Wenn ich in den letzten Wochen etwas gelernt habe, dann dies: Der Beschiss lauert vielleicht an jeder Straßenecke, noch viel mehr lauert er aber im sogenannten Fachhandel, denn heutzutage ist es scheinbar ausreichend, wenn man den Unterschied zwischen Kartoffel und Ananas kennt, um einen Fachhandel für Obst und Gemüse zu eröffnen. So etwas wie Waren- oder gar Sortenkunde ist dafür augenscheinlich nicht nötig.
Rechtzeitig vor Beginn der Zwetschgensaison geht meine einzigartige und wunderbare Fachhändlerin in Rente und übergibt ihr seit 40 Jahren existierendes und florierendes Geschäft an ihre Nachfolger. Ein Drama in mehreren Akten, denn die Nachfolger haben momentan überhaupt keine Zwetschgen im Angebot, wissen auch nicht wann oder ob sie überhaupt welche bekommen und schon gar nichts von irgendwelchen Sorten. Wenn die Existenzgründung so anfängt seh ich schwarz.
Folglich geht die Suche nach einem zuverlässigen Fachhändler wieder los, der außer bei Kartoffeln und Ananas auch auf dem Gebiet des deutschen Kernobstes die nötige Expertise besitzt und das ist, zumindest im Norden dieser Republik, ein Ding der Unmöglichkeit.
Fachhändler*in Nummer 1 erklärt mir, die Zeit für Bühler wäre längst vorbei. Auf meinen Einwand, ich würde schon seit 40 Jahren im August Bühler Zwetschgen kaufen, weil die Dinger halt im August reif sind, kommt nur ein schnippisches "wir bekommen jedenfalls keine mehr" und das ist immerhin eine Aussage, mit der ich etwas anfangen kann. Hier muss ich in Zukunft nicht mehr nachfragen und das erspart Zeit.
Fachhändler Nummer 2 berichtet strahlend, sie hätten NUR Bühler im Angebot und wühlt dabei demonstrativ mit beiden Händen in der Zwetschgenauslegeware herum, die auf den ersten Blick weder von der Farbe noch von der Größe auch nur die kleinste Ähnlichkeit mit Bühlern hat. Dabei fällt mir ein, dass der vor drei Jahren schon mit beiden Händen in seinen Fakezwetschgen gewühlt hat und ich damals schon keinen Bock auf eine falsche Sorte Corona-Obst hatte.
Fachhändler Nummer 3 ist im Netz eine große Nummer bei den Bewertungen, hat zwei Filialen in teuren Einkaufszentren mit entsprechendem Publikumsverkehr aber NOCH keine Bühler wobei das nächste Woche schon anders aussehen könnte, schließlich hätte die Saison gerade erst begonnen. Leider klingt das in der nächsten und auch in der übernächsten Woche ähnlich, Cheffes im Hintergrund genölter Kommentar "wir haben sehr aromatische Sorten im Angebot" klingt für mich wie "such woanders." Ja, mach ich.
Fachhändler Nummer 4 entpuppt sich als Hauptfiliale der Nachfolger, muss seinen Großhändler fragen ob Bühler eine Sorte wäre und ob er diese besorgen könnte. Die Antwort ist zwar äußerst unbefriedigend für mich, aber immerhin hat der Fachhändler etwas dazugelernt. Better luck next year?
Fachhändler Nummer 5 muss ich kurz in einem Kund*innengespräch unterbrechen. Er fragt, freundlich lächelnd, ob das denn keine Bühler wären in seiner Auslage, worauf ihm die Kundin detailliert den Unterschied in Aussehen, Geschmack etc erörtert und ich wünschte, diese Kundin würde irgendwo ein Fachgeschäft eröffnen. Endlich jemand mit Ahnung, aber leider ohne Obstladen.
Fachhändler Nummer 6, 7 und 8 befinden sich auf dem Wochenmarkt, mit eigenen Erzeugnissen aus dem Alten Land. Damit kann ich leider nichts anfangen und ja, die muss ich nicht probieren, ich weiß dass die schmecken, aber für meine Zwecke halt nicht geeignet sind. Ich wünschte es wäre anders, das würde viel erleichtern.
Fachhändler Nummer 9 ist der letzte auf dem Markt und hat tatsächlich Bühler, jedenfalls steht das auf dem Schild, auch wenn die nicht so aussehen und nach Wochen verzweifelter Suche bin ich so blöde und fall darauf rein. Ich hätte nicht gleich auf 4 Kilo hereinfallen müssen, aber so lernt halt jeder ein wenig dazu, zum Beispiel wem man trauen kann. Vielleicht ja dem Internet?
Seit Jahren weigere ich mich standhaft, Bücher im Internet zu bestellen und soll jetzt Obst online kaufen? Das wäre sogar möglich, nur müsste ich zehn Kilo abnehmen um den Mindestbestellwert zu erreichen, oder ein paar sündhaft teure exotische Früchte dazulegen, was dem ohnehin nicht unerheblichen CO2-Fußabdruck noch einen gigantischen Boost hinzufügen würde.
Eine weitere Recherche zeigt das ganze Drama: Bühler sterben langsam aus, die Sorte ist nicht so gefragt. Der Trend geht mehr zu großen, in Bodennähe wachsenden Früchten, die einfacher und billiger geerntet werden können, meist in Ländern mit billigeren Arbeitskräften und der scheiß Trend kann mich mal am Arsch lecken weil ich kein ungarisches Trockenobst kaufen werde.
Eher baller mir ein paar Kühlboxen in den Kofferraum und fahr nächstes Jahr persönlich nach Baden-Württemberg.
Foto dazu: Keine Bühler
Musik dazu: Nightmares on Wax - Smoker's Delight / Carboot Soul