Samstag, 28. Juni 2014

Alte Steine, volle Gassen
















"Abends ist es besonders schön in Side", hat jemand gesagt, "wenn die antiken Ruinen alle beleuchtet sind." Das klingt hochinteressant, schließlich habe ich das Stativ dabei. Damit wollte ich eigentlich das große antike Theater tagsüber mit ND-Filter fotografieren, um die in den Ruinen herumstolpernden Touristen auszublenden, aber wenn das auch Nachts geht...

Es dämmert schon als ich im Dolmuş nach Side sitze, zusammen mit einem lustigen weiblichen Kegelclub, der die Altstadt unsicher machen will. Da ich mich hier null auskenne schließe ich mich dem Tross einfach an, die Richtung stimmt ja schon. Keine fünf Minuten Fußmarsch später lasse ich die Damen ziehen, ich habe die erste beleuchtete Ruine gefunden. Recht spärlich beleuchtet zwar, aber immerhin etwas, denn der Rest liegt vollständig im Dunkel. 

Dafür wird das große Tor zur Stadt sehr häufig in Licht getaucht. Scheinwerferlicht, ein Verkehr wie in der Hamburger Innenstadt. Bei 30 Sekunden Belichtung dürfen da höchstens zwei bis drei Autos durch, sonst wird das zu hell. Klappt, nach zehn Minuten zwei brauchbare Aufnahmen, auf mehr habe ich keine Lust. Wo ist das Theater?

Ich finde Mauerreste. Stadtmauer wahrscheinlich. Die Lichtdesigner konnten sich nicht einigen, eine Ecke wird grellweiß angestahlt, aus der nächsten leuchtet es schön bunt. Sehr alte Steine, das muss man sich immer wieder vor Augen führen, damit man etwas beeindruckt ist. Ich mach ein HDR davon, vielleicht kann man wenigstens damit imponieren. Aber sonst eher so naja.. wo ist das scheiß Theater? Das muss riesig sein, da passen 20.000 Leute rein.

Geh ich halt erst einmal in den Hafen, den Apollon-Tempel fotografieren, bzw. die Reste davon. Einmal Altstadt Hauptstraße runter, ist tatsächlich nett hier. Viel Urlaubsflaniererei natürlich, die üblichen Shops, Kneipen, Restaurants, aber gemütlich im Gegensatz zu den ganzen Shoppingtempelneubauten an der Touriküste. Die Gemütlichkeit des Hafens wird leider durch die Laserstrahlwerbung auf den Kaimauern etwas gestört, aber den Tempel lassen sie damit in Ruhe.

Damit ihn niemand ganz kaputt machen kann haben sie ihn dafür eingezäunt. Maschendraht, zwei Meter hoch und Treffpunkt unendlich vieler Pärchen, die sich dort gegenseitig mit dem Handy fotografieren. Vorzugsweise mit Blitz, damit man auch was sieht vom Zaun. Leider verweilen sie dort auch ziemlich lange, weshalb sich Schatten nicht ganz vermeiden lassen. Mach ich halt noch ein HDR und nehm das mit den wenigsten Fotohandyfotografen als Referenz. Auf der anderen Seite das gleiche Bild, zwei Meter Zaun, aber dafür ein schlechterer Hintergrund und Laserstrahlen.

Auf dem Rückweg bastel ich an den Kameraeinstellungen herum um ein paar Aufnahmen von dem Gewusel in den Gassen machen zu können und biege an der Stadtmauer links ab, da wo der Wachmann steht, der sicher etwas wichtiges bewacht. Das Theater eventuell. Ich trau mich nicht zu fragen, der sieht so offiziell aus. Tatsächlich gehts nur zur Küstenlinie. Bars, Restaurants, Shops und Liegestühle am Strand. Direkter Blick auf Side und ein unfassbares Lasergewitter am Himmel. Da drüben muss jeder zweite Laden eine Laserkanone auf dem Dach haben, ich weiß schon warum ich da keinen Urlaub machen möchte. Könnte ein Motiv sein, aber so viel Zeit habe ich nicht, und auch keinen Bock dafür an den Kameraeinstellungen zu fummeln. Der letzte Dolmuş fährt um Mitternacht, wo ist das verdammte Theater?

