Samstag, 29. Juni 2013

Zu kalt, überall














Einhundertdreiundachtzig verdammte Euro will der Fernwärmeversorger als Nachzahlung für die letzte Heizperiode haben, der monatliche Abschlag steigt auch um zwölf Taler. Besser ich pack gleich freiwillig noch zehn drauf, denn das wird bei der nächsten Abrechnung garantiert nicht besser. Die Zeiten sind jedenfalls vorbei, in denen ich Mitte des Jahres noch mit einer netten Rückzahlung rechnen konnte.

Im Sommer, also in der einen Woche in der ich glücklicherweise Urlaub hatte, hab ich mir noch eine Packung Vanilleeis gekauft. Für die Erdbeeren, die ich wegwerfen musste, weil diese blöde Flasche Sojasauce im oberen Kühlschrankregal umgekippt ist. Wäre es die Pulle alter Balsamico gewesen, aber mit Sojasauce schmecken die echt nicht mehr. Ob das Vanilleeis in diesem Jahr nochmal Erdbeeren sieht ist fraglich, heute hat es jedenfalls nicht geklappt, denn auch Erdbeeren frieren.

Große Scheiße diese Klimaerwärmung, da wo es ohnehin immer viel zu warm war ist es jetzt nicht mehr auszuhalten und hier ist es einfach nur noch grottig. Ich bin da aber ganz optimistisch, unsere Politiker werden sich dieses Problems schon annehmen, in Kyoto oder anderen Ausschüssen.

Gibt es eigentlich schon einen Wetterbeauftragten der Bundesregierung? Das wäre doch mal eine Maßnahme. Man braucht zwar jedes Jahr einen neuen, aber mit ordentlichem Taschengeld lässt sich so ein Schleudersitz bestimmt entsprechend versüßen. Außerdem hat man immer ein Bauernopfer und kann die anderen Spacken im Amt lassen, Ablenkung ist alles.

Ich lenk mich ab mit The Fratellis - Costello Music und mach mir ein paar warme Gedanken.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Kein Altersruhesitz















Drei Stunden in der Gegend herumlaufen sind kein Problem, drei Stunden auf einem Fleck stehen und sich die Seele aus dem Leib brüllen werden aber langsam eins, das geht enorm an die Kondition. Die Bierversorgung auf den Sitzplätzen ist wesentlich besser, man muss nicht schon eine Stunde vor Spielbeginn im Stadion sein und wenn man sich über Gebühr aufregt kann man ja auch mal kurz aufstehen. Herrn L. hab ich in der letzten Saison so manches mal beneidet, immer wenn die Beine weich wurden und der Rücken schmerzte, außerdem sitzen inzwischen so ziemlich alle Kumpels da oben.

Gewichtige Argumente für einen Sitzplatz, denen ich mich trotz der exorbitanten Preise für eine Saisonkarte nicht länger verschließen konnte. Durch die Telefonkonferenz während der Kartenbestellung sitzen Herr L. und ich auch noch fast direkt nebeneinander, mal sehen ob wir mit den neuen Nachbarn irgendwie tauschen können, das wird schon.

Das wäre auch das einzige Gegenargument gewesen, das mit den neuen Nachbarn in Block G, am nördlichen Ende der Gegengerade. Mit denen müssen wir jetzt ein Jahr auskommen, alle zwei Wochen dieselben Nasen. Die Freiheit der Stehplätze, auf denen man sich in der Halbzeit neue Gesellschaft suchen konnte, werde ich vermissen. Mal in der Halbzeit kurz zu Koschi und Konsorten in die Meckerecke wechseln, oder näher an den Supportblock rücken wenn die Nachbarn zu leise sind, das fällt leider weg.

Jetzt hoffe ich nur noch auf supportwilliges Volk in Block G, denn als Altersruhesitz war das nicht gedacht.

Montag, 24. Juni 2013

Geheimversteck der Mafia entdeckt















Begraben unter einer viel zu dicken Schicht Käse (das zur Foodstyle-Fotografie) hab ich es gefunden, und gesucht hab ich danach, weil ich mir seit einigen Wochen die grandiosen Sopranos reinziehe, deren Hauptdarsteller James Gandolfini vor wenigen Tagen verstarb. Bei Familienfesten (Familie im Sinne von Familie, nicht im Sinne von Familie, obwohl sich das bei den Sopranos doch sehr überschneidet) hoch gelobt werden immer Carmela Sopranos Manicotti, dick mit Käse überbacken, eine italienische Spezialität, von der ich bis dato noch nie gekostet, geschweige denn etwas gehört hatte. Was zu ändern war.

