Mittwoch, 30. Oktober 2013

Carepaket aus Edinburgh















Es ist immer gut, wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, am besten auch noch länderübergreifend. In diesem Fall kenne ich jemanden in Portugal, der jemanden in Schottland kennt, der mich mit allen drei Sorten Ashers Whisky Cake beglückt hat - und das wahrscheinlich schneller als jeder deutsche Whiskykuchenversender, falls es einen solchen geben sollte. Dazu auch noch deutlich günstiger, denn mir fehlt immer noch eine Kontoverbindung, in dieser Richtung versagt die Kommunikation bisher.

Jetzt stehe ich vor der Herausforderung, die richtige Reihenfolge der Verkostung zu wählen. Zuerst den süßen mit Speyside Single Malt oder doch den rauchigen von den Islands? Den schon bekannten Highlander für Gäste aufbewahren oder die Waage einfach ein paar Tage ignorieren?

Die Entscheidungsfindung wird unterstützt von Lagavulin Pedro Ximenez Cask, 1995er Wood Distillers Edition und The Pogues - Red Roses For Me/ Rum Sodomy & The Lash. Erleichtert noch nix.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Die kleinsten Dinge...















..bereiten oft die größte Freude. Zwei Spielplätze, ein Rummelplatz, viermal mit dem großen Karussell, aber das beste ist die Zuckerwatte.

(Das allerbeste sind die knapp 50 Volltreffer mit dem Objektiv, aber das ist nur meine unmaßgebliche Meinung zu diesem Tag)

R.I.P.:  Lou Reed - Rock'n Roll Animal / Live / Coney Island Baby

Samstag, 26. Oktober 2013

Zu Hause ist es nicht immer am schönsten
















Vorspiel
Warum kann man mich an einem solchen Tag nicht mal ausschlafen lassen? Diesmal ist es ein Telefonknecht meines Providers, der mir irgend etwas ganz tolles über E-Mails erzählen will, und das um 9 Uhr morgens. Als ich ihm erkläre, dass ich darüber mit ihm weder um diese, noch um irgend eine andere Zeit reden möchte, wird er auch noch patzig und lässt dumme Sprüche ab. Super, jetzt bin ich wach.

Als ich mit ihm fertig bin ist der Adrenalinspiegel zu hoch zum weiterpennen. Ich versuch es natürlich trotzdem und wache um 13 Uhr völlig gerädert auf, der Tag kann nur noch übel werden. Meine Laune bessert sich in der U-Bahn, eine St.Pauli Kleinfamilie sorgt für Unterhaltung, der Kleinste löchert Muddern mit Fragen.
"Mamaaaa, wie hat Sankt Pauli letztes mal gespielt?"
"4:2 gewonnen gegen Fürth, weißt Du doch noch." 
"Spielen wir heute auch gegen Fürth?"
"Nein heute spielen wir gegen Sandhausen."
Denkpause.
"Gegen die gewinnen wir aber auch, oda?"

Wäre zu hoffen, ich befürchte trotzdem ein grottiges Spiel, weil Sandhausen garantiert hinten drin steht und uns dann wieder nix einfällt. Ein frühes Tor könnte das verhindern, mal überraschen lassen.
Im Stadion quatsch ich mich bei nem Bier mit dem Langen fest, der ähnlich schlechte Vorahnungen hat wie ich, was das Spiel betrifft. Er tippt auf ein 0:0, ich leg mich auf nen knappen Sieg fest, aber das Spiel wird ganz sicher furchtbar, da sind wir uns einig.

Meinen Platz entere ich erst zehn Minuten vor Anpfiff, Herr L. ist noch nicht da, dafür freut sich meine Nachbarin über neue Aufkleber, die einzigen drei doppelten in meiner winzigen Sammlung. Heute ist Aktionstag gegen Homophobie und Sexismus, was man hauptsächlich an vielen bunten Luftballons bemerkt, wenn es eine Choreo gab hab ich sie verpasst. Von den Aufklebern gegen Homophobie und Sexismus habe ich extra zwei mitgenommen, um meinen Sitz etwas bunter zu gestalten, aber das verpenne ich auch.

Ich muss knipsen, denn die Südkurvenhooligans zündeln mal wieder was das Zeug hält, gefährliche Kinderpyros wohin das Auge sieht. Die Kompaktknipse ist damit völlig überfordert, aber wenn man genug Aufnahmen davon macht, kann man auch mal Glück haben. Über uns hat jemand sämtliche Bürolocher einer sehr großen Firma geleert und den Inhalt großzügig verteilt, was für ein Segen, dass ich mein Bier an einer sicheren Stelle verwahre. Rechtzeitig zum Anpfiff ist auch Herr L. am Platz, direkt von der Arbeit ins Stadion und gleich zwei Bier dabei, wie nett.

Spiel (1)
Während die ersten Angriffswellen auf das Sandhausener Tor rollen gehen wir kurz die Aufstellung durch. Kalla und Buchti waren zu erwarten, Schindler für Nehrig, Maier in der Startelf hab ich mir gewünscht und Nöthe im Sturm, naja. Verhoek ist wohl noch nicht soweit. Die ersten zehn Minuten vergehen wie im Fluge, gefälliges Spiel nach vorne, leider aus den Chancen nichts gemacht. "Ich leg mich mal fest jetzt," sagt Herr L. "Nöthe macht das 1:0." Doch daran ist überhaupt nicht mehr zu denken, denn wir kommen zeitweilig überhaupt nicht mehr über die Mittellinie. "Ich hab gedacht, dass wird n Scheißspiel, weil Sandhausen hinten drin steht, nicht weil wir hinten drin stehen" bölk ich Herrn L. ins Ohr aber auch der kann nur den Kopf schütteln über das Geschehen auf dem Platz.
Sandhausen ist dabei nicht beunruhigend gefährlich, die stehen nur einfach kompakt, und das wesentlich höher als erwartet. Dazu müssen sie bei dem grauenhaften Zufallsgekicke einfach nur auf einen unserer Fehlpässe warten. So geht es hin und her, Ackerfußball in Reinkultur. Bolzen und hoffen das was ankommt. Zehn Minuten vor Halbzeit geht dann mal wieder was nach vorne, kurz vor Pfiff noch zwei dicke Möglichkeiten, doch Schindler kann die Kugel nicht ins Gehäuse bringen und auch das "Nööööööööööthe" Gebrüll meines geschätzten Nachbarn hilft der Nummer 9 nicht, Halbzeit. Torlos und trostlos.

