Freitag, 31. August 2012

Blau ist nicht nur eine Farbe














Drei Tage und Nächte in Ottensen zehren gerade mächtig an meiner Substanz, vor allem die Nächte haben es in sich. Deshalb kann man auch nur von halben Tagen reden, denn wir gehen erst vor die Tür wenn bei anderen Menschen das Mittagessen droht. Heute bin ich mir nicht mal sicher ob mir nach Mittagessen Frühstück ist, vielleicht eine heiße Kartoffel mit Falafeln, Salat und Sesamsauce bei Kumpir, das hat sich gestern schon bewährt.
Allerdings waren da andere Organe betroffen, heute ist es mein Magen und dem ist noch etwas flau, weil die Leber gestern nicht in die Gänge kam. Heilige Scheiße, lange bin ich nicht mehr so abgestürzt. Denn in dem unscheinbaren kleinen blauen Häuschen auf dem Foto wird der wohl beste Caipirinha jenseits meiner eigenen vier Wände offeriert, auf Wunsch auch mit weißem Rohrzucker, wie in Brasilien. Als wenn das nicht schlimm genug wäre ist der ausgezeichnete Mai Tai im Blauen Barhaus in der blauen Stunde 2 Euronen günstiger, und den wollte ich mir eigentlich verkneifen.

Denn auf die Hauskreationen war ich schon länger neugierig, so viele sind das ja nun nicht, die könnte man alle mal testen an so einem Abend. Wenn man nicht fahren muss kommt man auf die blödesten Ideen, ehrlich. Ich hab alle geschafft, bis auf den Filmriss Deluxe, denn der wäre garantiert die Folge gewesen, so viel Erfahrung mit heimtückischen Zellgiften hab ich dann doch.  

Mein Favorit ist übrigens der Rhabatini, den trink ich da nur noch. Also, nach dem obligatorischen Caipi, und wenn es mir irgendwann wieder besser geht. Mehr aus dem wahrscheinlich geilsten Hamburger Stadtteil gibt es wenn ich wieder in meinem eigenen Bett schlafe und das Wochenende überlebt habe.

Denn ich darf gar nicht daran denken, dass ich Samstag in aller Herrgottsfrühe schon Bier trinken muss. Die Anstoßzeiten der zweiten Liga sind echt unmenschlich.

Musik: besser keine im Moment. Stille ist auch mal ganz erholsam.

Dienstag, 28. August 2012

Es lebe das Fachgeschäft














Hab ich neulich noch etwas anderes behauptet? Egal, was schert mich mein Geschwätz von gestern, da ging es auch nur um Fernsehapparate, nicht um wirklich wichtige Dinge. Dinge des täglichen Lebens, des Überlebens geradezu.

Wie z.B. Bühler Zwetschgen, die nicht mehr unbedingt aus Baden kommen müssen, weil diese Sorte inzwischen auch in Norddeutschland angebaut wird und dementsprechend etwas später reift. Was mein verdammtes Glück war, denn andernfalls hätte ich dieses Jahr auf mein Leibgericht verzichten müssen. Schuld daran haben Edeka, Rewe und Konsorten, die so etwas überhaupt nicht mehr anbieten. Immer wenn ich dort ungarische Zwetschgen gesehen habe dachte ich mir, fein, dann müssten demnächst die ersten Bühler Frühzwetschgen auftauchen. Kam aber nichts, selbst auf den Märkten nur Pflaumen aus Ungarn, weil die billiger sind als Zwetschgen aus Baden, da kauft man lieber Billigware auf dem Großmarkt.

Bis ich den Urlaub mal ausgenutzt habe und zum Fachhandel gefahren bin. Bei Jegotka kennen sie nicht nur mindestens fünf verschieden Sorten mit Namen, sie können auch Geschmack und Eigenschaften benennen, wahrscheinlich wissen sie sogar von welchem Baum die kommen, auf jeden Fall kennen sie den Erzeuger. Auf den Schock des Satzes "die Zeit für Bühler ist vorbei" folgte Gott sei Dank gleich ein "die norddeutschen kommen wohl erst ab nächster Woche" und genau so war es dann auch.

