Donnerstag, 30. Oktober 2014

Eine nur beinahe magische Nacht




















Vorspiel
Um der eventuellen Vergesslichkeit der Kollegen vorzubeugen sehe ich mich gezwungen, einen meiner letzten zwei Urlaubstage zu opfern. Davon ganz ab wird das heute derbe anstrengend werden mit der Singerei, da wir mit den Dortmundern fußballerisch nicht mithalten können müssen wir sie eben mit Lautstärke beeindrucken. Schon ganz gut wenn man an solchen Tagen ausschlafen und sein Bier zu verträglichen Zeiten trinken kann.

Die späte Anstoßzeit lässt außerdem viel Spielraum für notwendige Besorgungen, etwas feste Nahrung vom Imbiss erspart Zeit für die Stadionwurst und ich kann frühzeitig los. Der Geldautomat spuckt wieder nur einen Fuffi aus, warum kann man sich die Scheine nicht aussuchen an dem blöden Ding? Kleingeld reicht eben noch für den Fahrschein, muss ich entweder das Bier oder den Übersteiger mit dem Lappen zahlen. Stammplatz sichern oder Meckerecke? Werde ich spontan entscheiden, oben ist die Bierversorgung besser, unten hat man zur Not eine Schulter zum anlehnen wenn es ganz schlimm kommt.

Das Wetter ist bombastisch, wenn das „bedeckt“ ist, dann kann es gerne am Wochenende auch „bedeckt“ sein, sehr viele Wolkenfetzen sind am Himmel nicht zu sehen. Die Chancen auf Schnee und hartgefrorenen Boden waren ohnehin nicht sehr realistisch und Borussia hat genau wie Bayern das B an der falschen Stelle, alles keine Anzeichen für eine neue Bokalsaison. Trotzdem bin ich weit entspannter als bei einem normalen Ligaspiel, das Dasein als krasser Außenseiter macht es möglich, reine Vorfreude über ein Bonusspiel unter Flutlicht und dann einfach mal gucken...

An der Bushaltestelle grinsen sich zwei Jugendliche zu als sie mich sehen. Vorstadtclubfans, der eine prophezeit mir ein zweistelliges Ergebnis. „Nee“ sag ich, „zweistellig ist erst morgen angesagt.“ Die Aussicht auf das Spiel gegen Bayern lässt sie schnell verstummen, das Rautenleben ist nicht einfacher geworden.

19 Uhr U-Bahn Sankt Pauli, dunkel dräut die Winterzeit. Vom Wetter nichts mehr zu sehen, ist vielleicht doch etwas kühl für ein T-Shirt, aber ich wollte mich heute eh warmsingen. Trotz der vom Verein angekündigten Kartensperre für etwa 100 auf dem Schwarzmarkt verkaufte Karten treiben sich die üblichen Händler da herum, ich sehe bloß nie jemanden Karten kaufen und frage mich jedes mal ob sich der Aufwand für die Typen noch lohnt. Einen Übersteigerverkäufer suche ich allerdings vergeblich, dafür laufen mir am Stadion gleich drei über den Weg. Lesestoff für die erste halbe Stunde, ein Bier dazu und Platz suchen. 

Lesen wird dann doch nix, die Ränge sind heute weit eher gefüllt. Die Vorfreude macht sich gleich bemerkbar, eine Stunde vor Anpfiff wird schon kräftig gesungen. Ich singe kräftig mit, wodurch mein Bier allerdings schnell zur Neige geht und Nachschub ist noch nicht in Sicht. Noch keine Sitzer auf den Sitzen, dafür auf jedem Platz eine Tüte mit bunten Kassenrollen, gebrauchsfertig vorbereitet, mit schriftlicher Anleitung, damit auch nix schief geht. Für die Stehränge wurden massig Fahnen genäht und verteilt, da hat sich der Supportblock richtig ins Zeug gelegt heute, von der Haupttribüne könnte man das gut fotografieren, von hier oben eher nicht, aber vielleicht gibt es im Süden ja noch was zu sehen. (Gegengeraden- und andere Fotos bei Gröni)

ARD Experte Scholl muss sein Gespräch mit Moderator Bommes für mehrere Minuten unterbrechen, die Wechselgesänge zwischen Südkurve und Gegengerade lassen nichts mehr zu. Mehmet findet die Sprechchöre amüsant, er grinst übers ganze Gesicht. Auch Jürgen Klopp kommt auf den Platz und scheint die Atmosphäre aufzusaugen, so früh schon so viel Lärm kennt man in Dortmund höchstens aus einer Kurve. Die Atmosphäre macht mich tatsächlich ein wenig euphorisch, die Hütte ist bereit für den BVB, wir werden den Laden rocken bis die Stimme versagt. Könnte eine magische Nacht werden, mal sehen was die Jungs aus der Steilvorlage machen.

Zur merkwürdigen Hymne der Dortmunder ist die Hütte voll. Das Sternchengeleuchte hört sich ein wenig nach Weihnachtsschlagergesang an und wird von Gegengerade und Süd glücklicherweise niedergebrüllt bevor jemand einen Hörsturz erleiden kann. Die Aufstellung der Dortmunder kommt rüber, ohne Aubameyang und Gündogan, Langerak für Weidenfeller, wird aber nichts mit mangelndem Respekt von Klopp zu tun haben, da sind noch genug hochkarätige Namen auf dem Platz. Bei uns ist Ziereis für Thy drin, Kringe darf für wahrscheinlich 70 Minuten spielen und Verhoek soll für Budimir in die Spitze. Kein Schachten, nicht einmal auf der Bank, aber Schnecke ist wieder im Kader.

