Sonntag, 28. August 2011

Tanz deine Revolution














#Wutzrock Tag 2 begann mit einer guten Stunde Stau auf der Autobahn, dafür konnte ich den immer heller werdenden Horizont beobachten, im Gegensatz zum Vortag. Viel verpasst hatte ich allerdings nicht, die Komaabteilung befand sich immer noch im Genesungsschlaf, einzig Herr A. saß grübelnd am Tisch, hin- und hergerissen zwischen Bier und Matratze, mein Ankommen hat ihm dann die Entscheidung abgenommen.

Als erstes meldete sich der Exilwestfale, ließ sich eine Flasche aus dem Kühlschrank reichen, heizte den Grill an und begab sich nach dieser anstrengenden Tätigkeit sofort wieder in die Horizontale. Kurze Zeit später rollte sich der (immer noch sehr mitgenommen aussehende) Herr H. aus seinem Bulli, trollte sich in die Büsche und alsbald wieder ins Bett. Der Rest war ebenfalls noch nicht erschienen, so waren Herr A. und ich die einzigen Nutznießer der Feuerstelle und verspeisten erst einmal das aufgelegte Grillgut.

Ein Festival so ganz ohne Livemusik ist auf Dauer nicht das Wahre, wenn keiner seinen Hintern bewegen will muss man eben alleine los. Beim Wegstellen meines Bieres fand ich dabei gleichzeitig (und glücklicherweise) heraus, dass man zur Bühne besser an der Elbe entlang geht. Nicht viel länger, aber einer der wenigen befestigten Wege durch den Morast, dem ich heute mit festem Schuhwerk trotzte. An meinen Stiefeln hafteten ohnehin noch Reste aus dem letzten Jahr.
Wie schon am Freitag,  war das Rahmenprogramm deutlich interessanter als die Bands auf den Bühnen. Wobei ich Wisecräcker wirklich nicht schlecht fand, aber Skapunk wird auf solchen Festivitäten meiner Meinung nach echt zu oft präsentiert. Die begeisterten Schlammhüpfer vor der Bühne waren anderer Ansicht, zwei der Jungs legten hinterher für das schaulustige Publikum noch eine prächtige Matschcatcheinlage ein. "Richtig gute Moves dabei, Alder" meldete sich ein Experte neben mir zu Wort. Konnte ich nur beipflichten. Ob es der Begeisterung über den Schaukampf oder nur meiner Dummheit zu verdanken ist, dass die Fotos fast alle für die Tonne sind, keine Ahnung. Aber 1/125 ist zu lang, das weiß ich eigentlich.

Auf der Seebühne waren die Freiburger Crime Killing Joker Man bei den letzten Soundchecks. Die Besetzung mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug versprach etwas anderes als Skapunk, da bin ich geblieben. Dummerweise glaube ich ja immer noch daran, dass Bands mit aufwändig langem Soundcheck und zwei Gitarren diesen Kram dann auch beherrschen. Hervorstechendes Merkmal war dann eher die Justin Bieber Frisur des Gitarristen mit den 200 Effektgeräten, die dem völlig übersteuerten Indiepopgeschrammel keine wirklichen Nuancen hinzufügen konnten. Etwas weniger "Daumen hoch" für die Regler beim Soundcheck wäre mehr gewesen. Die Songs waren gar nicht mal so übel eigentlich.

Da ich ja wusste, dass Herr H. zu den Ohrbooten wieder fit sein wollte, trieb mich die Fürsorgepflicht dann langsam in Richtung Wagenburg, Leichen wieder erwecken, ein Bier zu sich nehmen und meine eigene Leiche für ein halbes Stündchen dem Sessel anvertrauen, das war der Plan. Aufgehalten wurde ich durch eine junge Dame, die mit ihrem Körper und einem Fackelring allerhand nette Kunststücke anzustellen wusste. Als ich endlich den Platz erreichte waren die Leichen erstaunlich lebendig, lebendiger jedenfalls als ich und bereit zum Aufbruch.

Auf meinen Körper galt es Rücksicht zu nehmen, denn die Ohrbooten waren nicht mein primäres Ziel, also erst einmal relaxen. Ein Bier später schlitterte ich über die matschige Hauptverkehrsstraße des Campingplatzes, da Herr H. mich zuvor auf eine sehr geile Feuertonne hinwies, die dringend meine Aufmerksamkeit erfordere. So etwas hätte ich auch gerne, aber mangels Garten wäre die Anschaffung ziemlich sinnlos, dafür bekomme ich demnächst mein erstes FC St. Pauli Vogelhäuschen für den Balkon, limitierte Auflage. Bin schon gespannt wie sinnlos mein Kater das findet.

