Mittwoch, 30. Juli 2014

Auf der Jagd nach Tante Emma















Wenn es irgendwo in Deutschland besonders muggelig ist (und wenigstens ansatzweise hügelig) vergleicht man das immer gleich mit der Schweiz. Es gibt eine Holsteinische Schweiz (sehr muggelig), eine Sächsische, eine Märkische und eine Mecklenburgische Schweiz, möglicherweise sogar noch mehr von denen ich nie gehört habe. Eine weitere habe ich gerade kennengelernt, auf dem Rückweg von Bamberg lassen wir die Autobahn links liegen und fahren durch die Fränkische Schweiz, weil´s halt sehr viel schicker ist als Betonpiste.

Sehr schick, wirklich. Schöne enge Täler, in denen die Felsen durch den dichten Wald schimmern, kleine Dörfer mit muggeligen Namen wie Muggendorf, jede Menge Gastwirtschaften die auf Wanderer spezialisiert sein müssen, weil es leider wenig Parkplätze gibt, kleine Seen die zum Baden einladen, kleine Flüsse für Angler und Kanuten und eine Eisenbahnlinie an der sehr viele Leute stehen. 

Eine Eisenbahnlinie an der sehr viele Leute stehen? Mit Fotoapparaten? Wieso zum Geier.. und da sehen wir es auch schon rauchen. Eine Emma! Lummerländer Modellbahn! Ökologisch äußerst bedenkliche gewaltige tiefschwarze Rußwolken aus einer (für dieses Spektakel eigentlich viel zu kleinen) Dampflok, die gerade mit äußerster Kraft versucht eine ganze Kette an Waggons in Bewegung zu setzen. Erfolgreich, denn das rollt schon ganz gut alles, für ein Foto sind wir zu spät, Parkplätze eh nicht vorhanden, also Gas geben und Vorsprung rausfahren. Dreißig Jahre alter Benz gegen alte Dampflok, sollte zu machen sein.

Nächsten Parkplatz ansteuern, rausspringen, Kamera hochreißen und 1, 2, 3 vorbei. Doof 1: Das Licht kommt in Tälern immer von der falschen Seite. Doof 2: Ich hätte schon im Auto eine Belichtungsautomatik vorwählen sollen. Doof 3: Wenn so ein Zug erst mal ins Rollen gekommen ist, ist er auch schnell vorbei. Das war alles nix, aber mein Schwager startet einen zweiten Überholversuch. Der führt uns merkwürdigerweise über Hügel und Dörfer und sieht mehr nach Umweg aus, weil Eisenbahnstrecken irgendwie doch mehr geradeaus führen, aber was weiß ich schon wo wir hier sind.

Irgendwann sind wir wieder im Tal, die Bahnlinie ist auf der anderen Seite des Flusses hinter Bäumen verborgen und Emma nicht zu sehen, wahrscheinlich längst vorbei. Wir fahren ein paar Kilometer weiter bis zur Endstation und siehe da, Jim Knopf ist tatsächlich langsamer gewesen. Fünf Minuten Vorsprung rausgefahren, das reicht um sich direkt an der Bahnlinie zu postieren. Diesmal kann ich die doofen Fehler vermeiden, dafür mache ich andere: Wenn man bei vorbeifahrenden Motiven auf Serienbilder schaltet ist die Wahrscheinlichkeit eine ganze Lok auf den Chip zu bekommen größer.

Am Bahnhof wird noch etwas rangiert, dann ist Pause. Wir verziehen uns in die nächstgelegene Wirtschaft, rennen auf halbem Weg zurück weil der Zug jetzt doch wieder unterwegs ist, aber auch da will mir irgendwie kein überzeugendes Emmafoto glücken. So langsam macht das keinen Spaß mehr mit der Lokomotivenknipserei, falls ich mich noch einmal darin versuchen sollte kenne ich vorher den Fahrplan und die Route.  

Durchaus wahrscheinlich, dass ich dann die gleiche Strecke wähle, denn die Täler in der Fränkischen Schweiz sind wirklich zauberhaft. Man sollte da nur besser ein paar Stunden wandern statt alten Dampfloks hinterherzufahren. Man kann da auch ganz gut Wasseroberflächenfotos machen.