Zwischenspiel
Herr L. holt Nachschub, ich kann Tapeten knipsen. Mit Moritz ist hoffentlich nicht Volz gemeint und was zum Teufel sind Pull Up's? Den Gruß an Nord-Support begreif ich auch nicht so ganz, aber die haben gerade Jubiläum oder so etwas. Man bekommt in unserer Ecke vom Norden überhaupt nichts mehr mit, das ist der große Nachteil. Selbst bei Wechselgesängen raffen die meisten erst nach einigen Minuten woher das kommt.
Nach dem Spiel ist auch noch Demo angesagt für die Lampedusa Flüchtlinge, müsste man eigentlich mitmachen. FCK SPD. Rassistische Kontrollen sind der letzte Schritt vor was? Wieder Sterne an die Jacken nähen? Keine Fortschritte in dieser Stadt, alles nur Erben Schills, ekelhaft. Mal sehen was Herr L. dazu meint.

Der kommt wenig später mit zwei frischen Bieren an und tippt bedeutsam an die Becher. Beides Nöthe, der will es wissen heute. Unser kleiner Feuerwehrmann will wohl anschließend auch auf die Demo, da könnt man sich vor der Süd verabreden und gemeinsam gehen. Aber nu ist ersma Fussi angesagt. Nicht mehr für jeden, hinter uns bleiben einige Sitze leer. Das können nur Tagesgäste sein, die in der Halbzeit gehen. Eventfans sind meistens schnell wieder weg, wenn das Event zu wünschen übrig lässt. Die beiden Herren vor uns sind auch neu, kommen aber kurz nach dem Anstoß wieder, trotz der bis dahin wenig erbaulichen Ballartistik.

Spiel (2)
Gleich eine Chance für uns und gleich abgepfiffen, wegen was auch immer. Der Schiedsrichter geht mir heute auch schwer auf den Sender, entweder pfeift der in der zweiten Hälfte noch schlechter, oder es liegt daran, dass man von hier aus unsere Strafraumaktionen nicht mehr so gut beurteilen kann. Wenigstens haben wir welche, das ist schon mal was. Nöthe wird trotzdem kein Tor machen heute, es sei denn er schafft es, eine Flanke auf seinen eigenen Kopf zu schlagen. Der treibt sich überall rum, nur nicht im Strafraum. Herr L. wird trotzdem nicht müde bei seinen Szenen auf den Becher zu tippen. Es ist weiter ein furchtbar unansehnliches Geholze auf dem Rasen, man mag gar nicht hinsehen. Ratsche ist sehr blass heute, aber wen bringen? Frontzeck wechselt lieber Bartels gegen Verhoek. Einer der Herren vor uns dreht sich um. "Sach ma, ihr seid doch Sankt Pauli Fans oder?" Hmja. Was soll man da antworten, wenn man den Rest des Satzes schon ahnt. "Habt ihr wirklich Lust euch so etwas jede Woche anzusehen? Das ist doch Not gegen Elend."
Ja nu. Ist halt nicht immer so. Wenn man nur Fan von Vereinen sein könnte die jedes Wochenende perfekten Fußball zelebrieren, dann ist die Auswahl nicht besonders groß. Ich weiß warum ich hier stehe sitze. Aber während des Spieles habe ich keine Stunde Zeit darüber zu dozieren, außerdem kann man so etwas Außenstehenden ohnehin schwer vermitteln.

Inzwischen ist Lenny Thy für Maier im Spiel. Hätte ich nicht gemacht, was ist wenn wir jetzt einen Freistoß kriegen? Wir kriegen natürlich kurz darauf einen, aber Halstenberg ist halt kein Maier, das Ding ist kein Problem für den Keeper. Am Ende macht der Schiri es noch einmal spannend, der Pfiff ertönt, der Würfel rollt, die Zahl sagt Freistoß für Sandhausen. Völlig lächerliche Entscheidung, aber bevor man sich gebührend darüber aufregen kann führt ein Spieler den aus und Tschauner muss in höchster Not retten. Das hätte gerade noch gefehlt. Am Ende gibt es zwei lächerliche Minuten Nachspielzeit, die fast alle für einen letzten Wechsel bei Sandhausen draufgehen. 

"Wären wir bloß nach Fürth gefahren" sagt Herr L., "oder nach Ingolstadt. Das wär'n mal bayrische Wochen gewesen." Hättewärewenn. Nicht einmal nach Bayern geschafft dieses Jahr, auch München wird nichts durch die blöde Terminierung, wahrscheinlich gewinnen sie da auch noch. Zu Hause ist es halt nicht immer am schönsten, gegenwärtig sind Heimspiele jedenfalls keine Erbauung, aber für Auswärts fehlt momentan einfach die Zeit.

