Donnerstag, 13. Juni 2013

Auf kalten Gewässern















Eine der ersten Touren die ich mir schon zu Hause vorgenommen habe führt mich ins Taurusgebirge, zur Oymapınar-Talsperre. Talsperren finde ich zwar generell wenig interessant, aber die Bilder die ich vom sogenannten Green Canyon gesehen habe sind beeindruckend, diese Landschaft muss ich in Augenschein nehmen. Warum der allerdings Green Canyon genannt wird und nicht Grün Künyün o.ä. ist mir völlig schleierhaft, wohl ein Auswuchs des Tourismus.

Unser Reiseleiter heißt Sherif und ist sehr redselig, außer prima Türkenwitzen haut er auch laufend gute Informationen über die vorbeifliegende Landschaft raus. Über traditionelle alte Häuser, die zwar kaum noch bewohnt werden, aber unter Denkmalschutz stehen. Über steinerne Zeugen der Vergangenheit, die Landwirtschaft der Region (Spezialität Wassermelonen und Granatäpfel) und Recep Tayyip Erdoğan. "Die Türkei ist eine Demokratie" sagt er stolz "und wenn der so weitermacht ist er genau so schnell weg wie er gekommen ist." Das hab ich hier über Helmut Kohl und Angela Merkel auch mal gedacht, ich wünsch ihm jedenfalls alles Gute.

Ärgerlich ist an solchen Touren nur, dass man nicht alle paar Minuten anhalten kann um die alten türkischen Häuser, die steinernen Relikte und die Wassermelonen zu fotografieren, zum Glück bietet der offene Doppeldeckerbus auch so einige Gelegenheiten, wenn man auf der richtigen Seite sitzt. Einen kurzen Halt gibt es am unteren Stausee, danach schraubt sich der Bus über Serpentinen hoch bis zum Sperrwerk. Sherif referiert über das wichtigste Bauteil eines Autos, die Hupe, und ich hoffe angesichts der Straßenzustände, dass bei diesem Bus wenigstens ähnlich viel Augenmerk auf die Bremsanlage gerichtet wurde.

Per Doppelrumpfboot geht es dann gute zwei Stunden durch die Schluchten der oberen Seen, Badepause eingeschlossen. Ich erfrische mich mit einem Bier aus der Bordzapfanlage, ein paar junge Leute aus Dresden wählen den Sprung vom Anleger, die meisten sind allerdings binnen Sekunden wieder draußen. Das sah schon kalt genug aus, das muss ich nicht austesten. Währenddessen versuche ich einem verzweifelten Familienvater zu helfen, dem die Gesichter von Frau und Kind immer zu dunkel werden auf seinen Aufnahmen. "Sie haben doch auch eine Nikon..."
Ähm, ja. Meine kann das auch, aber eine manuelle Einstellung auf seiner Kompaktknipse suche ich vergeblich und gebe ihm den Rat, sich einfach umzusetzen. Gegenlichtaufnahmen sind mit den kleinen Dingern zu problematisch.

Das Mittagessen wird in einem höher gelegenen Restaurant eingenommen, um diesen äußerst gemütlichen und schattig-kühlen Platz zu erreichen sind allerdings unzählige Treppenstufen zu bezwingen. Sherif tröstet uns ein wenig, immerhin hätten wir durch den hohen Wasserstand des Stausees gut ein Drittel der Stufen gespart. Die auf diesen Touren angebotene Standardverpflegung besteht aus Grillhähnchenspießen, Köfte oder Fisch mit den üblichen Beilagen und Salat, Salat, Salat. Wenn die Tomaten hier in Deutschland auch so schmecken würden, ich wär öfter an der Salatbar zu finden. Hier lässt es sich aushalten, doch es wartet noch der kleine Canyon mit seinen kalten unterirdischen Quellen, deren Strudel sehr gut auf dem Wasser zu beobachten sind.