Etwas ernüchternd waren die Ergebnisse der Internetrecherche, denn anscheinend handelt es sich dabei nur um einen anderen Ausdruck für Canneloni, aber die kenne ich ja schon. Die große Kochlegasthenikerdatenbank von chefkoch.de spuckt immerhin ein Rezept aus das passen könnte, der bastelt die Dinger einfach aus Pfannkuchenteig und nennt sie Manicotti à la Sopranos. Kann man mal machen, dabei sollte allerdings ein grober Fehler nicht unterlaufen: Tony Soprano ist garantiert kein Vegetarier. Da muss Fleisch rein. 

Also brate ich 250g  Rinderhack und eine gehackte Zwiebel in etwas Olivenöl an, vermische die Masse dann mit 250g Ricotta, 250g geriebenem Parmesan, einem Ei, zwei kleinen gehackten Knoblauchzehen und einigen gehackten Blättern frischen Basilikums. Wie jede würzende Zutat durchaus variierbar in der Menge, je nach Geschmack.

Weil ich zu faul bin auch noch kleine Crêpes zu backen, und die Dinger wahrscheinlich sowieso alle unterschiedlich groß und unterschiedlich dick werden, hab ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Packung dieser fertigen Pfannkuchen gekauft, die man nur in der Mikrowelle oder Pfanne kurz warm machen muss. Ein Produkt, das ich bis dahin für ähnlich schwachsinnig hielt wie Currywurst-Fix, kann man hier aber tatsächlich mal verwenden. 

Die Masse dann schön auf den Dingern verteilen und einrollen, in eine Auflaufform legen, mit Tomatensauce übergießen, tonnenweise (oder weniger) Käse drüberstreuen und so lange in den Backofen schieben bis es heiß genug ist, bei 180° könnte das eine halbe Stunde oder länger dauern, bei 200° wahrscheinlich weniger oder auch nicht, so gut hab ich das nicht im Kopf. Schließlich ist das ein Kochlegasthenikerblog, wenn überhaupt.

Deshalb gibt es auch eine eindeutige Tomatensaucenempfehlung, man nimmt am besten eine die man mag und würzt sie nach Geschmack. Passt immer.

Eindeutige Musikempfehlung, die neue CD von Donna The Buffalo - Tonight, Tomorrow and Yesterday


Samstag, 22. Juni 2013

Der ultimative Deppendetektor















Wir sitzen im Flughafen Antalya, nehmen ein paar Pizzaecken zum Frühstück (zu flughafentypischen Preisen) und warten auf den Abflug. Direkt gegenüber steht Mentor Palmastro, auf den ersten Blick schon zu erkennen, dass es sich dabei um eine Art Handleseautomat handeln muss. Aus der Hand irgend etwas lesen zu wollen halte ich ohnehin für ziemlich schwachsinnig, obwohl der geübte Handleseprofi vielleicht aus abgekauten Fingernägeln und Tintenflecken (Sie sind Schriftsteller mit Schreibblockade) seine Schlüsse ziehen kann, aber ein Automat? Ich frage mich ob es tatsächlich Menschen gibt, die ihr Geld für so einen offensichtlichen Humbug verschleudern.

Keine fünf Minuten später wird die Frage von einer Dame beantwortet, allerdings dauert es mit der monetären Investition ein wenig, denn so ein Automat will erst einmal verstanden werden. Dazu könnte man die nebenstehende mehrsprachige Gebrauchsanweisung lesen, aber das wäre zu einfach. Probieren geht über Studieren, hat Mutti schon immer gesagt.

Einfach die Hand in diese Öffnung zu stecken scheint ihr vorerst zu riskant, nachher beißt der noch. Vielleicht gähnt er aber nur, jedenfalls hält sie ihre Hand entsprechend vor den Mund, doch weder bei senkrechter noch bei waagerechter Handhaltung hat das irgendwelche Auswirkungen, der Apparat gähnt weiter. Oberhalb des Kopfes ist eine Hand abgebildet, vielleicht könnte man ja, wenn man seine Hand...
Nein. Passiert immer noch nichts. Also vielleicht doch die Hand direkt rein in das dunkle Loch? Gruselig. Schnell wieder raus damit. Links unten ist ebenfalls eine Öffnung. Leider etwas klein, eher ein Schlitz, die Hand passt dort nicht rein. Nein, auch nicht die linke Hand.

