Samstag, 5. März 2016

Maulwurfshügeltore


















Flutlichtspiele sind was feines, man kann lange schlafen, vorher was anständiges futtern und hat den ganzen Tag diese kribbelnde Vorfreude im Bauch, von mir aus könnte Fußball nur noch am Abend stattfinden. Vorausgesetzt die Spiele sind nicht mitten in der Woche, wie gegen Braunschweig. Das Jahr ist gerade mal zwei Monate alt und schon ist der erste Urlaubstag weg, man sollte einfach mal nicht hingehen. Boykottieren. Wenn das nicht so schwer wäre. Vielleicht ist Bochum ja an einem Montag, dann kann ich das boykottieren, da bin ich eh im Urlaub. Heute mach ich das nochmal mit. Ausnahmsweise.

Nochjemandkaarten? tiggetzzz? Stehen die Schwarzmarkthöker jetzt schon auf dem Bahnsteig? Oder ist der harmlos? "Wenn Du die Karten loswerden willst geht das am besten im AFM Büro" geb ich ihm einen gut gemeinten Tipp, aber er möchte damit Geld verdienen. Das ist natürlich etwas anderes, ich wünsche dem Herren noch einen möglichst hohen finanziellen Verlust bei dem Unterfangen und troll mich in Richtung Stadion. Das wird durch Wohnwagen und rangierende Schausteller erschwert, demnächst gibt es also wieder Apfeltaschen nach dem Spiel. Ich hätte trotzdem gerne gewusst, warum man sein Kettenkarussell ausgerechnet um eine Zeit auf seinen Platz manövrieren muss, an dem hier tausend Leute durch das Dunkel in Richtung Stadion stolpern.

Gegengerade, oben steht eine einsame Seele herum, es tun sich große Lücken auf im Block. Den Dartmeister haben sie zur Kur geschickt, der Rest ist krank oder anderweitig verhindert, was nicht verwunderlich an einem Donnerstag. Bei einem Wurst- und Biergespräch sind wir uns schnell einig, dass die Morgenpest mit ihrem Geschreibsel wohl ganz richtig liegen wird, das Spiel riecht geradezu nach einem torlosen Unentschieden. Kann ich mit leben, dann hätten wir 40 Punkte und mit dem Abstieg nichts mehr zu tun. Persönlich tät ich mir ja nochmal ein 7:0 wünschen, ein 5:1 ginge zur Not auch, aber danach sieht es dieses Jahr wohl nicht aus.

Braun.Schweig. ist eine der Mannschaften, der ich schon durch ihre Anhängerschaft wenig Sympathien entgegenbringen könnte, aber eigentlich haben die bei mir schon verkackt als sie den Löwen gegen einen Leberkleisterhirsch getauscht haben. Peinlich. Und Paul Breitner sah auch voll lächerlich aus in blau-gelb. Die Hymne ist ne Mische aus E-Gitarre, Rock und Amikasernengebrüll, grau-en-haft, dann lieber niedersächsischen Schuhplattler, das ist wenigstens Folklore. Nä, Braunschweig mag ich nicht und Domi Kumbela mag ich auch nicht. Den haben sie ja wieder einmal zurückgeholt und der steht natürlich auch in der Startelf, das ist so der Typ der aus nem geplanten 0:0 noch ein 0:1 machen kann wenn man Pech hat.

Ewalds Elf ist immer noch etwas Notelf, aber wenigstens ist Ziereis wieder dabei, neben Keller in der Innenverteidigung, falls das nicht klappt sitzt Lasse auf der Bank. Wenn es dann nicht zu spät ist, aber gegen Duisburg soll der Jung ja ein richtig gutes Spiel abgeliefert haben. Verhoek und Thy, wir spielen mit zwei Stürmern, holla. Wenn das nicht doppelt soviel Tore verspricht. Auf der Bank mit Deichmann, Kurt und Rosin gleich drei Mann aus der Nachwuchstruppe, da hat die Grippewelle wohl für gesorgt. Für leere Reihen sorgt der Donnerstag, rechts neben mir ist alles frei. "Das ist der Einzelhandel" sagt mein Nachbar, "der schafft es nicht zu dieser Zeit."

