Vorspiel
Sonntagsspiele haben einen winzigen Vorteil, man kann eine halbe Stunde länger schlafen als am Samstag. Möglicherweise kann ich auch gleich wieder ins Bett gehen, wenn ich so aus dem Fenster sehe ist eine Spielabsage nicht unwahrscheinlich, der Schnee liegt dick auf Autos und Bäumen. Ich fahr den Rechner hoch und guck mir die Webcam der Baustelle an, die ist an Spieltagen nicht online, das letzte Bild zeigt eine geschlossene Schneedecke auf dem Platz.
Einen Kaffee und eine Kippe später bittet man auf der Homepage die Fans, doch bitte mit der Schneeschaufel zum Stadion zu kommen. Der Herr Schiedsrichter würde schon spielen lassen, aber der Schnee müsste vorher weg. Damit konnte nun wirklich niemand rechnen.
Im Viertel werden sich schon genug Schneeschipper melden, ich hätte eh keine Schippe, bau mir meine Sportzigaretten vor und geh mein Orakelfrühstück zubereiten. Naja, ich versuch es. Kennt jemand Getzen, Klitscher oder Käulchen? Seltsamen Kram gibts im Erzgebirge, das meiste aus Kartoffeln und Buttermilch zubereitet. Ich hab mich für Klitscher entschieden, eine Art Kartoffelpuffer, und Kartoffelpuffer gibt es in der Tiefkühltruhe, wenn auch ohne Buttermilch schätz ich. Immerhin Spreewälder Apfelmus dazu, obwohl, das ist eher Cottbus. Egal, was anderes gibts nicht, gegen Aue muss das reichen.
Bei der Witterung ist die doppelte Lage an Klamotten angesagt, dicke Socken und ein Schal mehr als sonst kann auch nicht ganz verkehrt sein. Der Bus ist nicht nur überraschend pünktlich, der Fahrer macht sogar gut Tempo, ich hab sofort Anschluss und darf dafür U Bahn Sankt Pauli eine Viertelstunde auf die Jungs warten, kauf mir den Übersteiger und beobachte die Schwarzhändlerspacken vor dem Ausgang. Umsatz gleich Null, hoffentlich bleiben die drauf sitzen.
Im Stadion die übliche Wurst, dazu gibt es gleich ungefragt ein Bier, dabei war mir eigentlich mehr nach Glühwein, möglichst 0.4 im Pfandbecher, aber was willste machen, geschenkter Gaul und so.. also doch Bier heute. Damit entern wir die Plätze, letzte Reihe dieses mal, direkt vor den Logen. Super denk ich, hier kann man sogar stehen während des Spiels, da tickt mir auch schon von oben jemand auf die Mütze. Ich dreh mich um und erblicke das breite Grinsen von Koschi, der durch irgendwelche Beziehungen an einen Platz in der Astra-Loge gekommen ist. "Wie geil" sag ich, "damit ist unsere Bierversorgung ja gesichert," täusch mich darin allerdings gewaltig, der Mann geht während des Spiels einfach nicht zur Tränke.
Spiel (1)
Der Schnee ist weg, wenigstens vom Platz, der sich allerdings in einem erbärmlichen Zustand zeigt, vielleicht hätte man das Elend bedeckt lassen sollen. Ein furchtbarer Acker, an den sich die Spieler nur schwer gewöhnen. In der ersten Minuten verhungert die Pille laufend im schweren Geläuf, flach spielen ist nicht die Lösung. Die finden wir ab und zu, und dann geht es auch gleich Richtung Strafraum. Im Stadion ist immer noch
12:12 angesagt, das fällt angesichts unserer Anfangsoffensive sichtlich schwer, bei Lattentreffern ist man doch etwas aufgeregter. Darf man eigentlich TOR schreien in den ersten 12 Minuten? Kann man das überhaupt verhindern, wenn einer trifft? Finden wir leider nicht heraus, es passiert nichts, dann ist endlich Lärm, auch im überschaubaren Gästeblock. Das pusht, mit der Zeit lernen auch die Auer dazu und spielen mit, soweit das bei dem Boden überhaupt möglich ist. Unsere Jungs versuchen darauf sogar Hackentricks am Fließband, aber wie das bei Fließbändern so ist, die enden meist ganz plötzlich. Ähnlich wie die Grätschen auf dem Platz, die enden häufig in Schneebergen, so wird man wenigstens halbwegs sanft gebremst. Das Spiel ist recht ausgeglichen, was wir hinten gut verhindern können kriegen wir vorne nur nicht annähernd so gut hin, dabei sind Chancen durchaus da. Aue kassiert einiges an gelben Karten, die Wahrscheinlichkeit einer Ampelkarte steigt, denn auf dem Rasen rutscht man schnell mal weiter als man eigentlich will. Die letzten zehn Minuten kommt noch mal Druck von uns, wird aber nix mehr, 0:0 zur Pause, nicht eine Minute Nachspielzeit, völlig unverständlich, Unterbrechungen gab es genug.
