Sonntag, 28. Juli 2019

Stadt Land Schloss

















Bei der momentanen Affenhitze wird die Arbeit geradezu zum Vergnügen, sofern man das Glück hat in einem Raum mit sehr vielen wichtigen Computern zu sitzen. Aus Sorge um die kostbaren Daten funktioniert diese Klimaanlage garantiert immer, koste es was es wolle. Leider lassen sie uns das bislang am Sonntag noch nicht genießen, also muss eine Alternative her.

Die einzige Klimaanlage weit und breit befindet sich in meinem Auto, folglich werde ich diese benutzen. Weil ich aber keinen Bock habe stundenlang durch die Gegend zu kacheln und bei diesen Temperaturen erst recht keine Lust auf Hamburg City, muss das nächstgelegene halbwegs fotogene Örtchen herhalten.

Da fahre ich zwar fast täglich durch oder besuche dort wohnende Freunde, aber fotografisch so richtig erschlossen habe ich Ahrensburg bis heute nicht. Einzig das Ahrensburger Schloss diente mal als Modell für eine schnelle Weihnachtsaufnahme und zumindest das dürfte auch heute für einige Postkartenmotive gut sein.

Dazu noch Schlossmühle und Schlosskirche, nebst den Gottesbuden, in denen Bedürftige auch heute noch für einen symbolischen halben Taler (fast) mietfrei wohnen oder zumindest ein Mittagessen für 1 Euro bekommen können, was ich bisher auch nicht wusste. Die Aufnahmekriterien würden mich allerdings schon interessieren, das scheint mir eine durchaus unterstützenswerte Sache zu sein, trotz meiner angeborenen Skepsis gegenüber Gott, Kirche und all dem artverwandten Zeugs.

Um etwa 1200 bis 1594 herum stand hier auch noch die Burg Arnesvelde, die dem Ort seinen Namen gab. Wer den Hügel erklimmen möchte, der einmal Teil der Wallanlagen gewesen sein soll, kann eine kurze Wanderung durch das Ahrensburger Tunneltal unternehmen. Auf dem frisch renovierten Pfad durch das Moor geht das inzwischen sogar ohne nasse Füße.

Beeindruckender als der Hügel ist jedenfalls die restliche Geschichte der Burg, die der Besitzer 1594 abbrechen ließ und aus deren Steinen das heutige Schloss errichtet wurde. Nicht gerade eben um die Ecke, aber wahrscheinlich damals schon verkehrsgünstiger gelegen. Muss eine scheiß Arbeit gewesen sein, was für ein Glück für den Herrn Grafen, dass man damals noch Leibeigene hatte. 

Böse Zungen behaupten ohnehin, das beste an Ahrensburg wäre die Regionalbahn, die einen in nicht einmal einer halben Stunde zum Hamburger Hauptbahnhof bringt, also theoretisch, denn das behaupten nur die Leute, die noch nie auf diese Bahn angewiesen waren.

Man muss die Stadt allerdings nicht verlassen, vorausgesetzt man kann auf so etwas wie Nachtleben verzichten. Für den Tag oder den Abend gibt es genug nette Restaurants und mindestens eine empfehlenswerte Kneipe, seit die anderen beiden ihre Pforten geschlossen haben. Mein abgefackelter Lieblingsgrieche hat sein Glück im abgelegenen Vereinshaus des Tennisclubs gefunden, führt jetzt auch Currywurst mit Pommes auf der Karte und hat keine Laufkundschaft mehr, aber Gott sei Dank noch die göttliche Lammpfanne im Angebot.

Die verkehrsberuhigte Ahrensburger "City" mit dem (von Teilen der Bevölkerung ungeliebten) Muschelläufer im Zentrum ist am Abend und am Wochenende ebenso tot wie die in Hamburg, weil zu diesen Zeiten halt weder Brillen noch Hosen oder Tierfutterdosen verkauft werden, doch zweimal im Jahr, man glaubt es kaum, tobt hier der Bär.

Auf dem Ahrensburger Stadtfest, dass durch einen beinahe schon legendär zu nennenden Auftritt der Stimulators vor etlichen Jahren Initialzündung für die jährliche Ahrensburger Musiknacht war. An diesem Abend treten jede Menge Bands und Künstler in allen möglichen im Stadtgebiet verteilten Lokalitäten auf, von der Holzhandlung oder Pizzeria bis zum Waschsalon oder Sparkassenvorraum. Traditionell endet das alles mit dem Auftritt der Stimulators und einer anschließenden Jamsession im Park Hotel, wenn man das denn zum drölfzigsten Mal sehen will.