Heute habe ich den dritten gegessen, seit drei Tagen einseitige Ernährung. Trotzdem werd ich in den nächsten Tagen mal nachsehen wie lange es in Norddeutschland Bühler vom Baum gibt. So ein bis zwei gehen noch, aber morgen brauch ich erst mal was mit Fleisch und Kartoffeln.

Auch erdiger die Musik gerade: Ray Wylie Hubbard - Delirium Tremolos


Montag, 27. August 2012

Hoteljubiläum














Heute morgen noch hatte ich überhaupt keine Lust auf ein Hoteljubiläum, auch nicht auf das zehnjährige des Plattenlabels Grand Hotel van Cleef. Muskelkater von den Anstrengungen der letzten Tage, schlecht geschlafen und dann mehrere Stunden Open Air bei angesagtem Regenwetter, ohne Karte wäre ich im Bett geblieben. Das ewige Risiko bei Frischluftveranstaltungen, aber das Ding hing schon lange an meinem Spiegel, also musste ich wohl oder übel irgendwann aufbrechen. Da Herr L. eine andere Route wählte war ein Treffen auf dem Gelände angedacht, ohne festen Termin, wodurch ich meinen Hintern noch später in Bewegung setzte und Young Rebel Set verpasste. Mag durchaus ein Fehler gewesen sein, ein paar Hörproben im Netz waren nicht mal übel.
Zum Auftritt der Kilians aus Dinslaken kam ich grad rechtzeitig, die waren vor ein paar Jahren beim Fest van Cleef in Bremen die einzig hörenswerte Band außer Kettcar. War auch diesmal nicht schlecht, aber nur Hintergrundbeschallung bei der Suche nach Bier und Herrn L. nebst Dresdner Begleitung. Nachdem beides recht schnell gefunden wurde musste ich auch gleich eine Dresdner Spezialität probieren und stellte mich in die ellenlange Schlange vor dem Handbrotstand für ein zweites Frühstück. Für das nächste Heimspiel gegen Dünamo muss ich gucken wo ich hier Handbrot bekomme, schmeckt besser als Dresdner Stollen.

Den Kurzauftritt von Tomte in der Originalbesetzung haben wir dann aus der Ferne verfolgt, Thees Uhlmanns erste Band hat mich bis auf wenige Stücke nie sonderlich begeistern können, aber sein Soloalbum läuft hier rauf und runter, da musste ich näher ran. Die Inszenierung als Springsteen vom Dorf klappt ja auch wunderbar, er schwitzt auf der Bühne wie der Boss und seine Texte erreichen die Menschen, anders als diese verkopfte Tomtelyrik, hier weiß man was er sagen will. Das Publikum dankt mit enormer Textsicherheit, ganz besonders die junge Dame mit der hohe Stimme hinter mir kennt jede Zeile des Albums, und das stört mich nicht im geringsten, denn hier wird endlich mal nicht gesabbelt, hier wird gesungen, getanzt, geklatscht, gefeiert und gelacht, wenn Thees zwischendurch ein paar Anekdoten zum Besten gibt. Der Mann weiß wie man sein Publikum erreicht, in der Hinsicht kann man beim großen Vorbild auch eine Menge lernen. Zu & Jay-Z singt uns ein Lied sprang tatsächlich Rapper Casper auf die Bühne, Publikum jubelt, Überraschung gelungen, gleich noch eine Zugabe von ihm selber oben drauf, die auch jeder kannte - außer mir. Mit Rappern kenn ich mich nicht aus, ging aber gut ab. Viele Seifenblasen, leider meist dann wenn ich die Kamera gerade wieder in der Tasche hatte. Großartiges Konzert, hatte ich aber erwartet.
Nach inzwischen einem Jahr könnte der Herr Uhlmann aber schon ein bis zwei neue Songs schreiben, dann müsste er sich bei der Zugabe nicht immer entschuldigen wenn er einen Song wiederholen muss. Und Das hier ist Fußball kann man auch in Bahrenfeld spielen, ehrlich. Hab ich vermisst, haben wir dann später auf dem Heimweg selber gesungen.
  