Im Block ist es inzwischen eng geworden, hinter mir stapeln sich die Leute und was ich von den Gesprächen so mitkriege sind viele das erste mal hier. Die Hütte ist schon lange ausverkauft, wie kommen die an Karten? Doch alles vom Schwarzmarkt? Fünf Minuten vor dem Anpfiff kommen und dann rumnölen weil man nicht gucken kann, nervt mich heute nur kurz, denn ich bin beschäftigt. Zuerst mit dem Herz von Sankt Pauli, dann mit der Knipse. Überraschend, weil vorher überhaupt nichts zu sehen war, zieht die Süd eine riesige Blockfahne hoch. Zeitgleich werfen die GG-Sitzer zu den Hells Bells ihre Kassenrollen auf die fahnenwedelnden GG-Steher und die alte Nordkurve feiert ihr letztes Spiel ebenfalls mit einer Choreo. Fahnen und Tapeten wohin man nur sieht, das ist heute ganz großes Kino, bunt und laut, so unglaublich laut wie schon lange nicht mehr. Welcome to the Hell of St.Pauli.

Spiel (1)
Es gab Zeiten, da hat das den Gegner beeindruckt. Oder die eigene Mannschaft so beflügelt, dass die daraufhin den Gegner beeindrucken konnte. Die Dortmunder juckt das wenig, sie zeigen von Anfang an wer hier eine Liga höher spielt. Kagawa, Reus und Immobile dürfen sich die Bälle nach Herzenslust zuspielen und unsere Jungs stehen staunend daneben. Ist das noch Respekt vor dem Champignonsleagueteilnehmer oder die nackte Angst vorm Versagen?  Wenn sich mal eine Kontermöglichkeit ergibt wird die Pille blind nach vorne gedroschen, bloß weg mit dem Ding. So schnell wie der Ball weg ist kommt er natürlich auch wieder. Nach 15 Minuten müsste es schon 1:0 stehen, doch Tschauner reagiert großartig gegen Hummels Schuss und lenkt den Ball zur Ecke. Durch die dauernde Anfeuerung der Mannschaft hält sich das übliche Jammern und Wehklagen in Grenzen, es ist unglaublich wie das hier abgeht auf den Rängen, sieht man mal von den beiden Eventies hinter mir ab, denen die Beschäftigung mit ihren Smartphones wohl wichtiger ist. 

Ein frisches Bier wäre nicht übel, meine Stimme fängt langsam an in ein heiseres Röcheln überzugehen. Das ist der Nachteil, wenn man schon eine Stunde vor dem Anpfiff anfängt mit dem Lärm. Das muss den Jungs da unten doch Mut machen, verdammt. Bis jetzt haben wir nur Glück, dass sich die Gelben als wenig treffsicher erweisen, die kriseln ja selber ein wenig. Kaum gedacht, schon klingelt es bei uns. Bevor ich vor lauter Entsetzen zusammensacken kann gibt es Entwarnung: Abseits. Puuh. "Kann trotzdem nicht mehr lange dauern" sagt mein Nachbar, "die stehen da wie das Kaninchen vor der Schlange." Leider hat er nicht unrecht damit, vor allem frage ich mich langsam, wie wir auf diese Art und Weise jemals ein Tor erzielen wollen. Lang wegbolzen und hoffen, dass John Verhoek das irgendwie verwerten kann? Klappt nicht, der kriegt den Ball, wenn überhaupt, dann auf jeden Fall nicht unter Kontrolle. Ist schwarz eigentlich eine Tarnfarbe, oder kommt es nur mir so vor, als hätten die Gelben vier bis fünf Mann mehr auf dem Platz?

Dreißig Minuten geht das gut, eine halbe Stunde, immerhin. Dann spielen sie Tikitaka im Strafraum, ehrfürchtig beobachtet, nicht eingegriffen, kein Bein dazwischen und kein Fuß davor: Immobile mit dem 0:1. Schockschwerenot, jetzt müssen wir schon zwei machen. Die Anfeuerungsrufe werden eher lauter, an der Unterstützung von den Rängen ändert sich rein gar nichts, es geht weiter als wäre nie etwas passiert, so muss das am Millerntor. Von hinten ertönt mein Name, der Dartmeister bringt Frischbier zur rechten Zeit. "Es wird leerer" glaubt der Eventie nachdem ich mich an den beiden nach hinten drängel. "Nee doch nicht" muss er sich korrigieren als ich zehn Sekunden später mit dem Bier wieder vorbei will. Was denken diese Leute sich? Dass hier jemand geht nur weil wir einen kassiert haben?

An unserem Spiel ändert sich wenig, immerhin trauen wir uns jetzt schon mal über die Mittellinie und wir kriegen einen Eckball. Ein Eckball! Hallelujah! Ein Tor, ein Tor, St.Pauli schießt ein Tor. Leider nicht, weil Langerak kein so ganz schlechter Torwart ist und den Kopfball von Gonther wegfischen kann. Gibt den Dortmundern eine Gelegenheit zum kontern, doch Nöthe rennt um sein Leben und verhindert das. Einsatz Baby, yeah, so muss das am Millerntor. Mehr davon! 

Noch 5 Minuten für den Ausgleich, doch die gehören dem BVB. Tschauner wieder einmal super gegen Reus, eine Ecke nach der anderen für Dortmund und kurz vor Ende ist es dann Reus, der das 0:2 macht. Immobile rennt einmal durch bis zur Grundlinie, legt zurück und zack, drin isser. Scheißndreck verdammt und Halbzeit.