Wenn sie gleichzeitig versucht ihren rechten Fuß im Mund unterzubringen fall ich hier noch vom Stuhl. Glücklicherweise scheint sie unsere spöttischen Kommentare nicht zu hören, nur unser Lachen irritiert sie kurz, bevor sie sich weiter der Maschine widmet. Was für eine Show, ich bin kurz davor nach versteckten Kameras zu suchen, die Frau gehört eindeutig ins Fernsehen. Ein (zufällig?) vorbeikommender Angestellter des Flughafens macht sie auf den Münzeinwurf aufmerksam, die einzige Öffnung die sie bisher komplett ignoriert hat. Viel zu klein für eine Hand. Sie kramt nach ihrem Portemonnaie und füttert den Mentor mit Münzen, jetzt kann es endlich losgehen. Jedoch, was ist der nächste Schritt? Die Hand in den Mund? Oder doch erst die Anleitung lesen? Da sind auch noch ein paar Knöpfe links oben, und ein Bildschirm auf der anderen Seite. Egal, erst einmal ganz kurz die Hand in den Mund, gucken ob was passiert. Nichts, natürlich. Selbst Automaten brauchen wohl mehr als zwei Sekunden um Handlinien zu scannen.

Also doch erst die Anleitung. Ahja, da werden wohl die Knöpfe beschrieben, jedenfalls drückt sie nach dem Studium auf einen solchen. Der leuchtet danach zwar blau vor sich hin, aber ist das wirklich ein Fortschritt?  Sollte nicht die Hand irgendwie noch ins Spiel kommen? Was ist eigentlich mit dem Bildschirm? Auf dem erscheinen gerade die Umrisse einer Hand, wenn man seine dagegen legt, dann passiert vielleicht auch.... nichts.

Wie frustrierend. Fünfzehn Minuten wildes Gezappel vor einem Handleseautomaten und alles ohne sichtbaren Erfolg, sie gibt auf. Vielleicht war unser Lachen auch nicht mehr zu überhören, irgendwann kann man das halt nicht mehr unterdrücken. "Ein bisschen unfair ist das schon" gibt Junior zu bedenken. "Wenn ich den programmiert hätte, dann gäbe es nach zehn erfolglosen Minuten wenigstens einen passenden Ausdruck. Sie sind zu dusselig einen Handleseautomaten zu bedienen, melden Sie sich besser bei der örtlichen Wahrsagerin. Hochachtungsvoll, Ihr Mentor Palmastro."

Als Handleser hat der Kasten völlig versagt, aber er lockt Unterhaltungskünstler an. Morgens um vier auf einem Flughafen nicht die schlechteste Idee.

Handlesermusik: Queens Of The Stone Age - Songs For The Deaf

  

Donnerstag, 20. Juni 2013

Abgefüttert















Böse Zungen behaupten, "alles inklusive" wäre hauptsächlich für Menschen erfunden worden, die sich im Urlaub von morgens bis abends die Kante geben wollen. Diese Meinung wird noch bestärkt, wenn man so einige Bewertungen auf Hotelportalen liest, in denen Horden besoffener Kegel- oder Fußballclubs beschrieben werden, die schon vor dem Frühstück die ersten Longdrinks ordern.

Nur fürs Futter, davon war ich jedenfalls überzeugt, lohnt sich das nicht. Zumal ich eigentlich eine ausgesprochene Abneigung gegen Buffets habe, an denen diese Horden dann mit hoffnungslos überfüllten Tellern von dannen ziehen um sich einen Platz zu suchen. Erfahrungsgemäß reicht mir bei diesen Temperaturen zum Mittag auch eine Schüssel Cornflakes mit kalter Milch, aber so etwas wie Halbpension wird kaum noch angeboten in der Türkei. Und mit Kind wärs auch viel praktischer...
Das war das ausschlaggebende Argument, schließlich reicht es schon wenn ich den ganzen Tag mit der Kamera rumlaufe, da will man nicht wegen jeder Kleinigkeit noch in der Tasche kramen müssen. Alles überflüssiger Ballast der auf dem Zimmer bleiben kann.

Vielleicht ist es in der Hauptsaison schlimmer, vielleicht auch in anderen Gegenden oder Hotels, aber das hier ist ein Paradies. Für alle. Die Kinder können sich im Familienrestaurant an ihrem eigenen Buffet bedienen, alles in entsprechender Höhe, während im gegenüberliegenden Flügel an jeder Ecke die Pfannen geschwenkt werden. In der einen werden Omeletts mit Wunschfüllung am Fließband gefertigt, in der nächsten Toast und Brötchen mit Schinken, Tomaten und/oder Käse gefüllt und im Kontaktgrill überbacken. Wer es süßer mag holt sich Pfannkuchen, wer es deftiger mag Spiegel- oder Rührei.  Das sind auch die einzigen Stationen, an denen man mal eine Minute warten muss, wenn man viel Pech hat, aber dann bedient man sich halt so lange an der Salatbar, nimmt eine der unzähligen kleinen Schüsseln mit Kräuterbutter, Avocadocreme und was sonst noch alles herumsteht mit, oder zieht sich schon mal den Kaffee. Frisch gepresster Orangensaft wird am Tisch angeboten, für einen Euro pro Glas. Gesund trinken kostet extra.

