Dienstag, 18. Oktober 2011
Du Frau? Schal? Frennz?
Vorspiel
Das übliche Prozedere bei Montagsspielen. Frühschicht, 4 Uhr Weckerklingeln, kaum geschlafen. In der Firma geht nichts, ein Strömungswächter ist gestört, das Wasser ist kalt. 25.000 Liter Wasser von 40° auf 75° bringen dauert locker eine Stunde, das gibt mir genug Zeit mich um die anderen Fehler zu kümmern. Gibt auch reichlich davon, schließlich ist Montag. Dabei fällt mir das Konzert von Bob Geldof wieder ein, vor ein paar Tagen. Soll gut gewesen sein, aber ich würde mir nie ein Konzert von Bob Geldof ansehen, weil ich diesen Song einfach nicht mehr hören kann. Ich mag auch keine Montage, manche ganz besonders nicht.
Nach Feierabend noch schnell ein paar Details mit meinem Versicherungsspezi besprochen was fahrbare Untersätze betrifft, dann ins Bett, Mittagsschlaf. Zwei Stunden Erholung und geistige Vorbereitung, dieses mal glücklicherweise ohne Kindergeburtstag auf dem Spielplatz und störende Telefonate. Frühzeitig am Stadion, drinnen ist es trotzdem schon laut. Für zwei Bier und Klönschnack am Wagen und eins auf den Weg reichts aber noch. Herr Holzapfel ist nicht in Sicht, wahrscheinlich verlaufen, ist ja auch voll hier, da verliert man schnell die Übersicht. Der Gegengeradenhochadel macht sich auf den Weg in Richtung Sitzplatz, ich such mir meinen auf den Stehrängen.
Spiel
Das wäre jetzt nicht nötig gewesen. Meine aktuelle Einschätzung unserer Mannschaft erweist sich leider als ziemlich zutreffend, wir können oben nicht mithalten. Dass ich in den Tippspielen damit trotzdem keine Punkte hole ist entweder Optimismus, Herzblut oder Dummheit. Ein 1:3 kann ich einfach nicht eintragen, niemand siegt am Millerntor, verdammt. Sollte es jedenfalls nicht.
Dabei gehts gut los, wir setzen Fortuna unter Druck, stören früh, und nach ner Viertelstunde klingelts im Kasten. Saugute Kombination über Finn, doch das 1:0 von Max hab ich fast schon abgehakt, nachdem der Torwart noch an den Ball kam. Aber hat nicht gereicht für ihn. Woohoo. Verdiente Führung.
Danach woohoot aber leider nichts mehr, auf beiden Seiten. Bis der Düsseldorfer Schauspielertruppe einfällt, das Geschehen auf dem Rasen mit Schwalben zu würzen. Wenn man keine Ideen hat, versucht man eben mal einen Elfer rauszuholen. Besonders Herr Rösler legt sich gerne mal hin und wird damit für den Rest des Spiels zum besonderen Liebling des Publikums. Ihr seid ne Schauspielertruppe ist eindeutig der Smash Hit der ersten Halbzeit. Die hätte Herr Perl gerne etwas rechtzeitiger abpfeifen können, so kassieren wir 30 Sekunden vor der Halbzeit den Ausgleich, durch einen Scheiß Sonntagsschuss aus 20 Metern. Ich hätt kotzen können.
Das hat mir die Halbzeit doch etwas verhagelt, wenigstens klappt die Bierversorgung immer noch. Dieses mal durch einen jungen Mann, der seine Freundin wohl das erste mal mit in sein Wohnzimmer schleppen konnte. Wie ich an den grinsenden Gesichtern der beiden erkennen konnte, fand meine 45minütige Support- und Pöbel-Arie eindeutig Anklang, manchmal konnte ich die beiden sogar zum Mitgrölen animieren.Was soll das bloß werden, wenn nach dem Umbau noch 5000 dazukommen, die schweigende Mehrheit? Dafür brauchen wir keine Welle. Gegengerade war schon lauter. Support muss.
Mit Beginn der zweiten Hälfte bekomm ich vom netten jungen Mann ein kaltes Bier gereicht und bin rechtzeitig wieder bei Stimme. Grund zum Pöbeln gibt es genug, wir sind dran, machen fast das 2:1 - aber nur fast weil der Pfosten im Weg ist - und fangen uns einen Konter ein zum 1:2. Danach spielt Düsseldorf, manchmal Fußball, sehr häufig Theater. Immer wieder liegt einer auf dem Rasen und spielt den sterbenden Schwan, zum Kotzen, den Schiri interessierts nicht.