Zwischenspiel
Ein kurzer Klönschnack mit den Sitzern, wir sprühen ja alle nicht gerade vor Optimismus, aber der Wille zum Support ist ungebrochen, sogar den Dartmeister habe ich singen gehört zwischendurch. Ist auch besser wenn man nicht allzu viel nachdenkt heute, dann würde einem bewusst werden, dass das da unten mehr als eine Klasse Unterschied ist. Die eigentlich schreckliche Erkenntnis, außer der Tatsache, dass wir keine Chance haben gegen die Truppe. Das ist keine Bokalrunde, da kann man die Vergangenheit noch so beschwören. Die alte Regionalligamannschaft hat aus den Anfangserfolgen so viel Kraft und Selbstvertrauen geschöpft, die wollten sich einfach nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lassen, die sind jedes neue Spiel mit dem unbedingten Willen angegangen eine Runde weiter zu kommen - und wenn sie am Ende mit blutenden Füßen auf allen Vieren vom Rasen kriechen müssen. Die hätten Dortmund heute geschlagen, die hatten keine Angst, vor niemandem. Davon sind die Jungs da unten leider weit entfernt.

Der Klönschnack wird unterbrochen durch Gesang und Aktionismus, es werden Wunderkerzen verteilt. Subber Bürotechnik, leider muss ich meine Kerze verschenken, denn fotografieren und zündeln gleichzeitig funzt einfach nicht. Dafür bin ich jetzt vorbereitet und habe die Kamera griffbereit als die Gegengerade zu leuchten beginnt. Kurz darauf zünden sie auf der Südtribüne noch größere Wunderkerzen an, was nicht überall auf Gegenliebe stößt. Ein kurzer Check des hörbaren Umfeldes ergibt etwa fifty-fifty, denn die kriminelle Hälfte der Gegengerade unterstützt das Feuerwerk trotz der zu erwartenden Kosten mit lauten "Sankt Pauli Sankt Pauli" Rufen und ich muss gestehen, meine kriminelle Ader zwingt mich da mitzumachen. Sieht geil aus, auch wenn es etwas viel Qualm ist vielleicht. Muss mich auch sofort rechtfertigen, jablabla, kostet Geld, weiß ich auch. Aber Pokalspiel gegen Dortmund, kann man mal machen, ist ja nicht so dass die am laufenden Band irgendwo fackeln. Haben sie früher alle geil gefunden diese Atmosphäre, kann mir keiner erzählen dass nicht, aber seit das verboten ist und Onkel Beckmann im Fernsehen von Huuligäns redet geht das natürlich nicht mehr. Und das Geld! Man muss ja auch an das Geld denken, was das alles schon gekostet hat. Von der gesparten Kohle hätten wir jetzt trotzdem keinen Marco Reus im Kader. Wat'n Segen, dass das Spiel wieder anfängt.

Spiel (2)
Anpfiff im Nebel mit kurzer Verzögerung, Schnecke ist bei uns für Startsev drin. Der Junge war völlig überfordert, aber hey, bei den Gegenspielern? Der war gerade noch U23 und jetzt gegen die?
"Die" haben Probleme. Jetzt. Aaalter ich glaube es nicht, auf einmal Chancen, Langerak gegen Verhoeks Kopfball, kurz darauf ein abgefälschter Schuss knapp vorbei und Nöthe versucht es ebenfalls. John bleibt im Strafraum der Dortmunder liegen, zusammengerasselt mit Langerak, geht noch ein paar Minuten dann ist Schluss, Maier kommt für ihn. "Juhuuh" frohlocke ich, "jetzt fehlt nur noch ein Freistoß." Den kriegen wir tatsächlich, etwas weit weg vom Tor vielleicht, aaaaber... Maier traut sich nicht direkt und zirkelt den nur irgendwie Richtung Strafraum, wird nix. Mist verdammt. Uuund weitersingen. Oh Sankt Pauli, bist mein Verein, und du wirst es auch für immer bleiben. Ganz egal, was auch geschieht, wir werden immer bei dir sein. Die beiden Eventies hinter mir haben den ganzen Abend noch nicht die Klappe aufgemacht, aber in der zweiten Halbzeit schaffen sie es immerhin schon mitzuklatschen. Vielleicht wird das ja noch was, jeder hat mal angefangen.

Die Dortmunder bleiben natürlich immer brandgefährlich, und schnell sind die, Hölle sind die schnell. Ob Kagawa, Reus oder Immobile, die haben einen Antritt zum schwindelig werden. Nach den üblichen 70 Minuten darf Flo Kringe unter die Dusche, ich frag mich langsam ob der eine Klausel in seinem Vertrag hat oder wirklich nur Puste für 70 Minuten. Das Stadion singt und tobt immer noch, sogar ich kann heute konditionell mithalten. Wat mutt dat mutt.  
Noch zehn Minuten, noch fünf, es wird eng. Die ersten Karten werden verteilt, an Kehl für ein Foul und an Gonther für Gemecker. Fünf Minuten vor Schluss. Jungs, ihr hättet die Karten schon in der ersten Hälfte kassieren müssen, fürs auf-die-Socken-steigen, nur so gewinnt man Pokalspiele. Mit Gift und Galle. 

Den Rest gibt uns dann ausgerechnet Tschauner. Haut einen Rückpass direkt vor die Füße von Kagawa, der rennt noch ein paar Meter mit dem Ball und netzt ein, 0:3. Das war's dann. Naja, das war's eigentlich auch vorher schon, außer YNWA singen bleibt für uns nicht mehr viel zu tun. Und Tschauni mit Sprechchören wieder aufrichten, kann passieren so'n Mist, nu is auch egal. Ein paar letzte Versuche den Ehrentreffer zu erzielen bleiben vergeblich, wir sind zu harmlos gegen eine nicht wirklich überragende Dortmunder Mannschaft. Die Zutaten waren alle drin in der Suppe heute, letztlich war es aber nur beinahe eine magische Nacht.