Zwischenspiel
Die Bierversorgung aus der Loge lässt arg zu wünschen übrig, in der Pause ist alles drinnen, wärmt sich auf und futtert Schnittchen. Von Tommi gibt es dafür Nachschub, der mich allerdings vor Probleme stellt, ich habe keine Hand mehr frei und muss Fotos machen. Über Süd und Gegengerade läuft eine ellenlange Tapete, der Weihnachtsmann läuft über den Rasen, die Gegengerade liefert sich eine Schneeballschlacht mit unserer Ersatzbank und die Süd glänzt mit einer schicken Antifa-Choreo, man kommt kaum hinterher. Richtig was los hier in der Halbzeit, mit einem vollen Bier auf dem Boden ist mir das zu unsicher. Die Loge über mir hat schöne Becherhalter, ich deponier dort meinen vollen Becher und dokumentiere das Geschehen auf Rängen und Rasen. Fünf Minuten später läuft das Spiel wieder und meine Hand greift ins Leere, das Bier ist weg.
Wie kann auf nicht besetzten Logenplätzen ein Bier verschwinden? Ich verdächtige sofort Herrn L., der durchaus zu solchen Streichen in der Lage ist, kann aber beim besten Willen nichts entdecken, auch ein näherer Blick über die Brüstung ist erfolglos. Herr L. will allerdings vor kurzer Zeit noch die Bedienung gesehen haben.
Das nenn ich mal gründliches Servicepersonal, räumt in Windeseile alles weg, was nicht in eine Loge gehört, auch randvolle Pfandbecher. Hoffentlich ist der leere wenigstens bei Viva con Agua gelandet hinterher.
Spiel (2)
Das elitäre Logenvolk ist inzwischen wieder draußen, das sichert mir Ersatzbier für die zweite Hälfte, Koschi hat ein Einsehen. Immerhin, jetzt klappt das, sogar richtige Gläser gibt es da oben. Der Stoff ist auch nötig, denn nach ein paar Minuten führt Aue mit 0:1, ausgerechnet Torre macht Bockmist, dann versucht er den wieder gut zu machen und fälscht den Ball auch noch ab, der sitzt. Genau im Winkel, was fürn Dreck.
Nach dem ersten Schock beruhigt mich meine nette Nachbarin, sie wär da noch ganz optimistisch. Stimmt ja auch, ist nur ein Tor, wir haben mindestens 40 Minuten Zeit und eigentlich waren wir bisher besser, das klappt noch. Kann passieren. Spiele drehen ist unsere Spezialität, auf geht's.
Zehn Minuten laufen wütende Angriffe ohne Erfolg, dann ist die Luft raus, dafür laufen wir in Konter, die unsere Abwehr ganz schlecht aussehen lassen. Herr L. verzweifelt wieder mal bei den Aktionen von Kalla, und ich muss leider zugeben, dass der für jede gute Aktion drei andere Dinger völlig versemmelt. Kaum hat man einmal "schön gemacht Jan-Philipp" gerufen muss man sich eine Minute später dafür rechtfertigen. Seine Kollegen machen es aber auch nicht besser, die Ochdnung ist hinten völlig verloren gegangen, ein grauenhaftes Gebolze auf einem grauenhaften Acker. Tschauner rettet mehrfach in höchster Not, seine Abschläge kann man leider auch oft nur als Notfälle bezeichnen.
Und bei dem vogelwilden rumgeglitsche und gestochere auf dem Platz dauert es auch nicht lange, dann steht es 0:2. Mit Ansage. Aue schindet Zeit ohne Ende, schläfert alle ein und dann ein eiskalter Konter. Was ist das für ein Hühnerhaufen da unten, ich glaub es ja nicht. Sind wir hier im Weihnachtsmärchen? Noch eine Viertelstunde, das wird nichts mehr. Inzwischen sind außer Saglik auch Daube und der Ebbefant drin, der sogar einen Kopfball aufs Tor bringt, dummerweise direkt auf den Torwart. Wir verwerten unsere Chancen nicht, keiner ist dazu heute in der Lage, und wenn die noch drei Tage spielen. Eher sorgt der Hühnerhaufen namens Defensive noch für ein Debakel, als das wir mal den Kasten treffen.
