Montag, 30. Juli 2012

Verlockungen und Entbehrungen














Es gibt nicht viele Menschen, für die ich freiwillig auf ein Heimspiel verzichten würde. Glücklicherweise werde ich selten auf die Probe gestellt, man ist da im Allgemeinen sehr rücksichtsvoll. Jetzt muss es mir nur noch gelingen die Prinzessin irgendwann für Fußball zu begeistern, ich hoffe da sehr auf den Einfluss ihres besten Freundes, der nächstes Jahr zum ersten mal mit ins Stadion darf. Jetzt, da sind sich alle einig, ist es noch etwas zu früh, dabei wäre die Gelegenheit gerade günstig gewesen. Für das Testspiel gegen Aberdeen hätte es genügend Plätze gegeben, aber bei solchen Tests sind immer viele Leute anwesend, die mal ein kultiges Spiel im Zeckenstadion erleben wollen und sich häufig entsprechend benehmen. Krethi und Plethi werden da mitgeschleppt, weils endlich mal kein Kartenproblem gibt. Nach meinen Erfahrungen gegen Zürich geh ich zu solchen Begegnungen lieber alleine.

Testspiele werden eh überbewertet, also hab ich zugesagt als es um Kinderbespaßung ging. Nur, was macht man mit Kindern bei Scheißwetter? Irgend etwas überdachtes am besten, zeitlich passend lief Kleiner Stern im großen All  im Planetarium Hamburg, da gibt es sogar Liegesitze. Ab 5 Jahren, da werden die paar Monate nicht viel ausmachen hab ich gedacht, aber nach einer halben Stunde rutschte die Prinzessin schon recht unruhig auf ihrem Sitz herum. Pippi Langstrumpf ist eindeutig spannender. Dann störte Hans Albers auch noch lautstark die Veranstaltung, weil ich vergessen hatte das Handy abzustellen. Sehr peinlich, aber mit einem Anruf des Exilwestfalens hatte ich erst gegen Abend gerechnet.

Entgegen der Vorhersage gab es dann doch noch Sonne und eine Verabredung in den Wallanlagen. Mehr Kinder, mehr Spaß. Sogar einen Parkplatz hab ich gefunden, trotz Fußball, Welt-Astra-Tag und Dom. Eigentlich völlig illusorisch, aber scheinbar ist die Mehrheit wirklich so vernünftig und fährt mit dem Öffentlichen Nahverkehr, was solchen Spacken wie mir dann manchmal zugute kommt. 

Während ich so den Nachmittag unter anderem damit verbrachte aus Zweigen, gefundenen Bindfäden und Brezeln für die Prinzessin eine Angel zu basteln, von der ich hoffte dass keine Ente auf diesen Quatsch hereinfällt, drang die für solche Tage typische Geräuschkulisse an mein Ohr. Die Gesänge aus dem Stadion, gepaart mit dem kreischen der Kinder in der Achterbahn, das Gebrüll beim Tor, der anschließende Jubel, Song 2, Woohoo, alles untermalt vom Geruch nach Schmalzgebäck und gebrannten Mandeln, da hab ich kurz seufzen müssen. Vielleicht hätten wir es heute einfach mal wagen sollen mit den Kindern.

Aber so toll soll das Spiel ohnehin nicht gewesen sein, und selbst für den fußballbegeisterten kleinen Freund der Prinzessin war Dudley das Frettchen heute sicher interessanter als der FC Aberdeen. Leider wurden die Lütten enttäuscht, als der Besitzer dringend davon abriet Dudley zu streicheln. Frettchen sehen leider nur aus wie Kuscheltiere.

Was mir ebenfalls völlig entfallen war: Kinder können sich über mehrere Stunden an völlig lapidar eingestreute Satzteile erinnern, und diese dann zu strategisch völlig ungünstigen Zeiten verwenden. Jedenfalls wenn es sich um Dinge handelt wie Schokoladeneis. Dadurch wurde ein kurzer Bummel über den Dom nötig, bei dem wir nach den stundenlangen duftenden Verlockungen gnadenlos zugeschlagen haben. Apfeltasche, Schmalzgebäck und gebrannte Mandeln, die es inzwischen auch in zahnfreundlicher Ausführung gibt, die beginnende Vergreisung der Bevölkerung ist auch auf dem Rummelplatz schon angekommen.

Nicht angekommen sind die Kalorien bei mir, da die Tüten nach ersten zögerlichen Griffen in Kinderhand blieben. Ich kann kleinen Kindern einfach nichts wegnehmen, verdammt. Was für ein Glück, dass wenigstens zuhause auf ausgewogene Ernährung geachtet wird (und die Mutter das hier nicht liest).

