Es gibt nicht viele Menschen, für die ich freiwillig auf ein Heimspiel verzichten würde. Glücklicherweise werde ich selten auf die Probe gestellt, man ist da im Allgemeinen sehr rücksichtsvoll. Jetzt muss es mir nur noch gelingen die Prinzessin irgendwann für Fußball zu begeistern, ich hoffe da sehr auf den Einfluss ihres besten Freundes, der nächstes Jahr zum ersten mal mit ins Stadion darf. Jetzt, da sind sich alle einig, ist es noch etwas zu früh, dabei wäre die Gelegenheit gerade günstig gewesen. Für das Testspiel gegen Aberdeen hätte es genügend Plätze gegeben, aber bei solchen Tests sind immer viele Leute anwesend, die mal ein kultiges Spiel im Zeckenstadion erleben wollen und sich häufig entsprechend benehmen. Krethi und Plethi werden da mitgeschleppt, weils endlich mal kein Kartenproblem gibt. Nach meinen Erfahrungen gegen Zürich geh ich zu solchen Begegnungen lieber alleine.
Testspiele werden eh überbewertet, also hab ich zugesagt als es um Kinderbespaßung ging. Nur, was macht man mit Kindern bei Scheißwetter? Irgend etwas überdachtes am besten, zeitlich passend lief Kleiner Stern im großen All im Planetarium Hamburg, da gibt es sogar Liegesitze. Ab 5 Jahren, da werden die paar Monate nicht viel ausmachen hab ich gedacht, aber nach einer halben Stunde rutschte die Prinzessin schon recht unruhig auf ihrem Sitz herum. Pippi Langstrumpf ist eindeutig spannender. Dann störte Hans Albers auch noch lautstark die Veranstaltung, weil ich vergessen hatte das Handy abzustellen. Sehr peinlich, aber mit einem Anruf des Exilwestfalens hatte ich erst gegen Abend gerechnet.
Entgegen der Vorhersage gab es dann doch noch Sonne und eine Verabredung in den Wallanlagen. Mehr Kinder, mehr Spaß. Sogar einen Parkplatz hab ich gefunden, trotz Fußball, Welt-Astra-Tag und Dom. Eigentlich völlig illusorisch, aber scheinbar ist die Mehrheit wirklich so vernünftig und fährt mit dem Öffentlichen Nahverkehr, was solchen Spacken wie mir dann manchmal zugute kommt.
Während ich so den Nachmittag unter anderem damit verbrachte aus Zweigen, gefundenen Bindfäden und Brezeln für die Prinzessin eine Angel zu basteln, von der ich hoffte dass keine Ente auf diesen Quatsch hereinfällt, drang die für solche Tage typische Geräuschkulisse an mein Ohr. Die Gesänge aus dem Stadion, gepaart mit dem kreischen der Kinder in der Achterbahn, das Gebrüll beim Tor, der anschließende Jubel, Song 2, Woohoo, alles untermalt vom Geruch nach Schmalzgebäck und gebrannten Mandeln, da hab ich kurz seufzen müssen. Vielleicht hätten wir es heute einfach mal wagen sollen mit den Kindern.
Aber so toll soll das Spiel ohnehin nicht gewesen sein, und selbst für den fußballbegeisterten kleinen Freund der Prinzessin war Dudley das Frettchen heute sicher interessanter als der FC Aberdeen. Leider wurden die Lütten enttäuscht, als der Besitzer dringend davon abriet Dudley zu streicheln. Frettchen sehen leider nur aus wie Kuscheltiere.
Was mir ebenfalls völlig entfallen war: Kinder können sich über mehrere Stunden an völlig lapidar eingestreute Satzteile erinnern, und diese dann zu strategisch völlig ungünstigen Zeiten verwenden. Jedenfalls wenn es sich um Dinge handelt wie Schokoladeneis. Dadurch wurde ein kurzer Bummel über den Dom nötig, bei dem wir nach den stundenlangen duftenden Verlockungen gnadenlos zugeschlagen haben. Apfeltasche, Schmalzgebäck und gebrannte Mandeln, die es inzwischen auch in zahnfreundlicher Ausführung gibt, die beginnende Vergreisung der Bevölkerung ist auch auf dem Rummelplatz schon angekommen.
