Samstag, 7. Juli 2012

Vereinzelt stirbt der Einzelhandel














Wie kann man eigentlich noch politisch korrekt einkaufen? Support your local dealer, unterstütze den kleinen Einzelhandel vor Ort? Sagt mein Schwesterherz immer, und ist sauer wenn man Elektronik bei einem der großen Metromärkte kauft, dem "Geizmarkt" oder dem "Blödmarkt". Klar, als Besitzerin eines kleinen Einzelhandels, wenn auch in einer anderen Branche, muss sie so denken.
Was dazu geführt hat, dass Muddern vor ein paar Jahren zu viel Geld für einen kleinen Fernseher bezahlt hat, den sie in einem der beiden Märkte deutlich günstiger bekommen hätte, wahlweise mehr TV fürs Geld. Hätte der kleine Einzelhändler nicht mehr davon gehabt, wenn sie das Ding bei irgend einem Multi gekauft und dem Mann hinterher die gesparten Scheine zugesteckt hätte? Macht das jemand?

Was man machen kann, das hab ich vor Jahren bei meinem Ex-Radiohöker festgestellt, man kann über den Preis reden. Man zahlt da unter Umständen auch nicht mehr, oder der Service ist mit drin. Und man bekommt vielleicht eine gute Beratung vor Ort, die ist ja auch was wert. Wenn sie gut ist, der Fachhandel wird da sehr überschätzt manchmal.
Mein Ex-Radiohöker ist leider schon lange pleite, der war gut, faire Preise, gute Beratung und ein Schrauber, der defekte Geräte auch mal kurz gelötet hat statt zu sagen "das lohnt nicht mehr." Gegen die Ketten verloren, auch seine Videothek hat´s nicht rausgerissen, die verlor gegen eine andere Kette.

Den hätte ich sicher aufgesucht, jetzt, wo ich doch eh bald Gebühren für einen Fernseher bezahlen muss. Obwohl ich Beratung selten nötig habe. Wenn ich eine vierstellige Summe ausgebe, dann berate ich mich mindestens ein halbes Jahr lang intensiv mit mir selber, mit Freunden die so etwas besitzen, und dem Internet. Danach erst will ich die ausgesuchten Teile vor Ort begutachten um die endgültige Entscheidung fällen zu können.

Der winzige Laden, bei dem Muddern ihren zu teuren Taschenspiegel gekauft hatte, kam auf keinen Fall in Frage. Zu teuer, zu schlecht, zu wenig Auswahl. Und garantiert sowieso nicht das Gerät was mir ins Auge stach. Aber da existiert noch ein etwas größerer Elektrohändler um die Ecke, da kann man ja mal gucken.

Und wie ich so interessiert gucke was da an Geräten herumsteht, werde ich aus der Ferne ebenso interessiert von einem Verkäufer beobachtet, der jedoch keinerlei Anstalten macht mir auf den Pelz zu rücken. Obwohl ich augenscheinlich der einzige mögliche Kunde weit und breit bin. Vielleicht liegt es an meinem Totenkopfshirt, St.Pauli Fans gelten in bestimmten Kreisen ja immer noch als nicht solvent, obwohl sie dem Verein mal locker 8 Millionen geliehen haben. Erst als ich ein paar Meter auf ihn zugehe reagiert er, und kommt mir freundlicherweise entgegen.

Seine Miene erhellt sich deutlich, als er merkt, dass hier weit mehr drin ist als ein Verlängerungskabel. Leider hat er vorher nicht richtig zugehört, denn er zeigt mir als erstes ein Gerät das ich explizit ausgeschlossen hatte, und versucht mir die technologische Überlegenheit schmackhaft zu machen. Die ist mir aber vollkommen Latte, ich setze keine zwei Brillen auf wenn ich 3D gucken will. Punkt. Kein Aber, solange er keine Shutterbrille mit Dioptrienausgleich hat.
Ähm ja, also diesen anderen Hersteller würden sie nicht führen, es folgt ein längerer Monolog über das Warum und Wieso, der sämtliche Testergebnisse in einem anderen Licht erscheinen lässt. Das müssen alles Blinde sein. Aber er hätte auch ein Modell mit Passivbrille, allerdings von Soundso und ein Auslaufmodell aber daher unschlagbar günstig gerade. Die stellen übrigens auch gerade um auf Shutter, daher der Sonderpreis. Allerdings nur in einer etwas kleineren Größe, aber das würd man auf die von mir genannte Entfernung nicht bemerken, das wäre gerade richtig eigentlich. Und fünf Brillen dabei, er könnt aber noch welche draufpacken.

