Samstag, 28. Januar 2012

Der neue Minimalismus














Über Nacht hat es hier tatsächlich geschneit, es ist Winter geworden, doch noch. Nicht umwerfend viel, aber genug um in Hamburg wieder für Verkehrschaos zu sorgen. Die ersten Auswirkungen hat das immer auf die vorhandenen Parkplätze, deren Anzahl mit zunehmender Schneehöhe rapide abnimmt, weil die Markierungen nicht mehr zu erkennen sind.
Da ich mit Parkplätzen in der Nähe der Sporthalle ohnehin schlechte Erfahrungen gemacht habe, hab ich  öffentliche Verkehrsmittel bevorzugt, obwohl ich das Rauchverbot in der Halle einzuhalten gedachte und daher auch auf Sportzigaretten verzichten wollte. Ein Bier wollte ich mir eventuell genehmigen, mehr nicht. Abhängig von der Bierqualität.

Die Anreise kann man von hier aus auf zwei Arten bewerkstelligen, entweder man setzt sich in die U1, fährt den großen Kreis und steigt an der Zielhaltestelle wieder aus, oder man versucht das durch die Nordschleife abzukürzen, wodurch man allerdings gezwungen ist, gleich drei mal umzusteigen.
Natürlich war ich wie immer zu spät unterwegs und entschied mich, den genial ausgearbeiteten Plänen des HVV zu vertrauen, das Umsteigen sollte um diese Zeit eigentlich noch reibungslos funktionieren. Die Wartezeiten waren dann auch relativ kurz, aber der ganze Aufwand lohnt sich überhaupt nicht. Das hab ich festgestellt, als ich Kellinghusenstraße wieder in die U1 umgestiegen bin und dort die niedliche Blondine wiedergesehen habe, die ich 25 Minuten vorher erst verlassen hatte. Ich hätte also auch einfach sitzenbleiben können, mit nettem Anblick zudem, dumm gelaufen.
Goldlöckchen hatte auch das gleiche Ziel wie ich, erstaunlich viele Mädels waren unterwegs zu den Black Keys, vielleicht waren die aber auch scharf auf die Vorgruppe, Portugal.The Man.

Über diese Auswahl hab ich mich im Vorwege eigentlich auch gefreut, die Alben fand ich streckenweise nicht übel, war allerdings gespannt ob sie es schaffen würden, den Sound halbwegs auf der Bühne umzusetzen.
Vorm Bahnhof dann den Kosaken getroffen, der meinen Abstinenzversuch sofort zunichte machte, folglich war auf dem Fußmarsch zur Halle erst einmal ein Bier und eine konische Rolle angesagt, öffentliche Verkehrsmittel haben auch Vorteile. Damit war allerdings unser Vorhaben, auf dem Marsch zur Halle etwas Boden zu gewinnen, nicht gerade von Erfolg gekrönt. Die Jugend ist aber auch zu fix heute für nen alten Mann, der nebenbei auch noch trinken und rauchen soll. Zwischendurch der ein oder andere Schwarzmarkthändler, die heute allerdings schlechte Karten hatten, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Konzerte nicht ausverkauft sind kann man schon mal auf den Investitionen sitzenbleiben.
Auf der HVV Webseite steht zwar was von 10 Minuten Fußweg, aber wenn man den in einer recht sportlich ausschreitenden Meute verbringt und dabei ins quatschen kommt, dann kommt einem das wesentlich kürzer vor.

In der Halle wollte der Kosak den mobilen Bierverkäufer sofort mit üppigem Bakschisch überzeugen, möglichst alle 30 Minuten nach uns zu sehen, damit der Biervorrat nicht ausgeht. Das hielt ich für völligen Blödsinn, sowas kann man beim Fußball machen, bei Konzerten funktioniert das nicht. Als wir gerade am überlegen waren, ob wir zufällig in der Raucherecke der Sporthalle stehen, ging urplötzlich das Licht aus.
Das war ein Zeichen für die nächste konische Rolle, von denen der Kosak reichlich dabei hatte, wie er mir versicherte. Und ein Zeichen für Portugal.The Man, die aus Alaska kommen, nicht aus Portugal, und die auch mehr als ein Mann sind, nämlich derer sechs.  
Warmer Empfang, und mit Got it All gleich eines der Stücke, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Nice. Der Sound, naja, man soll dem Mann am Mischpult immer drei Stücke Zeit geben. Außerdem gilt ja wie immer die alte Regel: Vorgruppe, halbes Licht, halber Sound.
Der Soundbrei sollte sich zu meinem Ärger aber nicht bessern, dazu fing nach einigen Stücken die Kopfstimme des Herrn Gourney an mich zu nerven. Falsett kann ich nur in geringer Dosierung ertragen. So überzeugend war das alles nicht, der Beifall mehr höflich als begeistert, nach einer knappen halben Stunde war Umbaupause. Während der Kosak sich auf die Suche nach Bier begab, wollte ich das Loch im Bauch mit einer Bratwurst füllen. Unglücklicherweise stach mir auf dem Weg dorthin der Duft von Crepes in die Nase, auf eine derart gemeine Art und Weise, dass ich nicht widerstehen konnte. Adieu Bratwurst, willkommen Pfannkuchen. Daran sind nur die komischen Zigaretten schuld.

