Samstag, 5. September 2015

Essen auf Rädern

















Früher™ waren Imbisswagen weiße Klappschachteln, ausgestattet mit Fritteuse, Grill und Spüle, mit viel Glück war noch ein Kühlschrank für kalte Getränke an Bord. Es gab Bratwurst und Bratwurst mit Ketchup, die sich dann Currywurst nannte. Schaschlik, Frikadelle, Pommes und Kartoffelsalat rundeten das Angebot ab, fertig war die Laube. Essen konnte man das Zeug eigentlich nur, wenn man kurz vor dem Hungertod stand und nichts anderes mehr verfügbar war. Last Exit Wochenmarkt.

Am schlimmsten waren meist die Frikadellen, seltsamerweise ganz besonders häufig, wenn ein Schild auf der Klappschachtel stolz "Hausgemacht!"verkündete. Überhaupt habe ich in meinem ganzen Leben nur zweimal anständige Frikadellen an einem Imbisswagen bekommen, der eine stand immer Sonntag Abend vor der Kaserne wenn man wieder antanzen musste und ist über 40 Jahre später sicher längst den Imbisswagentod gestorben, der andere steht bei Heimspielen am Millerntor vor der Südkurve und hat es bei den vielen Vegetariern im Stadion wahrscheinlich auch nicht leicht.

In den letzten Monaten erlebt der Imbisswagen jedoch eine Renaissance ungeahnten Ausmaßes, weil jemand auf die glänzende Idee gekommen ist die Dinger bunt anzumalen und "Food Truck" zu nennen. Ganz fantasievolle Menschen bauen Schulbusse oder silbern glänzende Wohnwagen zum Imbiss um, je auffälliger, desto besser. Fehlt nur noch ein möglichst hipper Name für die mobile Futterkrippe und eine Idee, was man den Leuten anbieten könnte. Denn wenn jetzt alle bunt und lustig sind muss am Ende das Angebot überzeugen, was wiederum eine Imbisswagenqualitätsoffensive ungeahnten Ausmaßes nach sich ziehen könnte. Bratwurst und Pommes reichen da nicht mehr, es müssen schon vietnamesische Sandwiches, Bio-Burger oder irgend etwas mit Pulled Pork sein. 

Um das zu überprüfen begebe ich mich zur Altonaer Fischauktionshalle, in und an der ein Street Food Festival veranstaltet wird, bei dem eine große Auswahl an hippen bunten Food Trucks für fotografische Motive und vollen Magen herhalten sollen. Und weil ein Mensch alleine nicht so viel essen kann, habe ich die Othmarscher Gourmetfraktion als Verstärkung angefordert. Zu dritt kann man einfach mehr probieren, jedenfalls ist das die Hoffnung.

Um potentielle Kunden abzuschrecken wird am Eingang ein Obolus von 3 Euro erhoben, die leider nicht auf Essen oder Getränke angerechnet werden können. Möglicherweise sorgt das für ein relativ entspanntes Flanieren sowohl in der Halle, als auch zwischen den Wagen auf dem Außengelände. Sehr voll ist es nicht, außer vor dem Wagen des Hackbarons, über den wohl nicht nur ich schon positive Berichte lesen konnte, wenn ich mir die wartende Menge ansehe. Die Spezialität des Hauses sind eigentlich Meatballs mit Topping oder Dip, aber den Burgertest fortzuführen ist einfach zu verlockend, also bestelle ich einen New York Style Cheeseburger und verkürze mir die Wartezeit mit einem Erdbeershake vom Nachbarstand, während N. verzweifelt versucht mit seinem neuen Teleobjektiv fliegende Möwen einzufangen.

So etwas funktioniert am besten wenn man jemanden hat, der ein wenig Futter in die Luft wirft, aber zum Leidwesen des Möwenfotografen bin ich nicht bereit für solch schnöde Zwecke einen Teil meines Burgers zu opfern. Das Freilandrinderhack ist zwar etwas zu lange auf dem Grill gewesen, aber der Rest mit Zwiebelmarmelade, Cheddar, Gurken, grobem Senf und was noch alles dazugehört passt. Leckeres Teil, wenn es auch knapp die Spitzengruppe verpasst.