Schubert wechselt, es wird offensiver. Blöde nur, dass er Torre nicht rausnimmt, der hat schon Gelb und sieht kurz darauf auch noch Gelb/Rot, warum auch immer. Mit 10 Mann wird Düsseldorf dann auch ohne Schauspielkunst fertig. Beister macht das 1:3 und hätte auch noch das 1:4 machen können, die Niederlage geht in Ordnung, Düsseldorf war den Tick besser und etwas glücklicher. Auch wenn uns am Ende noch mal das Aluminium im Weg war, da hätten wir nichts mehr gerissen. Mund abwischen, weitermachen, Frankfurt schlagen nächsten Sonntag. Mal gucken, wie es sich im Norden so pöbelt.
Nachspiel
Nach Niederlagen herrscht sowieso immer essigsaure Stimmung, an Montagen potenziert sich das, zudem ist am nächsten Tag bei fast allen wieder Arbeit angesagt. Herrn B. konnte ich mit einer Sportzigarette noch etwas binden, der Rest war fix weg. Auf dem Weg zur U-Bahn sah ich mit meinem Restbier noch ein wenig dem Treiben vor der Domschänke zu, Vernunft und die eher abschreckende Masse an Menschen haben mich dann doch dazu bewogen, die HVV Abenteuertour zu nehmen.
Die erwies sich wieder einmal als sehr unterhaltsam, was ich einem sturzbetrunkenen Polen zu verdanken hatte, der sich ab Barmbek sehr für meinen St.Pauli Schal zu interessieren begann. Nachdem er mir die deutsche Vokabel für dieses Kleidungsstück entlockt hatte, wurde es dann langsam persönlich. Der Beziehungsstatus wurde abgefragt.
Du Frau?
Ja. (Hmm, wieso eigentlich beantworte ich solche Fragen?)
Du Frau? Schal? Frennz?
Frennz? Ob wir Freunde sind? Franzose bin ich offensichtlich nicht. Was meint er?
Du Frau? Schal? (prüfender Griff) Frennz?
So kommen wir offensichtlich nicht weiter. Sein ebenfalls stark alkoholisierter schnarchender Kumpel ist keine Hilfe, Weckversuche scheitern kläglich. Was ich an Tönen vernehme veranlasst mich auch nicht, an eine Verbesserung der Konversation zu glauben, selbst für den Fall er würde ihn wach kriegen.
Du Frau? Schal? Frennz?
Sind wir bald da? Das Gespräch beginnt mich zu langweilen, als er anfängt in diversen Taschen zu kramen und einen Schal hervorzieht, eindeutig ein Accessoire für das andere Geschlecht. Nein, ich möchte meiner Frau keinen Schal kaufen. Schon gar nicht diesen, der sieht mir doch sehr nach Sperrmüllfund aus. Dafür kassiert man höchstens 3 Wochen sexuelle Enthaltsamkeit.
Scheinbar habe ich mich getäuscht, er hat auch hochwertige Ware dabei. Er zeigt mir stolz das Preisschild an einer Art Mantel mit Stola, 170 Euro. Donnerwetter. Frennz bekommen das Teil für 7 Euro. Da wäre man ja bekloppt, würde man das ablehnen.
Das effektivste Mittel gegen Handlungsreisende ist immer noch die öffentliche Bankrotterklärung. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich bereits mein gesamtes Geld in Bier umgesetzt habe, ich bin völlig pleite. Sieben Euro sind nicht zu finanzieren, ich habe höchstens noch einen. Viel Bier, kein Geld, alles klar?
Schnell ist der Mantel wieder weggepackt, für meinen Euro bietet er mir eine Flasche Oettinger an, die ich dankend ablehne.
Man will ja nicht unhöflich sein, aber langsam nervt der Mann etwas, was mich beinahe verleitet, zu früh auszusteigen. Ich bemerke gerade noch meinen Fehler und muss wieder einsteigen, was meinen neuen Freund sichtlich freut, mich weniger. Dafür möchte er jetzt von mir wissen, wo wir momentan gerade sind. Die Entdeckung macht ihn schlagartig um mindestens 1.0 Promille nüchterner, eigentlich müssen die beiden nach Norderstedt und fahren jetzt schon seit 30 Minuten in die falsche Richtung. Geschäfte waren auch nicht zu machen, eine völlige Pleite der Abend. Auch für Handlungsreisende.