Dampflokmusik: Delta Moon - Hell Bound Train / Live







Sonntag, 27. Juli 2014

Generationentreffen im Testbetrieb

















Vorspiel
Saisoneröffnungsfreundschaftsspiele sind öde, deswegen gehe ich da nicht mehr hin. Muster ohne Wert, selbst eine Woche vor Ligastart. Stadion halbvoll, Stimmung halbgut, Spiel spätestens ab zweiter Halbzeit furchtbar anzusehen weil bis dahin der ganze Kader durchgewechselt wird. Das sage ich seit Jahren nach jeder Saisoneröffnung, aber irgendwas ändert sich ja immer.
Dieses Jahr muss ich nochmal, weil Celtic Glasgow kommt. Celtic ist ja schon ne ganz andere Nummer, da kommen sicher reichlich Stimmungskanonen von der Insel und ein nettes Rahmenprogramm gibt´s auch. Außerdem ist die Sommerpause wirklich arg lang gewesen, und schließlich kann man sich mal die Neuen in der Mannschaft ansehen, also lasse ich Herrn L. die Karten besorgen. Als er sie hat sage ich ihm wieder ab, weil mir einfällt dass man zu so einem Spiel endlich mal die Kinder mitnehmen könnte, ich besorge selber welche. Zur Sicherheit gleich eine mehr, man weiß ja nie wer noch mitkommen möchte.

Zwei Tage vor dem Spiel bin ich die überschüssige Karte immer noch nicht los, aber als Muddern mitbekommt dass wir gegen Schotten spielen wird sie hellhörig. Ob es da auch Dudelsackmusik gibt? Äh, glaub schon, vor der Südkurve. Gelesen habe ich was davon. Jedenfalls will sie mit, ob Dudelsackmusik oder nicht, ihre Urenkeltochter sieht sie ohnehin viel zu selten. Da hab ich mir was eingebrockt, mit Mudder, Kind und Enkelkind ans Millerntor, das kann ja was werden. Aber vier Generationen nebeneinander auf der Tribüne kriegt man so schnell sicher nicht mehr zusammen, irgendwie freu ich mich drauf, auch wenn ich die Aftershow-Party dadurch wohl vergessen kann.

Meine ursprüngliche Idee die ganze Bagage mit dem Auto zum Stadion zu fahren und ausnahmsweise nüchtern zu bleiben kann ich knicken, natürlich fängt pünktlich zu den ersten Spielen der Saison auch der Dom wieder an, also doch mit Bus und Bahn. Leider hat die Prinzessin überhaupt keinen Bock und ist die ganze Fahrt über ziemlich schlecht gelaunt, Fußball spielen steht bei ihr eindeutig weit höher im Kurs als Fußball gucken. Das ändert sich langsam nach einem Burger und ner Cola auf dem Kiez, über den wir noch wandern müssen weil Junior einen Geldautomaten braucht, Muddern mal aufs Klo muss und die Lütte Hunger hat. Langsam begreife ich was Eltern durchmachen müssen die jedes Wochenende mit der halben Familie zu den Spielen aufkreuzen.

Der Zutritt zum Stadion wird durch Kinder allerdings deutlich erleichtert, Muddern, Junior und die Prinzessin gehen locker durch die Frauenkontrollschleuse und ich stehe endlos in der Schlange. Die neuen Ordner nehmen ihren Job sehr ernst und tasten jeden äußerst gründlich ab, das muss beim nächsten Heimspiel deutlich schneller werden. Oben schnell zwei Bier abgreifen und ein Wasser für die Lütte, wir sitzen gerade rechtzeitig für die Celtic-Hymne und die Mannschaftsaufstellung. Die Gegengerade ist ausverkauft, die Nordsteher voll und die Süd ebenfalls, über 20.000 Zuschauer bei einem Freundschaftsspiel hat so schnell auch keiner.

Die Hälfte davon dürften Gelegenheitsbesucher sein, die Ultras glänzen durch Abwesenheit, es gibt keine Choreos, keinen Dauergesang und ein eher unorganisiertes Aux Armes. Der Supportblock Gegengerade zieht dafür eine große Blockfahne hoch und ist in Fahnengewedel und Konfettiinferno ebenfalls führend, was man von hier oben leider nur sehr eingeschränkt mitbekommt. Die Prinzessin ist immer noch schwer unbeeindruckt und schmollt vor sich hin, während Muddern beim Herz von St.Pauli ihr Taschentuch rausholt und sich die Tränen aus dem Augenwinkel wischt. Nein DAS ist aber auch zu schön, dass die hier alle das Herz von St.Pauli mitsingen, das ist ja noch viel besser als Dudelsackmusik. Vielleicht hätte ich sie schon viel eher mal mitnehmen sollen, aber das klappt halt nur bei Testspielen.

