Sonntag, 11. Oktober 2015

Klein Britannien
















Seit ich vor ein paar Jahren die British Flair in Groß Flottbek entdeckt habe wollte ich da immer mal wieder hin, aber entweder war das Wetter nicht tauglich für eine Open Air Veranstaltung oder sie fiel auf einen Heimspieltag. Dieses Jahr klappt es immerhin am Sonntag und damit Muddern mal aus ihren vier Wänden kommt nehme ich sie kurzerhand mit. Die Aussicht auf live gespielte Dudelsackmusik zieht bei ihr immer und wenn man da was essen kann - gibt es vielleicht sogar Haggis? Das will ich nicht hoffen, nur weil ihr das Zeug in Schottland geschmeckt hat muss das noch lange nichts heißen. Vor drei Jahren beschränkte sich das Angebot auf Gerichte der ehemaligen Kolonie Indien, damit könnte ich auch heute gut leben.

Nach einer halben Stunde Fußmarsch über Groß Flottbeker Kopfsteinpflaster und Sandwege gönnen wir uns dann doch lieber eine Tüte Fish & Chips und das Zeug ist wirklich recht lecker, jedenfalls wenn man Remoulade verwendet statt Essig. Muddern verwickelt unsere Stehtischnachbarn sofort ins Gespräch und glücklicherweise sind es Engländer, endlich kann sie mal wieder ihre Sprachkenntnisse anwenden. Gott sei Dank kommen die beiden aus Hamburg, so dass das Gespräch nicht gleich im Sande verläuft. Am Nebentisch beklagt ein sonnenbebrillter Blondling sein schweres Leid in lauten Tönen. Den Kalender voll mit Terminen und keine Zeit den Porsche aus der Werkstatt zu holen, das ist fast so hart wie den Mini der Freundin fahren zu müssen. Definitiv kein Engländer, Understatement geht anders. Ich fühle mich versucht ihn zu fragen, ob Papi auch für die Werkstattkosten aufkommt, aber in einem Zeitalter, in dem jedes Pickelgesicht für eine dämliche Internetidee Trilliarden Dollar kassiert...man weiß es halt nicht.

Vor der Fischbude läuft das Showprogramm. Rituelle Tänze der Kiltträger oder so etwas, wobei sich nur zwei echte Kiltträger unter den Tänzer/innen befinden. Was mich nicht im Geringsten wundert, Frauen standen schon immer mehr auf dieses Tanzdings als Männer, war bestimmt auch bei den ollen Schotten schon so. Auf der anderen Hälfte des Rasens rasen tollkühne Männer in alter englischer Technik umher, sie versuchen eine halbe Stunde im Kreis zu fahren ohne dass etwas kaputt geht - und fast hätte es geklappt, nur ein einziges Fahrzeug ist kurzfristig ausgefallen.

Wer sich in englischen Sportarten versuchen will kann gegen einen geringen Obolus mit Gummistiefeln werfen und wahrscheinlich sogar etwas gewinnen dabei, Muddern kauft lieber ein paar Lose und prompt ist ein Gewinn dabei, den wir später am Ausgang abholen können. Hoffentlich eine Tüte englischer Toffees und nicht irgend ein unbrauchbarer Blödsinn, denn davon gibt es hier unheimlich viel. Gefühlt dreimal mehr Pavillonzelte als beim letzten Mal, von englischen Chips bis zur Englandreise, vom Fahrrad bis zum Bentley, Anzüge aus Tweed, Chutneys, Pickles, Fudge und Haggis. In der Dose und höchstwahrscheinlich schon deshalb ungenießbar, weil die seit Stunden in der prallen Sonne steht. 

Muddern findet das Rahmenprogramm nicht sonderlich aufregend, kann ich schon deshalb nicht widersprechen, weil ich das alles schon kenne. Die Damensatteldamen auf ihren Pferden, den Schäfer mit seinem Hund und den drei Schafen, die im Kreis fahrenden Oldtimer. Vor ein paar Jahren gab es wenigstens noch Rugby und Greifvögel zu sehen, es mangelt eindeutig an Action, nicht einmal Hunderennen steht heute auf dem Programm. Dafür gibt es auf der kleinen Bühne Musik von London Pride, zwar nicht mit Dudelsäcken, aber elektrisch verstärkt und schön laut. Beatles, Stones, Chuck Berry. Muddern ist völlig begeistert, endlich mal Rock'n'Roll, hier bleib ich stehen, geh Du mal fotografieren. Waren die Beatles wohl doch nicht ganz so schlecht, hat nur irre lange gedauert bis es gezündet hat, früher auf meinem Plattenspieler war das noch furchtbares Gejammer.