Nachspiel
Das Spiel wollten sich wohl viele schön saufen, von den gewaltigen Mengen gespendeter Pfandbecher hat wenigstens Viva con Agua was, man muss die positiven Seiten sehen. Wir holen uns noch zwei Bier und latschen in Richtung Süd, der Feuerwehrmann hat keine SMS hinerlassen, also einfach mal gucken. Herrn L. überfällt der kleine Hunger und auch ich könnte was zu beißen vertragen. Die gewaltige Schlange vor dem Veggiemann ist nicht abschreckend genug, für keinen anderen Burger würde ich anstehen. Ist leider ein hoffnungsloses Unterfangen, als wir nach einer gefühlten Stunde dran sind ist kein Burger mehr zu bekommen, alles weg. "Du musst doch inzwischen wissen wie viel tausend Du von den Dingern brauchst" mecker ich ihn an. Mein Unglück macht ihn sehr betroffen, der nächste geht dafür aufs Haus verspricht er mir. Nutzt nix, die Demo ist auch schon lange unterwegs und ich verzichte darauf Herrn L. zu einem Gewaltmarsch zu überreden, ich wüsste nicht einmal in welche Richtung die gelaufen sind.
Wir futtern uns dafür durch das restliche Angebot des Vegetariers und verpieseln uns nach Hause.

Wir haben wenigstens eins, alle anderen sollten auch eins haben. Von mir aus auch gerne in Hamburg, eine Stadt die 789 Millionen für eine extravagante Dudelhalle übrig hat kann das locker verkraften.


Wird in der Dudelhalle nie zu hören sein, falls sie jemals fertig wird:
Frank Zappa - Waka Jawaka/The Grand Wazoo/Over-Nite Sensation/Apostrophe/Zoot Allures













Donnerstag, 24. Oktober 2013

Nichts als Ärger mit den Rostockern
















Besonders wild sieht die Beule in meinem Kotflügel jetzt nicht aus, beim Fahren ist sie auch nicht weiter hinderlich, aber teuer ist sie trotzdem. 2800 sagt der unabhängige Sachverständige, was bei einem Fahrzeugwert von 2500 nichts anderes heißt als "wirtschaftlicher Totalschaden".

Mein dritter Totalschaden in drei Jahren, davon zwei an einem Auto, wäre ich Versicherungsdetektiv oder so etwas, ich würde direkt mal nachforschen. Allerdings ohne Ergebnis, denn diesmal habe ich nicht einmal drin gesessen, nur geparkt. Reicht auch schon. 

Vielleicht war der große St.Pauli Aufkleber auf der Heckscheibe eine unterbewusste Provokation, oder die Rostocker Dame hat meine Karre wirklich nicht gesehen. Kann passieren so etwas, immerhin ist sie nicht geflüchtet, hat brav die Cops gerufen und ihre Daten hinterlassen. Nicht ohne zu jammern, dass meine Karre im Parkverbot stehen würde, aber ein etwas dünnes Argument wenn das auf der anderen Straßenseite ist. Vielleicht ist ein VW-Bus auch etwas unübersichtlich, dann sollte man schon vorher gucken wo man damit hin will.

Die Versicherung guckt sich jetzt schon seit Wochen das Gutachten an, ohne dass etwas passiert. Irgendwann bin ich mit der Geduld am Ende, wahrscheinlich alles Hansafans, die mit Dartpfeilen auf die Fotos werfen. Hilft nix, ich muss in Rostock anrufen und Dampf machen. 

Doch da drüben sind sie so schlau wie ich, denn dummerweise reagiert der Versicherungsnehmer weder auf Anschreiben noch auf Telefonate, die Dame ist schlicht verschollen, ohne den Schaden zu melden. Die dritte Aufforderung wäre gerade rausgegangen.
Na wunderbar, denk ich, da habe ich wohl eine der gar nicht so seltenen Briefnichtöffner erwischt. Mit etwas Pech darf ich auch noch die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, als hätte ich Zeit für so einen Mist.

Mit Rostockern hat man nix als Ärger, selbst wenn der Verein inzwischen in einer angemessenen Liga kickt und man selber die Stadt meidet wie der Teufel das Weihwasser, man entgeht ihnen nicht.

Ärger abrocken: Doyle Bramhall II & Smokestack - Welcome

Montag, 21. Oktober 2013

Die wahrscheinlich glücklichsten Kühe Deutschlands















Neulich hat der Pappenheimer festgestellt, dass wir uns jetzt seit über 10 Jahren persönlich kennen. Die gegenseitigen Besuche sind seitdem eher mehr als weniger geworden, das Sauerland zu etwas wie einer zweiten Heimat für mich und trotzdem habe ich über 10 Jahre gebraucht um es endlich auf den legendären "Bersch" zu schaffen, von dem ich in diesen Jahren unendlich viele legendäre Geschichten gehört habe, die sich hauptsächlich um mehr oder weniger legendären groben Unfug drehten - und natürlich ebenso legendäre Partys, was durchaus Hand in Hand gehen kann.


Die Bewohner dieses Berges haben sich in einer stillen Ecke ein autarkes Refugium geschaffen, der für die notwendigsten Gerätschaften (Kühlschrank, Musik und Laptop) benötigte Strom wird durch Windkraft und Solarzellen erzeugt und in kalten Nächten schmeißt man den Ofen an. Selbstverständlich alles selbst gezimmert und gebaut, inklusive der Stromgeneratoren, für andere Wege sind Taschenlampen erforderlich. Das ist ungefähr die Kurzfassung. Dazu kannte ich ein paar Details in unscharfen Schwarzweißfotos, in dunklen und verräucherten Nächten aufgenommen, die den mystischen Ruf dieses Ortes wahrscheinlich untermauern sollten.


Erstaunlicherweise gibt es Taxifahrer, die einen dort in der Nähe absetzen. Erstaunlicherweise, weil die wenigsten Taxifahrer mit geländetauglichem Material unterwegs sind. Ein paar Kilometer den Berg hoch und einspurig sind eine weitere unangenehme Kombination, Gott sei Dank hält sich der Verkehr hier in Grenzen, wer diesen Weg mit seiner eigenen Karre fährt muss schon einen triftigen Grund haben. Also eigentlich nur die Bewohner und Menschen, die überhaupt wissen dass dort jemand wohnt.