Mittags und abends wird zwischen den Restaurants zusätzlich der Open Air Grill in Betrieb genommen, es gibt Fleisch vom Rost oder Dönerspieß, die Kollegen stehen daneben und frittieren Pommes oder Gemüse im Backteig und wo morgens noch Spiegeleier gebraten werden gibt es abends frischen Fisch. Nach drei Tagen erst entdecken wir den riesigen Topf mit der Suppe, daneben die Schalen mit Croutons und Käse zum drüberstreuen, seither gibt es regelmäßig Vorsuppe. Alles in kleinen Portionen, weil man noch nicht wissen kann, was sich unter den etwa vierzig oder fünfzig chromglänzenden Hauben befindet. Die gedämpfte Fischpfanne gestern, mit Fischfilet, Krabben und Tintenfisch mit Paprika, Zwiebeln und Tomaten war jedenfalls so lecker, dass ich unbedingt Nachschlag haben musste, trotz der vorher genossenen Portion gefüllter Auberginen.

Wer zwischen den Mahlzeiten tatsächlich Hunger verspürt geht an die Poolbar und holt sich Hot Dogs, Burger, Köfte oder Dönerfleisch mit Pommes. Gesünder geht auch, am Wellnesspool ist die Salatbar ganztägig geöffnet und die Kinder gehen gerne zu der weiß gekleideten Tante, die jeden Tag von 11 bis 16 Uhr Fladenbrotcrepes mit Nutella backt. Am Strand steht das alles ebenfalls, so dass man nicht einmal die paar Meter zum Hotel zurück laufen muss.

Man wird hier im wahrsten Sinne des Wortes abgefüttert, mit unglaublichen Mengen fantastischer Leckereien der türkischen Küche und fast rund um die Uhr, bis hin zur Mitternachtssuppe. Am schlimmsten ist das Dessertbuffet, da geht man hin wenn man eigentlich schon pappsatt ist und kann sich dann doch nicht beherrschen. Baklava muss, das schmeckt um Klassen besser als in Deutschland, der Rest kann. Manchmal kann er was, wenn es sich um Früchtebecher oder Schokoladentorten handelt, manchmal kann er aber auch nix, die ganz bunten Dinger sollte man besser nicht anfassen, aber das lernt man schnell.

Das Dessertbuffet hat bis jetzt auch verhindert, dass ich mich auf die Waage stelle. Das mach ich erst in drei oder vier Wochen wieder, bis dahin ist fast alles gestrichen was Kalorien hat. Einen Nachteil hat "alles inklusive" eben doch.

Keine Diät auf den Ohren: Elvin Bishop - Gettin' My Groove Back







Dienstag, 18. Juni 2013

Eiscreme, Obst und kleine Kröten















Der letzte gebuchte Ausflug führt uns nach Manavgat, und den kann man (hinterher ist man immer schlauer) auf eigene Faust wesentlich günstiger machen, indem man sich einfach Montags in einen Dolmus setzt und sich für 2 Euro dort absetzen lässt. Aber es ist einfach zu verlockend, sämtliche "Manavgat Highlights"  im Paket zu buchen, den Wasserfall, den unteren Stausee, den großen Markt, der auf den Straßen eines ganzen Stadtteils stattfindet und abschließend zur Erholung noch eine Bootsfahrt auf dem Manavgat Fluss. Verpflegung inklusive, natürlich, und bei der strahlenden Sonne, die ich gerne im Green Canyon gehabt hätte.

Ebenfalls inklusive ist eine Wartezeit von 50 Minuten vor dem Hotel, denn der ursprünglich vorgesehene Bus "hat den Geist aufgegeben", wofür sich unser Reiseleiter, diesmal heißt er Mehmet, wort- und gestenreich entschuldigt. Mir ist so etwas Wurscht, ich bin im Urlaub und nicht auf der Flucht. Erster Punkt der Highlights ist die bekannte Klamottenbude, die ich einen Abend vorher schon  gemieden habe. Diesmal ist Junior mit dabei und will massiv einkaufen, hindert mich aber daran einen leichten Bieranzug der Marke "Hello Kitty" für läppische 20 Euro zu erstehen, die Prinzessin würde das wahrscheinlich eh nicht tragen. Nur gut, dass ich gestern nicht geguckt habe.

Danach geht es zum Büyük Şelale, dem großen Wasserfall, der eher die Miniaturausgabe eines großen Wasserfalles ist, aber hey, ein Wasserfall! Komm ich nicht dran vorbei, außerdem ist der ein wirklich malerisches Motiv, lässt man die ganzen Souvenir- und Imbissbuden einmal weg. Das ist nicht schwer, denn es gibt ausgewiesene Punkte für Fotografen, auf denen auch schon ein professioneller Kollege auf potenzielle Urlaubsfotokäufer spekuliert. Nicht ganz einfach im Zeitalter der Handyfotografie.