Wenn man mit kleinen Menschen unterwegs ist muss man mindestens eine Stunde mehr einplanen, ungefähr so wie mit dem Pappenheimer, diese Faustformel werd ich mir für die Zukunft merken. Jedenfalls zerschlug sich so der Plan, mit der U-Bahn an die Landungsbrücken zu fahren, bis zum Konzert von Daniel Wirtz hätte ich das nicht geschafft, und den Mann hab ich jetzt schon drei mal verpasst. Und wieder Glück gehabt, wieder einen Parkplatz gefunden, nur 15 stramme Wegminuten zur Bühne am alten Elbtunnel, Standortklärung mit dem Exilwestfalen per Telefon, rechts vom Mischpult. Unterwegs ein netter Klönschnack mit ein paar Sankt Paulianern über Testspiele und Trainingslager, das Ergebnis erfahren, 1:1, war kein gutes Spiel. Nix verpasst, dann besser Frettchen und Enten gucken.

Zehn Minuten vor Ultimo traf ich nicht nur den Exilwestfalen, auch eine verschollen geglaubte alte Bekannte hat sich wieder eingefunden, die ich in Zukunft vielleicht öfter mal anrufen sollte bei solchen Gelegenheiten, mit der Frau konnte man schon immer gut die Nächte durchmachen. Gemeinsam staunen wir, wieviele junge Menschen sich zum Affen machen, indem sie dämliche Pappkronen des Sponsors tragen. Hunderte von Kiez-Königen und Kiez-Prinzessinnen, alle mit Deppenbindestrich, wie es sich für den Welt-Astra-Tag gehört. Reicht doch wohl, wenn man bei solchen Gelegenheiten Astra trinken muss. Ich muss nicht einmal, ich bekomme eine kalte Dose 5.0 Pils vom Exilwestfalen, unzerbrechliches Pfand für Sammler, danach ist Schicht mit Alkohol, ich muss fahren.

Dann endlich kündigte der ungeheuer nervende "Moderator" dieser Veranstaltung den Mann an, den ich seit seiner ersten Platte unbedingt live sehen wollte, inzwischen ist das vier Jahre her und zwei weitere Scheiben sind dazugekommen. Die ich auch alle beide ziemlich gut finde, aber Elf Zeugen hat mich damals umgehauen. Da hat jemand einen gnadenlosen Seelenstrip hingelegt, sich ausgekotzt und therapiert, mit genau der Art von Rockmusik auf die ich abfahre, Texte in denen ich mich zum Teil wiedererkennen konnte, und einer Stimme die einfach passte, seit Jan Plewka und Selig hatte ich keinen anständigen deutschen Rock mehr gehört ohne tief rollendes R. Das Album ging mir tief unter die Haut.

Geht es zum Teil heute immer noch, deswegen hätte ich gerne mehr Titel davon gehört, aber mit einer auf 75 Minuten beschränkten Spielzeit war das nicht drin. Für ein "umsonst und draußen Konzert", bei dem die Hälfte der Leute zum saufen und sabbeln kommen, hat der Stress sich gelohnt. Jetzt warte ich nur noch auf ein passendes Konzert vom Herrn Wirtz, bei dem mehr als 20% der Leute die Texte auswendig können, um seinen Schmerz auf der Bühne zu teilen. Das ist dann sicher noch wesentlich besser und dann nehm ich die große Kamera mit.

Der Lärm von Wirtz war uns Luxus genug, so dass wir uns den Poprock von Juli Silbermond Luxuslärm erspart haben. Falscher Headliner, folglich gab es weiterhin kein Astra. Durch die spontane Entscheidung das Brauhaus Gröninger aufzusuchen hatte ich das Glück zu meinem Auto begleitet zu werden, und das Pech, weiterhin auf Bier verzichten zu müssen. Ausgerechnet im Gröninger bin ich jetzt schon zweimal als Autofahrer gelandet, aber vielleicht hat das Schicksal es auch nur gut mit mir gemeint, ohne Auto bin ich da regelmäßig abgestürzt. Der Exilwestfale war auf dem besten Weg die ungeheure Süffigkeit dieses Gebräus zu unterschätzen. Hätten wir eine Stunde mehr Zeit gehabt, ein eigenes Fass am Tisch wäre die Überlegung wert gewesen. Allerdings ohne mein Handicap.