Nachspiel
FCSPBVBDFB isgarnichsoschlimm. War doch erwartbar. Bonuspiel halt, geiler Abend trotz Niederlage, lasst uns nicht drüber sprechen, nur noch ein Bier trinken vor der Gegengerade. Ein paar Tresennasen sind noch da, der Rest muss früh raus und hat sich schon verabschiedet. Meine super Öffi-Äpp empfiehlt ebenfalls sich auf die Socken zu machen, sonst brauch ich nachher ein Taxi. Kurz in die Fanräume, zwei Karten besorgen für den Kessel Braun-Weißes, jetzt muss ich Herrn L. nur noch beibrinen dass er am 14.11. etwas vorhat. Bei der Besetzung mit Borger & Boll dürfte mir das nicht schwerfallen. Das wird ein Spaß, viel besser als jedes Fußballspiel. Vielleicht eine magische Nacht, wer weiß das schon

War garantiert eine magische Nacht: Bob Marley & The Wailers - Live at the Lyceum  

Bild klicken + F11 macht Wunderkerzen größer






















Montag, 27. Oktober 2014

Brückentag
















Brückentage sind praktisch, zum Beispiel um die Wartezeit von einem Fußballspiel zum nächsten zu überbrücken. Oder den Tag zwischen Wochenende und Pokalspielurlaubstag, was ich blöderweise nicht gemacht habe, weil kein Mensch ahnen kann dass den ganzen Tag die Sonne scheint, trotz Winterzeit.

Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, vielleicht brauche ich meinen letzten Urlaubstag noch, falls wir wider Erwarten doch die nächste Runde im DFB Pokal erreichen.

Jack Bruce hat leider die nächste Runde nicht erreicht, im Gedenken an ihn läuft Cream - Live Cream/Wheels Of Fire/Goodbye

Bild klicken + F11 brückt.

Sonntag, 26. Oktober 2014

Überall Baustellen



















Vorspiel
Wenn der Wecker an einem Samstag so früh klingelt wie an jedem verdammten Wochentag, dann hat das nur einen Grund: Fußball. Dabei würde ich gerade heute ganz gerne ausschlafen, entscheide mich aber lieber für Frühstück, Kaffee, Kippe und mache mich auf ins Stadion.
Auf dem Heiligengeistfeld haben sich die Schausteller wieder ausgebreitet, der nächste DOM steht an. Nächstes Jahr zähle ich einfach mal mit, an wie vielen Tagen man ins Stadion gelangt ohne zwischen irgendwelchen Wohnwagen oder Buden herumlaufen zu müssen. 

Dafür kommt man in zwei Minuten rein heute, nichts los vor den Toren. Mein Bier kommt wieder vom Fassträger, das geht schneller als an den Verkaufsständen und sichert mir meinen Stammplatz. Kurzer Klönschnack mit den paar Nachbarn die ich von den letzten Heimspielen kenne, dann kündigt Daggi die Gästehymne der Karlsruher an, mit dem schönen Titel "KSC olé olé", ein Titel der wirklich hält was er verspricht. Unsere Mannschaftsaufstellung erwartbar, nachdem Gonther wieder fit und Ziereis gesperrt ist. Budimir in der Startelf, Verhoek auf der Bank und immer noch keiner der Verletzten soweit genesen, dass er Jungs wie Startsev oder Kurt die Plätze streitig machen könnte.

Viel Fotomotive ergeben sich nicht, die Süd ist mit Choreos sehr sparsam geworden in letzter Zeit. Wahrscheinlich gibt es erst eine richtig fette Choreo, wenn ich mich entscheide das Spiel von Anfang an in der Meckerecke zu gucken und das nicht vor die Linse kriege, heute bekomme ich nur Kassenrollen und Konfetti zu den Höllenglocken. Neben einem frischen Bier von den Sitzplätzen, weshalb ich den Gedanken an die Meckerecke wieder verdränge. Ist doch sehr angenehm hier oben.

Spiel (1)
Die Stimmung scheint prächtig zu sein, trotz der ätzenden Anstoßzeit. Nach wenigen Minuten Freistoß für uns und der Schiri darf unter dem Gejohle der Zuschauer das erste mal sein Freistoßspray benutzen. Hooray Hooray ein Freistoßspray. Ball wird zur Ecke geklärt, die bringt nichts ein aber wir sind eindeutig in der Vorwärtsbewegung, KSC Olé findet offensiv nicht statt. Kann eigentlich nicht lange dauern bis wir führen, Thy versuchte es, Budimir versucht es, aber die letzte Konsequenz im Strafraum fehlt. Noch, die schießen sich schon warm. Nur eine Frage der Zeit bis es 1:0 steht und dann steht es auf einmal 0:1. WTF?
Knappe zwanzig Minuten haben wir die voll im Griff, Karlsruhe kommt kaum aus der eigenen Hälfte, und dann das? Konter, Tor? So einfach geht das?

Kurzer Schock, einmal schütteln, weitermachen. Einfach so weiter wie in den ersten zwanzig Minuten, dann muss die Murmel irgendwann drin sein. Eins ist keins, wir haben schon ganz andere Spiele gedreht. Nur geht urplötzlich nichts mehr, die Mannschaft scheint sich in so etwas wie Schockstarre zu befinden. Den Ball will keiner mehr haben und wenn, dann schnellstmöglich wieder loswerden, zur Not schenkt man das Ding dem Gegenspieler. Karlsruhe kommt mächtig auf, nicht zuletzt begünstigt durch unsere teils haarsträubenden Fehler. Nöthe spielt von der Außenlinie einen schlappen Pass über das ganze Spielfeld, der natürlich abgefangen wird und ratzfatz sind die vor unserem Strafraum damit, ausgerechnet Rouwen Hennings macht das 0:2. Zweiter ernsthafter Angriff der Karlsruher und zweiter Treffer. 