Vor dem Anpfiff eine Schweigeminute, Rainer findet sehr bewegende Worte zum Tode von Andreas Biermann und ich habe einen dicken Kloß im Hals. Wieder jemand der den Kampf gegen Depressionen so jung verloren hat und seine Kinder nicht aufwachsen sehen wird, was für eine elende Scheißkrankheit.

Spiel

Die Jungs gehen engagiert zu Werke, ganz besonders die neuen sind mit Feuereifer dabei. Buballa gefällt mir sehr gut, schneller Mann und defensiv besser als Halste. Ob Görlitz der erhoffte Ersatz für Fin Bartels werden kann wird man sehen, die Ansätze sind da, mal gucken ob der auch so schicke Kungfu-Tore machen kann wie Fin. In unserer Hälfte haben wir jedenfalls wieder Lufthoheit, ich freu mich auf Lasse Sobiech, der gefühlt 90% der ankommenden Bälle wieder nach vorne schädelt. Wenn der an seine letzte Saison bei uns anknüpfen kann ist es mir auch egal dass er aus der Vorstadt kommt. Aus der kommt ja ursprünglich auch Bentley Baxter Bahn, der es aus dem Nachwuchsbereich ganz überraschend in die Startelf geschafft hat. Würde mich nicht überraschen wenn der seinen Weg bei uns macht, die Rauten hatten eh noch nie ein Händchen für Talente.

Die Defensive steht jedenfalls gut gegen ziemlich harmlose Schotten, die allerdings nicht mit der ersten Truppe spielen, dafür ist die Championsleague-Quali zu wichtig. Nach vorne aber das übliche Spiel, der letzte Pass kommt nicht an, wir spielen keine Chancen heraus. Trostlos, aber seit ich gesehen habe wie trostlos der spätere Weltmeister gegen Algerien agiert hat sehe ich das etwas gelassener. Ist halt immer noch zweite Liga, Ingolstadt dürfte schwerer werden. Kurz vor der Halbzeit nutzt Schachten der Eroberer den Fehler eines Gegenspielers, passt quer auf Nöthe und der markiert das 1:0. Woohoo, es gibt Song 2. Muddern ist begeistert, die Prinzessin hält sich bei dem Lärm lieber die Ohren zu.

Die Halbzeit nutze ich um Bier zu holen, Junior unterhält die Prinzessin und Muddern sich mit ihrem Nachbarn. Der ist 80 Jahre alt, geht trotzdem noch zu jedem St.Pauli Spiel und hält sie für 10 Jahre jünger, was ihr natürlich wieder runtergeht wie Öl. Wäre die bei jedem Heimspiel dabei, sie hätte im Handumdrehen jede Menge neue Verehrer, die Gegengerade ist echt alt geworden, verdammt. 

Die zweite Hälfte ist deutlich konfuser anzusehen, wie üblich wird gewechselt was das Zeug hält. Thy und Maier kommen für Bahn und Verhoek, nach vorne sind wir weiter überwiegend harmlos und hinten ist zur Not immer Tschauner da, der tatsächlich einmal den Neuer machen muss und gerade noch rechtzeitig raus kommt, auf der Linie ist er wie immer eine Bank. Nach zwanzig Minuten gleich drei weitere Wechsel bei uns, Trybull, Daube und Nehrig dürfen auch noch ran. Ein paar der eingewechselten Spieler sorgen für kleine Belebungen, Thy wird im Strafraum gelegt, bekommt den Elfer aber nicht, Maier bringt aus 30 Metern einen Freistoß direkt auf den Kasten, den der Torwart gerade noch über die Latte bekommt, Daube zielt einmal nur knapp daneben, und am Ende senst Trybull einen Schotten im Strafraum um, es gibt Elfmeter gegen uns.

Elfmeter ist dann selbst für die Prinzessin interessant genug um aufzustehen, ein Tor mit Ansage quasi, da muss man ja direkt hingucken, auch wenn man bisher nur heimlich gelinst hat. Wird dann doch keins, weil seit der WM alle Angst vor großen deutschen Torhütern haben und den Ball zu hoch ansetzen. Kurz vor Ende kommen noch Kringe und Torre auf den Platz, wenn das ein Hinweis auf die neue Saison ist, dann müssen die beiden sich ganz hinten anstellen. Darauf bin ich jetzt schon gespannt, weil sich Torre am Ende immer durchsetzen konnte, aber die Abwehr dürfte nächstes Jahr ohnehin nicht unsere Baustelle sein.