Ebenso abenteuerlich der anschließende Fußmarsch, bei dem mich der Pappenheimer mehrfach vor den Tretminen der anwesenden Wiederkäuer warnte, nur um bei der ersten Gelegenheit zielsicher in eine solche zu treten. Der weitere Weg hielt noch ein paar weitere Gefahren bereit, doch auf eine erneute drastische Vorführung dieser Fallen hat er gottlob verzichtet.

Verzichtet habe ich auf die Fotoausrüstung, weil ich auf einer Geburtstagsfeier nicht mit dem ganzen Gerödel herumlaufen wollte, bedauert habe ich es schon auf dem Weg. Am Arsch der Welt hat man ja oft einen traumhaften Ausblick, ganz egal wo der gerade ist, hier ist es der Ausblick auf saftige Wiesen und grüne Wälder bei schönstem Sonnenschein und ich hab nur die Kompaktknipse dabei.


Erwartet habe ich eine dunkle Blockhütte irgendwo im dunklen Wald, durch die in kalten Nächten der Wind pfeift und man trotz Ofen seine Jacke lieber nicht auszieht. Gefunden habe ich ein kleines Paradies mit viel Platz für allerlei Aktivitäten, himmlische Ruhe, lauter nette Menschen und glückliche Kühe. Was ganz sicher nicht alleine an den saftigen Wiesen liegt, denn im Regenwald werden Kühe auch ganz liebevoll massiert und mit Bier abgefüllt, nur machen die hier nicht so ein Bohei darum wie die Japaner mit ihren Kobe-Rindern.


Trotz tierischer Unterstützung ist es uns leider nicht gelungen die beiden Fässer Bier komplett zu leeren, was ganz besonders schade ist, weil doch erstmals in der Geschichte die Unabhängigkeit von konventionellen Stromquellen aufgegeben wurde, um den Betrieb der Zapfanlage auch unter widrigen Bedingungen zu gewährleisten. Schuld daran ist nur der Pappenheimer, der unbedingt noch ein paar Flaschen gärenden Traubenmosts öffnen musste statt sich auf  Gerstensaft zu konzentrieren.

Vielleicht hätte man etwas mehr trinken können, hätte man nicht so viel essen müssen. Die gewaltigen Mengen an diversen Braten und die Vielfalt der selbstgemachten Salate hätten sogar auf Familienfeiern meiner Schwiegermutter schwer Eindruck hinterlassen, da konnte nicht einmal der Pappenheimer widerstehen. Für eventuelle nächtliche Fressattacken der Spaßzigarettenraucher standen gleich zwei Torten bereit, eigentlich fehlten nur etwa zehn Leute mehr um das alles verputzen zu können.

Dann wäre es mit dem Bier allerdings eng geworden.

Wochenendchillout: Fanta 4 - Live und direkt / 4:99








Samstag, 19. Oktober 2013

Frikadellenfotowettbewerbe....














...sind bei weitem nicht die einzigen Vergnügungen denen man sich im Regenwald hingeben könnte. Bei der Menge die Maitre Hippolyte gestern hier (inklusive Nudelsalat) abgeliefert hat wäre auch ein Frikadellenwettessen möglich gewesen. Das darf man allerdings nicht auf den nächsten Tag verschieben, denn wie ich die nächtlichen Fressattacken des Pappenheimers kenne dürften nicht mehr viele der kleinen Bananenfleischklopse die letzte Nacht überlebt haben.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Wohnzimmerkonzerte
















Zwanzig Minuten vor angekündigtem Konzertbeginn könnte ich mir unter den 18 Sitzplätzen einen aussuchen, sogar in der ersten Reihe. Wo sind die ganzen Damen, die vor zwei Jahren so begeistert waren von Rod Picott? Ist heute Fußball oder zieht der Tatort so viel ab?
Nicht einmal 25 Menschen verirren sich am Ende in den Norderstedter Musicstar, als die "Wild Ponies" Doug und Telisha Williams das Vorprogramm bestreiten. Ich finde das unglaublich schade, aber Doug und Telisha lassen sich den Abend dadurch nicht verderben, ganz im Gegenteil, sie verbreiten schlagartig gute Laune. Doug hat heute Geburtstag und genießt es außerordentlich, an seinem Ehrentag German Beer trinken zu können. Neben seinem Mikrofon stehen gleich drei Flaschen eiskaltes Kellerbier, die er während der knappen halben Stunde des öfteren mit liebevollen Blicken betrachtet. Er lässt sich auch durch zwei gerissene Saiten nicht aus der Ruhe bringen und wechselt einfach zur elektrischen Gitarre, merkt aber lachend an, dass er jetzt schon zwei CDs verkaufen müsste um nicht in die roten Zahlen zu rutschen.

Eine davon kaufe ich in der Pause, zusammen mit der neuen Scheibe von Rod Picott, der für den Rest des Abends von den beiden musikalisch begleitet wird. Rod Picott's Circus of Misery and Heartbreak macht allen Beteiligten einen Heidenspaß, weil die wenigen Besucher sich alle Mühe geben nach der dreifachen Menge zu klingen und weil der gute Rod zwischen seinen großartigen Liedern wieder ähnlich unterhaltsame Geschichten zu erzählen weiß wie beim letzten Mal.

