Mittwoch, 20. November 2024

Die schwarze Insel

 









Zwei Wochen Urlaub am Stück ist etwas, was ich mir schon lange nicht geleistet habe und ganz sicher hätte ich mir nicht gerade Teneriffa dafür ausgesucht, was halt auch daran liegt, dass ich mich bisher recht wenig mit den Kanarischen Inseln befasst habe. Mag ein Fehler gewesen sein, denn wie ich hinterher hörte, soll es z.B. auf Lanzarote und sogar auf Gran Canaria recht hübsch sein.

Nach zwei Wochen auf Teneriffa wäre "hübsch" ein Adjektiv das mir nicht direkt einfallen würde, aber wenn man nach Jahren mal wieder mit den Kids zusammen urlauben kann ist das nebensächlich. Hübsch ist immerhin die Villa im Landesinneren, die Temperaturen angenehm zu dieser Jahreszeit, der Pool groß genug zum Abkühlen und der Kühlschrank groß genug für Getränke und Eiswürfel.

Für Strandmenschen ist eine Insel natürlich erste Wahl, denn wohin man auch fährt, überall ist Strand und überall sind Parkplätze für die vielen Strandmenschen, neben den Bars, Restaurants, Hotels, Appartements, Macs und Kings. Viele freundliche Straßenhändler offerieren Sonnenbrillen und verabschieden sich mit einem fröhlichen "fuck off" wenn man keine Sonnenbrille haben möchte, auf den Niedergängen zum Strand riecht es wie auf den Straßen St.Paulis nach dem Schlagermove und auch die Menge an herumliegendem Müll dürfte pro Quadratmeter ähnlich hoch sein.

Gott sei Dank bin ich kein Strandmensch. Wer helle Sandstrände ohne Müll und Geruchsbelästigung bevorzugt fährt etwas weiter, zum Beispiel an die Playa de Las Teresitas, wo man vor Jahrzehnten eine ganze Menge aus der Sahara importiert und aufgeschüttet hat. Als Hamburger fühlt man sich sofort heimisch, man fährt durch die qualvoll enge Stadt, vorbei an einem Hafen mit Sehenswürdigkeiten (Bohrinseln sind wirklich gewaltig groß) und endet an einem Strand mit pittoreskem Bergdorf, dazu der Blick auf Gastanker und Frachter auf Reede, das kennen wir.

Wie am Elbstrand. Nur ist das Wetter besser und statt einer Knolle Astra in der Strandperle gibt's Gin Tonic vom Barkeeper an einer der vielen sehr gut ausgestatteten Strandbuden. Mit etwas mehr Zeit hätte ich gerne noch den Drink probiert, den die Dame vor mir bestellt hat. Was auch immer das war, ich hätte gerne gewusst ob sich der unglaubliche Aufwand der Herstellung auch im Geschmack niedergeschlagen hätte.

Auch wenn die Insel in weiten Teilen aussieht wie eine große Dauerbaustelle zwischen schwarzen Abraumhalden, gibt es doch ein paar Punkte die für einen Urlaub sprechen. Zum Beispiel kleine Restaurants im Inselinneren mit landestypischen Spezialitäten und unfassbar nettem Personal oder schöne Frühstückslokale, in denen man sich schon morgens mit einem Barraquito auf die weiteren Drinks des Tages einstimmen kann, denn Alkohol ist hier allgemein recht günstig. 

Wer nicht ganz so söderig unterwegs ist findet fantastische Cannabis Clubs an fast jeder Ecke, bei denen sich der schmale Mitgliedsbeitrag auch für 14 Tage durchaus lohnt, falls man nicht alleine deshalb irgendwann wiederkommen möchte.

Und dann wäre da noch der Pico del Teide, der mit 3715 Metern höchste Berg auf spanischem Staatsgebiet, der vor ungefähr 170.000 Jahren eine ziemlich beeindruckend Landschaft über den Wolken geschaffen hat.

Daher bekommt der einen eigenen Eintrag. 


Fotos dazu: Play de las Americas, Mirador Montaña Roja, Playa de la Tejita, Playa de Las Teresitas, San Andrès, Strandvogel - Nikon D7200

Musik dazu: Tinariwen - Idrache (Traces Of The Past)

 







 


Sonntag, 6. Oktober 2024

Zu dumm für diese Liga?

 










An einem Samstag ausschlafen können, gemütlich frühstücken, entspannt zum Spiel fahren, sich 90 Minuten lang verbal austoben und mit 3 Punkten im Gepäck rechtzeitig zur Sportschau wieder zu Hause sein. Das war der Plan.