Von den Ohrbooten war ich bisher nicht begeistert, zwei bis drei Stücke fand ich nicht schlecht, aber auf CD haben sie mich nicht überzeugt. Das muss auf ihrem Konzert auf dem Rockspektakel am Rathaus anders gewesen sein, vor zwei Jahren haben sie da ziemlich abgeräumt, die "Wiese" war voll wie selten. Live sind die wirklich empfehlenswert. Ich hielt mich angesichts der Massen dezent im Hintergrund, besorgte mir ein Getränk und wartet geduldig auf die Abwanderung selbiger in der Umbaupause. Lieber eine halbe Stunde mit einem Bier am Zaun stehen, als sich später durch das Gedränge zu kämpfen.

Lohn: Erste Reihe, Rainer von Vielen. Der Wortartist und Vokalhexer aus dem Allgäu, den ich nach so vielen Berichten von Freunden endlich live sehen wollte. Es war grandios, wie erwartet. Die "Daumen runter" für den Regler beim Soundcheck sorgten für guten Sound, den Rest erledigte die Band, Mitsch Oko (Gitarre), Niko Lai (Schlagzeug) und Dan Le Tard (Bass) sowie Rainer von Vielen mit 1 bis 2 Mikrofonen, Akkordeon und elektronischem Spielzeug. Während ich vorne die Musik genoss und meine Fotos schoss tanzten die Menschen hinter mir ihre Revolution.
Das hätte ich auch bis zum Ende durchgehalten, doch leider hatte ich mir dafür die falschen Nebenmänner ausgesucht. Den Herrn mit der immensen Bierfahne rechter Hand verlangte es laufend nach Informationen über die Band, weil ich so dumm war vor dem Konzert zwei seiner Fragen zu beantworten.
(Merke: Auf die Frage "Kennst Du die nächste Band?" immer mit einem Nein antworten.)
Der junge Mann linker Hand war dagegen ein komplizierter Fall, scheinbar lechzen hsv Anhänger in diesen schweren Tagen nach tröstenden Worten, auch von deutlich erkennbaren St.Paulianern.
Vielleicht hätte ich bei seiner Bemerkung "St.Pauli Fan? Dann freust Du dich sicher wenn der hsv verliert." gelogen, wenn er sich vorher als hsv-Fan zu erkennen gegeben hätte. Wahrheit statt Mitleid halte ich aber, im Nachhinein betrachtet, für die bessere Variante.
Ich hasse Gesabbel während eines geilen Konzertes, zum aus der Haut fahren. Ein zustimmendes Kopfnicken muss zum Informationsaustausch reichen, wenn ich mich so umsah haben das auch die meisten Anwesenden so gehalten. Kopfnickermusik für Erwachsene, zu der auch die Jugend noch wild springen kann, was kann es schöneres geben.
Den Rest hab ich trotzdem lieber entspannt aus der Entfernung genossen. Fast ohne Belästigungen, abgesehen vielleicht von der leicht angesäuselten Dame, die mir mit der Frage "Was meinssu, soll ich mich heute blamieren oder erst morgen?" um den Hals fiel.

Ich gab ihr den Rat, das doch besser heute noch zu machen, morgen würds eher auffallen. Meine Hoffnung auf eine zweite Chance für Matschcatchfotos erfüllte sich jedoch nicht, sie benahm sich leider nicht anders als vorher auch.

Und ich höre den Sound von gestern Abend: Rainer von Vielen - Milch & Honig






















2 Kommentare:

  1. Harharhar, ein HaSiVau Fan hat sich ausgerechnet bei dir ausheulen wollen? Standen nicht genug andere da rum?

    AntwortenLöschen
  2. Auf dem Wutz sind, grob geschätzt, 90% St.Pauli Fans, jedenfalls soweit man sich überhaupt für Fußball interessiert. Es wäre also ziemlich egal gewesen, hätte er sich jemand anders ausgesucht. Er tat mir auch fast ein wenig leid, ist ja nicht jede Raute unsympathisch.

    AntwortenLöschen