In der Umbaupause erst einmal Bier nachgetankt, dabei lief mir die Handwerkercrew über den Weg, die nach ihrer Beschreibung nur 5 Meter vor mir in der Menge gestanden haben muss. Herrn L. gelüstete es nach einem Crêpe, trotz meiner schlechten Erfahrungen mit dem Zeugs in letzter Zeit beschloss ich ihm zu folgen, denn von dort duftete es schon sehr verführerisch als ich noch in der Handbrotschlange stand. Dazu noch hatten die einen interessanten Namen, Plattenladen Crêpes, und wer sich einen Namen gibt, der will dass der sich herumspricht. Könnte passieren, denn der dünne Pfannkuchen mit Erdbeeren und dunkler Schokolade war ganz ausgezeichnet.

Dadurch hab ich den großartigen Jürgen Vogel und die Hansen Band nur am Rande mitbekommen, vier Songs waren ein bisschen sehr kurz, aber auch Schauspieler haben bei Texten ein begrenztes Erinnerungsvermögen.

Highlight natürlich Kettcar, mit einer schönen und viel bejubelten Setlist. Viel von der ersten Platte und die besten Stücke der letzten, von der das unglaublich schöne Rettung inzwischen schon Publikumsliebling geworden ist. Natürlich wieder die übliche Ansage von Balu, dem "Mädchenlied", bei dem Markus Wiebusch mit seiner Einschätzung eindeutig widerlegt wurde, da waren weit mehr Männerstimmen im Chor zu hören.  Am Ende eine furiose Version von Graceland mit den Elektropunkrappern Frittenbude, von denen werde ich mir auf jeden Fall mehr anhören.
Als Zugabe Landungsbrücken raus, das Stück das niemals nicht gespielt werden könnte ohne Proteststurm, mit Feuerregen war es noch stimmungsvoller. Zum Jubiläum muss man sich schon etwas mehr gönnen, auch wenn Kettcar keine Band ist für die große Show.
Eine kleine hatten sie sich für die letzte Zugabe ausgedacht, Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt, eine uralte Nummer die wohl als B-Seite irgend einer Single erschienen ist, und Luftschlangen satt.

Und alles (fast) ganz ohne Regen, ich sollte mich von der Vorhersage weniger beeindrucken lassen, dann hätte ich die Spiegelreflex mitgenommen. Nächstes mal, in zehn Jahren, kauf ich mir wieder eine Karte.

Bis dahin von Konserve: Thees Uhlmann & Kettcar - Du und wieviel von deinen Freunden/Zwischen den Runden












Samstag, 25. August 2012

Luft ist nicht allein zum atmen da















In der Kreativabteilung von Unilever hat man sich Gedanken gemacht, wie man den Kunden am besten das Geld aus der Tasche zieht. Die Lätta gibt es jetzt auch luftig aufgeschlagen, was sofort mein Interesse weckte. Nicht etwa, weil ich unbedingt schon immer luftig aufgeschlagene Margarine aufs Brot streichen wollte, aber die Vorteile von luftiger Margarine würde ich gerne erfahren, denn streichfähig genug ist das Zeug sonst eigentlich auch.
Die Vorteile liegen auf den ersten Blick eher beim Hersteller, denn die Größe der Verpackung ist unverändert, der Preis ebenfalls, nur der Inhalt hat sich dank der zugegebenen Luft um 180 Gramm verringert. Diese wiederum wird sich spätestens auf warmem Toast verflüchtigen, daher frage ich mich natürlich, wieso ich ganze sechzig Cent für Luft ausgeben sollte.
Genau hier hat die Kreativabteilung in meinen Augen komplett versagt. Würde es sich dabei nämlich um frisch gekräuterte Alpenwiesenluft handeln, oder durch Jod und Salz angereicherte Nordseeküstenluft, hätte man wenigstens das Argument des besseren Geschmacks anführen können. Eventuell wären auch mehrere Sondereditionen möglich gewesen, wobei ich trotz des berühmten Liedes von Paul Lincke auf Berliner Luft lieber verzichten würde, die dürfte nach über einhundert Jahren an Frische eingebüßt haben.