Auf dem Rückweg spielt das Paar in der Pegasis Bar immer noch Venus von Shocking Blue. Eine 20 Minuten lange Version ist für das Liedchen vielleicht etwas viel, aber wer weiß was ich für ein Solo verpasst habe. Der Wachmann ist weg, kein Mensch den man fragen könnte. Die Schilder weisen Richtung Bushaltestelle. Ich hab zwar keine Ahnung wie der Dingsbumsbrunnen aussieht, aber die Pfeile sind eindeutig, alles an Sehenswürdigkeiten > diese Richtung. Ich laufe eine halbe Stunde an irgendwelchen alten Steinen vorbei, eine Säulenstraße liegt im Halbdunkel, wenn man da einfach rumlatscht bricht man sich wahrscheinlich die Beine, oder man wird verhaftet. Ist eh zu dunkel da.

Das nächste Schild ist ähnlich, bis auf die Pfeile. Alles an Sehenswürdigkeiten < diese Richtung. Jetzt hab ich keine Lust mehr, leckt mich doch Theater. Theater wird überbewertet. Außerdem habe ich einen scheiß Durst, ich brauche ein Bier. Ein kaltes Bier. Eiskalt. Der Dolmuşfahrer erkennt an meinem Bändchen zu welcher Hotelherde ich gehöre und setzt mich um halb eins vor der Haustür ab. Er hupt noch ein wenig vor sich hin, weil ich eigentlich 50 Cent zurückbekomme, aber als ich abwinke hat er es begriffen und fährt von dannen.

Auf der Veranda sitzt Junior und daddelt auf seinem Smartphone. Schon erfreulich wenn man erwartet wird und sein eiskaltes Bier nicht alleine trinken muss. Am nächsten Tag finden wir anhand einer Postkarte heraus, dass ich ungefähr vier mal am Theater vorbeigelaufen bin, weil das natürlich nicht beleuchtet ist und irgendwo jenseits der Säulenstraße liegen muss.

Aber das ist wirklich beeindruckend, was ich so gesehen habe auf den Postkarten. Sollte man besser am Tage hinfahren. Oder gleich nach Rom, da muss man sicher nicht so lange suchen.

Auch steinalt, aber immer noch beeindruckend: Crosby, Stills, Nash & Young - Déjà Vu / 4 Way Street








6 Kommentare:

  1. So übel finde ich die Ausbeute nicht, trotz ohne Theater. Aber vielen Dank für die Tipps, mal gucken ob von Alanya aus überhaupt Dolmusse fahren nach Side.

    Gruß, N.

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    1. Nach Side direkt wahrscheinlich nicht, aber nach Manavgat auf jeden Fall und von dort aus weiter.

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  2. das macht richtig lust auf urlaub, mir wird es langsam zu kalt hier. zehn grad mehr können es ruhig sein.

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  3. Mir gefallen deine Fotos. Die Anzahl wird überbewertet. Auf die drei, vier brauchbaren kommts an. Obwohl, ich weiss... Frau Waas schreit regelmässig Alarm, wenn ich das Blümchen auch nochmal von dieser Seite ... und halt, hier von ein bisschen weiter unten sieht die Komposition besser aus... *g*

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    1. Es ist aber schon ein Vorteil, wenn man mehr als drei oder vier brauchbare Motive findet. Am Tage wäre da weit mehr drin gewesen. Und Blümchen fotografiere ich auch gerne mehrfach, schließlich will man den Vorteil der Digitalfotografie ausnutzen und sich am Ende das beste Blümchen aussuchen :)

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  4. Klar, Motive kann man nie genug haben. Aber der Vorteil der Digifotografie ist gleichzeitig auch ihr Nachteil: man hält mehr drauf und macht sich weniger Gedanken vor dem auslösen. Ich musste mir das wieder richtig angewöhnen...

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