Das furchtbare Gejammer folgt kurz darauf, die Baul Muluy Pipes & Drums marschieren auf. Dudelsackmusik! Endlich! Leider nicht ganz so beeindruckend wie gedacht, weil es halt nicht die schottischen Dudelsackfestspiele sind, wo gleich zweihundert Mann in die Tröten tröten. Schmale Besetzung, vor drei Jahren waren das auch deutlich mehr. Nach dem vierten Titel beginnt Muddern langsam die Geduld zu verlieren. Ihr Lieblingsstück wurde noch nicht gespielt und das ist eigentlich das einzige Lied, was ganz toll klingt mit Dudelsäcken, der Rest ist halt doch ziemliches Gedudel auf Dauer. Aha. Doch nicht so gut wie Beatles und Chuck Berry, wer hätte das gedacht. Bevor ich ihr Lieblingslied erraten kann wird es auch schon gespielt, denn natürlich gehört Amazing Grace zum Repertoire jeder Dudelsacktruppe weltweit, der Tag ist gerettet.

Der Nachwuchs des Hamburger Polo Clubs, der das Gelände freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, demonstriert am Ende der Veranstaltung noch wie so ein Polospiel aussehen könnte, würde nur jemand mal diese verflixte kleine Kugel richtig treffen. Da das niemand so richtig zu beherrschen scheint, endet die Partie mit einem leidlich spannenden 0:0, aber immerhin mit einem umgerittenen Torpfosten.

Für Fish & Chips, kalten Cider vom Fass und Dudelsäcke mit Amazing Grace muss ich da jedenfalls nicht noch einmal hin, trotz des karitativen Zwecks der Veranstaltung ist mir das inzwischen zu viel Kommerz und zu wenig Abwechslung. Vielleicht, wenn ich mal einen Anzug aus Tweed brauche..

Fotos: British Flair 2015, Hamburg Groß Flottbek
Bier: Peak Organic Amber Ale, 4.9%
Musik: The String Cheese Incident - Rhythm of the Road: Live from Las Vegas































































11 Kommentare:

  1. Nach Lachtränchenwegwisch und Entspannungstraining für die Schenkelklopf-Marathon-Handflächen - nu erst mal: Danke. Spitzentext!
    ("Loch Lomond" klingt von diesen 200 Mann Dudelsack-Kohorten auch ganz geil, da wären es schon 2 Songs.)

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    1. Danke *g*
      Nach drei bis vier Dudelstücken fiel es mir schwer, überhaupt noch etwas zu erkennen. Amazing Grace ging gerade noch *g*

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  2. Wenn ich das mit den Fotos vom letzten mal vergleiche wird mir auch klar warum du so wenig begeistert bist, vielleicht war Sonntag auch der falsche Tag, am letzten Tag ist meist nur Restprogramm.

    Gruß, N.

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    1. Nee ich hab geguckt, war am Samstag auch nicht mehr, außer dem großen Konzertabend, aber der kostet extra.

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  3. *lol* deine mutter würde ich zu gerne mal kennenlernen :-D
    was war denn nu mit dem losgewinn? tüte bonbons oder doch was besseres?

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    1. Meike, dem sei Mudda ist einer der herzallerliebsten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte !
      Und absolut locker drauf.

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    2. Ein ausklappbares Weinregal aus Pappe/Lederimitat für (in aufgeklapptem Zustand) zwei Flaschen Wein, bei dem die billigere Flasche aus Sicherheitsgründen im oberen Fach gelagert werden sollte. Das ideale Geschenk für Weintrinker wie Dich, deswegen hab ich das noch *fg*
      Zu Deinem und meinem Leidwesen also keine Tüte Toffees *g*

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  4. Very british ! *g*
    Wär wohl nix für mich gewesen. Und Gummistiefelwerfen hatten wir schon als Blagen im Pfadfinderzeltlager gespielt. Allerdings nach anderen Regeln: zwei hielten ein anderes Pfadfinderblag fest, dann wurden dem beim Staudammbauen am Bach die Stiefel geklaut und möglichst weit in den Wald geschmissen. *fg*

    *hrhr*

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    1. Schäm Dich! Echte Pfadfinder machen so etwas nicht. Echte Pfadfinder helfen Omis über die Straße.
      Wie Tick, Trick & Track.

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  5. Da fällt mir ein, ich habe die Highland Games verpasst. Mist. Btw: schöne Fotos

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    1. Die dargebotenen Mini-Highland Games fand ich jetzt auch nicht sooo spannend. Rugby macht deutlich mehr her.

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