Nachspiel
Am Ende gibt es noch ein wenig YNWA und Ehrenrunde, dann zwängen wir uns aus dem Stadion. Muddern ist völlig begeistert, die müsste ich kein zweites mal fragen, Junior hätte auch öfter mal Lust (aber ohne Familie), nur die Lütte antwortet auf eine Frage nach Wiederholung des Erlebnisses mit einem kategorischen "Nein." Wenn man sich vorgenommen hat etwas doof zu finden dann ist das so, ich glaube ich warte noch 2 bis 3 Jahre mit einem neuen Versuch. Denn bei dem Altersschnitt in der Gegengerade brauchen wir wirklich mehr Nachwuchs im Stadion.

Vergleicht man Fußball mit Rockkonzerten ist so ein Testspiel halt nur die Vorgruppe. Halbes Licht, halber Sound, und wenn man Glück hat ist die Band nicht ganz schlecht. Ich freu mich jetzt auf den ersten Hauptakteur nächstes Wochenende, wir gegen die elf Guneschs. Mal sehen was meine morschen Knochen zu drei Stunden stehen im Block sagen, das heute war noch purer Luxus.


Weil ich sie nach dem Spiel aus familiären Gründen verpasst habe jetzt von Konserve: The Wakes - No Irish Need Apply

Bilder klicken macht Bilder groß












Freitag, 25. Juli 2014

Barock rockt

















Der ursprüngliche Plan auf der Frankentour war eigentlich irgendwann Nürnberg bei Nacht zu fotografieren, aber dann habe ich mir auf der Landkarte angesehen, was noch so alles an interessanten Städten in der Nachbarschaft liegt, bis 100 Kilometer sind auf einer Tagestour immer drin. Bayreuth fiel dann schnell raus, das ist nur interessant wenn Mutti bei den Nibelungen wieder mit Schweißfleck erscheint. Von Bamberg wusste ich vorher nur, dass hier der (westliche) Karl May verlegt wurde, aber bei der Gugelsuche wurde mir schnell klar, das war so ziemlich genau das, was ich fotografieren wollte. Alte Gemäuer mit bunten Bildern, ein Fluss mitten in der Stadt, ein altes Rathaus mitten im Fluss, schiefe Häuser am Wasser, Motive ohne Ende.

Brauereien und Wirtshäuser auch ohne Ende. Und Touristen, von denen ich mir wohl die Hälfte erspart hätte, wäre heute kein Feiertag. Was soll´s, man ist ja schließlich selber Tourist. Mit dem Vorteil der ortskundigen Begleitung, mein Schwager fährt den gleichen Stil wie ich in Hamburg, einfach mal mitten rein und hoffen, dass man trotzdem einen Parkplatz bekommt. Klappt natürlich wunderbar, wir müssen keine hundert Meter laufen und sind in der Altstadt.

Jetzt kann ich endlich Fotos machen, die tausende Fotografen vor mir schon gemacht haben. In einem Bamberger Blog schrieb jemand, er hätte gerne einen Euro für jedes Foto des alten Rathauses, das von der unteren Brücke aus geschossen wird. Das alte Rathaus in der Regnitz, das Weltkulturerbe, für das man doch mehr Weitwinkel braucht als gedacht, verdammt. Wäre die blöde Hitze nicht gewesen und meine elende Faulheit, aber das Sigma ist im Zimmer geblieben. Muss ich noch mal hin, nach Bamberg, und wenn es nur für dieses Foto ist.

Davon ab kann man da ganz gut draußen sitzen und ein Bierchen trinken, es gibt glücklicherweise sehr viel Auswahl, man ist also nicht auf das berühmt-berüchtigte Aecht Schlenkerla Rauchbier angewiesen. Ob sich die Touristenabzocke hier durch die vielen traditionellen Brauhäuser generell in Grenzen hält, oder ob wir mit der "da ist was frei, schnell hinsetzen" Methode einfach nur Glück hatten ist natürlich die Frage die ich nicht beantworten kann, aber 19 Öcken für zwei nicht gerade kleine Wiener Schnitzel mit fränkischem Kartoffelsalat sind ein durchaus fairer Preis, wenn man weiß was Spaghetti mit Tomatensauce in Venedig kosten können. Da waren allerdings auch noch mehr Touristen als in Bamberg, und das will was heißen.

Vielleicht ist der Rosengarten bei meinem nächsten Besuch auch in besserem Zustand und das dämliche Gerüst vor dem Bamberger Dom verschwunden. Eventuell stehen dann auch keine Container vor dem klotzigen Bau am Grünen Markt. Außerdem haben die noch ein Schloss irgendwo, das sah auch ganz nett aus. Ja, ich glaube da muss ich wirklich noch mal hin. Barock rockt.