Das war ein Tiefschlag, darüber muss ich bei einer Sportzigarette kurz sinnieren bevor ich weiter singen kann. Das Spiel der Jungs macht leider keine große Hoffnung auf spontane Besserung, da stimmt nichts mehr, keine Laufwege, keine Antizipation, katastrophales Abwehrverhalten, nach vorne keine Ideen, Fehlpässe und verstolperte Bälle, wie kann eine Mannschaft von jetzt auf gleich so fatal einbrechen?  Wegen einem scheiß Murmeltor? "Wenn die so weitermachen fangen wir uns vor der Halbzeit noch das dritte" meckert mein Nachbar. Glücklicherweise pfeift der Schiri ab bevor es so weit kommen kann, hoffentlich fällt Meggi in der Pause was ein, außer hoffentlich Nöthe gegen Verhoek zu tauschen und Kringe zu bringen, damit wenigstens einer auf dem Platz Fußball spielen kann.

Zwischenspiel
Ich tausche den leeren Becher gegen frisches Bier und ein paar Informationen aus mit dem Langen, über Hyaluronsäurespritzen für die Kniegelenke. Natürlich ist der privat versichert und muss für den Schmonz nix zahlen, von mir wollen sie 335 Euro dafür haben, so als Vorschlag was man machen könnte, ohne vorher Röntgenaufnahmen gesehen zu haben. Mein Hausarzt hat mich vor Orthopäden gewarnt die gerne operieren, die Spritzenverkäufer hat er nicht erwähnt. Gibt da wohl unterschiedliche Möglichkeiten fürs Einkommen zu sorgen.
Auf der Süd gibt es ein paar Tapeten zu knipsen, unter anderem einen netten Gruß vom Fanladen an unseren Sicherheitschef und Altpunk Sven Brux, der heute tatsächlich erst seinen 25sten Geburtstag feiert. Mag man kaum glauben wenn man den Mann sieht, aber wenn jedes Jahr St.Pauli doppelt zählt kommt es fast hin.*g*

Spiel (2)
Zwei Mann neu, Verhoek für Nöthe und Görlitz für Alushi, letzteren Wechsel versteh ich nicht so ganz, der Görlitz ist mir zu wuselig und hektisch und wir haben mit Ratsche schon einen Hektiker auf dem Platz, ich hätte lieber Kringe gesehen aber wahrscheinlich gibt es dazu etwa 29.000 verschiedene Meinungen im Stadion. Die Karlsruher machen sofort weiter wo sie aufgehört haben, ganz besonders Rouwen scheint es heute wissen zu wollen. Ist ja nichts neues, dass ehemalige Spieler gerne gegen uns treffen, das 0:3 vergibt er allerdings.
Dafür trifft kurz darauf Joooooohn Verhoek mit einem sehenswerten Fallrückzieher direkt in den Winkel, Traumtor woohoo. Nicht. Abseits, wie sein Abseitstor in Düsseldorf wohl ganz knapp, aber die Fahne ist oben. So eine Scheiße, das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen die Aufholjagd zu starten, sogar das Samstagmittagpublikum wird wieder etwas wacher und peitscht die Mannschaft nach vorne. Leider erfolglos, der einzige der sich hier gegen die Niederlage stemmt ist der kleine Ratsche, der versucht es wenigstens nach vorne zu kommen, mal über links, mal über rechts und wird laufend im Stich gelassen weil keiner mitläuft. Am Ende ist der dritte Gegenspieler einer zu viel oder der Pass kommt nicht an.
Durch Ratsche haben wir auch die dickste Chance als seine Flanke Budimir erreicht, der den wuchtigen Kopfball leider einen Meter neben den Kasten setzt. Der MUSS drin sein verdammt, der zweite gute Zeitpunkt für die Aufholjagd, wieder verpasst. 
Noch 15 Minuten zu spielen, Kringe kommt für Daube. Das wäre ja der Wechsel gewesen den ich zur Halbzeit gemacht hätte, nutzt aber alles nichts mehr, weil Startsev leider mit Rouwen Hennings überfordert ist, Konter, Pass in die Mitte und es steht 0:3. Da wird echt das Bier sauer, vor allem wenn man sieht wie die teilweise agieren auf dem Platz. Wenn es vier Leute nicht schaffen einen Gegner vom Ball zu trennen oder selbst Routiniers wie Kringe der Ball glatte 5 Meter vom Fuß springt, dann schmeckt die beste Sportzigarette nicht mehr. Mein Nachbar denkt schon mit Grauen an Dienstag, wenn hier Leute wie Reus und Aubameyang auflaufen. Möglicherweise denkt die Mannschaft auch schon daran, denn sie lassen sich noch einen einschenken in der letzten Minute. 0:4 kann man schon mal als kleine Vorbereitung sehen auf das Spiel gegen Dortmund. 