An der Bushaltestelle 30 Minuten Wartezeit. Die durfte ich mit zwei Jungs verbringen, die dem furchtbaren Zellgift auch schon reichlich zugesprochen hatten. Brausepulver mit Wodka, dagegen ist sogar Oettinger ein Hochgenuss.
Alder ich trink nu ssum letzten mal illegal Alkohol teilte mir der eine Schlaks ungefragt mit. Da mir von einer Prohibition nichts bekannt war, und wir uns ebenfalls nicht mehr auf Bahngelände befanden, auf dem man ja neuerdings keinen Alkohol mehr konsumieren darf, ließ mich das etwas rätselnd zurück.
Bis sein Kumpel ihm um Mitternacht zum 18. Geburtstag gratulierte. Wenigstens etwas zu feiern heute.
Kurz darauf gabs auch noch Glückwünsche per SMS, was will man mehr.
Ey Digga, meine Mudda! offenbarte er seinem Begleiter stolz den Absender der Nachricht. Hoffen wir mal, dass Mutti heute Nacht nicht noch Brausepulverwodkakotze aufwischen musste. Das Geburtstagskind machte keinen allzu standfesten Eindruck mehr.
Und hoffen wir mal, dass der magische FC am nächsten Sonntag Wiedergutmachung betreibt. Zwei Heimpleiten hintereinander, das hatte ich letzte Saison zur Genüge.
Runterkommen: Morcheeba - Who Can You Trust/Big Calm
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Nicht verlaufen, Bus verpasst. Ich war viertel vor IM Stadion, es gibt ja wohl mehr als einen Bierstand, ich hab alle abgeklappert und keinen von euch gefunden. Sichtverhältnisse auf der GG sind ja mehr als bescheiden, ähnlich wie das Spiel, hab nich wirklich was mitbekommen. Wenn ich schonmal ne Karte habe geht auch garantiert alles in die Hose.
AntwortenLöschenSpätestens 30 Minuten vor Anpfiff bin ich auf meinem Platz, weil die Sichtverhältnisse sonst sehr bescheiden sind, hättest Du wissen müssen.
AntwortenLöschenAls Glücksbringer taugst Du also nichts, hätte ich wissen müssen.
oh, wir hatten zwei heimpleiten in folge. erst aue, dann düsseldorf.
AntwortenLöschenes wäre, wenn es so kommen sollte, die dritte heimpleite in folge.
sorry fürs klugscheißen.
Wieder ein sehr schöner Erlebnisbericht, gerade auch mit dem ganzen Drumherum.
AntwortenLöschenIch freue mich auf die neuen Fans beim Neubau der Gegengeraden, auch wenn das sicher nicht ohne Probleme verlaufen und es nicht mehr das Gleiche sein wird. Aber eine Chance, viele neue Impulse zu erleben und hoffentlich positiv zu integrieren. Was stört und unpassend wäre, das muß die Fanszene dann angehen - hatten wir früher ja auch schon mal geschafft. Ich werde die Veränderung optimistisch begrüßen.
Oh, und dem klugscheißenden Anonymus möchte ich noch mitteilen, daß das Schlußwort sicherlich anders gemeint war - Deutungsmöglichkeiten gibt es viele. Beispielsweise Genugtuung für die zwei Heimpleiten hintereinander oder so. Egal. ;)
Danke, das Schlusswort war tatsächlich so gemeint, wie es kleinertod schrieb. Die beiden Pleiten gegen Aue und Ddorf sollten die letzten gewesen sein am Millerntor.
AntwortenLöschenDass es auf der Gegengerade (und auf dem Platz) auch anders zugehen kann hat man ja gegen Duisburg und 1860 sehen können, ich hoffe wir alle orientieren uns etwas mehr daran, den Anfang machen wir Sonntag gegen Frankfurt. Da werde ich allerdings auf die Nord ausweichen müssen.
Den Umbau werde ich spätestens dann optimistisch begrüßen, wenn für mich eine Dauerkarte dabei abfällt.