Donnerstag, 29. Mai 2014

U wie Urlaub
















Meine Fresse, inzwischen bin ich so etwas von durch, das glaubt man kaum. Zwei Monate Nachtschicht fordern ihren Tribut. Bis 3, 4, sogar bis 6 Uhr morgens malochen, danach kein vernünftiger Schlaf, weil irgendwas ist ja immer und viel zu hell sowieso und in Notfällen kommt man auch am Wochenende, denn man hat ja Verantwortung und die Kollegen sind auch nicht besser dran blablabla....
Für solche Fälle hat sich das System wahrscheinlich die ganzen all inklusive Pauschalurlaube überhaupt ausgedacht. Zuerst lässt man die Leute ackern wie blöde um ihnen, wenn sie dann völlig fertig sind, das sauer verdiente Geld für ein kurzes Rundumsorglospaket mit Freibier wieder abzunehmen. Und ich bin voll drin im System. Verdammt, sie haben mich gekriegt.

Naja, die Sachzwänge, kleine Kinder und so.. mit kleinen Kindern ist man dem System eher ausgeliefert. Vermutlich ist es dazu noch das Alter und meine immer schon vorhandene Bequemlichkeit, die mich solchen Verlockungen gegenüber empfänglich gemacht haben.
Andererseits weiß ich auch nicht, ob ich vor 20 oder 30 Jahren bei einer Agentur für neue Reiseerfahrungen gebucht hätte, bei der das zu erwartende Abenteuer so offensichtlich zu sehen ist.

 (Wer trotzdem Lust hat auszureißen, die URL steht auf der Windschutzscheibe.)

Ausreißermusik: Rodney Crowell - Tarpaper Sky

Dienstag, 27. Mai 2014

Der Frühling bleibt bunt (3)
















Gefunden im Stadtpark, wo man bei schönem Wetter jede Menge Drohnen fotografieren kann. Rhododendrohnen vor allem. 

 Dröhnt auch gut: Ben Harper & The Blind Boys Of Alabama - Live at the Apollo

 (Fotos großklicken dröhnt bunter)





Sonntag, 25. Mai 2014

Arbeitswege














Wie viele Arbeitstage hat das Jahr eigentlich? Gefühlt fünfhundert, ich weiß, aber realistisch sind wohl irgendwas mit über zweihundert. Das heißt zweihundert mal im Jahr zur Arbeit fahren und wieder zurück, vierhundert mal die Strecke in zwanzig Jahren, macht achttausend. Achttausend!

Und immer die gleiche Leier, man steigt ins Auto, dreht den Zündschlüssel und kurze Zeit später steigt man wieder aus. Dazwischen? War da was? Die Kutsche kennt den Weg, man achtet auf nichts mehr, kennt man alles schon. Achttausendmal gesehen. Mindestens.

Aber wenn die Sonne hoch am Himmel steht, keine Wolken zu sehen sind und die beknackte Schicht einem keine andere Wahl lässt, dann kann man ruhig mal eine Stunde früher losfahren und gucken, was man so an Motiven findet auf dem Arbeitsweg. Sind gar nicht mal so wenige, trotz der relativ kurzen Strecke.

Noch drei mal hin und zurück...

Arbeitsmusik: Mickey Jupp - Juppanese / Long Distance Romancer










Freitag, 23. Mai 2014

Altes Mädchen, herb gehopft
















Als der Pappenheimer mich über Ostern besucht will er natürlich wieder in die Schanze. Er liebt die Schanze, die rote Flora, die vielen Stützpunkte und die Leute. Ein paar Tage vorher hat er sich mit einem obdachlosen Pfandflaschensammler angefreundet, den er mir unbedingt vorstellen will. Der Horscht ist ein echter Waldmensch, und andere echte Waldmenschen wie der Pappenheimer schließen so jemanden schnell ins Herz.