Nachspiel
Das letzte Heimspiel der Liga für die Nordtribüne. Nach dem Spiel gegen Dortmund wird das letzte Stück altes Millerntor verschwinden und wie schon bei der alten Gegengerade gibt es ein schickes großes Erinnerungsfoto mit Mannschaft, auf dem sich nachher jeder wiederfinden kann. Hätte ein würdigerer Abschied werden können, da werden doch einige sehr gequält aus der Wäsche geguckt haben im Norden. Vor der Gegengerade treffe ich die Tresenkurve, auch Herr L. hat den Weg wieder gefunden, über das Spiel will allerdings niemand reden. Herr B. möchte noch einen Abstecher in die Nordkurve machen, schließlich soll es da eine Abschiedsfeier geben. Das Wort "Feier" stößt auf wenig Begeisterung, wir machen uns zu dritt auf den Weg, scheitern aber an den Ordnern in der Nord, die niemanden reinlassen dürfen. Die Feier beginnt erst in einer Stunde, bis dahin müssen alle raus. Macht irgendwie keinen Sinn wenn hinterher wieder alle rein dürfen, wir diskutieren noch ein wenig mit den Ordnern, rein um der Diskussion willen, denn wenn hier nichts los ist gibt es auch keinen Grund unbedingt in die Nordkurve zu gelangen, außer vielleicht noch ein paar letzte Fotos zu machen. Dienstag sehen wir uns wieder, danach werden wir für längere Zeit mit einer zweiten Baustelle leben müssen, neben der Mannschaft. Kann man nur hoffen dass beide Baustellen bis zum Ende der Saison vernünftig bearbeitet werden, in der dritten Liga wäre das Stadion selbst für uns zu groß.

Nervenschoner: Achim Reichel - Dat Shanty Alb'm / Klabautermann / Regenballade

















Donnerstag, 23. Oktober 2014

Wischdings


















Smartphone? Braucht kein Mensch hab ich immer gesagt, sag ich auch heute noch. Wenn ich nicht den alten Knochen von Junior geerbt hätte, das alte Handy wäre bis zum technischen Exitus weiter in Betrieb gewesen. Aber nu, wo man so etwas schon mal hat...
Jetzt kann ich auch auf sonem Ding rumwischen wenn ich in der Bahn sitze, ist bestimmt angenehmer auf ein Display zu gucken als in die Gesichter der ganzen Leute die auf ein Display gucken. Man fällt in der Masse nicht so auf.

Und es ist tatsächlich manchmal nicht unpraktisch, weil mir die Öffi-App nach dem letzten Heimspiel überraschend mitteilt, ich möchte doch eine Station früher aussteigen. Da muss ich nicht auf einen Bus warten und bin fünfzehn Minuten eher zu Hause, wäre ich von alleine nie drauf gekommen. Ein Stadtplan kann nützlich sein, wenn man sich in einem sehr sehr großen Park befindet und das drohende Unwetter keine aufwändige Suche des abgestellten Autos mehr zulässt. Und auf dem nächsten Flug in den Urlaub kann ich mir zwei Tatorte reinziehen, wenn der Akku überhaupt zwei Tatorte durchhält. Aber sonst?

Sonst ist es ein Zeitfresser, genau wie auf neuen Notebooks muss man erst den ganzen Müll deinstallieren den man nicht braucht. Dann bastelt oder klaut man ein anständiges Hintergrundbild in der passenden Größe und natürlich muss Hans Albers auch wieder drauf, was nicht so einfach ist weil ich den Klingelton nur auf dem toten Handy habe, also muss die mp3 neu geschnitten werden. Das Telefonbuch darf ich immerhin vom Chip installieren, warum danach alle Einträge doppelt sind ist mir zwar nicht klar, aber besser 50 Einträge löschen als 50 eingeben müssen.

Dann braucht man ein paar Apps, weil so ein Schmattfohn ja ohne Apps nix is. Also im Forum lesen was die Gemeinde so empfiehlt und feststellen, brauche ich (fast) alles nicht. Öffi für den Nahverkehr, Maps für ausgedehnte Spaziergänge, ein paar Fußballapps, Firefox - und natürlich die Apps, die man braucht um das Ding halbwegs zu kontrollieren.

Bleiben noch die Spiele, immer noch besser beim Arzt im Wartezimmer eine Runde zu zocken als den Locus lesen zu müssen, nur weil die spannenden Arztromane vergriffen sind. Aber guckt man sich das Angebot näher an bestehen 80% aller Spiele aus der Herausforderung, drei oder mehr farbige Luftballons/Edelsteine/Früchte/sonstwas in eine Reihe zu schieben oder irgendwelche Vögel durch hektisches antippen des Displays in der Luft zu halten. Ich bin zu alt für so'n Scheiß und für eine Runde Online-Skat habe ich so wenig Zeit wie für Quizspiele.

Ich brauche auch kein Whatsappgedöns, wer meine Nummer hat kann mich auf dem Ding anrufen, ich ruf unter Umständen sogar zurück, denn die 300 Minuten pro Monat der "Flatrate" verbrauche ich sonst nicht in einem halben Jahr.

Der hauptsächliche Einsatzzweck hat sich jedenfalls bisher nicht geändert, als Wecker ist das Ding sogar besser als das alte Handy. Was allerdings auch am neuen Weckton liegen mag.

Aus dem feinen Album von Ian Dury & The Blockheads - New Boots And Panties



Sonntag, 19. Oktober 2014

Unser täglich Brot gib uns heute
















Wenn möglich in flüssiger Form, von enthusiastischen Braumeistern unter Verwendung ausgesuchter Hopfensorten hergestellt. Zwölf leckere kleine Fläschchen zum Vorzugspreis von etwas über 30 Euro habe ich neulich im Alten Mädchen erstanden (nächstes mal nehme ich besser einen Einkaufskorb mit) und davon ist jetzt, in dem Moment in dem ich dieses schreibe, nicht ein Schluck mehr übrig. Vielleicht liegt es an den drei trockenen Stunden, die ich gerade über den Ohlsdorfer Friedhof gelatscht bin, aber das letzte hat wirklich sowas von lecker geschmeckt, dass ich glatt noch einmal 30 Öcken hinlegen würde, könnte mir jemand sofort ein paar weitere Pullen Mandarina IPA aus dem Odenwälder Braukunstkeller hinstellen.