Dafür trink ich jetzt mal ein Bier. Ich habs mir verdient.

Auch verdient: Wirtz - Elf Zeugen volle Lotte, Mon Amour.






Samstag, 28. Juli 2012

Der Untergang














In einer Woche beginnt die Saison, aber freuen kann ich mich nicht so wirklich darauf, denn ob es für die ersten Heimspiele überhaupt Karten geben wird ist fraglich. Das Spiel morgen gegen Aberdeen fällt aus wegen Enkelkindbespaßung, bleibt nur noch der Test gegen die Stadtauswahl aus Wedel. Bei diesem Wetter lass ich mir das nicht entgehen, pack die Kamera ein und hetz quer durch die Stadt. Nur eine halbe Stunde früher Feierabend hätte das erträglicher gemacht, was für ein Glück dass die Karre wenigstens Klima hat, eine Affenhitze ist das.
Vor dem Stadion ist es voll, zehn Minuten vor Anpfiff noch. Als ich in der Schlange stehe kommt eine Anweisung für die Ordner nur noch Oberkörper abzutasten, die Zeit wird knapp. Ich hol mir ein Bier und suche einen Platz, an dem man vernünftige Sicht hat für Fotos. Statt dessen finde ich den Don, der seinen Junior langsam an Stadionbesuche gewöhnen will, bekomme noch ein Bier und bleibe da stehen, weil seine entzückende Gattin ebenfalls avisiert ist, und die hab ich echt lange nicht mehr gesehen.

Während dessen läuft auf dem Platz ein munterer Kick und die Tore fallen fast im Minutentakt, mit Hacke und Spitze. Ein paar neue Gesichter sind dabei, eins davon gehört Dennis Daube, der ziemlich schmal geworden ist um die Nase. Das Extratraining hat nicht nur den Babyspeck verschwinden lassen, der will es jetzt wohl wissen. Drei mal trifft er in die Maschen, gefällt mir gut, auch wenn die aus drei Wedeler Vereinen zusammengestellten Allstars kein wirklicher Maßstab sind, aber es wird Zeit aus seinem Talent mehr zu machen. Einen Finnen haben wir jetzt auch, der hat zwar einen nicht ganz so lustigen Namen wie der aus Schalke, aber treffen kann er, genau wie Daniel Ginczek und Mahir Saglik, bin mal gespannt wer später neben Ebbe stürmen darf.
Der Anschlusstreffer wird ausgiebig gefeiert, 7:1 inzwischen und ich hab nicht ein einziges Tor auf der Speicherkarte, nur viermal den ruhenden Ball im Netz und zweimal das Ballmädchen. Zur Halbzeit steht es 9:1 und die Lichtverhältnisse werden schlechter, der Himmel verdunkelt sich, und das liegt nicht an der Uhrzeit. 

Ich verabschiede mich, um hinter der Kurve ein paar Fotos zu schießen, aber weit komme ich nicht, da fängt es an zu grollen und die ersten Tropfen fallen. Ziemlich dicke Tropfen, gegen die das Laub der Bäume für  etwa 30 Sekunden Schutz bietet, die ich nutze um die Kamera einzupacken so gut es geht. Danach rauscht es durch die Blätter als hätte jemand alle Schleusen der Stadt geöffnet. Die Spieler verlassen fluchtartig den Platz, die Zuschauer das Stadion, ich renne durch einen Seiteneingang und finde ein paar hundert Meter weiter einen Carport als Unterschlupf. Das rettet gerade noch die verpackte Kamera, mich nicht mehr, ich bin nass bis auf die Haut. Die Jacke wiegt gefühlte zehn Kilo, davon sind fünf Kilo Wasser. Selbst die Geldscheine im Portemonnaie sind feucht. Mit dem Untergang der Amateure aus Wedel war ja zu rechnen, aber so hab ich mir das nicht vorgestellt.
Keine zehn Minuten später ist der Spuk vorbei und ich betrete das Stadion wieder durch den Vordereingang, weil ich keine Lust habe den Fahrersitz nass zu machen. Beim Fussi gucken kann man bestimmt besser trocknen.

Das Spiel wird kurz darauf auch wieder angepfiffen, aber beim Versuch eines der restlichen zehn Tore irgendwie schnappzuschießen bin ich wieder nicht sonderlich erfolgreich. Trotzdem ein erbaulicher Abend, für neunzehn Tore brauchen die Jungs sonst ein paar Monate, dafür kann man auch mal einen nassen Pelz riskieren. Wenn man dazu noch nette Menschen trifft die man seit Jahren nicht gesehen hat, dann lohnt sich das immer.  