Zweites Highlight, direkt am Wasserfall, die türkischen Eisverkäufer. Lautstark preisen sie ihre aus Ziegenmilch hergestellten Sorten an, wirbeln die gummiartige Masse durch die Lüfte, um sie im letzten Augenblick wieder zielsicher in ihren Behältern verschwinden zu lassen und treiben auch sonst viel Schabernack mit den Touristen. Das Zeug schmeckt außerordentlich lecker und hat gegenüber unserem Eis entscheidende Vorteile, es schmilzt auch bei 35° im Schatten nicht gleich wie Schnee auf der Herdplatte. Könnte ich sogar mit weißem T-Shirt essen, das geht sonst garantiert daneben.

Zum anschließenden Mittagessen werden wir per Boot auf die andere Seite des unteren Stausees gebracht, das Angebot umfasst heute völlig unerwartet Köfte, Hähnchenspieße oder Fisch, die übliche reichhaltige Salatbar und andere Beilagen. Auf der Getränkekarte finden sich außergewöhnliche Spezialitäten wie Radla, Alstra und Diesel. Wir bestellen zum Glück Radla, denn später erfahren wir, dass Alstra mit Orangenlimo versetzt wird. Da ist auf dem Weg in den Süden etwas völlig schiefgelaufen.

Danach werden wir am Markt abgesetzt, direkt an der kleinen Moschee, die als markanter Treffpunkt dient. Mehmet prägt uns ein, auf jeden Fall die "Hauptstraßen" im Auge zu behalten, die verzweigten Gassen sind unendlich und die Orientierung schwer, denn alle Straßen sind gegen die Sonne mit Tüchern und Zeltbahnen geschützt. Dann sind wir alleine auf uns gestellt, für wahnsinnige eineinhalb Stunden, Touristen ohne Aufsicht. In freier Wildbahn ungeschützt den Verlockungen ausgesetzt.

Wobei die Fälschermeile mit ihren Brillen, Taschen, T-Shirts, Jeans und Uhren nicht halb so interessant ist, wie der anschließende Bauernmarkt in seiner Farbenpracht. Obst, Gemüse, Früchte, Honig, Gewürze und Nüsse verströmen ihren Duft. Es gibt frisch gepresste Säfte aus Orangen oder Granatäpfeln, die erst einen Euro pro Becher kosten sollen, dann schneller als der Benzinpreis nach oben korrigiert werden und wieder verhandelt werden müssen. OMG, ein Basar, ich bin nicht vorbereitet auf Preisverhandlungen, ich zahle 4 Euro für ein Kilo unglaublich leckerer in Honig und Sesam gewälzter Erdnüsse und ernte von Junior nur Kopfschütteln, weil ich das zahle ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn das Zeug eh nur einen Bruchteil des gewohnten Preises kostet denk ich halt nicht dran wo ich gerade bin, für die Hälfte hätte er das wohl auch verkauft, schmeckt aber trotzdem.

Das Kind macht mir später vor wie es geht und ersteht für 20 (statt 85) Euro ein metallenes Schlaginstrument, was den Verkäufer zu einer Nachfrage bei seinem Chef zwingt, auf einem türkischen Basar sicher ein gutes Zeichen für Verhandlungsgeschick. Andererseits bleibt einem ja auch nichts anderes übrig, wenn man nur noch 15 in der Tasche hat und Vadder noch aufstocken muss.
Wider erwarten verlaufen wir uns nicht und sind rechtzeitig am Treffpunkt, um per Bus zu den Booten transportiert zu werden. Dabei fahren wir an einem Gebäude Manavgats vorbei, das ich gerne näher betrachtet hätte, doch die große Moschee mit ihren vier Minaretten zählt bedauerlicherweise nicht zu den Höhepunkten der Tour. Mit Dolmus wär das nicht passiert.

Mit Dolmus hat man aber keinen Mehmet, der einem während der Fahrt interessante Einblicke in türkische Kultur und Lebensart verschafft. So sind zwischen 110 bis 150 Quadratmeter Wohnraum für eine türkische Familie zwingend notwendig, denn außer Wohn- Schlaf- und zwei Kinderzimmern braucht man noch für Gäste ein repräsentatives und möglichst großes Zimmer, wird Gastfreundschaft doch besonders groß geschrieben in diesem Land. Die Gehälter sind dafür deutlich kleiner, ganz besonders für Deutsch sprechende Reiseleiter, "denn die gibt es wie Sand, sprichst Du norwegisch, russisch oder japanisch gibt es wie Gold."
Daneben erfahren wir Neuigkeiten von der letzten Demo gegen Erdogan in Antalya, an der er gestern Abend noch teilgenommen hat. Eine Woche ohne Nachrichten und Internet zeigen ihre Auswirkungen, man bekommt nichts mehr mit, dabei sind wir nahe dran am Geschehen.

