Sonntag, 7. August 2011

Honky Tonk Frühschoppen
















Die kleine Kneipe in unserer Straße, dort wo das Leben noch lebenswert ist, habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr betreten. Keinesfalls jemals vor 12 Uhr, noch keinesfallser eine Kneipe die ich nur von draußen kenne. Mit ziemlicher Sicherheit wäre ich auch die nächsten 10 Jahre an der „Asche“ in Ahrensburg vorbeigefahren, ohne dem Laden mehr als einen Seitenblick zu gönnen, aber vor meinem Urlaub stach mir irgendwo ein Plakat ins Auge, welches einen Besuch dieser Lokalität erforderlich machte. Hermann Lammers Meyer, 12 Uhr, Eintritt frei.
Hermann Lammers Meyer! Die Pedal Steel Legende Deutschlands, Gründer der fabelhaften Emsland Hillbillies, von denen ich in den 70er Jahren kaum ein Konzert in Hamburg verpasst haben dürfte. Nicht einmal an meinem Geburtstag hab ich die Emsländer sausen lassen, dafür steht die vollständig signierte erste LP immer noch in meinem Schrank. Neben den New Riders Of The Purple Sage war nur noch eine Band auf meiner alten Jacke verewigt, die E.L.Hillbillies aus Aschendorf. Ob Danny's Pan, Logo oder Fabrik, wir waren immer dabei wenn die Jungs hier spielten. Legenderbste Konzerte. Wenn Carl Carlton (der damals noch Kalle Buskohl hieß) das lange Solo bei Desperados Waiting For A Train anstimmte, das hatte schon was von den Allman Brothers.

So etwas in der Richtung war natürlich mit Hermann Solo in einer kleinen Kneipe nicht zu erwarten, aber egal. Zu Country kann ich normalerweise auch niemanden mitschleppen, auch egal. Gut, die Zeit ist extrem gewöhnungsbedürftig, normalerweise steh ich da grad mal auf. Aber Hermann hab ich mindestens 30 Jahre nicht mehr gesehen, das musste einfach sein, zumal ich seine letzte CD erst vor ein paar Wochen entdeckt habe.

Das Booklet hab ich zum signieren gleich mitgenommen, bei der Wahl meiner Kopfbedeckung entschied ich mich für etwas neutralere Farben, man weiß ja nie was einen in fremden Kneipen so erwartet. Mein Gefühl trog nicht, an den Wänden Uwe Seeler, Wimpel und Wappen aus Stellingen. Schwarz-Weiß-Blau-Furchtbar. Dazu das typische Stammkneipenpublikum, miniberockte Damen mit Fransenlederjacken aus dem Fundus von Old Shatterhand, der heiße blonde Feger mit waffenscheinpflichtigen Stilettos, der schon leicht torkelnde Stammgast, der sein Frühstück schon flüssig einnimmt, da hat sich in den letzten dreißig Jahren nichts geändert. Auch nichts an der Altersklasse, nur dass ich inzwischen dazugehöre.

Nach einer halben Stunde beschloss ich, dem Herrn H. einfach mal eine SMS mit „Frühschoppen in der Asche?“ zu schicken. Der entschied sich dann tatsächlich nach dem Duschen anzurufen. „Wieso bist Du in der Asche? Der Laden neben der Krankenkasse? Das ist ne HSV Kneipe. Hermann – wer? Gibts da was zu essen? Ich komm gleich.“ So muss das sein. Blöderweise bin ich wirklich davon ausgegangen, dass man in so einem Laden auch heute noch ne Wurst oder eine Frikadelle auf die Hand bekommt, aber in Raucherkneipen geht nichts außer Lakritzbonbons. Sorry.

Zwischenzeitlich konnte ich in der Pause mit Hermann ne Runde schnacken, ewig nicht gesehen und trotzdem wiedererkannt. Oder verdammt gut geschauspielert :D
Ich hab mich jedenfalls derbe gefreut, ganz besonders über ein paar alte Hillbillieklassiker. Auch die teilweise abstrusen Wünsche des Kneipenpublikums konnten ihn nicht verunsichern, aber wer auf Countryfestivals in Neuseeland aufgefordert wird doch mal was von Freddy Quinn zu spielen, der ist hart im Nehmen.
Herr H. (obwohl kein ausgesprochener Countryfan) fand das alles wider Erwarten höchst amüsant, was auch an den drei großen Bieren auf nüchternen Magen gelegen haben kann. Nach gut drei Stunden sollte Schluss sein, die leicht angeschickerte Übermacht der weiblichen Fans konnte das noch um eine Viertelstunde hinauszögern, aber dann war endgültig Feierabend.
Für Herrn H und mich stand anschließend Nahrungssuche auf dem Plan, an einem Sonntag um 15 Uhr ein schier aussichtsloses Unterfangen in Ahrensburg. Zeitlos geschlossen, Elenas Garten macht Mittagspause. Blieb nur noch das Milljöh, dessen monströses Bauernfrühstück mit Katenschinken mir immer noch im Magen liegt. Dabei war eigentlich Pflaumenpfannkuchen angesagt heute.

Sonntags 12 Uhr ist für Konzerte eine ähnlich blöde Zeit, wie Sonntags 13 Uhr für Fußball. Spaß machen kann es trotzdem.

Inspiriert durch die Cotton Fields am heutigen Mittag, läuft jetzt hier Creedence Clearwater Revival -  Willy And The Poorboys

4 Kommentare:

  1. Hört sich alles ganz furchtbar schrecklich an. Bis auf die 3 Biere des Herrn H. auf nüchternen Magen. Und das alles noch zu solch unchristlichen Uhrzeiten. Neeneenee... wozu alte Männer fähig sein können. Ich bin entsetzt.

    Gruß aus Pappenheim !
    :-)

    AntwortenLöschen
  2. Für Dich wäre das ganz sicher furchtbar schrecklich gewesen, deshalb hätte ich Dir dieses Angebot auch dann nicht gemacht, wärst Du hier in der Nähe gewesen. Den gequälten Gesichtsausdruck hätte ich keine drei Stunden ertragen können. :P

    AntwortenLöschen
  3. Der Geniesser schweigt und trinkt sein Bier...
    ;-)
    Herr H.

    AntwortenLöschen
  4. Du warst dafür nach den drei Bieren recht redselig :)

    AntwortenLöschen