Das sieht noch sehr viel kälter aus, und baden will auch niemand mehr. Auf der Rückfahrt stoppt der Touristenkonvoi noch einmal an der Staumauer und wir erfahren Einzelheiten über den Damm, "den wir mit Euch zusammen errichtet haben". Deutsch-Türkische Connections überall. "Euch" ist in diesem Fall die Firma Bilfinger Berger aus Mannheim, die ihren türkischen Partnern leider den Sinn von Arbeitsschutzmaßnahmen wie Schutzhelmen nicht rechtzeitig näherbringen konnte, wodurch 34 türkische Arbeiter beim Bau ums Leben kamen.

Letztes Highlight der Tour ist ein dreißig minütiger Sherif-Schnellkurs über den Islam, über Pflichten und Rechte des gläubigen Muslims, den Koran und seine Bedeutung, die wesentlichen Unterschiede zum Christentum ("ihr habt es gut, ihr müsst nur Sonntags in der Kirche beten, wir fünfmal am Tag"), dass Moscheen ausschließlich aus Spenden errichtet werden, weil es keine Moscheensteuer gibt und über die Vollpfosten von Al-Qaida, die wahrscheinlich allesamt zu blöde sind den Koran zu lesen und so eine ganze Religion in Verruf gebracht haben. Danach gibt er noch ein paar Türkenwitze zum besten um uns etwas aufzulockern, denn der Abschluss des Tages besteht im Besuch eines Outlet-Stores, in dem man super günstig Kleidung ganz hervorragender Qualität erwerben könnte. "Nicht nur getürkte Ware" wie Sherif versichert, "auch Originale."

Ich verbringe die Zeit lieber im angrenzenden Garten bei einem Kaltgetränk und unterhalte mich mit einem Berliner, der sich in den letzten drei Jahren fast die ganze Türkei angesehen hat, Kappadokien, Istanbul, Pamukkale, Bodrum, er war schon überall, und hat auch schon alles mitgenommen. Vor dem Zoll müsste man keine Angst haben, er hätte zu Hause nur Kleidung und Uhren aus der Türkei. Dabei deutet er grinsend auf seinen enorm großen und hässlichen Breitling Blender, den ich nicht mal tragen würde wäre er echt. Nur beim letzten Urlaub hatte er leichte Probleme, weil man in seinen zwanzig Kühlschrankmagneten gepresstes Heroin vermutete. Schon unglaublich, was manche Menschen aus dem Urlaub mitbringen.

Nicht aus dem Urlaub mitgebracht: Alejandro Escovedo - Thirteen Years/A Man Under The Influence
























8 Kommentare:

  1. Du scheinst es dir gut gehen zu lassen. Wie wärs mit ein paar Langzeitbelichtungen - Wasser ist ja genug vorhanden *ggg*

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    1. Auf solchen Touren hat man leider nie genug Zeit sein Geraffel großartig aufzubauen, man ist ständig unterwegs, mit Bus oder Boot, alles nicht so geeignet für Langzeitbelichtungen.
      Außerdem, das muss ich zugeben, hatte das Stativ keinen Platz im Koffer, ich bräuchte eins für Reisen.

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  2. schicke landschaft, wenn ich mir das letzte foto ansehe frage ich mich nur wieviele tote es bei diesen touren gibt. und wolltest du dir nicht eine lederjacke kaufen da unten? gab es keine im outletstore?

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    1. Zwei Tage vor der Abreise habe ich zufällig einen Lederwarenladen mit Maßanfertigungen gefunden, etwas zu spät. Spaß war mir wichtiger als Einkauf, den hat jemand anders erledigt.

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  3. ich bin ja immer wieder fasziniert von dem wasser. was tun die jungs denn da rein damit so ne abgefahrene farbe kriegt?

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    1. In diesem Fall liegt das an dem Gestein des Taurusgebirges, durch die Bäche und unterirdischen Quellen wird irgend etwas ausgewaschen (was genau hab ich vergessen, aber irgend ein Mineral halt)

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  4. Sehr chic, wehr chic. Ich habe ja letztens auch in so einem Bus gesessen. Anderes Land zwar, aber die gleiche Situation bzw der selbe Ärger. Es bleibt einfach keine Zeit, sich das anzuschauen, was man selbst will, geschweige denn zu fotografieren

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    1. Solche Touren wie zum Stausee sind auf eigene Faust einfach zu kompliziert, aber was die umliegenden Städte und Dörfer angeht würde ich es nächstes mal anders machen.

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