Was kann man eigentlich an dem Satz "Größe ist nicht verhandelbar" missverstehen?  Wenn ich mir ein Kino kaufen will, dann wird der maximal zur Verfügung stehende Platz ausgereizt. Alles was geht und nicht einen Zentimeter weniger. Immerhin, unschlagbar günstig für ein Auslaufmodell. Hundert Euro unter der eingeplanten Summe. Vielleicht sollte ich zugreifen? Ach nee, lieber nicht.

Vielleicht hätte ich mehr Glück gehabt bei dem Händler auf meinem Foto. Der hat mit der Geschichte überhaupt nichts zu tun, ist vollkommen unschuldig und vermutlich wird man da auch sehr gut beraten.
Auf den ersten Blick hat er leider auch nur zwei Marken im Angebot, darunter die ganz teure aus Deutschland und eine die ich nicht mag.

Ich glaub der kleine Einzelhandel ist tot, zumindest in dieser Branche.

Nicht totzukriegen: Little Feat - Rooster Rag

15 Kommentare:

  1. Ich bin da auch manchmal zwischen Wehmut und Akzeptanz der Realität hin- und hergerissen. Aber eins bleibt gewiss: Reiche, die zu gross werden sind unweigerlich dem Untergang geweiht. Wer redet heute noch von Vivo, Konsum, Karstadt, Quelle etc.?
    Und wer hätte an kleine Bio-Läden gedacht vor 25 Jahren?

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    1. du hast schlecker vergessen :o)

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    2. Schlecker ist auch so ein Fall wo ich hin- und hergerissen bin. Auf er einen Seite kämpften dort Leute um ihren Arbeitsplatz, auf der anderen Seite war dieser Arbeitsplatz unterbezahlt und kameraüberwacht, also richtig beschissen.

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  2. kein wunder das schlecker pleite gegangen ist, selten unattraktivere läden gesehen. da wird einem das einkaufen schon beim betreten des ladens vermiest.
    der herr präsident auf einkaufstour? schlafzimmer schon renoviert? *fg*

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    1. Ähm, nein. Ich renoviere dafür gerade das Wohnzimmer, bzw. einen kleinen Teil davon *g*

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    2. *hihi*
      warum wundert mich das nicht..dann wünsche ich viel erfolg

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  3. Du wirst dir doch sicher alle Filme auf Blueray holen schätz ich, ich melde schonmal bedarf an deiner alten DVD Sammlung an :))

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    1. Bei meiner Sammlung müsste ich vorher eine größere Summe im Lotto gewinnen um das zu können. Bis jetzt könntest Du nur Das Fünfte Element auf DVD erben, aber den hast Du ja bereits.

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  4. Was die kleinen Bioläden betrifft, da hat gegenüber des kleinen Bioladens meines Vertrauens vor 1 Jahr ein Biosupermarkt eröffnet!!! Nicht billiger als der kleine Bioladen, aber größere Auswahl. Gut, da kann ich guten Gewissens noch in den kleinen gehen.
    Und Elektrofachgeschäfte... ich habe da total schlechte Erfahrungen gemacht. Die nehmen mich a) als Frau nicht ernst (gut, das passiert auch in den Ketten), sind b) viel zu teuer und lassen c) das Fachpersonal vermissen! Z.B.: als ich im Fotoladen war. Stehen da zwei Tussies hinterm Tresen. Ich hol meine Kamera raus und erkläre den Defekt. Reparatur? Pustekuchen. Müssen sie einschicken. Nach Schottland!!! Aber ist doch nur ... hier ein bisschen. Kann nicht mal der Chef drauf gucken? Chef hat keine Zeit, war die Antwort. Und die zwei Tussen, die wussten gar nicht, wovon ich rede!!! Nee, nee. Manche Einzelhändler sind auch selber Schuld, wenn niemand mehr kommt. Obwohl ich natürlich auch für den Einzelhandel bin. Am besten ein paar vom selben Fach, so dass man sich den besten raus suchen kann.