Leider sind wir zu dumm für diese Liga und damit schließe ich mich ausdrücklich selbst mit ein, sonst würde ich nicht vier Stunden vor dem Anpfiff in der U-Bahn sitzen und erst auf halber Strecke merken, dass es für uns schon wieder ein Abendspiel gibt. Demnächst hängt hier eine Homer-Simpson-Gedächtnistafel über dem Monitor, auf die ich in fetten Versalien GUCK NACH DEN ANSTOSSZEITEN, BLÖDMANN schreiben werde, vielleicht hilft das ja. 

Was auf dem Platz helfen würde sind Tore (eigene) und die Vermeidung von dummen Fehlern, die zu Toren (fremde) führen. Ich bin ein großer Fan von Nikola Vasilj, ganz bestimmt einer der besten Torhüter im Trikot des magischen FC. Ein noch größerer Fan von Nikola ist mein Enkel, der hoffentlich nicht gesehen hat, wie der vom Mainzer Burkardt nach nur 5 Minuten eiskalt überlupft wurde. Das wäre sicher ein Fleck auf seinem schönen Trikot.

Ich bin auch ein großer Fan von Eric Smith (ganz bestimmt einer der technisch besten Spieler im Trikot des magischen FC) und seinen Zuckerpässen, die oft spielentscheidend sein können. Leider kann er auch spielentscheidende Kackpässe spielen wie in der 16. Minute, direkt in den Lauf des Gegners, der dann auch nicht wieder eingefangen werden kann.

Nach einer Viertelstunde mit 0:2 hinten, das ist zwar relativ beschissen, aber man muss deshalb nicht gleich jegliche Hoffnung fahren lassen, ist noch Zeit genug übrig für ein 4:2. Wir spielen immer noch Fußball und das nicht mal so schlecht, also jedenfalls nicht chancenlos, doch wenn man solche Chancen nicht nutzt wird es schwer ein Spiel zu drehen.

In der zweiten Hälfte sieht es dann auch nicht mehr ganz so gut aus mit unseren Offensivbemühungen und als ein perfekt ausgespielter Konter Burkardt erreicht, ist der mal wieder schneller als Eric und dann weiß auch jeder im Stadion, der Drops ist gelutscht.

Erinnert mich ein wenig an das deprimierende 2:4 im letzten Heimspiel gegen die Mainzer. Im wahrscheinlich kältesten Heimspiel meiner Fankarriere, Stehplatz Gegengerade den Arsch abgefroren, im Schneetreiben nach Hause gewankt und gedacht, das wird schwer in dieser Bundesliga, wenn wir nicht mal Mainz schlagen können. 

Nicht mal Mainz. Die ein Jahr vor uns in die Bundesliga aufgestiegen sind damals und sich seit dieser Zeit in der ersten Liga halten, weil sie solche Spiele wie gegen den FC St.Pauli gewinnen.

Da müssen wir jetzt ganz unerwartete Punkte an anderer Stelle holen, ein einziger in Dortmund würde mich schon ziemlich glücklich machen. Wenn Kiel das in Leverkusen schafft, warum nicht?


Was sonst noch gut war:

Die OZ Choreo 💖

Der Mainzer Support. Auswärtssiege machen halt auch Spaß, kann ich nachvollziehen.

Was sonst noch schlecht war:

Der Schiedsrichter. Nicht schuldig am Ergebnis, aber schuldig an meiner nassen Hose, weil mein Nachbar sich über seine Entscheidungen bzw. Nichtentscheidungen über alle Maßen aufgeregt hat und der Bierbecher vorher noch fast voll war... 

Bei der Schiedsrichterleistung allerdings durchaus verständlich und die Hose musste eh in die Wäsche.

Die Verletzung von Elias Saad, die bei einer besseren bzw. konsequenteren Schiedsrichterleistung eventuell zu verhindern gewesen wäre. Dafür sind diese gelben Kartons erfunden worden, in der 80. Minute bringen die nicht mehr viel.

Die dämliche Werbung, also echt mal Knut Hansen, Drei Zwei Eins Mainz? Sollte das eine Aufforderung sein an die Mainzer, hätte es eher Mainz Zwei Drei heißen müssen. Von wegen der Reihenfolge, verstehste?   


Fotos dazu: Gegengerade Millerntor: FC St.Pauli - FSV Mainz 05, Endstand 0:3

Tore dazu: Burkardt (5./62.) Sieb (16.)