Der Vorteil von okkupierten Sitzplätzen ist, man findet sich recht einfach wieder. Mit einem frischen Bier in der Hand, und der Gewissheit, sich wirklich in der Raucherecke zu befinden, fingerte der Kosak schon wieder in seiner Jackentasche rum, als das Licht zum zweiten mal ausging. 
Ich hab ja eher was minimalistisches erwartet, Black Keys halt, Gitarre, Schlagzeug und ein wenig Licht. Und einen knackigen Anfang, daher hab ich einfach mal vorausschauend gefilmt, das klappt mit der kleinen Ixus sowieso meist besser als die Knipserei.
Der Anfang war auch so knackig wie erhofft, Howlin' For You, genau das hätt ich mir auch ausgesucht, und schon gingen die Leute ab. Sitzen war mir auch zu langweilig inzwischen, dafür hab ich keine 40 Euro bezahlt. Nicht ganz so minimalistisch wie erwartet, zwei Mann Verstärkung dabei, mit Bass ist besser, und Keyboards sind auch mal ganz nett zwischendurch. Und Licht. Viel Licht. Sehr viel Licht. Das also waren die vielen komischen runden Dinger, die sie da an die Bühnenwand gehängt hatten. Flakscheinwerfer. Damit war meine Kamera natürlich heillos überfordert, zumal noch eine monströse Spiegelkugel von der Decke hing, die Jungs meinen es definitiv ernst, die wollen Stadien erobern.
Für die Sporthalle hat es noch nicht ganz gereicht. Für Stadien ist Auerbach zu wenig Entertainer, wenn er von 5000 Leuten mehr als 500 ins Hüpfen bringen will, dann muss mehr kommen als aaaaaw, thank you. Es kann auch hilfreich sein, ab und zu drei Dinger durchzurocken, statt sich nach jedem zweiten Song noch mal mit den Kollegen auszutauschen. Dafür gibt Patrick Carney am Schlagzeug das Bühnentier, mit seiner Nerdbrille und dem Haarschnitt wirkt er wie ein Jurastudent im ersten Semester, aber wenn er an seiner Schießbude sitzt verwandelt er sich zeitweilig in das Tier aus der Muppet Show.
Mit Zugabe waren es etwa 90 Minuten, das ist nicht umwerfend viel, aber hat Spaß gemacht. Für 40 Euro würde ich mir die glatt wieder antun, für mehr aber auch nicht.
Kopfstimme gabs dann zum Abschluss noch mal von den Black Keys, live kann Auerbach das nicht, deswegen klang The Only One leider etwas kläglich. Aber immer noch besser als der ganze Rest vom Portugalmann aus Alaska.

Vielleicht bin ich zu kritisch, aber das letzte mal in der Sporthalle, das war Pearl Jam, vor 12 Jahren. Und dieses Konzert wird nicht mal von Pearl Jam selber zu toppen sein.

Über den Rest des Abends breite ich den Mantel des Schweigens, die Rückfahrt wurde durch eine junge Dame geadelt, der es offensichtlich nicht besonders gut ging, was mich wesentlich mehr beunruhigte als ihren Begleiter, denn ich saß ihr gegenüber. Wenn es ihr ganz besonders schlecht ging hielt sie sich den Mantelkragen vor den Mund, was ich als eindeutige Warnung vor spontan austretenden Körperflüssigkeiten aus dafür nicht vorgesehenen Öffnungen betrachtete. Nach einer trügerischen Phase der scheinbaren Lagenentspannung geschah das, was man von spontan austretenden Körperflüssigkeiten erwartet.
Und ich kann schon mit gewissem Stolz vermelden, dass ich trotz meines inzwischen ziemlich angeschlagenen Zustands immer noch verteufelt gut reagieren kann, wenn ich auf etwas vorbereitet bin. Daher hat sie mich nur am rechten Schuh erwischen können, besser als das linke Bein. Aber die Outdoorbotten können das ab, so ein bisschen gammelige Nudelsuppe, die war im nächsten Haufen Schnee wieder weg. 

Und weils so schön war läuft immer noch The Black Keys - Brothers
wird Zeit in die Kiste zu springen, morgen ist Fußball und ne Geburtstagsfeier und eigentlich wäre sogar Skatabend gewesen, wenn nicht der Geburtstag wär. Abstinent bin ich dann nächstes Wochenende mal.

4 Kommentare:

  1. Da wär ich gern dabei gewesen.
    Und schad, dass Portugal The Man nicht überzeugten.
    Was ich aber echt verübel, das The Black Keys München ausgelassen haben! So wird das nix mit Stadien ...

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  2. Wahrscheinlich werden in München nicht genug Platten verkauft um ein Konzert rechtfertigen zu können, der betriebene Aufwand ist schon immens :P

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  3. Flakscheinwerfer *lol*, lange kein Konzert mehr besucht? Black Keys warn geil :).

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  4. Ich habe nichts gegenteiliges behauptet, bei den letzten besuchten Konzerten legte man allerdings mehr Wert auf den Sound, dafür gabs dann weniger Blingbling.

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