Sonntag, 6. November 2011

Die verflixte letzte Minute














Vorspiel
Eigentlich wollte ich in aller Ruhe frühstücken, wenn Mittags um 12 schon das erste Bier droht, dann sollte man wenigstens für eine anständige Grundlage sorgen. Dann darf man aber auch nicht 3 mal auf diese dämliche Leckmichtaste drücken, wenn der Wecker klingelt. Ich hätte Zeit sparen können, wenn ich die Aufbackbrötchen früher aus dem Ofen genommen hätte, aber halb roh schmecken die nicht mal mit Krabbensalat . Zum nächsten Frühsport gibts Toast, das geht schneller. Den Bus hab ich trotzdem noch erwischt, wenn auch in der letzten Minute.
Die U1 knüppeldicke voll, ist Winterschlussverkauf? Der Winter hat ja noch nicht mal angefangen. Sitzen ist eh für'n Arsch, muss ich heute im Stadion schon. Sitzplatz Nord, wieder mal was Neues. Ich hab in meinem Leben noch nie gesessen am Millerntor, immer nur auswärts.
In der U3 entert irgendwann eine ganze Fußballmannschaft den Wagen, mit Ersatzbank und Betreuern. Die Lütten sind maximal 7 Jahre alt, die Hälfte mit Totenkopfshirt. Sie dürfen das erste mal Sankt Pauli sehen und sind entsprechend aufgeregt, was den ganzen Wagen für den Rest der Fahrt amüsiert.
Das frühe Aufstehen inklusive Eilfrühstück hat sich aber rentiert, eine Stunde vor Anpfiff kann ich vor der Gegengerade noch ein lockeres Bierchen und einen Klönschnack mit den Jungs mitnehmen, eine halbe Stunde später mach ich mich lieber auf in den Norden, das ist immer so höllisch eng da. Im Gehen ruft mir der Dartmeister noch ein "Wenn wir gewinnen, hinterher wieder hier am Bierstand" nach, was ich mit einem "Und wenn wir verlieren fahren wir beleidigt nach Hause?" beantworte. Schlimme Sitten darf man gar nicht erst einreißen lassen.
Am AFM Container kommt man eben noch vorbei, aber oben an der Ecke geht nichts. Entweder alles steht, oder es gibt Gegenverkehr. Dabei muss ich unweigerlich an den Neubau der Gegengerade denken, der mit nur zwei Ausgängen die doppelte Anzahl an Besuchern durchschleusen soll. Ein völliger Irrsinn, da sind massive Änderungen nötig. Ich quetsch mich irgendwann an den Toiletten vorbei, komm ins Stadion, an ein Bier und auf meinen Platz und das alles noch früh genug, um sich mit den neuen Nachbarn anzufreunden.

Mein Nebenmann ist angeblich freiberuflicher Journalist, der seine Reportagen meistbietend vertickt. Welche Zeitungen das kaufen hat er nicht verraten, dafür meinem Vordermann die Titelschlagzeile versprochen, sollte sein 5:1 Tipp hinkommen. Glück für ihn, dass er das nicht einhalten muss. Der Vordermann wiederum hat einen Gast "vom Land", der das sagenumwobene Millerntor mal kennenlernen soll, mit allen Begleiterscheinungen.  Schöne Fangesänge, super Stimmung, viel Bier und alles was dazugehört. Lustige Paulis gucken gehen, bin ich schon aus der Gegengerade gewohnt inzwischen.

Spiel (1)
Da ich die Freitagsspiele vergessen habe zu tippen, kann ich mich wenigstens über 4 Punkte freuen bei diesem Ergebnis. Ein 2:2 hätte ich vor Anpfiff sofort unterschrieben, nach der ersten Halbzeit sogar noch einen Stempel draufgesetzt. Die ist nicht gerade das, was man von einem Spitzenspiel erwartet. Nach vorne geht leider fast nichts, ganz schlimm was sich Bartels da zusammenstolpert, auch von Kruse kommt nicht wirklich viel. Tschauner muss sich nach ein paar Minuten gleich strecken, aber danach kommt auch von Fürth nicht mehr viel. Vogelwildes Mittelfeldgebolze, wenns dann mal in Richtung Strafraum geht, ist kurz davor meistens schon Endstation. Der kleine Fürther Fanblock in unmittelbarer Nachbarschaft fällt auch nicht weiter auf, das hatte ich mir auf der Ecke schlimmer vorgestellt.
Kurz vor der Halbzeit ne Ecke gegen uns, die mir schon nicht gefällt. Nicht in den letzten Minuten so etwas, dabei hab ich immer ganz flaue Gefühle im Magen. Geht aber noch mal gut, dafür gibts Attacke und einen Freistoß für uns. Vielleicht doch noch das 1:0 kurz vor der Pause. Alle stehen auf und sehen, wie daraus ein Konter für die Greuther entsteht. 0:1 und das ausgerechnet bei unserer offensiven Flaute. In der verflixten letzten Minute, wie so oft.


Zwischenspiel
Meinen Vordermann und seinen Gast vom Lande finde ich am Bierstand wieder und darf sie erst einmal über das aktuelle Ergebnis informieren. Vielleicht wäre Handball für einige Fans der geeignetere Sport, da dauern die Spielzeiten nur 30 Minuten. Dabei ist die Bierversorgung im Norden absolut entspannend, dauert keine 10 Minuten bis ich mit zwei frischen Bechern versorgt bin und wieder auf meinen Platz zurück kann. So ein Sitzplatz hat schon ein paar Vorteile, muss ich zugeben. Der Support leidet natürlich etwas, wenn da keine Gruppe in der Nähe ist die mal laut wird. Meine Nachbarn sind allerdings durchaus supportwillig, wenn sie nicht gerade am Bierstand stehen. Man kann sie jedenfalls ab und zu mitreißen.