Auch ein Klassiker inzwischen: Kula Shaker - K

Als Architekturnulpe habe ich natürlich keinen Plan ob das wirklich Barock ist oder irgend etwas anderes Rokokoklassizistischspätgotisches. Aber hübsch bunt isses, bis auf den Lattenjupp, dem ist die Farbe etwas entwichen. Klick + F11 barockt.











 












Mittwoch, 23. Juli 2014

Heiliger Bimbam
















Eigentlich habe ich damit gerechnet eine ganze Woche alleine durch Franken eiern zu müssen, da eröffnet mir mein Schwesterherz sie müssten am Donnerstag nicht arbeiten, da könnten wir zusammen nach Bamberg fahren, am Fronleichnam.

Das ist einer dieser vielen bayrischen Feiertage, die man als Nordlicht so gar nicht auf der Rechnung hat. Fronleichnam, allein schon der Name klingt gruselig, was passiert da? "Die Scheinheiligen versammeln sich alle auf der Straße zur Fronleichnamsprozession und tragen eine Monstranz durchs Dorf" sagt mein Schwager, genaue Details ob und wann das in Neunkirchen ebenfalls stattfindet weiß er nicht, aber ich bin sofort wie elektrisiert. Folklore! Kostüme! Trachten! Monstranzen! (was immer das ist). Muss ich hin und fotografieren.

Im Internet finde ich Hinweise, dass diese Tradition in Neunkirchen besonders hingebungsvoll gepflegt wird. Rund 1000 Gläubige werden erwartet, gute Güte. Umzingelt von christlichen Fundamentalisten, hat man dem Dorf gar nicht angesehen, obwohl hier schon recht viele Kreuze hängen. Um 9 Uhr morgens geht das los, wenn man um 10 da ist gibt es bestimmt noch genug Motive und anschließend kann man immer noch nach Bamberg fahren.

Zu Fuß in die Altstadt ist es Gott sei Dank nur ein Katzensprung, das wird bestimmt voll da unten und Parkplätze sind eh rar. Und das Tele muss drauf, falls ich bei den erwarteten Menschenmassen nicht in die erste Reihe komme. "Und Du ziehst besser eine lange Hose an" sagt mein Schwager, der darauf verzichtet uns zu begleiten. Echt? Bei der Hitze? Das ist ja schlimmer als bei den Muslimbrüdern, da darf man nur Indoor keine Outdoorkleidung tragen. Hoffentlich stört sich niemand an meiner St.Pauli Kappe, aber eigentlich passt so ein Totenkopf doch prima zum Thema.

Tatsächlich sind alle Parkplätze frei an der Kirche, das Dorf wirkt wie ausgestorben, sogar noch sehr viel ausgestorbener als an einem normalen Wochentag. Kein Mensch ist zu sehen, wer nicht an der Prozession teilnimmt versteckt sich scheinbar zu Hause bis der Spuk vorbei ist. Nur ein paar Ordner und die zahlreichen mit Tüchern, Fahnen, Decken und Fantasyfiguren geschmückten Fenster weisen darauf hin, dass heute ein ganz besonderer Tag ist. Von den Ordnern erfahren wir auch den Ablauf der Prozession, so dass ich mir in aller Ruhe einen fotografischen Standpunkt suchen kann. Mittelalterliche Rituale vor mittelalterlichen Toren, besser kann´s gar nicht kommen.

Der Umzug hält dann auch alles was ich mir davon versprochen habe, es gibt reichlich folkloristische Ansichten, es wird sehr viel Holz und Bech durch die Gegend getragen und (moderne Zeiten) neben der Prozession auch noch Lautsprecherboxen an der Stange, damit jeder mitkriegt was der Paster so verzählt. Viel ist es nicht, zudem wiederholt er sich ständig, aber das muss wohl so. Zwischendrin trägt jemand ein goldenes Bimmelimmding, geschützt unter einer Art mobilem Sonnenschirm, von dem ich später durch den Exilwestfalen erfahre, dass es sich dabei um die sagenhafte Monstranz handelt, in der irgendwelche heiligen Reliquien aufbewahrt werden.

Bis dahin hielt ich die von den in Trachten gekleideten Damen getragene Staue dafür, aber da habe ich mich wohl verlesen. In Religion war ich schon immer schwach, was mir nach einjährigem Schulschwänzen tatsächlich mal ein "nicht teilgenommen" im Zeugnis eingebracht hat, in dem Jahr werden sie Monstranzen und Fronleichnamsprozessionen erklärt haben.

Keine Prozessionsmucke: Joe Strummer & The Mescaleros - Global A Go-Go / Streetcore

Für großes Bimmelimm wie immer: Foto klicken + F11