Dieses Jahr war immerhin Stoppok dabei lese ich gerade, ich hätte besser aufpassen sollen.

Fotos dazu: Ahrensburger Schloss - Marstall - Schlossmühle - Schlosskirche - Gottesbuden - Freundlicher Balkon - Ahrensburger Wildnis - Ahrensburger Stadtleben / Nikon D7200
Musik dazu: Fever Ray - Fever Ray (2009)



















  


Sonntag, 14. Juli 2019

Ein Wälzer voll Musikkritik















Kann sich von den Älteren unter uns noch jemand an Badfinger erinnern? Nein? Immerhin waren das die legitimen Nachfolger der Beatles, so oder ähnlich hat es der Rezensent im Sounds jedenfalls damals gesehen. Ein verzeihlicher Fehler, verzeihlicher jedenfalls als Alben wie Dylans Blood on the Tracks und Led Zeppelin IV nicht umgehend als Meisterwerke zu erkennen, oder die Behauptung Z.Z.Top könnte die Allman Brothers Band ganz locker auf der Überholspur abhängen. Die Allman Brothers! Mit Duane! Vollkommen lächerlich.

Kann man (wahrscheinlich um die peinlichsten Schnitzer gekürzt) alles nachlesen, denn das Kompendium Sounds: Platten 66-77, 1827 Kritiken, wird noch (gebraucht) ab 55 Euro auf dem Buchmarkt gehandelt. Obwohl es hin und wieder Spaß machen kann in alten Schwarten zu blättern, die Platten von 66 bis 77 kenne ich so auswendig wie dieses Buch, denn die Hälfte davon steht ohnehin im Regal. Langsam musste unbedingt etwas Neues her.

Gute und schlechte Musik aus drei Jahrzehnten, zusammengefasst in über 3000 Plattenkritiken und geschrieben von einem Musikjournalisten mit exquisitem (rein zufällig dem Verfasser dieser Zeilen sehr ähnlichem) Musikgeschmack, wäre genau der passende Nachfolger. Kostet in der gedruckten Version nur wenig mehr als das antiquarische Gelöt aus dem 2001 Verlag und bietet zudem noch ein Vorwort des von mir sehr geschätzten Jan Plewka. Muss man einfach zugreifen.

Mindestens 1173 Kritiken mehr als die alte Schwarte, sehr viel aktueller (1989 bis 2016) und ein garantiert hoher Unterhaltungswert. Einmal sicher durch die (vom Herrn Wagner inzwischen selber eingeräumten) Fehldiagnosen, zum Anderen durch die Neugier auf Rezensionen eigener Lieblingsbands oder Platten, nicht zuletzt durch den bekannten Sprachwitz des Autors - und dazu natürlich durch die unschätzbare Möglichkeit, irgendwelche Perlen der Musik zu entdecken, die bisher aus unerfindlichen Gründen an mir vorübergegangen sind. 

So wie etliche Perlen möglicherweise auch an Musikjournalisten vorübergehen, denn leider lese ich, mit nur einer Ausnahme, nichts über meine zehn Platten für die Insel und auch bei den Interpreten sieht es doch schmaler aus als gedacht. Vielleicht ist der Beruf des Musikjournalisten doch nicht so erstrebenswert, wenn man sich Mariah Carey anhören muss, statt Tamikrest, Florence + the Machine oder Tara Nevins. So manches Geheimnis wird also nie gelüftet werden, aber immerhin bescheinigt er Townes Van Zandts No deeper Blue die Schönheit der untergehenden Sonne, für die restlichen neun Alben lässt das hoffen.

Für geradezu lächerliche 2.99 Euro gibt es das auch in einer Version für das eBook, was den Vorteil hat, dass man seine Regalbretter nicht versetzen muss, damit das 1.6 Kilo schwere Monstrum noch in die Musikabteilung passt.

Aber Papier ist irgendwie doch analoger und schöner zum Stöbern, es reicht schon dass die Musik digital geworden ist.

Fotos dazu: Nikon D7200, Tokina 100mm Makro (1)
Musik dazu: 75 Dollar Bill - I Was Real