Das rote Laguna würde ich ebenfalls gerne noch einmal probieren, am liebsten wenn das MHD noch nicht abgelaufen ist. Augen auf beim Craftbeerkauf. Augen auf auch bei Preisen und Prozenten, denn gerade Flaschen mit knapp zweistelligem Alkoholgehalt können den Endpreis stark in die Höhe treiben und wirken sich schnell auf die Kondition aus bei der Bierverkostung.

Best of the Test:
1. Braukunstkeller Mandarina IPA
2. Hopfenstopfer Incredible Pale
3. Brewdog Jack Hammer
4. Braukunstkeller Laguna (trotz seit 4 Tagen abgelaufenem MHD)
5. Brewdog Punk IPA


Best of Biermusik: The Refreshments - Fizzy, Fuzzy, Big & Buzzy

Freitag, 17. Oktober 2014

Die Nummer 1 der Stadt

















Ein Abend im Vivendo gehört inzwischen zu den festen Ritualen (und Höhepunkten) des Portugalurlaubs und der ist natürlich auch in diesem Jahr fest eingeplant. So einfach wie früher ist es allerdings nicht mehr, dort einen Tisch zu bekommen, denn der weltbeste Chefkoch ist arg im Stress. Seit jemand den Anfang gemacht und das Vivendo mit (natürlich) 5 Sternen bei Tripadvisor ausgezeichnet hat, flogen ihm die Sterne nur so zu. Innerhalb weniger Wochen stand der Laden auf Platz 1 der besten Restaurants von Lagos, seither muss man reservieren und der weltbeste Chefkoch jeden Abend potentielle Gäste wieder wegschicken. Das böse Internet, in dem Werbung völlig überschätzt wird (deswegen gibt es immer noch keinen eigenen Webauftritt), kann einem das Prädikat "Geheimtipp" aber mal so richtig versauen. Und wie wir alle wissen: Was einmal im Internet zu finden ist, ist für immer im Internet zu finden. Der Zustand wird sich nicht mehr ändern, denn es wird nahezu unmöglich sein den Mann dort wieder zu verdrängen. Irgendwann werden andere Internetportale dazukommen und dann geht es dort zu wie in jedem anderen Spitzengourmettempel: Fragen sie doch in drei Wochen noch mal an. Hat er sich verdient. Und mir isses egal, ich hab ja Beziehungen.

Nachmittags im Bistro legt er mir die aktuelle Speisekarte vor, ich darf mal ankreuzen was mir schmecken würde und er macht sich ein paar Notizen. Ich könnte ein großes X auf die ganze Speisekarte malen, da gibt es nichts was mir nicht schmecken würde, selbst die Salate sind der Oberhammer. Nach diversen "Achs" und "Ooohs" stehen schon wieder acht Gänge auf seinem Zettel und bei den Desserts sind wir noch nicht einmal angekommen. Ich hätte vorher mit mir selber um jede Summe gewettet, dass er sich nach seiner letzten Aktion nicht mehr übertreffen kann, aber inzwischen bin ich unsicher. In der Küche ist für den Mann nichts unmöglich. Samstag dürfen wir anrollen, am besten schon um 19 Uhr, damit die Zeit reicht. Oh! Mein! Gott! Ich werde den ganzen Tag hungern! Ein Frühstück im Café Central vielleicht, danach ist Schluss. Auf keinen Fall wieder den Fehler begehen am Nachmittag ein Stück Torte zu essen, ganz egal welche Torte da vielleicht herumstehen mag. 

So habe ich dann am Abend auch ein ordentliches Loch im Bauch als wir losfahren. Yaaaay, auf in den Kampf, nur noch kurz tanken und los...
...geht es nicht. Leider fängt die Karre nach wenigen Kilometern an komisch zu ruckeln. Das Leihfahrzeug einer guten Freundin ist ein Honda Civic Diesel, flache Flunder mit reichlich Pferdestärken. "Hast Du Diesel getankt?" frag ich die weltbeste Gastgeberin. ""Ähhhm, ja." klingt es etwas unsicher zurück. Nach wenigen weiteren Kilometern ruckelt es schon arg und der Blick auf die Tankrechnung sagt was von Super. Na Super. Kann die Karre leider überhaupt nicht mit umgehen, wir müssen im Restaurant absagen und dafür einen Abschlepper bemühen, der das Ding zu Vaddern in die Walachei schleppen soll, Vaddern bastelt viel an Autos, der kann es vielleicht richten.

Jeder deutsche Abschleppdienstfahrer hätte uns einen Vogel gezeigt bei der Strecke, aber in Portugal ist das normal, wer hier außerhalb der Stadt wohnt hat keine Straßen, nur Feldwege. Portugiesische Feldwege, mit allem was dazugehört, Haarnadelkurven an den engsten Stellen, Gefälle und Steigungen von Unglaublichvielprozent und Schlaglöcher von Mondkratergröße. Der Grund, aus dem uns die gute Freundin ihre flache Flunder geliehen hat, die braucht jetzt einen Jeep um zu ihrem neuen Haus zu kommen.