Mir ist die Schanze zu voll, gerade am Wochenende treibt sich da oft ziemlich nervtötendes Partyvolk herum, aber einen guten Grund zuzustimmen finde ich: das Alte Mädchen. Das in den historischen Viehmarkthallen des alten Hamburger Schlachthofs errichtete Restaurant ist ein Paradies für Bierliebhaber, mit mehr als 60 Sorten im Ausschank, davon das gesamte Ratsherrn Sortiment aus dem Fass. Wo ich doch gerade das Ratsherrn Pale für mich entdeckt habe, ein herbhopfiges Argument für den Besuch alter Mädchen.

Platz gibt es trotz des schönen Wetters noch reichlich, etwas merkwürdig ist allerdings die, je nach Sitzplatz, eingeschränkte Bestellmöglichkeit der Speisen. Es gibt eine Tages- und eine Abendkarte, und als wäre das nicht schon kompliziert genug, eine sehr kleine Drinnen- und eine nicht größere Draußenkarte. Das von mir präferierte Pulled Pork im Maisbrötchen mit Barbecuesauce, Rotkraut und Schmand gibt es nur draußen, Pappenheimers gebratenen Zander auf Spargelrisotto nur drinnen. Eigentlich müsste ich nur meinen Stuhl um einen halben Meter hinter die komplett geöffnete Fassade verschieben, dann wäre ich mit meinem Brötchen draußen und der Pappenheimer könnte seinen Fisch bestellen, doch das Pulled Pork ist leider aus.

Blöde Sache, denn wenn ich mich auf etwas freue und das dann nicht bekomme bin ich sehr schnell eingeschnappt und will dann garnix mehr. Doch es ist 16 Uhr und der Magen sagt, es ist Zeit für ein Frühstück, ein möglichst reichhaltiges Frühstück. Eigentlich habe ich null Bock auf Fisch mit Risotto, was sich erst ändert als der Pappenheimer seinen Teller bekommt. Sieht nicht nur gut aus, schmeckt auch so und wird nachbestellt, zusammen mit ein paar leckeren Bierchen, damit der Fisch auch schwimmen kann.

Für das Pulled Pork im Maisbrötchen muss ich wohl nochmal da hin. Angesichts der (weit mehr als sechzig) handwerklich produzierten Biersorten im Ladengeschäft wird das eine teure Angelegenheit, soviel ist mal sicher.

Hopfenmusike: Rio Reiser - Rio I. / Über alles












Mittwoch, 21. Mai 2014

Mondjagd

















Bescheuerte Arbeitszeiten haben manchmal auch ihre Vorteile. Nachts um 3 Uhr auf dem Heimweg leuchtet der Mond strahlend hell auf vorbeiziehende Wolkenfetzen, das sieht richtig genial aus, American Werewolf Style. Da passt es ganz gut, dass ich mir neulich Creedence Clearwater Revival auf den Stick fürs Auto gezogen habe. There´s a bad moon on the rise dengelengeleng, den muss ich unbedingt ablichten. Zwar ist sie noch nicht ganz voll die Kugel, aber das fällt bestimmt niemandem auf. Karre parken, ab nach oben, Objektiv wechseln, Stativ aufbauen, Kamera einstellen und auf den Balkon.

Erstes Foto: zu hell.
Zweiter Versuch: immer noch zu hell.
Dritter Versuch: kein Mond mehr da. Der Nachteil von stimmungsvollen Werwolfwolkenfetzen, sie können sich jederzeit in eine undurchdringliche blaugrauschwarze Fläche verwandeln.

In der nächsten Nacht das gleiche Bild, ein strahlend heller Mond scheint auf vorbeiziehende Wolkenfetzen, und diesmal ist er sogar voll. Richtig rund, wie sich das gehört in Werwolfnächten, ahuuuuu. Karre parken, ab nach oben, Stativ aufbauen, Kamera einstellen und auf den Balkon.

Kein Mond mehr da. Verdammte Hacke, das ist ja wohl voll die Verarsche mit der blöden Mondfotografie, so macht das keinen Spaß.