Mit Dolmus hätten wir auch keine Fahrt über den Fluss gehabt, bis zu dem schon von der Piratentour bekannten Badeort am Meer, mit der schon bekannten Fladenbrotbäckerin am Strand. Wir haben uns lieber noch ein paar Radla geleistet und Karettschildkröten beim Sonnenbad beobachtet. Für die Berliner Dame neben uns nicht so spannend, denn "die sind ja kleen, sowat hat meene Tochta im Akwarium." In Berlin muss es halt alles etwas größer sein um Aufmerksamkeit zu erregen.

Erregt gerade meine Aufmerksamkeit: Texas - White On Blonde





















Sonntag, 16. Juni 2013

Das ist alles nur geklaut















Statussymbole scheinen unter Jugendlichen ganz besonders beliebt zu sein, also in einem Alter, in dem die wenigsten das nötige Geld für richtige Statussymbole haben. Wenn man also noch keinen Maserati fahren kann und selbst ein tiefergelegter Golf in unerreichbarer Ferne ist, dann muss halt das Tommy Hilfiger T-Shirt herhalten, die Sonnenbrille von D&G oder ein Handtäschchen von Gucci.

Da ich mich mit Statussymbolen nie weiter beschäftigt habe (und demzufolge immer noch keine Ahnung habe wer dieser Tommy eigentlich ist und warum alle so scharf auf seine Klamotten sind) bin ich etwas unbedarft an diese Sachen herangegangen. Ich hab immer gedacht, die hätten ihr ganzes Taschengeld in dieses Zeug gesteckt, dabei ist die Lösung viel einfacher: die waren alle mal in der Türkei.

Die Türkei ist der weltweit zweitgrößte Baumwollexporteur nach den Vereinigten Staaten, was Tommy, Jack, Giorgio, Hugo, Calvin und den ganzen anderen hippen Markendesignern nicht gefallen dürfte, denn was dort verkauft wird ist (fast) alles nur geklaut. Natürlich nur das Design, den Rest stellen sie dort unten schon selber her, perfekt nachgeahmt bis ins kleinste Detail, und verschleudern das für einen Bruchteil des hier verlangten Preises. Was Junior nach dem Erwerb zweier fantastischer Markenjeans für zusammen 85 Euro (guckstu hier Qualität, ist fünfmal schtohne gewascht) in einen wahren Kaufrausch trieb. Kürzung der Hosenbeine ist im Preis inbegriffen, das macht der Schneider nebenan und dauert keine zehn Minuten.

Für ihn war es jedenfalls ein Glück, dass wir den Outlet-Store auf der Tour nach Manavgat noch einmal anliefen, zwei Bermudas, zwei Jacken, diverse T-Shirts und noch drei todschicke Hemden von Tommy, wobei ich ihn um eines wirklich beneiden könnte, würde ich Hemden tragen. Alles für n Appel und n Ei.

Und weil den Jungs dort unten das Markenrecht so dermaßen am Arsch vorbeigeht, versorgen sie die Süchtigen mit allem was gerade begehrt ist, von der Ray-Ban Sonnenbrille über die Louis Vuitton Handtasche bis zur Rolex für das Handgelenk. Ob Doctor Dre's Superkopfhörerkopie an das Original herankommt ist zwar eher fraglich, aber alles aus Baumwolle ist von ausgezeichneter Qualität. Schneller als der Rest der Welt sind sie wahrscheinlich auch, denn ich bezweifle, dass die in München schon Trikots von Mario Götze verkaufen.

Verkaufen ist (neben kopieren) eine weitere große Stärke der Menschen in dieser Gegend, als ich am letzten Abend die Auslagen des im Hotel ansässigen Juweliers fotografiere kommt der sofort aus seinem Laden gewuselt und fragt, ob ich etwas gefunden hätte. "Ja, die hier" grinse ich ihn an und deute auf meine steinalte Tissot. "Dreißig Jahre alt und präzise wie am ersten Tag. Trägt auch nicht so auf wie eine Rolex."

Hätte er im Schaufenster eine Omega Constellation gehabt, ich wäre vielleicht schwach geworden, aber wer ernsthaftes Interesse zeigt kommt so schnell nicht wieder aus der Nummer raus, also hab ich es ihm lieber nicht gesagt. 