Nicht angekommen sind die Kalorien bei mir, da die Tüten nach ersten zögerlichen Griffen in Kinderhand blieben. Ich kann kleinen Kindern einfach nichts wegnehmen, verdammt. Was für ein Glück, dass wenigstens zuhause auf ausgewogene Ernährung geachtet wird (und die Mutter das hier nicht liest).
Wenn man mit kleinen Menschen unterwegs ist muss man mindestens eine Stunde mehr einplanen, ungefähr so wie mit dem Pappenheimer, diese Faustformel werd ich mir für die Zukunft merken. Jedenfalls zerschlug sich so der Plan, mit der U-Bahn an die Landungsbrücken zu fahren, bis zum Konzert von Daniel Wirtz hätte ich das nicht geschafft, und den Mann hab ich jetzt schon drei mal verpasst. Und wieder Glück gehabt, wieder einen Parkplatz gefunden, nur 15 stramme Wegminuten zur Bühne am alten Elbtunnel, Standortklärung mit dem Exilwestfalen per Telefon, rechts vom Mischpult. Unterwegs ein netter Klönschnack mit ein paar Sankt Paulianern über Testspiele und Trainingslager, das Ergebnis erfahren, 1:1, war kein gutes Spiel. Nix verpasst, dann besser Frettchen und Enten gucken.
Zehn Minuten vor Ultimo traf ich nicht nur den Exilwestfalen, auch eine verschollen geglaubte alte Bekannte hat sich wieder eingefunden, die ich in Zukunft vielleicht öfter mal anrufen sollte bei solchen Gelegenheiten, mit der Frau konnte man schon immer gut die Nächte durchmachen. Gemeinsam staunen wir, wieviele junge Menschen sich zum Affen machen, indem sie dämliche Pappkronen des Sponsors tragen. Hunderte von Kiez-Königen und Kiez-Prinzessinnen, alle mit Deppenbindestrich, wie es sich für den Welt-Astra-Tag gehört. Reicht doch wohl, wenn man bei solchen Gelegenheiten Astra trinken muss. Ich muss nicht einmal, ich bekomme eine kalte Dose 5.0 Pils vom Exilwestfalen, unzerbrechliches Pfand für Sammler, danach ist Schicht mit Alkohol, ich muss fahren.
Dann endlich kündigte der ungeheuer nervende "Moderator" dieser Veranstaltung den Mann an, den ich seit seiner ersten Platte unbedingt live sehen wollte, inzwischen ist das vier Jahre her und zwei weitere Scheiben sind dazugekommen. Die ich auch alle beide ziemlich gut finde, aber Elf Zeugen hat mich damals umgehauen. Da hat jemand einen gnadenlosen Seelenstrip hingelegt, sich ausgekotzt und therapiert, mit genau der Art von Rockmusik auf die ich abfahre, Texte in denen ich mich zum Teil wiedererkennen konnte, und einer Stimme die einfach passte, seit Jan Plewka und Selig hatte ich keinen anständigen deutschen Rock mehr gehört ohne tief rollendes R. Das Album ging mir tief unter die Haut.
Geht es zum Teil heute immer noch, deswegen hätte ich gerne mehr Titel davon gehört, aber mit einer auf 75 Minuten beschränkten Spielzeit war das nicht drin. Für ein "umsonst und draußen Konzert", bei dem die Hälfte der Leute zum saufen und sabbeln kommen, hat der Stress sich gelohnt. Jetzt warte ich nur noch auf ein passendes Konzert vom Herrn Wirtz, bei dem mehr als 20% der Leute die Texte auswendig können, um seinen Schmerz auf der Bühne zu teilen. Das ist dann sicher noch wesentlich besser und dann nehm ich die große Kamera mit.
Der Lärm von Wirtz war uns Luxus genug, so dass wir uns den Poprock von
Dafür trink ich jetzt mal ein Bier. Ich habs mir verdient.
Auch verdient: Wirtz - Elf Zeugen volle Lotte, Mon Amour.