In der dritten Nacht habe ich ihn dann erwischt, er konnte sich nicht mehr hinter einer blaugrauschwarzen Fläche verstecken, es war keine da. Leider auch keine stimmungsvoll angestrahlten Werwolfwolkenfetzen, weshalb ihr mit einem popeligen nicht so ganz vollem Mond vorliebnehmen müsst, von dem es Fantastillarden ähnliche Fotos gibt.
Zumindest, bis ich in langen Werwolfmondnächten auf dem Heimweg wieder angestrahlt werde von dem Ding. Ahuuuu.

Mondmusik: Creedence Clearwater Revival – Bayou Country / Green River

Sonntag, 18. Mai 2014

Wenn Newton das gesehen hätte
















Straßenkünstler sind im Stadtbild ja keine seltene Erscheinung, letzten Freitag standen eine Dame mit Querflöte, ein folkrockender Gitarrist, ein mit brennender Kugel jonglierender Engländer und ein eingefrorener Fahrradunfall rund um den Rathausmarkt und konkurrierten um die Aufmerksamkeit der shoppenden Meute. Wobei sich Musik nicht mehr zu lohnen scheint, denn weder die Flötistin noch der bärtige Folkrocker haben im Zeitraum meiner Anwesenheit viel monetären Zuspruch bekommen.

Der jonglierende Engländer bot die lauteste Show und die meiste Action, dadurch konnte er zwar für eine halbe Stunde größere Scharen anlocken, aber eindeutig den Vogel abgeschossen hat eine scheinbar schwerelos über ihrem Partner schwebende Dame, bei der so mancher Passant sich gefragt hat, wie zum Teufel machen die das bloß?

Des Rätsels Lösung kann eigentlich nur ein irgendwie zusammengelötetes Stahlrohrgedengel sein, das von Teppich (Basis, beschwert durch Mensch) und wallenden Gewändern (Gedengel + Sitz) verdeckt wird, gesehen hat man davon allerdings nichts.

Kann man nur hoffen, dass nicht irgendwann ein fieser Straßenräuber den gut gefüllten Eimer einfach leert und mit der Beute verschwindet, gelohnt hätte sich das.

Schwebt auch: Archive - Live At The Zenith




Samstag, 17. Mai 2014

Regenbogen Reloaded
















In Hamburg gibt es sogar Regenbögen ohne Regen. Falls man mal einen fotografieren will muss man nur wissen wann und wo.

Regenbogenmusik: Frank Zappa - Chunga's Revenge / Roxy by Proxy




Donnerstag, 15. Mai 2014

Am Ende des Regenbogens















Meilenweit bin ich gelaufen, bis zum Ende des Regenbogens und darüber hinaus, aber alles was ich fand war ein schäbiger Schuppen.

Regenbogen: Stellmoorer Tunneltal
Schäbiger Schuppen: St.Pauli Trainingsgelände Hamburg Niendorf

Im Regal gefunden: Propaganda - 1234



Montag, 12. Mai 2014

Legenden haben sich das verdient
















Vorspiel
Am letzten Spieltag der Saison hat die DFL ein Einsehen und beschert uns normale Anstoßzeiten. Man kann ausschlafen und für eine Grundlage sorgen, heute trinke ich garantiert mehr Bier als gewöhnlich, bleibt bei solchen Anlässen nicht aus. Das letzte Spiel von Fabian Boll, eine Ära geht zu Ende, das Herz von St.Pauli verlässt den Platz. Vor diesem Tag fürchte ich mich schon seit Jahren.
 