Trocknermusik: Los Fabulosos Cadillacs - Rey Azúcar











Mittwoch, 25. Juli 2012

Schluss mit lustig














Weg ist er, der Pappenheimer, und das Chaos hält sich in Grenzen, sogar zwei Flaschen Bier sind noch da. Mein Entschluss die Küche möglichst wenig zu benutzen war Gold wert, da sieht es schon wieder gut aus. Morgen noch durchsaugen, den Boden wischen und nach vergessenen Utensilien suchen, es wäre das erste Mal, dass er nichts vergessen hat.
Wieder mal ein paar Tage, die man nicht so schnell vergisst, und die ich trotz der Anstrengungen gerne verlängert hätte, aber nur mit Urlaub. Dann hätte man die momentane Wetterlage vernünftig ausnutzen können, so blieb nur noch ein Eisbecher an der abendlichen Binnenalster. Immerhin, seit Monaten mal wieder pünktlich Feierabend gehabt, wenigstens das hat noch geklappt. 
Jetzt muss ich wieder gucken, wer außer dem Exilwestfalen am Samstag mit zum Weltastratag geht um Daniel Wirtz live zu sehen, und anstrengende Fototouren muss ich auch wieder alleine bewältigen.

Dieser liebenswerte Chaot bräuchte unbedingt einen Zweitwohnsitz in Hamburg. Auch wenn meine Gesundheit darunter leiden würde, das nähme ich glatt in Kauf.

Auch die seltsame Musik die er mir immer wieder aufschwatzt wie Shawn Lee's Ping Pong Orchestra -  Reel to Reel. Manchmal taugts ja auch was.

Montag, 23. Juli 2012

Wilde Schlacht mit Blech















Wochenenden mit dem Pappenheimer sind enorm anstrengend, immer. Nach drei Tagen wünscht man sich nur noch eine Hängematte und 24 Stunden Erholungsschlaf, auch wenn man nicht versucht hat mit seinem Bierkonsum mitzuhalten. Trotzdem, gäbe es diese Tage nicht, dann müsste man sie erfinden. Denn der Pappenheimer ist so etwas wie die Pippi Langstrumpf in meinem Freundeskreis, zwar nicht so stark, aber für jeden Blödsinn zu begeistern.

Und er hat einen seltsamen (manchmal grenzwertigen) Musikgeschmack, der sich häufig mit meinem deckt, wodurch ich gestern das große Glück hatte eine furiose Balkanblechbläserschlacht vor dem Museum der Arbeit nicht alleine sehen zu müssen. Rumänien vs. Serbien, Fanfare Ciocarlia vs. Markovic Orkestar, die beiden wohl berühmtesten Balkan Brass Bands auf einer Bühne, für grad mal 30 Euro. Kann man sich natürlich auch alleine ansehen, aber ohne den lieben Besuch hätte ich das Ereignis höchstwahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, und geteilte Freude ist verdoppelte Freude, mindestens.  
 
Davon hatten wir beide jede Menge, und die restlichen 2000 Zuschauer ebenso. Was für eine wilde Hatz, was für ein atemberaubendes Tempo, was für ein Spaß an der Musik. Würden doch alle Battles auf der Welt auf diese Art und Weise ausgetragen werden, es gäbe höchstens Ohrenschäden. Denn die Jungs waren nicht nur verdammt schnell, die waren auch verdammt laut, und als Fotograf in der ersten Reihe bekommt man gleich die volle Dröhnung.

In einer kurzen Ohrenerholungspause am Bierstand waren wir uns beide einig, Marko Markovic und seine Männer hatten die Nase knapp vorne in der Schlacht. Das Gefühl hatte man bei Fanfare Ciocarlia scheinbar auch, denn am Ende des Konzertes versuchten die Rumänen mit unfairen Mitteln ein paar Punkte gut zu machen und baten das jüngste Familienmitglied zum Tanz auf die Bühne. Der Niedlichkeitsfaktor bei Kindern ist sicher nicht zu unterschätzen, allerdings, da waren der Pappenheimer und ich uns wieder einig, hätten der Kleinen ein paar Klamotten mehr nicht geschadet.

Mehr Punkte bei uns haben sie erst bekommen, als sie bei der Zugabe durch die Menge marschierten. Highlight eines ohnehin schon berauschenden Konzertes, bei dem nicht ernsthaft ein Sieger gesucht wurde.