Auch schon ein paar Jahre alt, aber immer noch frisch: Julia A.Noack - Piles & Pieces

Mittwoch, 22. August 2012

Eine ganze Woche blau














Eigentlich sind die Hamburg Cruise Days eine furchtbare kommerzielle Veranstaltung für besser betuchte Kreuzfahrtfans, auf der anderen Seite sind die von Michael Batz blau illuminierten Gebäude, Kräne und Brücken ein wunderschönes Motiv, wenn man Zeit und Lust hat in der Nacht durch den Hafen zu gondeln. Navigationsgeräte sind dort keine große Hilfe, manchmal eher ein Ärgernis, das habe ich vor zwei Jahren schon feststellen müssen.

Damals habe ich mir ebenfalls einige Nächte um die Ohren geschlagen und war furchtbar stolz auf die, meiner Meinung nach, sehr gelungenen Fotos. Immerhin meine ersten Nachtaufnahmen mit der SLR, so etwas habe ich zu analogen Zeiten nie versucht. Natürlich hab ich jede Menge Fehler gemacht, keine Spiegelvorauslösung, die Blende viel zu weit auf, und eine Fernbedienung hatte ich auch nicht, da musste der Selbstauslöser herhalten, der nach 30 Sekunden Belichtungszeit am Ende ist. Dass man mit anderen Einstellungen und Fernbedienung auch länger belichten kann und somit auf geringere ISO Zahlen kommt hätte ich vorher nachlesen können, so schlau war ich jedoch nicht.

Diese Fehler wurden mir dann von den erfahreneren Knipsern auch relativ gnadenlos aufgezeigt, als ich die schönsten Aufnahmen in einem Forum veröffentlichte. Erinnerte mich an das Grinsen eines Fotografen an der Fischhalle in Altona, als er die Aufnahmen auf meinem Monitor sah, war wohl doch ein spöttisches Grinsen, ich hatte mich nicht getäuscht.
 
Das stürzte mich in eine tiefe Depression und ich beschloss vorerst die Finger von Nachtaufnahmen zu lassen. Da die Cruise Days nur alle zwei Jahre stattfinden hatte ich trotzdem Zeit etwas zu üben, inzwischen hab ich den Bogen halbwegs raus, die Nachtaufnahmen der Speicherstadt werde ich mir irgendwann an die Wand hängen. Das ganze blaue Zeugs aber einfach noch mal zu fotografieren, nur in etwas besser, erschien mir nicht genug. Deswegen hab ich die letzte Woche nicht nur für ausgedehnte Fototouren benutzt, sondern mich ein wenig mit HDR Fotografie beschäftigt, und dementsprechend viele Belichtungsreihen geschossen, ohne auch nur entfernt eine Ahnung zu haben wie dieses Programm überhaupt arbeitet das mir der Pappenheimer mal empfohlen hatte, und was am Ende dabei rauskommen würde.