Rechtzeitiges Erscheinen ist Pflicht, daher bin ich eine Stunde vor Anpfiff im Stadion, wo mich Herr L. überraschenderweise schon erwartet, mit einem Fischbrötchen und Cola. Unhaltbare Zustände, ich besorge anständige Getränke und nach einem kurzen Schnack mit den Sitznachbarn geht es auf die Plätze. Ich habe keinen Bock auch nur eine Minute zu verpassen heute, vor dem Anpfiff sollen noch Bartels, Schindler und Mohr verabschiedet werden. Wirklich traurige Verluste in diesem Jahr, aber keiner schmerzt so doll wie der von Boll.

Der darf durch ein Spalier schreiten um seine Kunstwerke in Empfang zu nehmen, bei denen ich mich immer frage, wer sich die am Ende wirklich an die heimische Wand hängt. Das wirklich große Geschenk bekommt er von der Südkurve beim Einlauf der Mannschaften und von den vielen Fans, die irgendwelche Schilder, Pappen und Tapeten gebastelt haben. Heute ist der Tag der #17, im ganzen Stadion.

Spiel (1)
Da ist Zug drin, wir kommen schnell vor das Auer Tor und kaum ist Boll am Ball wird es richtig laut im Stadion. Erste Ecke bringt nichts, erste Flanken kommen nicht an, aber nach einer Viertelstunde steckt Maier wunderschön auf Nöthe durch, der alleine auf Männel zuläuft und abschließt. War das Abseits? Hat er gezögert und auf den Pfiff gewartet? Fahne bleibt unten, Ball ist drin, 1:0 Woohoo Sahnetor. Heiter weiter, die nächsten Angriffe verlaufen nicht ganz so glücklich, Nöthe verstolpert, Bartels Hackentrick bleibt brotlose Kunst, aber wir sind im Vorwärtsgang, das ist schon mal gut.

Eine halbe Stunde sieht das recht zufriedenstellend aus, dann lässt sich Nehrig überlaufen, legt sich dabei hin, Kocer ist durch und Tschauner hat keine Chance, 1:1. Sone shice, verdammt. Wir schütteln das aber ab und sind weiter in Angriffslaune, ganz besonders engagiert ist natürlich Boller. Der zeigt den Jungs gleich mal wie man sich einen Ball vom Gegner holt, grätscht die Pille in Richtung Maier, der spielt raus auf Thy und der legt von der Grundlinie zurück auf Maier, drin ist das Ding, wie aus dem Schulbuch, 2:1 Woohoo, das macht mal Laune, da kommt sogar die Sonne zwischenzeitlich raus und Herr L. holt frisches Bier in ausreichender Menge.

Zwischenspiel
Großartig, was für ein schöner Tag. Halbzeitführung, kaltes Bier, Zeit für Fischbrötchen und Tapeten. Einige davon sind heute nicht wirklich passend, aber USP ist manchmal halt wie die Axt im Walde, daran habe ich mich gewöhnt. Ich mache ein paar Fotos, blätter ein wenig im aktuellen Übersteiger, dann geht´s weiter.

Spiel (2)
Ausgerechnet Boll kann nachlegen, fünf Minuten nach Wiederanpfiff haut er die Pille einfach mal in Richtung Knick, aber Männel ist gerade noch dran und kann den Ball zur Ecke lenken. Man, DAS wäre ein Fest gewesen. Zehn Minuten später ist es wieder Boll, diesmal im eigenen Strafraum, der die Pille humorlos aus der Gefahrenzone drischt. Endlich mal jemand der realisiert wohin das Ding ganz sicher nicht gehört und entsprechend reagiert, man, was hab ich das vermisst. "Die 17 ist Weltklasse" stoß ich Herrn L. an "mit dem hätte man rechtzeitig um 1910 Jahre verlängern müssen, da hat die sportliche Führung völlig versagt."
Leider kann er den Ausgleich nicht verhindern. Auch der läuft wie in einem Lehrfilm ab, wieder über links, die Abwehr pennt, der Ball wird von der Grundlinie zurückgelegt und Sylvestr macht das 2:2.  Fast eine Kopie von Maiers Führungstreffer, so doof. "Maaan Nehrig" pöbelt Herr L., "das ist Deine verkackte Seite, schon wieder."