Mit Wohnzimmerkonzerten kennt er sich aus, weil er öfter eingeladen wird auf Hochzeiten zu spielen. Was ihn immer sehr verwundert, dass Leute auf Hochzeiten Lieder über Arbeitslosigkeit, das Leben in Trailer Parks und zerbrochene Beziehungen hören wollen. Meistens muss er dann auch nur Angels & Acrobats spielen und kann danach ans Buffet, deswegen nimmt er solche Einladungen gerne an.
Sehr viel anstrengender ist es im Vorprogramm von Alison Krauss & Union Station, wenn 2000 Cowboys in Oklahoma City im falschen Rhythmus klatschen.Wenn man die dann bittet damit aufzuhören klatschen sie gleich gar nicht mehr, da ist es hier in Norderstedt weit angenehmer.

Er spielt ein paar ältere Songs und natürlich reichlich von seiner neuen CD, zu deren Kauf ich mich schon zu diesem Zeitpunkt beglückwünsche, die ist mindestens so gut wie der Vorgänger, und Welding Burns habe ich rauf und runter gehört...
Natürlich gibt es auch einen "Breakup Song", sogar einen ziemlich aktuellen, denn er hat gerade wieder eine Trennung hinter sich. I might be broken now hat er der Einfachheit halber gleich zusammen mit Amanda Shires geschrieben, der zweiten Protagonistin des Dramas. Wäre aber alles gut, inzwischen ist sie mit einem netten Kerl verheiratet. Songwriter sind ein seltsames Volk.

Aber unglaublich nette Leute, von denen ich mir im Anschluss an dieses schöne Wohnzimmerkonzert noch die gekauften CDs signieren ließ. Der große Vorteil kleiner Wohnzimmer, man kann mit den Leuten noch schnacken. Ich hab ja immer gedacht, wer es ins Vorprogramm von Alison Krauss schafft ist schon eine Hausnummer in den USA, also zumindest eine nicht ganz unbekannte. Aber eigentlich hat er nur den Merchandisewagen gefahren und durfte das Vorprogramm bestreiten wenn jemand ausfiel. Hat ihm immerhin etwas später einen Gastauftritt auf der Stray Dogs CD eingebracht, der aber auch nur deshalb zustande kam, weil die zufällig einen Tag vorher zusammen was gebechert haben.

Mit Alison Krauss einen saufen gehen kann aber sicher auch nicht jeder. Mit Rod Picott ginge das vielleicht, in Norderstedt.

Wird mit jedem Durchgang besser: Rod Picott - Hang Your Hopes On A Crooked Nail

Aufnahmen mit ISO 3200 und Nikkor 50mm 1.8 (dunkles Wohnzimmer)











Sonntag, 13. Oktober 2013

Markttag ist Stichtag















Am Samstag morgen klingelt das Telefon, fünf Minuten bevor ich das Haus verlasse erzählt mir der Kollege, ich könnte in jenem bleiben, es gibt nicht mehr viel zu tun. Prinzipiell natürlich eine schöne Sache, nur hätte ich das ganz gerne schon gestern gewusst, so weiß ich mit der unverhofften Freizeit erst mal nichts anzufangen.

Da fallen mir die Kohlrouladen ein, mit denen Inch mir vor ein paar Tagen in ihrem Blog den Mund wässerig machte. Man könnte sich mal wieder an den Herd stellen und einen lukullischen Luxustag einlegen. Der beginnt natürlich beim Frühstück, also fahre ich zum Markt und suche den Krabbenfischer auf, den mit den großen frischen Büsumer Krabben. Die Zutaten für Kohlrouladen bekomme ich sicher bei seinen Kollegen nebenan, das erspart mir etliche Wege.

Dafür entpuppen sich die Wege auf dem Markt als gefährlich für die Gesundheit, freilaufende Rentner auf LSD machen das Gelände unsicher, anders ist das nicht zu erklären. Beim Bäcker rammt mir jemand den Rollator derart in die Hacken, dass ich froh über die relative Höhe meiner Outdoorbotten bin, mit Halbschuhen wäre das schmerzhafter gewesen. Immerhin kann Opi sich zu einer gemurmelten Entschuldigung durchringen, versucht aber keine Minute später mit dem Ding über meinen Fuß zu rollen. Was natürlich nicht klappt. Statt das Hindernis in Augenschein zu nehmen unternimmt Opi einen zweiten Versuch, mit Anlauf. Das klappt, weil ich meinen Fuß rechtzeitig wegziehe rammt er seinen Gehwagen volle Elle gegen den Tresen. "Einen Führerschein haben sie hoffentlich nicht mehr" grinse ich ihn an. Das ist ihm sichtlich peinlich und er entschuldigt sich mit der nicht richtig funktionierenden Bremse an seinem Gefährt. Ich wusste gar nicht, dass die so etwas haben, dann sollten die vielleicht auch ab und zu zum TÜV.

Kurz darauf fängt es dummerweise an zu regnen, was sich im Gedränge als äußerst tückisch erweist. Wenn man von lauter gramgebeugten alten Mütterchen umgeben ist, die mit ihren Regenschirmen in Augenhöhe herumwackeln, muss man wirklich um sein Augenlicht fürchten. Wenigstens einmal hat mich meine Brille gerettet, sonst trüge ich jetzt eine Augenklappe, die Stiche von hinten in den Nacken habe ich nicht gezählt. Nächstes mal setze ich einen Helm auf wenn es an Markttagen regnet.

Am Stichtag angekommen, die neue Pearl Jam - Lightning Bolt



 

Freitag, 11. Oktober 2013

Nachts auf dem Kirchturm















Ein abendlicher Besuch auf dem Kirchturm des Michel war schon länger in der Planung, wurde aber bisher verhindert von Schlechtwetter, Scheißsechstagewochenackerei oder schlichter Faulheit. Dank der ungebremsten Unternehmungslust des Pappenheimers habe ich es nun doch endlich geschafft, mit überschaubaren Ergebnissen.