Original, nix geklaut: The Bottle Rockets - Blue Sky/Zoysia













Samstag, 15. Juni 2013

Zehn Minuten Straßenfest















Die diesjährige Altonale kann mich mit ihrem Programm nicht richtig motivieren, ein paar Namen und Zeiten habe ich mir vorsichtshalber aufgeschrieben, Ratatöska aus Berlin zum Beispiel, San Glaser hat immer gute Kritiken bekommen, oder die "Kekskonzertistin" Liebe Minou - aber eigentlich ist das alles nicht meine Baustelle. Die Rock'n Roll Kids St.Pauli sind möglicherweise ein nettes Fotomotiv, auf dem Tanzboden am Alma-Wartenberg-Platz wird Bauchtanz, Flamenco und ähnliches geboten, könnte auch was für die Linse sein, wenn man nah genug rankommt. Trotzdem fröne ich dem Lotterleben, denn das Wetter verspricht kein Highlight zu sein, obwohl die Sonne bisher recht häufig durch die Wolken bricht. Außerdem müsste ich alleine losziehen, die Altonasen sind alle im Urlaub, den Rest muss ich gar nicht erst fragen...

Dann ruft der Pappenheimer an, die Pentaxfanboys sind unterwegs auf Fototour und hören Shantychöre aus dem Sauerland, dagegen glänzt das Altonaleprogramm ja richtig golden. "In der Bude hocken ist auch nix" sagt der Pappenheimer, und ich muss ihm beipflichten. Man kann sich treiben lassen, in einer Ecke gibt es viel Weltmusik, da wird schon was dabei sein und wenn es nichts zu fotografieren gibt kümmert man sich halt um das kulinarische Programm, also mache ich mich auf seinem Rat zu folgen.

Das letzte mal hat mir das dreißig Paar kleine Söckchen eingebracht, ich hätte es also besser wissen sollen. Denn je näher ich Altona komme, desto dunkler wird der Himmel am Horizont. Geradezu höhnisch scheinen mir die dunklen Wolken ein "komm doch, wir warten nur auf dich" zuzurufen und kaum habe ich die ersten Stände in der Bahrenfelder Straße erreicht öffnet der Himmel seine Schleusen. Es schüttet wie aus Eimern, unter sämtlichen Ständen und Buden mit Regenschutz drängeln sich Menschen und nach fünf Minuten bin ich nass bis auf die Haut.

Beim Kumpir ist noch Platz, ich gönne mir eine Orientkartoffel mit Falafel, dampfe vor mich hin und beschließe danach wieder zu verschwinden. Mit nassen Klamotten macht das einfach keinen Spaß. Wenigstens auf dem Rückweg habe ich ein Stück Glück, direkt vor Mamalicious ist eine freie Parklücke, daher gibt es nachher noch ein Stück New Yorker Cheesecake zum Dessert.

Das könnte ich sogar auf dem Balkon einnehmen, denn inzwischen scheint wieder die Sonne. Aber wahrscheinlich nicht in Altona.

Gegenregenmusik: The Black Keys - El Camino

Donnerstag, 13. Juni 2013

Auf kalten Gewässern















Eine der ersten Touren die ich mir schon zu Hause vorgenommen habe führt mich ins Taurusgebirge, zur Oymapınar-Talsperre. Talsperren finde ich zwar generell wenig interessant, aber die Bilder die ich vom sogenannten Green Canyon gesehen habe sind beeindruckend, diese Landschaft muss ich in Augenschein nehmen. Warum der allerdings Green Canyon genannt wird und nicht Grün Künyün o.ä. ist mir völlig schleierhaft, wohl ein Auswuchs des Tourismus.

Unser Reiseleiter heißt Sherif und ist sehr redselig, außer prima Türkenwitzen haut er auch laufend gute Informationen über die vorbeifliegende Landschaft raus. Über traditionelle alte Häuser, die zwar kaum noch bewohnt werden, aber unter Denkmalschutz stehen. Über steinerne Zeugen der Vergangenheit, die Landwirtschaft der Region (Spezialität Wassermelonen und Granatäpfel) und Recep Tayyip Erdoğan. "Die Türkei ist eine Demokratie" sagt er stolz "und wenn der so weitermacht ist er genau so schnell weg wie er gekommen ist." Das hab ich hier über Helmut Kohl und Angela Merkel auch mal gedacht, ich wünsch ihm jedenfalls alles Gute.

Ärgerlich ist an solchen Touren nur, dass man nicht alle paar Minuten anhalten kann um die alten türkischen Häuser, die steinernen Relikte und die Wassermelonen zu fotografieren, zum Glück bietet der offene Doppeldeckerbus auch so einige Gelegenheiten, wenn man auf der richtigen Seite sitzt. Einen kurzen Halt gibt es am unteren Stausee, danach schraubt sich der Bus über Serpentinen hoch bis zum Sperrwerk. Sherif referiert über das wichtigste Bauteil eines Autos, die Hupe, und ich hoffe angesichts der Straßenzustände, dass bei diesem Bus wenigstens ähnlich viel Augenmerk auf die Bremsanlage gerichtet wurde.