Was dabei herausgekommen ist, tja, die alten Fotos waren vergleichsweise wirklich Schrott, muss ich jetzt zugeben, was man besonders beim ersten Bild bemerkt, damals an gleicher Stelle mit gleicher Brennweite geschossen. Vergleicht man die Originale hat man das Gefühl, das war eine andere Kamera. Was ich noch gemerkt hab, nachdem die erste Euphorie über die Ergebnisse verflogen war, wenn man sich bei den Einstellungen und der Bildauswahl nicht sicher ist, weil man keinen wirklichen Plan von HDR hat, dann muss man sehr viel herumprobieren um das letzte Quäntchen noch rauszuholen, vergleicht am Ende Fotos die sich um Nuancen unterscheiden und verbringt nach drei Nächten im Hafen weitere sechs Nächte am Rechner. Grübelt stundenlang herum, wieso bei dieser dämlichen Elbphilharmonie immer Doppelbilder entstanden sind wenn man länger als 15 Sekunden belichtet hat. Bis einem wieder einfällt, dass ein schwimmender Ponton für längere Belichtungszeiten einfach ein blöder Standort ist, weil selbst um diese Zeit noch laufend ein Kahn vorbeifährt. Ich hab sie trotzdem drin gelassen die Doppelbilder, ich bin kein Retuscheur, und im Hafen wackelt es halt manchmal.

Bei dem HDR Gedöns hab ich wahrscheinlich wieder etliche Anfängerfehler gemacht, man kann da an vielen Stellschrauben drehen wenn man genug Lebenszeit hat, aber das ist mir jetzt völlig wurscht. Ich bin damit voll zufrieden diesmal, und in zwei Jahren kurve ich garantiert nicht noch einmal wie ein Blöder im Hafen rum, da kann blau sein was will.

Voll zufrieden bin ich auch mit der Musikauswahl gerade: Eddie Vedder -  Music For The Motion Picture Into The Wild, was nebenbei bemerkt auch ein äußerst sehenswerter Film ist.

1 Fischauktionshalle Altona 2.Elbphi-Überseebrücke-Cap San Diego 3. Landungsbrücken Landseite 4.Fischauktionshalle Altona 5. Hafenkräne 6. Köhlbrandbrücke 7.Landungsbrücken, Hotel Hafen Hamburg, Riesenrad. 8. Alter Elbtunnel, Landungsbrücken 9. Elbphilharmonie mit Wellenschlag










Montag, 20. August 2012

Wutz mit Wetter















Nachdem das Wutzrock in den vergangenen zwei Jahren schwer mit dem Wetter zu kämpfen hatte, durch Wassermassen entweder im Schlamm versank, oder dank eines Gewittersturmes im letzten Jahr sogar evakuiert werden musste, hatten wir uns in diesem Jahr endlich mal anständiges Wetter verdient. Nur ist "anständiges Wetter" ein dehnbarer Begriff, trocken und ein wenig Sonne hätte mir durchaus gereicht, mit mittelamerikanischen Temperaturen kann ich nicht so gut umgehen.

"It's fucking hot, reminds me of Mexico" grinste Tito Larriva am Sonntag Nachmittag bei seinem Auftritt, auf dem wahrscheinlich schönsten antifaschistischen antirassistischen umsonst und draußen Festival Deutschlands. Die Wetterstation in der Wagenburg zeigte Mittags 41 Grad im Schatten, auf und vor der Bühne dürften es noch ein paar Grad mehr gewesen sein. Daniel Welbat brachte es am Vortag knapp auf den Punkt: "Ich schwitz wie ein Schwein." Das hat ihn nicht davon abgehalten wie ein Berserker Gas zu geben, was mich sehr gefreut hat, trotzdem sollte er die Wahl seiner Bühnenkleidung bei diesen Temperaturen vielleicht mal überdenken, sein Gitarrist ist da deutlich cleverer.

WellBad war dieses Jahr das Zugpferd für mich, dadurch musste ich Samstag schon um 15 Uhr auf dem Gelände erscheinen, normalerweise eine Zeit in der schon alle den Vortag verarbeitet haben und halbwegs ansprechbar sind. Da ich in diesem Jahr gedachte mich voll und ganz den leiblichen Genüssen hinzugeben war sogar ein Schlafplatz reserviert, ich durfte mir mit dem spontan aus Bayern angereisten Mr.T ein Zelt teilen. Der Rest war mit teilweise recht luxuriösen Wohnmobilen ausgestattet (und mit Arthur natürlich), wodurch wenigstens kaltes Bier sichergestellt war, die Kühlschränke auf dem Gelände waren damit überfordert. Ganz schlecht für ein Festival das sich durch den Getränkeverkauf finanziert, aber sie werden trotzdem reichlich verkauft haben bei diesen Temperaturen.