Selbstredend läuft gerade auf CD: Fanfare Ciocarlia & Marcovic Orchestra - Balkan Brass Battle auch wenn der Pappenheimer über seine eigene CD mosert

 
























 
 

Sonntag, 22. Juli 2012

Per Definition zur Traumfigur















Es soll Hamburger geben die von der Schanze nicht viel halten. Da geit man nich hin, sagt zumindest ein Bekannter vom Herrn Ärmel, aber die Gegend bietet halt viele gute Möglichkeiten den Abend zu verbringen, daher hab ich mir gedacht, den Pappenheimer und den Exilwestfalen kann man dort ein paar Stunden gut beschäftigen. Die grobe Planung sah einen kurzen Spaziergang durch das Viertel vor, mit Zwischenstopp am Geldautomaten der Spasskasse und ein paar kühlen Bierchen, auf dem Weg zu Erikas Eck, wo ein großes Schnitzel mit Bratkartoffeln für die nötige Grundlage sorgen sollte.

Für die Verschleppung des Tempos sorgte dann wieder der Pappenheimer, der sich erst einmal für die Flora und den angrenzenden Park interessierte, den wir dankbar für entspannte Rauchpausen nutzten, um sich dann bei ein paar Bierchen und den letzten Sonnenstrahlen seinem Hobby zu widmen. Straßenfotografie. Klappt gut in der Gegend, weil alle Nase lang irgendwelche Musikanten oder Clowns für Unterhaltung sorgen, man kommt nur nicht mehr vom Fleck. Reichlich Fotos davon wird es sicher demnächst auf Schnittmengen geben, auf meine große Knipse verzichte ich an solchen Abenden lieber. Streetfotografie ist ohnehin überholt, der neuste Schrei ist Feetfotografie und das geht auch mit der Kompaktkamera.

Mit dem Schnitzel hat es denn auch nicht geklappt, kein Platz zu kriegen bei Erika. Normalerweise nervt mich so etwas tierisch, wenn ich den ganzen Tag schon Appetit auf eine ganz bestimmte Sache habe und das dann nicht bekomme, aber die Spezialgehackten Schafskinder am Spieß (mit viel Knoblauch) beim Anatolen waren ein ausgezeichneter Ersatz, muss ich zugeben.

Der Exilwestfale hat sich danach verabschiedet und den glorreichen Rest des Abends verpasst, an dem mich der Pappenheimer nach der obligatorischen Verdauungsrolle zu einem Besuch der Flora überredete. Das hielt ich erst für keine so gute Idee und wurde darin vom Kartenverkäufer noch bestärkt, der sichtlich begeistert Schrammelpunk, Electro und Drum 'n' Bass als Highlights des Abends ankündigte. Alles nicht unbedingt mein Ding, aber 5 Euro Spende für ausgeCO2hlt und fürs Klimacamp Rheinland sind jetzt auch nicht die Welt, für einen guten Zweck kann man sich mal Schrammelpunk reinziehen.

So bin ich das erste Mal in meinem Leben in der Flora gelandet und das hat sich durchaus gelohnt. Grandioser Laden, äußerst freundliche Menschen, sehr entspanntes Publikum, und die Schrammelpunker aus Bremen, deren völlig beknackten Namen ich gleich mal für den verwirrenden Titel meines Blogposts nutzen werde, erwiesen sich als äußerst unterhaltsam. So unterhaltsam, dass ich mir sogar die CD downloaden werde, Antifa Love Letter und Wettermeckerdeutsche muss ich unbedingt noch einmal hören. Punk mit Akkordeon gibts schließlich nicht so oft auf die Ohren.

Für den Exilwestfalen interessanter gewesen wäre sicher DJ Rampue mit seinem Electrozeugs, dem ich von exponierter Stelle aus zusehen konnte, wie er an hunderten kleiner Knöpfe und Regler drehte und unfassbar geile Sounds durch die Räume fegte. Mir war bisher gar nicht klar, dass ich so auf Electro abfahren kann. Muss wohl nur der richtige Mensch an den Reglern fummeln, davon hätte ich jedenfalls gerne einen Mitschnitt gehabt.


Momentan stimmen wir uns aber ein wenig auf das heutige Balkan Brass Battle ein mit Fanfare Ciocarlia - Iag Bari



Freitag, 20. Juli 2012

Nachtmenschen














Kaum fällt der Pappenheimer in Hamburg ein kommt man aus dem Biertrinken nicht mehr raus, betritt Kneipen, die man vor 30 Jahren das letzte Mal von innen gesehen hat und kommt nicht vor 4 Uhr morgens ins Bett.
Wodurch sämtliche möglichen Aktivitäten am nächsten Tag keinesfalls vor Mittag beginnen werden, die ewige Spirale.
Wenigstens kann ich hier problemlos für unser leibliches Wohl sorgen.