Per Doppelrumpfboot geht es dann gute zwei Stunden durch die Schluchten der oberen Seen, Badepause eingeschlossen. Ich erfrische mich mit einem Bier aus der Bordzapfanlage, ein paar junge Leute aus Dresden wählen den Sprung vom Anleger, die meisten sind allerdings binnen Sekunden wieder draußen. Das sah schon kalt genug aus, das muss ich nicht austesten. Währenddessen versuche ich einem verzweifelten Familienvater zu helfen, dem die Gesichter von Frau und Kind immer zu dunkel werden auf seinen Aufnahmen. "Sie haben doch auch eine Nikon..."
Ähm, ja. Meine kann das auch, aber eine manuelle Einstellung auf seiner Kompaktknipse suche ich vergeblich und gebe ihm den Rat, sich einfach umzusetzen. Gegenlichtaufnahmen sind mit den kleinen Dingern zu problematisch.

Das Mittagessen wird in einem höher gelegenen Restaurant eingenommen, um diesen äußerst gemütlichen und schattig-kühlen Platz zu erreichen sind allerdings unzählige Treppenstufen zu bezwingen. Sherif tröstet uns ein wenig, immerhin hätten wir durch den hohen Wasserstand des Stausees gut ein Drittel der Stufen gespart. Die auf diesen Touren angebotene Standardverpflegung besteht aus Grillhähnchenspießen, Köfte oder Fisch mit den üblichen Beilagen und Salat, Salat, Salat. Wenn die Tomaten hier in Deutschland auch so schmecken würden, ich wär öfter an der Salatbar zu finden. Hier lässt es sich aushalten, doch es wartet noch der kleine Canyon mit seinen kalten unterirdischen Quellen, deren Strudel sehr gut auf dem Wasser zu beobachten sind.

Das sieht noch sehr viel kälter aus, und baden will auch niemand mehr. Auf der Rückfahrt stoppt der Touristenkonvoi noch einmal an der Staumauer und wir erfahren Einzelheiten über den Damm, "den wir mit Euch zusammen errichtet haben". Deutsch-Türkische Connections überall. "Euch" ist in diesem Fall die Firma Bilfinger Berger aus Mannheim, die ihren türkischen Partnern leider den Sinn von Arbeitsschutzmaßnahmen wie Schutzhelmen nicht rechtzeitig näherbringen konnte, wodurch 34 türkische Arbeiter beim Bau ums Leben kamen.

Letztes Highlight der Tour ist ein dreißig minütiger Sherif-Schnellkurs über den Islam, über Pflichten und Rechte des gläubigen Muslims, den Koran und seine Bedeutung, die wesentlichen Unterschiede zum Christentum ("ihr habt es gut, ihr müsst nur Sonntags in der Kirche beten, wir fünfmal am Tag"), dass Moscheen ausschließlich aus Spenden errichtet werden, weil es keine Moscheensteuer gibt und über die Vollpfosten von Al-Qaida, die wahrscheinlich allesamt zu blöde sind den Koran zu lesen und so eine ganze Religion in Verruf gebracht haben. Danach gibt er noch ein paar Türkenwitze zum besten um uns etwas aufzulockern, denn der Abschluss des Tages besteht im Besuch eines Outlet-Stores, in dem man super günstig Kleidung ganz hervorragender Qualität erwerben könnte. "Nicht nur getürkte Ware" wie Sherif versichert, "auch Originale."

Ich verbringe die Zeit lieber im angrenzenden Garten bei einem Kaltgetränk und unterhalte mich mit einem Berliner, der sich in den letzten drei Jahren fast die ganze Türkei angesehen hat, Kappadokien, Istanbul, Pamukkale, Bodrum, er war schon überall, und hat auch schon alles mitgenommen. Vor dem Zoll müsste man keine Angst haben, er hätte zu Hause nur Kleidung und Uhren aus der Türkei. Dabei deutet er grinsend auf seinen enorm großen und hässlichen Breitling Blender, den ich nicht mal tragen würde wäre er echt. Nur beim letzten Urlaub hatte er leichte Probleme, weil man in seinen zwanzig Kühlschrankmagneten gepresstes Heroin vermutete. Schon unglaublich, was manche Menschen aus dem Urlaub mitbringen.

Nicht aus dem Urlaub mitgebracht: Alejandro Escovedo - Thirteen Years/A Man Under The Influence