Das Herz von Sankt Pauli dröhnt dermaßen laut aus den Lautsprechern, da hat doch wieder jemand an den Reglern gespielt? Oder sind wir zu leise? Ich guck mich um, alles singt, aber man hört nur die Gitarren bratzen. Eine Erholung, als endlich jemand den Ton für die letzten Zeilen abdreht. Der Nachbar ist gut aufgelegt und sehr optimistisch, er hat seinem Sohn Stadionverbot erteilt. Verlieren können wir also schon mal nicht. Allenfalls das Gehör, denn die Höllenglocken sind völlig übersteuert und überlasten die Boxen. Wenn wir überhaupt einen Tontechniker haben, dann hat der ganz sicher auch die Grippe. Konfetti, Pyro, los gehts..

Erste Halbzeit und wir auf die Süd. Distanzversuche auf beiden Seiten, aber eher ungefährlich das ganze, bis Waldi steil geht, an einem Braunschweiger vorbei, zieht ab... daneben. Knapp, aber schon etwas bei dem man mit dem Hintern hochkommt. Danach übernimmt Braunschweig zwar ein wenig das Spiel, aber die Versuche sind meistens harmlos. Trotzdem hat mir der Kumbela zu viel Platz da vorne, prompt bekommt er die nächsten Möglichkeiten, semmelt aber deutlich vorbei oder scheitert an Himmelmann. Unsere Standards sind wie immer viel zu harmlos, egal ob Ratsche oder Alushi sich versuchen, weder Ecken noch Freistöße sind auch nur ansatzweise gefährlich. Leider, denn wir starten eine ganze Serie. Eine Taktik wie beim American Football, Raumgewinn durch Freistöße. Den letzten darf Dudziak übernehmen, der ihn schön direkt auf den Torwart bringt. Der Gikiewicz soll ähnlich oft zu null spielen wie Robin, der ist mit so etwas nicht zu überwinden.

Dem muss man richtig fett einen in den Knick jagen. Gleich jetzt, super Ablage von Jooohn Verhoek auf den anlaufenden Lenny, doch der verzieht leider total. Das wär ein richtig schön herausgespieltes Tor gewesen, außerdem hätte ich John den Assist gegönnt, Lenny das Tor und uns die Führung. Wird aber auch in den letzten fünfzehn Minuten nichts mehr, obwohl wir inzwischen mehr Spielanteile haben. Mehr Ecken, mehr Freistöße, mehr Harmlosigkeit. Kurz vor Pfiff noch zweimal fast gefährlich, aber Dudziak verdribbelt sich nach hoffnungsvollem Anfang am letzten Gegner und auf der anderen Seite hat Robin rechtzeitig die Fäuste oben. Torlos in die...

Meckerpause. Drei Mann stehen vor mir in der Bierschlange und meckern über die Wartezeit. Obwohl das im Vergleich zu den Stehplätzen meckern auf sehr hohem Niveau ist, muss ich ihnen beipflichten, das ging schon deutlich schneller. Man sollte auch hier wissen wann Halbzeit ist und einfach mal dreißig Biere fertig haben. "Dreißig?" sagt mein Vordermann. "Dreihundert!" Das halte ich für stark übertrieben, zumal uns im Moment auch drei reichen würden, aber scheinbar war das Fass gerade leer, pünktlich zum Pausenpfiff. "Kannze ja unten mal versuchen" grins ich ihn an, "die haben da nen Beerjet, der macht zehn Bier in sechs Sekunden oder so."