Kurz vor Schluss kassieren wir folgerichtig das 0:3, wenn schon, denn schon. Haben wir jemals gegen Aue gewonnen? Ich kann mich nicht erinnern. Drei Kartoffelpuffer einer norddeutschen Firma können jedenfalls nichts an der Bilanz ändern, das war eher kontraproduktiv.
Der Schiri lässt tatsächlich nur zwei lächerliche Minuten nachspielen, ich will mich schon aufregen, da fällt mir ein, dass bei vier Minuten Nachspielzeit eher noch ein Treffer für die Erzgebirgler fällt und ich geb mich geschlagen. Sind die Punkte halt auch weg.
Nachspiel
Koschi will noch das Buffet plündern, zur Strafe muss er wohl die beiden lautstarken Fans aus dem Erzgebirge ertragen, die sich ebenfalls in der Loge tummelten. Seltsame Zusammensetzung, das muss ich mir noch mal genauer erklären lassen. Nach einem kurzen Klönschnack am AFM Container will Herr L. mich zu einem Domaufenthalt überreden und lockt mich mit Pommes und Erdnusssauce, aber das kann ich dank der
Informationen des Exilwestfalen inzwischen selber machen. Crêpe zieht als zweites Argument schon eher, genau darauf hat er es ohnehin abgesehen.
Das Wetter ist beschissen, es regnet Bindfäden und mir ist kalt, trotz der mehrlagigen Kleidung. Dagegen muss man etwas machen, ich geb eine Runde Glühwein aus, am letzten Stand vor der U-Bahn, der hat Schirme zum unterstellen. Hinter mir murmeln Stimmen etwas von "ohneohneohne" und ich bestell dreimal Glühwein mit Schuss, worauf mir Schwerhörigkeit vorgeworfen wird. Ich hab aber nichts an den Ohren, ich hab nur Geschmack, ohne Rum taugt das nix.
Setzt sich auch durch, die nächsten Runden sind ebenfalls mit Schuss, bis mir warm genug ist. Manche Tage erträgt man besser im Delirium.
Was für ein Segen, dass ich nächstes Wochenende Weihnachtsmärchen gucken geh, sonst wäre Ingolstadt tatsächlich eine Option gewesen. Nächstes Jahr gehts weiter, hoffentlich wieder auf der Gegengerade. Da ist mir noch nie ein Bier abhanden gekommen.
Musik, die der Dartmeister heute eigentlich bekommen sollte, aber wenn man nicht am Treffpunkt ist hört man was anderes als
Rory Gallagher - The Beat Club Sessions
Das muss ich mir erst mal in Ruhe durchlesen... :)
AntwortenLöschenUnd? Zu viel Buchstaben?
LöschenDas war ja mal ein Satz mit x.
AntwortenLöschenBei solch Platzverhältnissen kann es aber zu Betriebsunfällen kommen. Näxtes Mal etwas mehr Mühe mit dem Orakel dann wirds schon klappen :)
Kartoffelpuffer ist jedenfalls voll norddeutsch, das ging nach hinten los.
LöschenEin einziges mal haben wir gegen Aue gewonnen afaik, normal kann man bei denen schon vorher mit null Punkten rechnen, dabei wären wir gestern dran gewesen. Nur treffen muss man schon.
AntwortenLöschenJede Serie geht irgendwann zu Ende, vielleicht fahr ich nächste Saison mal ins Erzgebirge und erkundige mich vor Ort nach Spezialitäten.
LöschenDas tut mir jetzt sehr leid. Aber ehrlich mal, Kartoffelpuffer ausm Gefrierfach! Und Apfelmus von den Preußen!Das kann ja nichts werden gegen eine Mannschaft ausm Erzgebirge
AntwortenLöschenJa, das hab ich befürchtet. Wahrscheinlich hätte ich Dich vorher konsultieren sollen, aber allzu aufwändig darf es bei diesen Anstoßzeiten halt auch nicht sein.
LöschenDas "BIER" Transparent auf Bild 1 gefällt mir. So eins will ich auch ! *g*
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