Wenn ich ehrlich bin hat mich die Aussicht von dort oben nie wirklich begeistert, das ist alles so klein aus über 100 Metern Höhe, alles so weit weg, und alles furchtbar dunkel, außer Elbe und Hafen. Wenigstens war es nicht so voll wie befürchtet, so dass wir in aller Ruhe mit unseren Stativen rumklappern konnten. Eine ziemlich lange Klapperei, denn der dämliche Zaun war höher als in meiner Erinnerung und schränkte die Bewegungsfreiheit der Objektive zusätzlich ein. Was den Pappenheimer nicht weiter anfocht, der sich gleich einen Stock höher verzog.

Folglich habe ich den Hafen fotografiert, von links und von rechts und von vorne, mit Dock, mit Cap San Diego, mit den Bauten für die Musicals gegenüber und mit allem zusammen, was im Endeffekt für recht wenig Abwechslung gesorgt hat. Wo ist der Dom wenn man ihn mal braucht...

Der Park mit dem ollen Bismarck war mir zu dunkel, die Häuserschluchten zu uninteressant, und auf die Idee mal eine längere Brennweite zu benutzen bin ich nicht gekommen. Vorsorglich habe ich das große Rohr gleich zu Hause gelassen, wenn Dummheit und Bequemlichkeit aufeinander treffen...
Sieht so aus, als müsste ich noch mal auf den Nachtmichel, beim zweiten Anlauf kann man auch ein paar kleinere oder größere Fehler vermeiden.

Zum Beispiel den (im Preis inbegriffenen) alkoholfreien Punsch, den der Pappenheimer mir (trotz Alkoholfreiheit) wärmstens empfahl. Das hätte mich schlagartig misstrauisch machen sollen, denn Geschmackssicherheit beweist der Mann eigentlich nur ab 4.9%.

(Btw: momentane Geschmackssicherheit bei der Musikauswahl: Tony Joe White - Hoodoo)

Bild 1: Blick auf das Portugiesenviertel und die Cap San Diego, gegenüber König der Löwen und ein Neubau für das nächste Musical. Rechts im Hintergrund die Köhlbrandbrücke, linker Teil.

Bild 2: Portugiesenviertel, Landungsbrücken (winzig) und Docks. Beide Fotos HdR aus drei Aufnahmen, bearbeitet mit Photomatix.

Möglicherweise gibt es beim Pappenheimer irgendwann mehr Fotos davon, der hat sogar den schicken neuen Expressfahrstuhl geknipst, der einen in einem Affenzahn auf 106 Meter befördert.


Montag, 7. Oktober 2013

Kein Service im Weichpop-Cafe















Die Gästebespaßung entpuppt sich diesmal als nicht ganz einfach, der Pappenheimer ist etwas außer Form und auch mir ist nicht unbedingt nach Action, das Spiel gegen Paderborn steckt noch in den Knochen, als hätte man selber auf dem Platz gestanden. Das musikalische Angebot der Clubs ist überschaubar, aber immerhin abwechslungsreich. Etwas Folk hier, etwas Hardrock da, ein paar Bands aus Genres in denen ich mich Null auskenne. Im Knust spielen gleich drei Bands Rockabilly, von denen kenne ich immerhin eine, aber auf Elvis und Artverwandtes hat mein Gast keine rechte Lust. In letzter Minute finde ich Ski's Country Trash im Logo, auf Youtube rockt der ganz anständig im Fahrwasser von BossHoss, aber auf das Logo hat der Herr auch keinen Bock, der Laden ist ihm zu klein, zu eng und zu verschwitzt. Überhaupt, zu viel Stress sollte man nach dem gestrigen Abend vielleicht vermeiden.

Nichts gegen einzuwenden. Vielleicht eine Fotosafari? Mir fehlen für meine Sammlung noch Nachtaufnahmen auf dem Kiez, alleine mit der Kamera auf der Reeperbahn herumlaufen und knipsen war mir immer zu blöde, zu zweit sieht das nicht so nach Touristen aus. Der Pappenheimer ist nicht vollständig überzeugt von der Idee, aber wir fahren erst mal in die richtige Richtung und suchen einen Parkplatz am Hafen. Für Nachtaufnahmen ist es ohnehin noch zu hell und so kommt er auf die Idee, beim Block ein Bier zu trinken. Das Block-Bräu wäre ohnehin ganz hervorragend, der Service äußerst zuvorkommend und der Blick von der Dachterrasse auf jeden Fall einen Besuch wert. Damit kann ich mich schnell anfreunden, die Aussicht auf einen anständigen Burger zum Bier lockt, denn bei den unorthodoxen Essgewohnheiten des Herrn muss man sehen, dass man nicht unterwegs verhungert.

Leider sind die dort zu sehr auf Touristen geeicht, die Dachterrasse ist geschlossen. Für Einheimische, das sei dem Herrn Block gesagt, ist alles oberhalb zweistelliger Plusgrade noch locker freiluftgeeignet. Drinnen sitzen kommt überhaupt nicht in Frage, also wenden wir uns dem zweiten Laden an den Landungsbrücken zu, der eine Terrasse besitzt. Das Hard Rock Cafe, vor zwei Jahren unter großem Brimborium eröffnet, mit Ringo Starr und Pipapo.

Die Terrasse ist geöffnet, das ist ein Plus. Ein weiterer Pluspunkt: die furchtbare Musik bleibt einem hier oben erspart, das ist kein Hardrock, das ist Hausfrauenpop. Höchstwahrscheinlich entgehen wir dort oben Preziosen wie Eye of the Tiger oder Final Countdown, hier ist es angenehm ruhig. Nicht einmal Verkehrslärm dringt ans Ohr, sieht man von den Hafenfähren ab. Hinter mir das Hotel Hafen Hamburg, vor mir die Elbe, nicht übel. Ich setze mich auf eine erhöhte Holzbank, während der Pappenheimer am Tresen das Bier besorgt, hier oben ist Selbstbedienung angesagt.