Danach fängt das Spiel an zu verflachen, gefällt mir nicht, nachher laden wir die Erzgebirgler noch ein hier drei Punkte holen zu wollen. Die ersten Auswechslungen stehen an, Schindler und Mohr machen sich unter Beifall bereit für ihren letzten Einsatz am Millerntor. Bartels geht in seinem letzten Spiel für den magischen FC vom Acker und dann ist es soweit. Der Kapitän verlässt den Platz, mit stehenden Ovationen von den Rängen und YNWA verlässt Fabian Boll den heiligen Rasen, von jedem Mitspieler umarmt. Gott sei Dank gibt es keine Karte für Zeitspiel, der Schiedsrichter lässt sie gewähren. 

Es ist nicht so, dass wir keine Chancen mehr haben. Oder Aue. Ein Sieg zum Abschluss wäre vielleicht auch mal wieder ganz nett. Aber eigentlich ist das in den letzten zehn Minuten allen egal, von den Rängen tönen nur noch Fabian Boll Fußballgott Sprechchöre, im Wechsel mit allen Tribünen und dann das ganze Stadion, in ohrenbetäubender Lautstärke. "Bevor wir uns noch einen einfangen soll er lieber abpfeifen" brüll ich Herrn L. ins Ohr und der Schiri macht das einzig richtige, es gibt keine Nachspielzeit. Nur noch Zeit für Wehmut, Zeit für Abschied, Zeit für Tränen, Zeit um einen einzigartigen Spieler zu feiern.

Nachspiel
Die Mannschaft bekommt neue Trikots, es ist nur noch die 17 auf dem Platz. Die echte Nummer 17 begibt sich derweil auf die Ehrenrunde und bekommt das alles auch sehr professionell hin.
Bis er vor der Südkurve steht. Bis auf einmal Thees Uhlmann mit seiner Gitarre im Mittelkreis steht und die Hymne aller Hymnen anstimmt, Bollers Herzenwunsch zum Abschied. Bis Frau und Kind auf dem Rasen stehen und von allen Rängen der Refrain widerhallt. Würde es geh´n würde ich Dich umarmen, das hier ist Fußball, das hier sind Dramen. Boller heult und das halbe Stadion, da bin ich mir ziemlich sicher, heult hemmungslos mit. Genau sehen kann ich das nicht, denn mein Blick ist merkwürdig verschleiert, ich muss mich völlig auf den Autofokus meiner Kamera verlassen. Auch bei den Nachbarn befinden sich verdächtig viele Hände in Augenhöhe. Der Kapitän wird mit Sprechchören und Liedern gefeiert, es will kein Ende nehmen, sogar mit extrem teuren Leuchtkörpern wird heute nicht gespart und ja, ich find das schön, zu so einem Anlass finde ich das einfach mal schön, scheiß was auf den DFB. Legenden haben sich das verdient.

Und so typisch sein erster Satz ins Mikrofon. Leude, beruhigt euch mal. Ein echter Boll, als wenn das so einfach wäre. Was werde ich diesen Mann vermissen, als Spieler und als Mensch wird der eine gewaltige Lücke hinterlassen. Kein trockener Bollerhumor mehr in der Flimmerkiste, kein Wachrütteln der Truppe in engen Spielen, niemand mehr an den man seine letzte Hoffnung hängen kann in schlimmen Zeiten, mögen wir von ihnen verschont bleiben.

Irgend jemand aus dem Spielerkreis schubst den schüchternen Fin Bartels dann in Richtung Gegengerade, damit auch der sich zum Ende seiner Karriere beim magischen FC den verdienten Beifall abholt, ebenso Kevin Schindler und Florian Mohr, die noch die Welle machen, während Schachters Nachwuchs unter lauten Anfeuerungsrufen der Kurve die auf dem Platz liegenden Wasserbälle bearbeitet und Boller seine kleine Tochter auf den Armen schunkelt. Es ist weit nach Abpfiff und niemand will gehen auf dieser Familienfeier, sogar der Gästeblock aus dem Erzgebirge ist noch fast vollständig anwesend und feiert mit. Fabian Boll Fußballgott. Ich hatte das Glück ihn in allen Ligen anfeuern zu dürfen.