Links dazu: Lehrgeld, vierte Runde (Millernton) Still missing Song 2 (Stefan Groenveld) Dudes sind schuld (Magischer FC) Das kann doch echt nicht wahr sein (Übersteiger)

Musik dazu: David Gilmour - Luck and Strange














Montag, 23. September 2024

Am Rande der Eskalation

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Da freut man sich über endlich anständige Anstoßzeiten in der ersten Liga und was bekommt man? Sonntag 19:30. Mehr Zeit, das unangenehme Gefühl in der Magengegend zu bekämpfen, das mich bei besonders unsympathischen Gegnern immer besonders heftig befällt. Nach den ersten drei Spielen hält sich die Vorfreude etwas in Grenzen und dass jetzt ausgerechnet dieses Kunstprodukt aus Leipzig auf uns wartet stimmt auch nicht gerade optimistisch. Die haben wahrscheinlich Spieler im Wert unseres gesamten Kaders auf der Bank sitzen, das ist nochmal eine ganz andere Liga. 

Gegengerade Stehplätze lese ich was von "Heute kein Alkoholausschank" und denke noch shit, muss man das zu erwartende Debakel auch noch nüchtern ertragen? Zumindest oben gibt's weiterhin Astra und eine Nachricht vom Skipper, der seine Dauerkarte noch nicht abgeholt hat. Ich darf bei den Jungs in G2 sitzen, da hätte ich im Notfall gleich zwei Schultern zum ausweinen.

Und dann kommt das alles ganz anders als gedacht, statt zu jammern wird gesungen und angefeuert ohne Ende, in einer dermaßen brachialen Lautstärke, dass ich meine Hörgeräte um 50% drosseln muss damit mir nicht noch das Trommelfell platzt - und das noch vor dem Anpfiff! Hell yeah, DAS ist Millerntor wie früher, nur in NOCH LAUTER.

Und womit? Mit Recht! Weil endlich mit Elias, Dapo und Manolis die Jungs in der Startelf stehen, die uns erst hier hingeschossen haben. Weil alle begriffen haben, dass sie nur dann in dieser Liga bleiben werden, wenn sie bis zur letzten Minute an ihre Grenzen gehen. Weil sie genau so spielen und weil die Brausemänner mit dieser Gangart überfordert sind.

Was für ein Kampf, was für ein Einsatz und was für Chancen, die wir nicht verwandeln können. Was einigermaßen bitter ist, denn das Tempo können die über 90 Minuten niemals durchhalten. Wenigstens ein Treffer vor der Halbzeit wäre eine Erlösung und hätte wahrscheinlich auf einigen Seismometern für heftige Ausschläge gesorgt, der Eskalationspegel liegt fast dauerhaft  bei gefühlten 100%, bei einem Tor wäre das Dach weggeflogen, aber soll nicht sein.

Leider erwartbar, dass sich die Brausemänner (Chemie Leipzig wäre eigentlich passender gewesen bei dem Produkt) in der zweiten Halbzeit besser präsentieren und wir nicht mehr zu vielen Chancen kommen. Leider ebenfalls erwartbar, dass wir dieses Tempo nicht über 90 Minuten durchhalten, was zu einer furiosen Abwehrschlacht in den letzten zehn Minuten führt, in der jede Grätsche, jeder geklärte Ball, jeder gewonnene Zweikampf die Eskalationsstufe auf den Tribünen weiter erhöht.

Hätte Scott Banks das Ding in der letzten Minute versenkt, wir hätten wahrscheinlich wirklich das Dach reparieren müssen.

 

Was sonst noch gut war:

Deutscher Meister im Blindenfußball! Schon wieder 'ne Schale (nicht die erste) 

Dass niemand den Brausemännern den Mittelfinger gezeigt hat (sagt Marco Rose). Einfach ignorieren find ich auch besser.

Meine Stimmbänder halten so ein Spiel tatsächlich bis zur letzten Minute durch, wenigstens die funktionieren noch tadellos.

Was nicht ganz so gut war:

Man musste sich entscheiden entweder das Herz von Sankt Pauli zu singen oder die Blindenfußballer abzufeiern, das kann man besser organisieren.


Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St.Pauli - Rote Brause Leipzig, Endstand 0:0

Links dazu: Der erste erkämpfte Punkt (Stefan Groenveld) Ein 0:0 der Mut machenden Sorte (Millernton)

Musik dazu: Al Them Witches - ATW / Nothing As The Ideal

 
















 

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Donnerstag, 19. September 2024

Sankt Pauli von oben: Bunkerblick

 









Mein persönlicher Motivationstrainer geht inzwischen am Stock und ist langsamer als ich, was die Auswahl der Ausflugsziele deutlich vereinfacht. Wer schlecht zu Fuß ist priorisiert halt alles Mögliche an alternativen Fortbewegungsmitteln, Auto, Bus, Bahn, Fähre und Fahrstuhl. Vor allem Fahrstühle. Im Bucerius Kunstforum bei der Ausstellung von Henri Cartier-Bresson, im Turm der Nikolaikirche und selbstverständlich auch im Bunker Sankt Pauli.