Tja, so bin ich dieses Jahr um das wahrscheinlich wieder einmal weltbeste X-Gänge Menü des weltbesten Chefkochs gekommen, aber das ist nur aufgeschoben. Da uns die kleine Prinzessin angesichts unseres herben Verlustes versprochen hat, nächstes Mal dürften wir dafür zwei Abende essen gehen, werden wir dann zusätzlich das Restaurant der besten Freundin mit dem kaputten Diesel aufsuchen. Rein zufällig auch die Nummer 1 der Stadt, nur halt in Silves.

Beileidsbekundungen sind nicht nötig, eher an die Adresse der weltbesten Gastgeberin, für das ganze Pech dass ich anscheinend dieses Jahr gebracht habe. Tut mir echt leid, ich versuch es wieder gut zu machen. Eine frische Mango vom Mangohändler des Vertrauens ist für ein (mit solchen Sachen nicht gerade verwöhntes) Nordlicht auch schon ein Erlebnis. Jetzt mag ich hier nur keine mehr essen, taugt alles nix.



Taugt, denn da waren die noch richtig gut: Queen - Live at the Rainbow '74









Dienstag, 14. Oktober 2014

Falsche Zeit für Störche und Bäche


















Die beste Gastgeberin von allen hat eine aufregende Entdeckung gemacht, ein sehr gut einsehbares Storchennest, noch viel besser als das unten an der Flussbiegung, das ich vor zwei Jahren stundenlang belagert habe. Will ich mich noch einmal für ein paar Fotos etliche Stunden in glühender Hitze vor ein Storchennest stellen? Möglicherweise schon, auch wenn es bekloppt ist, aber man könnte am Nachmittag vorbeifahren und wenigstens mal gucken.

Die Gegend ist ganz schick eigentlich, wie das ganze Hinterland der Algarve, nur der Plastikmüll am Straßenrand nervt, es ist unglaublich was die alles aus dem Fenster schmeißen. Wir kommen an einem mit seltsamen Bäumen bewachsenen Hügel vorbei, der in diesem Licht ganz fantastisch aussieht, wie im Auenland. Eigentlich müsste ich den fotografieren, aber bis ich mich dazu durchringen kann HAAALT STOP zu rufen sind wir vorbei, wenden oder parken ist auch gerade ganz schlecht hier. Egal, nachher mal gucken.

Es tauchen die ersten Storchennester auf, das ganze Tal ist voll davon, alle Nase lang steht irgendwo ein Pfahl mit Nest oben drauf, nur kein Storch weit und breit. Die können doch nicht alle auf Futtersuche sein. Meine Begleiterin ist unschlüssig welches Nest sie denn nun genau meinte, in ihrem war letztens auf jeden Fall noch einer drin, das war allerdings am Vormittag. Und Nachmittags machen die alle einen Ausflug? Die Zeit ist sowieso völlig ungünstig, im Mai war noch der Nachwuchs im Nest und hat auf Futter gewartet, inzwischen fressen und fliegen die ja alle selbstständig, kein Wunder dass die Nester leer sind. Wir fahren weiter nach Monchique, das kenn ich, das war ganz chique da oben. Und schattig, vor allem schattig.

Leider führt der kleine Fluss durch den Ort wohl nur im tiefsten Winter Wasser, angeblich bekommt man dann sogar einen Wasserfall geboten. Hinter der Kapelle döst ein monströs großer Käfer im Geäst, den Kopf nach unten, die langen Fühler angelegt, eine merkwürdige Haltung. Sieht sehr unbequem aus, daher wecke ich das Vieh behutsam mit einem Ast und es rafft sich tatsächlich auf eine fotogenere Haltung anzunehmen. Ich war mehr auf lange Brennweite vorbereitet, hätte ich doch bloß das Makro mitgenommen.

Im schattigen Innenhof des Hotels gibt es noch ein Kaltgetränk und einen Versuch das irre Schattengewirr der Bäume mit einer HDR Aufnahme zu bändigen, es ist nahezu unmöglich hier eine perfekte Belichtung hinzukriegen. Eigentlich bräuchte man auch mehr als die drei Aufnahmen, die von der Bracketingfunktion der D90 vorgegeben sind, aber wenn man nur einen Plastikgartentisch als Stativ hat fasst man das Ding besser nicht mehr an. Hätte ich doch bloß das Stativ mitgenommen.    

Auf der Rückfahrt erzähl ich meiner netten Chauffeuse von dem tollen Hügel mit den seltsamen Bäumen, doch dummerweise finde ich ihn nicht wieder, weil die Sonne ihn nicht mehr vom umliegenden Grünzeug abhebt. Hätte ich doch auf der Hinfahrt schon was gesagt.

Über Portimão geht es zurück, eine dieser Touristenorte deren (möglicherweise sehenswerte) Altstadt sich dem Anblick nach auf der anderen Seite des Rio Arade befinden muss, und anders als in Lagos gibt es hier keine Brücke, außer diesem blauen Konstrukt hinterm Hafen. Irgendwo befindet sich möglicherweise auch noch eine Burg wie ich gerade herausgefunden habe. Wäre ich Bart Simpson, ich würde glatt eine ganze Tafel vollschreiben mit dem Satz "Ich soll mich vorher informieren."

Unglaublich wie viele Fehler man auch nach Jahren der Knipserei noch machen kann. An einem einzigen Tag. Muss an der Hitze gelegen haben, nächstes mal komme ich wieder im Juni. Da sind die Störche noch in den Nestern und das Klima etwas erträglicher. Eventuell gibt es dann in Monchique auch Wasser? Wenigstens ein bisschen?


Nach seiner enttäuschenden zweiten Platte hatte ich den Mann eigentlich abgeschrieben damals, war auch ein Fehler: Willie Nile - Beautiful Wreck Of The World / Places I Have Never Been