Spiel (2)
Daube kommt für Bruns, der heute einen ziemlich gebrauchten Tag erwischt hat. Ich hätte Finn eher rausgenommen, aber Dennis ist keine schlechte Entscheidung von Schubi, denn der macht keine 10 Minuten später den Ausgleich. Woohoo, endlich ist mal was los im Stadion. Und tatsächlich fangen wir langsam an Fußball zu spielen. Teilweise setzen wir die richtig unter Druck, trotz des immer noch eher mittelprächtigen Mittelfelds. Bei der Fürther Abwehr hätte ich nur gerne einen robusteren Stürmer vorne, er sollte Saglik bringen, Naki ist langsam überfordert. Mein Nachbar ist mit dem Vorschlag einverstanden, der Trainer hat 5 Minuten später die gleiche Idee, Mahir Saglik kommt für Naki. Schubert beweist zum zweiten mal eine glückliche Hand, 2 Minuten später macht Saglik das 2:1.
Woohoo. Führung, wer hätte das vor ner halben Stunde noch gedacht. Der Besuch vom Lande ist total gut drauf, seit sein Kumpel ihm einen Zug aus meiner Sportzigarette angedreht hat singt er sogar. Nach dem 2:1 reißt er sich den Pullover vom Leib, zum Vorschein kommt ein Trikot von Werder Bremen. Haabbichdirgesacht schreit er seinen Kumpel an, wenn wir führen zieh ich den Pulli aus. Woohoo. Woohoo.
Sieht ganz so aus, als hätten wir Greuther Fürth im Sack. Das hab ich echt nicht erwartet. Jedenfalls sind wir näher am 3:1 als die Fürther am Ausgleich, nur unsere schnelle Offensivabteilung aus dem Mittelfeld ist alles andere als gefährlich heute. 10 Minuten vor Schluss muss auch noch ein Fürther in die Zwangspause, Gelb-Rote Karte. Führung gegen 10 Mann verteidigen sollte wohl drin sein, eher machen wir selber noch einen.
Aber da ist ja noch die verflixte letzte Minute, so etwas muss sich doch wiederholen lassen. Klappt auch prima, in der Nachspielzeit hängt mal wieder alles vorne rum, der Angriff klappt nicht, Fürth kontert, Schnecke läuft ein zweites mal nur hinterher und das Ding sitzt. Päng. Und Abpfiff. Hab ich grad n Déjà-vu? Das hab ich doch schon in der ersten Hälfte gesehen.
Bitter, aber was soll man groß verschenkten Punkten nachtrauern, vor dem Spiel wär ich damit ja auch zufrieden gewesen.Als Entschädigung nehme ich dafür gerne einen deftigen Auswärtssieg in Rostock.

Nachspiel
Der Abmarsch verläuft etwas weniger stressig, unterwegs hol ich mir noch ein Bier, denn vor der Gegengerade siehts voll aus. Der Dartmeister nebst Anhang ist auch noch da, trotz Unentschieden. Eine weitere Bierlänge hab ich mir noch gegönnt, dann verschwand alles in Richtung Domtoiletten, Bier wegschaffen. Hab ich nicht nötig, ein Spiel halt ich immer locker durch, sogar mit Verlängerung.
Diese bot sich auf dem Vorplatz der Südkurve an, in Gestalt einer Demo für das Bleiberecht des Bauwagenplatzes Zomia in Wilhelmsburg. Mach ich natürlich mit, weil ich ums Verrecken nicht einsehen kann, wieso Menschen nicht in Bauwagen leben dürfen, wenn sie es wollen. Außerdem ein weiterer Streich des Zauninstallateurs Markus Schreiber, den ich ums Verrecken nicht mehr im Amt sehen will.
Mit Bedauern muss ich zugeben, ich bin zu alt für diesen Scheiß. Ganz besonders nach einem anstrengenden Fußballspiel, wenn die Stimme eh schon gelitten hat. Aber der gute Wille zählt, oder? Bis Feldstraße bin ich mitgelaufen, dann musste ich unbedingt Bier wegbringen, was die sehr unsensiblen und unfreundlichen Schildkröten verhinderten, die mich einfach nicht passieren lassen wollten, dabei wollte ich eigentlich nur schnell zur U-Bahn. So stand ich dann an der Straße, hab die ganze Kolonne an Demonstranten und Schildkröten vorbeimarschieren lassen und bin dann doch nach Hause. Denn eigentlich wollte ich heute Abend  auch noch die Emsland Hillbillies im Chattahoochee sehen. Was ich mir ebenso verkniffen hab wie den Rest der Demo, ich werd alt.
Verdammt.

Auch alt, aber gut:
U2 - Go Home (Live From Slane Castle Ireland)

















5 Kommentare:

  1. Ach solange es solche guten beiträge werden ist alt werden definitiv hinzunehmen. :)

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  2. Fußball und Demo!! An einem Tag? Respekt. Respekt.

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  3. Fridtjof, alt werden ist vor allem definitiv nicht zu ändern.

    Inchtomania, früher hab ich das wenigstens durchgezogen, aber die geplante Route war gestern einfach zu lang für mich, das hab ich vorher schon geahnt.

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  4. Für eine Demo ist man nie zu alt. Wenn man wenigstens Präsenz zeigt und die Jüngeren bestärkt.

    Ins Fussballstadion gehe ich aus Altersgründen allerdings auch nicht mehr ;-))

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  5. Inzwischen sind es ja mehr die Jüngeren, die mich bestärken. Aus diesem Fußballstadion wird man mich irgendwann raustragen müssen, ich hoffe die neue Gegengerade wird rollatorfreundlich. Die Fanszene altert ja mit.

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