu zerlegen. Es geht nichts mehr, weder auf dem Rasen, noch auf den Rängen. Fuuuurchtbar. Was für ein Glück, dass wir schon einen auf der Habenseite verbuchen können, es ist eine Frage der Zeit, wann der Ausgleich fällt.
Tschauner rettet das 1:0, mal großartig, mal sehr glücklich, aber lange geht das nicht mehr gut. Und kaum hab ich das gedacht, gibts einen Konter wie aus dem Lehrbuch, 4 gegen 2, Bartels marschiert durch, passt auf Max Kruse und es steht 2:0. Woohoo. Den hab ich nicht kommen sehn, so wie wir uns vorher angestellt haben, aber das Ding war ganz große Klasse. Es geht also doch noch.
Danach ist der Ärger schlagartig verflogen und es wird wieder gesungen, der Support setzt wieder ein, noch 20 Minuten überstehen. Die überstehen wir tatsächlich sogar recht gut, sind durch Konter immer gefährlich und können mit etwas Glück erhöhen.
Es ist mir aber irgendwann klar, mehr Tore fallen nicht, schließlich hab ich nur zwei Würstchen gegessen. Geht scheinbar auch mit Wienern. Frankfurt steckt zwar nicht auf, erzielt aber nur noch einen Wirkungstreffer, als sich Tschauner kurz vor Spielschluss verletzt. Wenn ich mir etwas zu Weihnachten wünschen kann, dann ist das keine ernsthaftere Verletzung. Thank God its Winterpause.
Dieser Orakelkram ist natürlich völliger Quatsch. Aber trotzdem werde ich mich mal erkundigen, was es für Bochumer Spezialitäten gibt, und ob die hier erhältlich sind.
Nachspiel
Zum Auto, Kamera wieder rausgeholt, Fotosession zweiter Teil. Wenn ich mir die Fotos so ansehe, dann sind die Gesichter nach dem Spiel wesentlich tauglicher für die Förderwand. Deutlich entspanntere Gesichtszüge, vor dem Spiel musste man das Lachen noch einfordern, danach kam es von alleine. Glücklicherweise hab ich die Klappe gehalten als es um die Nachbearbeitung ging, den ganzen Kram für die Kachelwand zusammenpuzzeln darf dann jemand anders. Ich bin schon gespannt, was dabei am Ende rauskommt.
Heute wär jedenfalls ein idealer Zeitpunkt und das ideale Licht gewesen, um mit der Kamera hinterher ein wenig die alte Gegengerade einzufangen. Den hab ich nur verpasst, weil der Dartmeister zum Aufbruch drängte, ein Chauffeur hat halt nicht nur Vorteile.
Dafür lief in seinem alten Benz inspirierende Musik, die nach einem Nachschlag verlangte:
Rory Gallagher - Stage Struck / The Beat Club Sessions / Defender
Die Becher des Herrn Matt und Deine Spezialitäten. St. Pauli wird noch zum Ligaschreck. Und ich muss den Sternen unbedingt Eure Blogs zeigen. Damit das Dixie wieder aufgestellt wird. Wenn ich da drauf sitze, fällt nämlich auch ein Tor. Nur, Dixies sind eben so schwer zu besorgen, wenn sie ncht schon dastehen.
AntwortenLöschenTschauner verletzt
AntwortenLöschenDer FC St.Pauli muss mehrere Monate auf Philipp Tschauner verzichten. Der Torwart erlitt beim 2:0 Sieg gegen die Frankfurter Eintracht eine schwere Verletzung im Schulterbereich und muss operiert werden. Neben einer Schultereckgelenksprengung sind auch 2 Bänder gerissen und der Bizepsmuskel beschädigt.
Quelle: ARD Videotext
Tolle Nachrichten :(
Was war denn da wieder los, kurz vorm Spielabbruch? Werden die nie schlau? Jedesmal wenn wieder jemand was geworfen hat und der Verein mit nem blauen Auge davon kommt hofft man es wird besser, aber keine zwei Wochen später schmeißt wieder einer mit irgendwelchen Gegenständen um sich. Dazu noch die Verletzung von Tschauner, teurer Sieg.
AntwortenLöschenInch, zum Glück sind Bierbecher und Würstchen einfacher zu organisieren als Dixies, aber vielleicht erkennt man bei den Sternen ja, wie wichtig solche anscheinenden Nebensächlichkeiten sein können.
AntwortenLöschen@ Kronentrinker: Schockierende Nachrichten. Aber eventuell die Möglichkeit seinen Vertrag am Krankenbett gleich mal für 4 oder 5 Jahre zu verlängern.
Holzi, wer in den letzten Monaten nicht schlau geworden ist, von dem ist wohl auch nicht mehr viel zu erwarten. Deshalb geh ich nicht von Absicht oder Frustwurf aus, sondern von spontan einsetzender Hirnlähmung der Marke "oh, da ist ja noch ne Rolle in der Jackentasche".
Ein paar Doofe hat man in jedem Stadion, blöderweise treffen unsere in letzter Zeit öfter.