Entweder weiß das nicht jeder, oder etliche der Anwesenden sind hier nur um die Aussicht zu genießen. Den Blick auf den Hafen, nicht den auf die Tische, denn der ist eher zum abgewöhnen. Hier ist seit Stunden keiner mehr gewesen, es werden keine Gläser abgeräumt und schon gar keine Aschenbecher geleert oder ausgetauscht. Die Ascher sind voll bis obenhin, drei Stockwerke hohe Kunstwerke aus Kippen, die man vorher am besten irgendwo ausdrückt, damit man den Haufen nicht in Brand steckt. Oder noch besser auf den Boden schnippt, was ich bevorzuge, bevor ich hier irgend etwas anfassen muss.

Das Bier dauert ewig, ich frage mich langsam was der Pappenheimer da schon wieder seit Stunden diskutiert. Vor mir ist ein junges Pärchen emsig mit Smartphones beschäftigt, sie tippt scheinbar laufend Kurznachrichten und er holt einen Highscore nach dem anderen bei seinem Spiel. Wenn das ein Blind Date war ist es wohl derbe in die Hose gegangen, oder ich versteh nichts mehr davon.

Menschen kommen, Menschen gehen, endlich kommt der Pappenheimer angestiefelt, mit grimmigem Gesichtsausdruck und zwei Gläsern Warsteiner. "Ach du Scheiße," entfährt es mir "hatten die nur Legionellenbrause?" Das setzt dem Fass scheinbar die Krone auf, denn er flucht ohne Unterlass, über die äußerst lahmarschige Bedienung, die es bevorzugt mit dem Geldscheine zählenden Kollegen zu quatschen statt den Zapfhahn zu bedienen, über die grauenhafte Musik und überhaupt wäre das zum Block ein Unterschied wie Tag und Nacht, nicht nur weil das Bier um Klassen besser ist.

Wir beschließen nach kurzer Diskussion einstimmig das Hard Rock Cafe Hamburg zum Scheißladen des Jahres zu ernennen und uns hier nicht wieder blicken zu lassen. Das hindert uns natürlich nicht daran, eine halbe Stunde lang die üblichen Fotos zu machen, von den üblichen Schiffen - und Pärchen mit Smartphones.

Kein Weichpop: Gov't Mule - Shout! 

Aufnahmen Freihand ohne Stativ oder Auflage bei ISO 3200, Blende 5, 1/30 Sek.



Samstag, 5. Oktober 2013

Graustufenfußball















Vorspiel
Bloß kein Stress heute, alles sutje angehen, hab ich mir fest vorgenommen. Klappt auch wunderbar, weil wir es mit der Vitaminversorgung gestern nicht übertrieben haben und zu unglaublich früher Zeit schon frühstücken können. Rekordverdächtig früh, wie der Pappenheimer gerade anmerkt. Ich kann mich sogar noch ein Stündchen aufs Ohr legen während er an meinem Rechner sitzt. Zwei Stunden vor Anpfiff will ich im Stadion sein, dann kann er in Ruhe seine Graustufenfotos machen von den bunten Wänden und ich kriege vielleicht noch einen Wutburger vor dem Spiel.

Klappt natürlich nicht ganz, denn wir fahren Regionalbahn. Wahrscheinlich immer noch besser als Schienenersatzverkehr auf der U1, trotz der vermaledeiten Verspätungen und Wartezeiten auf dieser Strecke. Der Pappenheimer als alter Bahnfan ist begeistert, er kann sein Bier entsorgen und sich gleich ein neues aufmachen. Irgendwann wird das in die Hose gehen, aber an Spieltagen haben die Controlettis garantiert andere Probleme. Wir liegen so gut in der Zeit, dass er mich am Hauptbahnhof noch zu einem Bier bei Nagel überreden kann.

Trotzdem sind wir so früh im Stadion, dass wir uns in so ziemlich jeder Ecke der Gegengerade herumtreiben können und eine halbe Stunde vor Anpfiff ganz entspannt bei einem Bier an der Balustrade lehnen und den Dauerregen betrachten. Derweil dürfte Herr L., dem der Pappenheimer seine Karte verdankt, auf der Nordkurve nass werden. Ich vermute, der wird so schnell nicht wieder seine Karte tauschen.

Unsere Reihe ist noch fast leer, schnell eine Sportzigarette durchziehen und die Kamera startklar machen. Der Pappenheimer hat zwar seine Pentax dabei und könnte qualitativ hochwertigere Bilder machen, aber wie ich den kenne knipst der alles mögliche, nur keine Choreos und Tapeten. Die Süd bietet auch prompt was fürs Auge, sehr viel schickes Fahnengewedel, da ist am letzten Wochenende beim Nähkurs ne Menge bei rumgekommen. Kassenrollen hauen sie auch noch raus ohne Ende, aber das verpasse ich, denn über uns haben sie ebenfalls Papierschnipsel mitgebracht, ich muss mein Bier schützen.