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    1. Nee, der Chef guckt nicht mehr, höchstens noch der alteingesessene Uhrmacher, und wenn kleine Läden mit irgendwas Erfolg haben gibt es schnell Ketten, die sich des Themas annehmen. Hab neulich gerade auf NDR einen Bericht gesehen, wie die ersten Hamburger Bioläden inzwischen ums Überleben kämpfen müssen. "Bio" gibts ja auch bei Aldi inzwischen.
      Deine Erfahrungen mit Elektrofachgeschäften teile ich, ob Kamera oder Hi-Fi Anlage, die "Berater" haben es jedes Mal versaut. Aber man steckt nicht drin, ich kann mir vorstellen dass viele auch Frust schieben, weil sich die Leute beraten lassen wollen und hinterher doch im Internet beim Billigversender bestellen.

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  5. Dein erster Absatz hat mich ein wenig zu einem "Doofkopp" gereizt, der zweite hat's eben noch rausgerissen *g*.

    Wie Du schon sagst: Reden bzw. fragen hilft. Die meisten kleinen Händler kommen einem gerne mit dem Preis entgegen, wenn man "ordentlich" fragt. Wenn's natürlich heißt "wieviel lassen Sie mir denn nach, wenn ich mich herablasse, das zu kaufen" (wie erlebt), und der Typ legt dann noch eine Kreditkarte hin, dann erlaube ich mir zu sagen: "Da schlage ich allerhöchstens noch 5 % drauf." Nämlich die, die Eurocard mir abzieht.

    Aber leider muß ich Dir Recht geben: Fachpersonal ist Mangelware. Könnte man wieder fragen: Woran liegt's? Sicher schon mal am fehlenden Interesse (der Bediensteten) einerseits, aber auch an fehlender Berufsausbildung. Letztere wurde früher überwiegend vom Facheinzelhandel vorgenommen, der sich das jetzt nicht mehr leisten kann, weil der Kunde das (also die fachkundige Beratung) nicht mehr mitbezahlen will ;-). Genau deshalb kommen ja viele zum Einzelhändler, fragen ihm ein Loch in den Bauch und kaufen dann, wenn sie sich genügend Infos gezogen haben, im Internet.

    Beim Geiz- oder Blödmarkt ist das aber auch alles nicht viel besser. Die stehen genauso dusselig in der Gegend rum und wissen nüscht. Hauptsache, am Ende des Monats ist das Gehalt auf dem Konto. Wie (und warum) das dahinkommt, ist egal.

    Am Ende bleibt nur, was Du sagst: Lange überlegen, abwägen, vergleichen, Freunde fragen, "Glück" haben.

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  6. Naja, wer sich die Dinger im Internet bestellt kann sich die Informationen dort sehr viel leichter besorgen, wer braucht da noch Fachhändler? Ich guck mir den Kram nur gerne vorher mal an, und das kann sich ein relativ kleiner Laden halt nicht leisten da alle verfügbaren Modelle hinzustellen. War mir eigentlich vorher klar, aber wenn man grad in der Ecke ist..
    Der im Geizmarkt muss nur wissen wo das Gerät steht und mir darauf das gewünschte Material vorführen können, das reicht völlig.

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    1. Das wird er gerade noch schaffen *g*

      Aber man muß mit Informationen natürlich auch etwas anfangen können. Also selbst ein wenig "Fachwissen" besitzen oder sich eingehend damit befaßt haben.

      Apropos angucken... und anfassen... das ist ja wohl in unserer Branche noch unser Vorteil...