Für ein erstes Frühstück war das völlig ausreichend, also rumlaufen und Fotos machen, vor allem in der Halle, so leer wie heute wird die nie wieder. Während N. und ich uns mit Hallenknipserei beschäftigen schleppt Meike exotische Horsd’œuvre an unseren Tisch, Dim Sum mit Garnelen und Chili. Garnelen! Lecker! Und viel zu exotisch für ihren Mann, weshalb ich die Hälfte davon verspachteln darf. Ähnlich läuft es bei ihrem nächsten Gang, Jerk Chicken aus Pelicans Jamaican Food Ecke ist einfach nichts für Leute, die Currywurst für eine indische Spezialität halten. Die andere Hälfte des Tellers darf ich wieder leeren, jetzt bin ich satt. Tolles Festival, dabei wollte ich heute wenigstens zwei Burger testen.

Raus aus der Halle, Verdauungszigarette rauchen, bunte Imbisswagen fotografieren und dabei feststellen, was man eigentlich alles noch essen müsste. Pankowalskis Pirogi zum Beispiel, endlich hätte ich mal Gelegenheit Pirogi zu futtern, aber gleich eine ganze Box? Und welche? Classic oder doch wat mit Fleisch? Oder Tacos beim Mexikaner, für 11 Euro kann man gleich alle vier Varianten bestellen, für die man allerdings auch vier hungrige Leute bräuchte. Wir können uns nicht einigen, dem Möwenfotografen ist das alles viel zu exotisch, der will eine Currywurst und ausgerechnet die gibt es auf dem ganzen Festival nicht.

Bevor wir hier abhauen muss ich noch einen zweiten Burger testen, aber was? Meike entscheidet sich für Obelix Leibspeise bei Wild & Eber, die ich nicht genauer ins Auge fassen kann, weil das schon auf den Mädels ruht die bei den Peruvian Bros. an der Theke stehen. Die Bros. sind nicht zu sehen, aber die Sis. machen einen sehr kompetenten Eindruck und außerdem.. peruanische Burger! Peru! Weiter weg geht kaum noch, da komme ich nie hin, muss ich probieren, auch wenn ich null Ahnung habe was an dem Ding peruanisch sein soll. Vielleicht ja die Sauce?

Wenn die nicht jemand vergessen hat. Möglicherweise ist es ja der säuerliche Salat, der sich zwischen den steinharten Brötchenhälften und dem nicht weniger festen Trockenfleisch befindet, das sich sämtlichen Kauversuchen erfolgreich widersetzt. Nicht kleinzukriegen das Schwein. Haben die mir aus Versehen das Ausstellungsstück gegeben, das schon seit Stunden auf dem Tresen liegt, oder muss das so? Für so etwas bin ich jetzt echt zu satt. Weil die Peruvian Sisters so nett waren suche ich verzweifelt nach einem Mülleimer außerhalb ihrer Sichtweite, was viel zu lange dauert und mich um den kläglichen Rest des angeblich ganz fantastischen Wildschweinburgers mit Portweinzwiebeln bringt. Wenn keine Portweinzwiebeln mehr drauf sind, hat es wenig Sinn den noch zu probieren.

Essen auf Rädern ist jedenfalls deutlich interessanter geworden. Sucht man sich die richtigen Räder aus, kann es möglicherweise sogar ein kulinarisches Vergnügen sein. Wenn ich dafür aber jedes Mal zu einem Straßenfutterfest fahren und Eintritt zahlen muss nehm ich doch lieber ein Restaurant, auf Speisekarten liege ich meistens richtig.

Räderfotos: Street Food Festival, Fischauktionshalle Hamburg Altona
Räderbier: Maisel & Friends Pale Ale, 5.2%
Rädermusik: Boozoo Bayou - Dust My Broom










4 Kommentare:

  1. Ich bin so gespannt, ob mein Kommentar erscheint, dass ich vergessen habe, was ich schreiben wollte, außer: jetzt hab ich Hunger

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    1. Hunger kann man bekämpfen, aber was immer Du tust, ess keinen peruanischen Burger :)

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  2. der wildschweinburger war nicht 'angeblich' lecker, der war spitzenklasse *gg* - auch ohne portweinzwiebl noch :p. wäre bestimmt ein würdiger spitzenreiter gewesen in deinem burger test und er war auch angebissen noch ziemlich fotogen *g*
    ich frage mich nur, woran du die kompetenz der perumädels so zielsicher erkennen konntest. an den st.pauli t-shirts? *fg*

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    1. Ich kann unmöglich einen Burger beurteilen bei dem eine der Hauptzutaten fehlt, außerdem war der Rest mehr Brötchen als Fleisch. Für jemanden der angeblich schon satt ist hast Du den ziemlich schnell verputzt :(.

      Und der Kommentar zu den Mädels hat Dir sicher schon seit Wochen in den Fingern gejuckt :p

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