Im Gegenzug sorgt er für neue Musik, und manchmal ist das sogar ziemlich gut: Can - The Lost Tapes


Mittwoch, 18. Juli 2012

Stadtansichten: Sternschanze














Den flächenmäßig kleinsten Stadtteil Hamburgs gibt es offiziell erst seit 2008, vorher gehörte das Schanzenviertel in Teilen zu Eimsbüttel, Altona und Hamburg Mitte. Die Auswirkungen der Gentrifizierung sind in kaum einem anderen Stadtteil sichtbarer, zunehmend wurde in den letzten zwanzig Jahren alte Bausubstanz durch moderne Glas/Stahl/Beton Architektur ersetzt. Der Schlachthof verschwand, und mit ihm die größeren Firmen in der näheren Umgebung, die Gewürz- und Darmhändler. Übrig blieb der Fleischgroßmarkt Hamburg und ein paar traditionelle Gaststätten wie die Schlachterbörse, Erikas Eck oder Henrys Frühstücksstube. Definitiv keine Läden für Vegetarier, dafür kann man hier ungehemmt der Fleischeslust zu völlig unmöglichen Zeiten frönen. 
Etwa fünfzehn Jahre lang hab ich hier gearbeitet, mir bei Henry Mettbrötchen geholt, die so dick belegt waren, dass viele hinterher noch zum Bäcker gegangen sind und sich ein zweites oder drittes für diese gigantischen Fleischmengen geholt haben. War alles an den täglichen Schlachterbedarf angepasst, nach einer Frikadelle von der Größe eines mittleren Hackbratens war man satt, nach einem Schlachterkaffee mit Weinbrand oder Rum konnte man nicht mehr Auto fahren.
Die alten Wohnungen in der Umgebung wurden nicht gepflegt und verfielen zusehends, dafür waren die Mieten spottbillig, was viele Studenten angelockt hat, die Uni ist nicht weit. Die übliche Spirale, die Kneipen und Restaurants folgten, ein multikulturelles Szeneviertel entstand, die Schanze war angesagt. Neue Firmen zogen in den Stadtteil, auf den abgerissenen Arealen entstanden neue Wohnungen für teures Geld. Und der Rest leistet Widerstand.

Sichtbares Zeichen dafür ist die Rote Flora, ein ehemaliges Theater, das zwischendurch ein Kino und lange Jahre ein Warenhaus beherbergte, bis es zu einem Musicaltheater umgestaltet werden sollte. Was wahrscheinlich zusätzlich tausende Besucher angelockt und zum Kollaps geführt hätte, daher wurde die Flora kurzerhand besetzt und ist es bis heute. Sichtbares Zeichen für die Veränderung ist die gegenüberliegende Straßenseite, die "Piazza" am Schulterblatt, auch gerne als Galãostrich bezeichnet.

Einmal jährlich findet hier das nicht genehmigte Schanzenfest statt (zur Not auch zweimal, wenn das erste gestört wird) und endet regelmäßig in einer offenen Wassersportveranstaltung mit Blau-Schwarz Hamburg, worunter leider auch oft kleinere Geschäfte leiden müssen.
Größere Firmen sichern sich ab, so ist die McDonalds Filiale am Bahnhof Sternschanze angeblich als einzige in Deutschland mit Panzerglas gesichert. Was sich kaum gelohnt haben dürfte, wer in der Schanze wohnt oder sich dort zum Vergnügen aufhält isst nicht bei McDonalds, es gibt etwa hundert bessere Möglichkeiten.
Verloren ging der Kampf um den Wasserturm im Schanzenpark, der trotz etlicher Störaktionen zum Hotel umgebaut wurde. Inzwischen hat man sich scheinbar damit arrangiert, immerhin sieht der Bau noch nach Wasserturm aus, und der Park wird weiterhin genutzt, als Spielplatz, Grillplatz, Festplatz und Open Air Kino.
Und wenn man ein wenig Glück hat auf der Fotoexkursion, dann kann man sogar ein sehr lokales Lokalderby zwischen den beiden hier beheimateten Vereinen sehen, dem SC Sternschanze und dem VfL Hammonia.

Schanzenmusik: Joe Strummer & The Mescaleros - Global A Go-Go