Die Fahrstühle im Bunker, wenn wir die Ordner am Eingang richtig verstehen, sind allerdings nur für Besucher mit Behindertenausweis und ich frage mich, ob abendliche Restaurantgäste ohne Behindertenausweis ebenfalls die vielen Stufen erklimmen müssen.

Wir probieren trotzdem unser Glück auf der Bunkerrückseite und machen, wahrscheinlich dank Pappenheimers Krückstock, genügend gebrechlichen Eindruck um zur Fahrstuhlnutzung zugelassen zu werden. Den muss man dann noch wechseln um bis zum Dachgarten auf der obersten Ebene zu gelangen, der im Wesentlichen aus einer kleinen Rasenfläche besteht, die wohl zu intensiv genutzt und daher kurzerhand mit Absperrband abgeriegelt wurde.

Geboten wird hier oben außer Colafantasprite kein Bier und ein spektakulärer Blick auf die Hamburger Skyline, soweit ein Blick auf Kirchtürme und Baukräne halt spektakulär sein kann. Was der Bunker aber allen anderen bisher besuchten Kirchtürmen und Aussichtspunkten voraus hat, ist ein nahezu perfekter Blick auf Deutschlands schönstes Erstligastadion und allein dafür hat sich der Ausflug gelohnt.

Michelturm und Elbphilharmonie finde ich als Motiv auch nicht so verkehrt, ich komm dann mal wieder wenn die Kräne weg sind.


Fotos dazu: Nikon D7200

Musik dazu: Yeah Yeah Yeahs - Fever To Tell / Show Your Bones

 












 


Montag, 26. August 2024

Hartes Brot

 










Das war jetzt einigermaßen ernüchternd, endlich zurück in Liga 1 und gleich mal gemerkt, dass der Wind hier deutlich rauer weht, dabei ist Heidenheim doch gefühlt noch unsere Gewichtsklasse. Zumindest mal gewesen, inzwischen haben sie ihr Erstligajahr ziemlich erfolgreich absolviert, wir spielen gegen den achten der letzten Bundesligasaison, darf man auch nicht vergessen.

Dass heute Erstligafußball am Millerntor stattfindet merkt man in der ersten Halbzeit allenfalls am Support, der ist wirklich erstligatauglich laut, entweder liegt das an der langen Fußballabstinenz oder an meinen neuen Hörgeräten, mir gefällt's jedenfalls. Gefallen hätten mir auch ein paar mehr Torchancen, doch die sind leider Mangelware. Für Aufregung sorgt dafür das teilweise grenzwertige Einsteigen einiger Heidenheimer, bei meinem Nachbarn bahnt sich ein Herzinfarkt an wenn der sich weiter so echauffiert. Nur eine rote Karte könnte ihn noch besänftigen, aber am Schiri liegt's halt nicht, dass wir nichts gebacken kriegen.

Null Tore in der Pause aber Sonnenschein, kaltes Bier, gute Stimmung, Leute wiedersehen, wird schon noch denkt man sich, schließlich haben wir ja noch Dapo auf der Bank und Elias und Manolis und dann kommt der Nachbarn an und fragt, wieso eigentlich Dapo, Elias und Manolis auf der Bank sitzen, die den Laden hier hochgerockt haben und schon haben wir die erste Trainerkritik am Start. Das kam schneller als erwartet.

Ja nun, ich weiß es doch auch nicht, aber ich weiß, dass wir uns den Zauberfußball der letzten Jahre wohl abschminken können und irgendeine Lösung finden müssen, damit das hier nicht in die Hose geht. Einfach alle schlagen, die in der letzten Tabelle hinter Heidenheim gelandet sind, das sind ja auch eine ganze Menge.

Heidenheim hätten wir schlagen können, wenn uns in der Sturm- und Drangzeit der zweiten Hälfte endlich ein Tor gelungen wäre. Da bekommt man eine Ecke nach der anderen und läuft dann in einen Konter, es hätte so schön sein können. Statt dessen gibt es wieder lautstarke Trainerkritik, weil Dapo immer noch auf der Bank sitzt und eigentlich will ich da auch gar nicht widersprechen.

Leider können weder Dapo noch Manolis und Elias das Ergebnis drehen, dafür fangen wir noch ein zweites Tor, weil die Heidenheimer bessere Eckenverwerter sind.


Shit happens, abhaken, Auswärtssieg, erstklassig bleiben.


Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC St. Pauli - FC Heidenheim, Endstand 0:2

Musik dazu: Tinariwen - Amatssou / Imidiwan

Links dazu: Noch nicht in Liga 1 angekommen (Stefan Groenveld) Lehrgeld (Millernton)