Spiel (1)

Boll verletzt und Buchtmann gesperrt, dafür darf Schnecke als Sechser ran und die Kapitänsbinde trägt er ebenfalls. Dass so etwas passieren musste war eigentlich schon vor der Saison klar. An Kalla alleine liegt es nicht, das Spiel nach vorne ist wieder einmal grottig. Keine Ideen, dichte Abwehrreihen, zu viele Beine im Weg, zu viel Valium im Blut. Dafür ab und zu ein gefährlicher Konter, damit es nicht ganz so langweilig ist. Die Hälfte des Gegners ist vernagelt, da kommt nichts durch.
Pässe kommen nicht an? Dann spielen wir halt hoch. Leider gewinnt Paderborn nahezu jedes Kopfballduell, also Ball lang nach vorne. Klappt auch nicht, der Linienrichter hält permanent seine Fahne in die Luft. Na, dann spielen wir halt die Pille solange hin und her, bis irgend jemand einschläft. Meistens macht einer unserer Jungs dabei ein Nickerchen, nur Tschauner ist hellwach. So erwischt er eine unglaublich tranige Rückgabe von Torre im letzten Moment, es ist unfassbar was die heute für einen Stiefel zusammenspielen. Vielleicht sollten die im Training mal Pässe über mehr als drei Meter üben, fünf sind heute schon zu viel. Ratsche verheddert sich und von Bartels kommt auch nix. Offensiv null, ein Kopfball in der ersten Hälfte von Verhoek, ich bin froh als der Schiri abpfeift. Wären die Paderborner nicht ähnlich blind, über einen Rückstand hätte man sich nicht beschweren können. Grausames Spiel, erinnert mich an die dritte Liga, absoluter Graustufenfußball, die haben da unten auch den Farbfilm vergessen.

Zwischenspiel
Zum Trost gibt es eine Lage Bier von meiner netten Nachbarin, die den lahmen Kick schon vor der Halbzeit für einen Ausflug an die Tränke nutzt. Sie ist ganz aufgekratzt, der Grund sind diverse Lose die man heute zu Gunsten der Fanräume kaufen konnte, in der Halbzeit wird der Hauptpreis gezogen. Verdammte Hacke! Mir war doch die ganze Zeit schon so, als hätte ich etwas vergessen. Unter anderem deshalb wollte ich früh am Stadion sein, mit Fanräumelosen hab ich gute Erfahrungen gemacht.
Der Pappenheimer hat sich inzwischen in seiner Ecke häuslich eingerichtet, Tasche, Bier und Spiegelreflex auf seinem Stahlträger abgelegt und will das Stillleben natürlich mit meiner Kompaktknipse fotografieren, wodurch ich beinahe die Tapete für Kopfballgott Tschauner verpasse. Hoffentlich muss der nicht wieder in der letzten Minute eingreifen, so viel Glück hat man nur einmal im Leben.  
Weitere Grüße gehen an das Nazipack in Braunschweig und an den verletzten Käptn, der uns wohl ein paar Monate fehlen wird. Wie bitter das ist sieht man heute deutlich.

Spiel (2)
Es gibt Spieler die nur verhalten (oder gar nicht) jubeln, wenn sie gegen ihren Ex-Verein treffen. Mahir Saglik gehört nicht dazu, aber genauer betrachtet war der ja auch nur eine Paderborner Leihgabe. Saglik freut sich jedenfalls richtig, als er uns kurz nach dem Anpfiff einen einschenkt, begünstigt von unserem Unvermögen ist das Unglück schon im Ansatz zu erkennen, als Schnecke den Ball verdaddelt und hilflos herumirrt. Fast im Gegenzug bekommen wir einen Freistoß zugesprochen, der meine Blicke sofort an den Spielfeldrand lenkt. Maier steht nicht zur Auswechslung bereit, wird also nichts. Der kommt dann fünf Minuten später rein, zusammen mit Nöthe, Bartels und Schindler gehen. Brechstange rausholen jetzt, egal wie. Am Support kann es nicht liegen, sogar unsere sonst eher schweigsame Ecke brüllt.
Das wird zehn Minuten später von Erfolg gekrönt, ein Sahnepass von Ratsche auf Nöthe und der macht sein erstes Tor für uns. 1:1 Woohooo der Pappenheimer und ich liegen uns in den Armen, trotzdem will mich sein „alles wird gut“ nicht recht beruhigen, obwohl die Jungs deutlich besser ins Spiel kommen. Zehn Minuten sind wir gut dabei, machen aber das zweite Tor leider nicht, und irgendwer ist immer für einen schlimmen Bock gut. Diesmal verdaddelt Ratsche den Ball, Konter, 1:2. Ganz fantastischer Sch...dreck.
Gegen Ende des Spiels fordert der Pappenheimer lautstark den Einsatz von Philipp Tschauner, doch um den Kopfballgott einsetzen zu können müssten wir eine Ecke bekommen und nicht einmal das gelingt noch. Die Heimbilanz des Pappenheimers verschlechtert sich dadurch auf 4:7 Punkte, das ist zwar noch nicht ausreichend für den Titel eines Seuchenvogels, aber bei ganz wichtigen Spielen lass ich ihn in Zukunft lieber zu Hause.

Nachspiel
Normalerweise bleibe ich schon recht lange im Stadion nach dem Abpfiff, diesmal werden wir sogar irgendwann nett aufgefordert zu gehen, denn der liebe Kollege kann sich nicht losreißen, er knipst was das Zeug hält, natürlich alles in Graustufen, dem Spiel angepasst. Ein Wunder, dass er nicht noch seine alte Analogknipse eingepackt hat. Von meiner netten Nachbarin bekomme ich noch zwei Aufkleber für die bescheidene Sammlung, ich werde mich dafür beim nächsten Heimspiel revanchieren, einen richtig schicken von der Tresenkurve habe ich noch übrig. Einen Wutburger gibt es heute auch nicht, das viele Bier sorgt beim Pappenheimer leider für ein ausreichendes Sättigungsgefühl, er verlangt nach Vitaminen. Anrufe bei den üblichen Verdächtigen bleiben erfolglos, alles schon unterwegs nach Hause, also gehen wir auch. Auf dem Weg zur U-Bahn läuft uns der Kleine Tod über den Weg, der sich heute noch furchtbar besaufen will um dieses Grottenspiel zu vergessen. Hoffentlich vergisst er dabei nicht die Vitaminzufuhr.

Vitaminhaltige Morgenmusik: Rachid Taha - Made in Medina