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  7. In der Elektronikbranche ist der „kleine“ Einzelhandel schon seit über 2 Jahrzehnten tot. Die paar noch existierenden Geschäfte halten mehr schlecht als recht noch solange aus, bis die Rente winkt, da man meistens im „eigenen“ Haus sein Geschäft betreibt und sich somit (betriebwirtschaftlich inkorrekt) keine Miete kalkulieren muß, oder man betreibt den Elektrohandel gewissermaßen im „Nebenerwerb“.

    Was dieser Branche erheblich geschadet hat und natürlich auch jeder anderen noch existierenden Branche schadet, ist der Diebstahl geistigen Eigentums; auch Beratungsdiebstahl genannt. Den z. B. durch das Internet vorinformierten Kunden kann nur ein qualifizierter Fachmann zufriedenstellen. Den kann sich in der Regel aber ein kleiner Einzelhandel nicht mehr leisten, und die großen Märkte wollen und brauchen es nicht, weil bei denen über den Preis und die (verdummende) Werbung verkauft wird.

    Die Marktmacht haben sich im Elektobereich (Lebensmittel, Bäckereien, Drogerien usw. nicht vergessen), auch Computer zählen dazu, ein paar Hersteller und ein paar Großvertriebsformen an sich gerissen. Der Kunde bezahlt den scheinbar günstigeren Preis mit schlecht bezahlten und geradezu ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen (nicht nur Schlecker), in deren „Genuß“ auch er selbst, die Ehefrau oder Sohn/Tochter durchaus mal kommen können. Ein jeder sollte seinen eigenen Arbeitsplatz, mit dem er nicht zufrieden ist, auf diese Kausalität überprüfen. Des weiteren mit einer schlechten Qualität bezüglich Haltbarkeit der Geräte. Drucker, Flachbildschirme (wenn nicht gerade von Metz) und viele Elektrogeräte fallen innerhalb von fünf Jahren aus und können dann meist auch nicht mehr repariert werden. Dieses eingebaute Verfallsdatum betrifft heute bereits sehr viele Produkte aus allen Branchen, und das fast unabhängig vom Preis.
    Was lernen wir daraus: Wenn eine gesunde Konkurrenz erst mal ausgeschaltet ist, und die großen Vertriebsformen sind nur scheinbar konkurrent zueinander, dann bleibt der Verbraucher in mehrerlei Hinsicht auf der Strecke. Das kurzfriste Schnäppchen des Einzelnen entpuppt sich langfristig in der Masse als gesellschaftsverändernd.
    Was können wir dagegen tun?: Gar nichts – dieser Zug ist abgefahren. Wenn erst mal Strukturen zerstört sind, dann dauert es wieder Jahrzehnte, bis eine „Rückbesinnung“ greift, wenn überhaupt.

    N.S. Ich wünschte mir in Quartzuhren einen Chip, der pünktlich nach der Garantiezeit seinen Geist aufgibt. Leider gibts den noch nicht - aber was nicht ist, kann ja noch werden.

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    1. "...Wenn erst mal Strukturen zerstört sind, dann dauert es wieder Jahrzehnte, bis eine „Rückbesinnung“ greift, wenn überhaupt...." Es wird keine Rückbesinnung mehr geben. Wir alle sind mittlweile auf "Zukunft & Fortschritt" dermassen konditioniert, dass Rückbesinnung bestenfalls das Killerargument hervorruft: "Willst du wieder zurück ins Mittelalter"? Immer wieder schön zu sehen, wie sich Gesichter verändern, wenn man diese "Frage" dann mit JA beantwortet.
      Ich habe gerade wieder mit einem Vollpfosten zu tun, der mir jeden Tag zig-mal erklären muss, warum sein Ei-Fon so ein tolles Ding sei. Geradezu zwanghaft versucht da jemand, sich selbst zu vergewissern, dass er auf dem Laufenden ist. Merke: Auf dem Laufenden sein - auf dem Laufband sein - im Hamsterrad sein. Die Prozesse beschleunigen sich...

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