Nach dem gewohnt großartigen Konzert von WellBad war erst einmal Pause angesagt, Fußballergebnisse einholen. Ein paar der anwesenden Damen und Herren erfrischten sich bei einem Bad in der doofen Elbe, ich war zu doof eine Badehose mitzunehmen. Also Gelände abschreiten, Fotos machen, was futtern und viel trinken. Sehr viel trinken. Sogar an frisch gepresster Limettenlimo hab ich mich versucht, Vitamine tanken zwischendurch, Bier für später. So etwas ähnliches hätte auch die junge Dame machen sollen, die beim Konzert der Mighty Oaks ihren sicheren Stand verlor. Glücklicherweise alles gut organisiert, die Malteser waren zwei Minuten später vor Ort. Der schlechte Kreislauf hat die Jungs sicherlich einen ganzen Song gekostet, was ich sehr schade fand, die gefielen mir durchaus mit ihrem Indie-Folk, jedenfalls was ich hören konnte. Ich erwog sogar kurz eine CD zu erstehen, aber die gibt es noch nicht.

Also zurück zur Wagenburg, eine Stunde nach dem Pokalspiel des magischen FC sollte auch Koschi eingetroffen sein, das 3:0 ist ein guter Grund für ein Bier und ne Sportzigarette. Zweite Runde, endlich mal wieder. Ein bis zwei Bierchen später meinte Herr H. unbedingt den Grill anschmeißen zu müssen, da mir der Texasburger vom Schwenkgrill schwer genug im Magen lag folgte ich Koschi zur Bühne. Dota & die Stadtpiraten standen auf seinem Plan, und wenn auf meinem nichts weiter steht guck ich halt was andere hören. Nach den mächtigen Eichen die zweite Berliner Band, ziemlich viel Hauptstadtprogramm dieses Jahr.

Und ja, war nicht schlecht. Musikalisch nicht ganz so meins, aber bei der Menge scheinbar ziemlich bekannt, die erwies sich bei einigen Songs als ziemlich textsicher. Müsste ich mich näher mit befassen vielleicht, die Texte waren schon nicht schlecht, nur sprechen mich Mädchenthemen nicht so an. Die politischen schon, aber so mitgerissen hat mich das alles nicht. Also beschloss ich die bisher sträflich vernachlässigte Seebühne aufzusuchen, für eine Band aus Hamburg. Sonic Wind hatten ein wenig Unterstützung verdient, die mussten im letzten Jahr ihren Auftritt nach drei Stücken abbrechen, also ein Gewitternachholkonzert. Außerdem ist Americana genau mein Ding.

An der Seebühne die üblichen Probleme, ich hab es noch nicht einmal erlebt, dass die ohne Probleme die Anlage einstellen können. 30 Minuten Wartezeit mit entweder übersteuerten oder stummen Mikrofonen, nicht hörbaren Instrumenten, Rückkopplungen und lauwarmem Astra. Dann endlich die Ansage, vorher noch mit Free Pussy Riot Kundgebung und dann..

Wenn das ferne Wimmern einer Pedal Steel auf harte kühle Gitarrenwände trifft, das liest sich gut, Calexico lässt grüßen. Wobei, kühle Gitarrenwände? Wer hat sich den Blödsinn ausgedacht? Die wimmernde Steel gab es zwar, aber die Gitarre braucht noch ein paar Jahre um eine Wand zu werden, das war auch ohne Gewitter nichts. Schade für die sympathische Frontfrau, vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, der Mann am Mischpult zu schlecht oder das Bier einfach zu warm.