Nachspiel (2)
Schnell die Pfandbecher gevivaconaquad, zwei neue Biere gegriffen und raus. Es geht das Gerücht, die Spieler würden sich noch auf dem Südkurvenvorplatz und in den Fanräumen blicken lassen. Wir stehen fünf Minuten dusselig in der Gegend rum und werden dann von Herrn B. gefunden, der uns zur Tresenkurvenecke lotst. Spieler sind so früh nicht zu entdecken, aber eine der Mädels hat Aufkleber. Fabian Boll Aufkleber. Aaaaah, muss ich haben, sofort. Also nach dem nächsten Bier.
Koschi ist völlig begeistert von Bollers Abschiedsworten. "Wir sollen alle zwei Wochen ein Feuerwerk abbrennen hatter gesacht. Damit haben wir jetzt eine polizeiliche Genehmigung für Pyro, oder?"
 
Vor den Fanräumen steht ein Stickerverkäufer mit Bauchladen, der hat die Bolleraufkleber zwar nicht, aber von seiner Kollektion sacke ich erst mal einen Querschnitt ein. Die Bolleraufkleber soll es drinnen von der Tresenmannschaft geben, aber wahrscheinlich sind die ausverkauft.
Ich kämpfe mich durch und finde tatsächlich die Urheber dieser Kreation. Die haben noch weit mehr im Programm, unter anderem einen Schachten-Sticker der latürnich ebenfalls genommen wird und wenn man schon mal da ist: komplette Kollektion. Brauch ich alles. Sticker kann man bekanntlich nie genug haben.

Wieder draußen finde ich Koschi zehn Meter weiter mit einem Erzgebirge Aue Schal. "Ey Du Hooligan" ruf ich "haste etwa ´n Schal abgezogen?" aber er hat nur getauscht, mit einem der zahlreichen Auefans die mit uns vor der Gegengerade den Saisonabschluss feiern. Wismuuuuuuut, fand ich schon immer gut, sehr sympathische Leute. "Wieso haben die eigentlich keine Faschos?" frag ich Koschi und Herrn B. "ist ja eigentlich ungewöhnlich für nen Ostverein." Die Antwort kennt keiner so genau, ist nur froh dass es so etwas noch gibt und wir feiern das spontan mit lauten "Hey Hey, Sachsenmeister, Sachsenmeister" Rufen. "Aber nur ein paar Kilometer weiter ist es wieder ganz schlimm," sagt Koschi. "In Schämnitz. Mussu in deiner Kolumne schreiben, Schämnitz is schlimm." 
Schlimm ist ebenfalls die Bierversorgung, irgendwer hat Hulsten Ekel Hülsen angeschleppt und das Zeug krieg ich nicht runter. Glücklicherweise läuft uns ein Bierfassträger über den Weg und ich kann gegen ein letztes Astra tauschen.
Und schlimm ist es auch wenn man hier mit einem Erzgebirgeschal herumsteht, alle paar Minuten haut jemand Koschi an, ob er nicht den Schal tauschen möchte und immer muss er erklären, dass er eigentlich Sankt Pauli Fan ist und den selber eingetauscht hat. Es ist nur nicht warm genug heute, so dass er sein neues Tresenkurven T-Shirt unter dem Hoodie tragen muss, so wird man natürlich nicht erkannt. Macht man sicher besser auch, wenn man mal nach Schämnitz kommt.

Gänsehauttag. Unvergessen, auf ewig.

Gänsehauttagesausklang: Thees Uhlmann - Live Große Freiheit 36

(Bilder großklicken macht noch mehr Gänsehaut)