Zweite Hälfte fängt sofort mit einem Schreckmoment an, wir kriegen den Ball nicht hinten raus und wieder ist es Kumbela der die Chance vergibt. Braunschweig ist wieder aktiver, aber ohne unsere Abwehr wirklich vor große Probleme zu stellen, Ziereis und Keller haben das ganz gut im Griff, über außen ist auch keiner schneller als Buballa und zur Not sind Alushi, Ratsche und sogar Verhoek hinten, nach vorne könnte aber schon mehr gehen. Ewald reagiert und nimmt Lenny vom Platz, für ihn kommt Choi. "Bei dem warten bisher auch alle vergeblich auf eine zweite Sternstunde" sag ich und zur Bestätigung verliert er den Ball und bekommt er als erster die gelbe Karte für ein taktisches Foul.
Das Spiel plätschert vor sich hin, Angriffsversuche auf beiden Seiten verpuffen und langsam macht sich die Ahnung breit, dass die Fachloide richtig liegen, hier fällt heute kein Tor. Die Braunschweiger sind trotz Kumbela offensiv ähnlich harm- und ideenlos wie wir und stehen defensiv ebenso gut, das kann nichts werden. Ähnlich lau wie das Geschehen auf dem Rasen ist auch die Stimmung im Stadion, an einem Wochentag hilft das ganze Flutlicht nichts, alle erschöpft von der Arbeit und keine Aktion die mal von den Sitzen reißt. Buballa versucht es mit Anlauf aus der Distanz, ab in die Wolken. Lieberknecht wechselt aus, Kumbela geht vom Platz. "Dem hätte ich noch ein 0:1in der 89. Minute zugetraut" sag ich, "die sind mit nem Punkt zufrieden und wir ebenfalls."
Passiert auch weiterhin nicht viel, bis Dudziak es mal wieder alleine versucht, sich gut durchsetzt und vor dem Sechzehner abzieht, knapp vorbei. Auf der Gegenseite hat Robin kurz darauf Mühe mit einem Distanzschuss und bekommt gerade noch das Bein dazwischen.
Während Verhoek danach noch gestikulierend in der Mitte nach vorne trabt, zieht Buballa über die linke Seite auf einmal das Tempo an. "Guck nach vorne" brüll ich, "da passiert gleich was" und es passiert tatsächlich was, Johnny kriegt die Pille serviert und weil ihm nichts besseres damit einfällt zieht er einfach mal ab und trifft den einzigen Maulwurfshügel im Strafraum, von dem der Ball unhaltbar abprallt - drin ist der Fisch. 1:0 und alle so: Woohoo! Was für ein Maulwurfhügeltor, vieeeel geiler als das, was wir gegen Union kassiert haben und vor allem auf der richtigen Seite. DAMIT hat ja wohl NIEMAND mehr gerechnet. Was freu ich mich für Johnny - und das ganze Stadion freut sich mit, das VERHOEK ist wirklich LAUT.
Ratzfatz sind auch die auf den hinteren Plätzen wach und endlich kommt ein wenig Stimmung in die Hütte. "Sechs Minuten" sag ich, "acht" sagt der Nachbar. Mit Nachspielzeit kommt das hin. Das werden acht Minuten Abwehrschlacht, Lieberknecht bringt mit Hochscheidt einen neuen Stürmer, Ewald reagiert sofort und bringt Lasse für John. Abwehrschlacht allez. Deichmann für Dudziak, noch etwas Zeit runterspielen, konzentrieren, aufpassen und AUS!

War doch gar nicht so schwer. War ja auch nur Braunschweig, die hatten hier schon immer Probleme. Die Südtribüne schunkelt mit den Spielern und singt "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" und ich verzieh mich vor die Fanräume. Herr B. hat zur Feier des unverhofften Sieges sogar noch einen Docht am Start, nur nach Bier ist mir nicht mehr bei der Kälte. Ein paar Wahnsinnige träumen schon wieder von Relegationsspielen gegen die Vorstadt, doch dieses Szenario wird fast einhellig abgelehnt. "Am besten" sagt jemand "war noch der Jubelschrei, den ich eben auf dem Klo gehört hab. Eeeeey, 42! Wir sind save!"

Ab sofort also nur noch ganz entspannte Siege.
   
Maulwurfshügelfotos: Gegengerade Millerntor, Nordfahnen, Südtapeten, Gegengeradenglückwünsche
Maulwurfshügelbier: Hopper Bräu Heller Wahnsinn, Lager, 5.0%
Maulwurfshügelmucke: Dynamite Deluxe - Deluxe Soundsystem / Fischmob - Power 









































































3 Kommentare:

  1. Total super das wir mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben. Mit dem Aufstieg seit heute auch nichts mehr *fg*

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    1. Mit dem Aufstieg hatten wir nie etwas zu tun, das haben sich nur ein paar Leute eingebildet.

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  2. Vielen Dank für die klaren Worte andernblogs!

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