Fußmarsch zurück, kaltes Bier geholt, Sportzigarette geraucht. Saßen schon fast alle wieder rum da, zu Hause ist es halt am gemütlichsten. Nächste Band auf dem Programm um 22 Uhr, 17 Hippies. Schon wieder Berlin, aber die mag ich. Vor Jahren in dem großartig grausamen Film Halbe Treppe entdeckt, aber lange nicht mehr aufgelegt. Da wollte ich wenigstens reinhören und ein paar Fotos machen, wenns nix ist kann man immer noch rumgammeln und Slivo trinken.

Da sich die Meute wieder unentschlossen zeigte was rechtzeitigen Abmarsch betrifft sind wir zu zweit vorausgegangen, nicht ohne einen Treffpunkt am Infozelt auszumachen. Koschi hab ich dann an einen Baum verloren, Blasenschwäche ist ein schlimmes Leiden. Alle anderen hab ich auch erst nach dem Konzert in der Wagenburg wiedergesehen, denn ich bin in der ersten Reihe stehen geblieben, keine zehn Pferde hätten mich da wieder wegbekommen.

Das war Balsam für die Ohren, das war unglaublich, das war fantastisch. Überwältigend. Dem Pappenheimer schießen ja öfter Freudentränen in die Augen bei guter Musik, mir passiert das recht selten, aber diesmal waren sie wirklich feucht. Ich glaube es war die extralange Version von Kaukapol, die mich völlig umgehauen hat. Was für ein Sound, geradezu unglaublich die Präzision und Leidenschaft mit der die zwölf Leute spielten, eine Band wie ein einziger perfekt gestimmter Klangkörper. Ich mag die Platten von den Hippies, aber live sind die noch um Welten besser. Die Leute haben getobt, es war ein einziger Genuss.  Selbst dem Ordner vor mir fiel in manchen Momenten nichts weiter ein, als ungläubig den Kopf zu schütteln. Die muss ich baldmöglichst wiedersehen, was nicht so einfach sein wird, denn die sind sehr begehrt, jetzt weiß ich auch warum. 17 Hippies. Angucken. Freuen. Glücklich sein.

Über die Nacht breite ich lieber den Mantel des Schweigens, ich hab schon an anderer Stelle erklärt was ich am Zelten so hasse. Um 2 Uhr ins Bett auf die mit Sitzpolstern aufgewertete Isomatte, um 7 entledigt man sich der Decke, um 8 schält man sich aus dem Schlafsack, und spätestens um 9 Uhr muss man raus aus dem Zelt, den Schweiß aus dem T-Shirt wringen. Auf Festivals kommen noch die mangelhaften sanitären Einrichtungen dazu, weshalb ich für das Frühstück, eine Dusche und frische Klamotten ein wenig Benzingeld geopfert habe und nach Hause bin. Festivals in der Heimatstadt haben unbestreitbar große Vorteile. 

Rechtzeitig wieder da, um sich bei idiotischen Temperaturen noch mexikanische Zombierocker anzusehen, was sich ehrlich gesagt nur fotografisch gelohnt hat, Tito & Tarantula klingen auf CD wiederum deutlich besser als live, aber wie ich am Vortage schon prophezeite, nach den Hippies konnte nichts weltbewegendes mehr kommen. Dafür war die Show der Schlagzeugfrau was für mein Objektiv, und für solche Motive kann man schon mal ein paar Schweißtropfen vergießen.

Nächstes Jahr bitte etwas anderes aus Mexico, Panteón Rococó würde hervorragend passen, auch politisch. Mexikanische Temperaturen braucht man dafür nicht unbedingt.

So, viel Text erfordert viel Bilder, was für ein Segen, dass ich grad Urlaub hab. Dazu in Dauerrotation 17 Hippies -  Ifni/El Dorado. Morgen mal beim Plattenhöker des Vertrauens Nachschub besorgen. Geiler Urlaubsanfang. (Klick macht Bilder groß, falls man wirklich noch jemanden drauf hinweisen muss)